Komplexität: Nach “Wer?” statt nach “Wie?” fragen

Ich möchte illustrieren, weshalb man beim Lösen von komplexen Problemen eher “Wer?” statt “Wie?” fragen sollte.

In diesem Beitrag habe ich bereits Eigenschaften komplexer und komplizierter Probleme und Situationen dargelegt. Wichtig dabei ist zu betonen, dass ich mich beim Beschäftigen von Komplexität und Kompliziertheit nicht darauf fokussiere, wie Komplexität entsteht, sondern darauf, was komplexe Probleme, gerade im Unterschied zu komplizierten, ausmacht. Denn aus diesen Eigenschaften lassen sich passfähige Handlungen ableiten, nicht aus der Erkenntnis, wie diese Probleme entstehen.

Die untere Abbildung stellt die Beziehung zwischen dem Anteil der komplexen und komplizierten Anteile an zu lösenden Problemen (y-Achse) und dem Raum passfähiger Handlungen (x-Achse) dar, allerdings nur im 1-dimensionalen Raum an passfähigen Handlungen. Dazu kommen wir gleich.

Aus dem oben zugelinkten Beitrag ist ersichtlich, wie ich komplexe Probleme definiere.

Je mehr komplexe Anteile ein zu lösendes Problem besitzt, desto weniger handlungsleitend beschreibbar ist dieses Problem und damit die Lösung.

Genauer habe ich diese Definition in diesem Beitrag beschrieben.

Welche Erkenntnisse ziehen wir nun aus der Abbildung?

Besitzt ein Problem 100% komplizierte (handlungsleitend beschreibbare) Anteile, und damit 0% komplexe (handlungsleitend nicht beschreibbare) Anteile, so gibt es genau 2 Alternativen für eine passfähige Handlung. Diese sind auf der x-Achse mit einem grünen Punkt gekennzeichnet. Es bleibt allerdings zu betonen, dass diese Probleme wohl nur theoretisch existieren, da immer dann, wenn der Mensch in ein Problem eingreift, die komplexen Anteile größer Null sein müssen.

Je größer die komplexen Anteile eines Problems werden, desto größer wird auch der 1-dimensionale Raum an passfähigen Handlungen.

Das passt zu der Eigenschaft komplexer Probleme. Je größer die komplexen Anteile werden, desto eher zieht man mit jeder passfähigen Handlung negative Wirkungen mit. Es ist ebenfalls ersichtlich, dass, je mehr komplexe Anteile ein Problem hat, desto weniger ein Rezept zum Lösen vorliegen kann, da man immer mehr mögliche Kontexte der Zukunft in das Rezept einbauen müsste, was immer unmöglicher wird, je größer die komplexen Anteile werden.

Das einmal angewendet auf ein konkretes Beispiel. Ich nehme einen bestimmten Polstrang heraus, der in der obigen Abbildung auch dargestellt ist.

  1. Pol 1: Ich benötige ein konkretes fixes Ziel um erfolgreich zu sein. und
  2. Pol 2: Ich benötige kein Ziel, um erfolgreich zu sein. (Negation von Pol 1).

Weder der Pol 1 noch Pol 2 stellt Alternativen für passfähige Handlungen dar. Passfähige Handlungen sollten also auf diesem Strang ausbalanciert werden. Und je mehr komplexe Anteile ein Problem hat, desto größer wird dieser 1-dimensionale Raum zur Ausbalancierung, wie in der obigen Abbildung illustriert.

Möchte ich eine Uhr reparieren, ist der Raum passfähiger Handlungen kleiner, als wenn ich ein Unternehmen führen möchte. Desto eher sind also konkrete Handlungsbeschreibungen für das Reparieren einer Uhr möglich als für das Führen eines Unternehmens.

Besitzt ein Problem 100% komplexe Anteile, dann ist der 1-dimensionale Raum an passfähigen Handlungen größtmöglich. Aber auch diese Probleme sind wohl eher theoretischer Natur.

Und nun kommt noch hinzu, dass ich in der obigen Abbildung nur einen Polstrang aufgeführt habe, also nur eine Dimension. Es gibt noch viele mehr, die man beim Lösen von Problemen beachten sollte. Die untere Abbildung stellt das mal schematisch für 2 Polstränge (2 Dimensionen) dar.

Was genau kann man sich unter diesen Polsträngen (Dimensionen) vorstellen? Das sind die Wie-Fragen, die für das Lösen der Probleme relevant sind, also Fragen wie

  1. Benötige ich ein konkretes Ziel?
  2. Kann ich eine dedizierte Methode verwenden?
  3. Sollte ich das Problem im Scrum-Denkrahmen lösen?

Die jeweiligen Extrempole dieser Fragen, also dieser Polstränge, sind dann zum einen eine Antwort auf die Frage, sowie das genaue Gegenteil dieser Antwort. Identifiziere ich also x relevante Frage zum Lösen dieses Problems kommen zu den beiden Achsen der ersten Abbildung genau x Achsen hinzu.

Auffallend ist, dass, je mehr komplexe Anteile ein zu lösendes Problem hat, desto größer ist die Anzahl der zu beantwortenden Wie-Fragen, desto mehr Achsen kommen also hinzu. Das erhaltene Diagramm spannt also einen n-dimensionalen Raum an passfähigen Lösungen auf, in dem die dedizierte Lösung gefunden werden muss.

Und genau für das Auffinden dieser dedizierten Lösung in diesem n-dimensionalen Raum ist die Frage “Wie?” nicht zielführend, ist sie ja bereits im 1-dimensionalen Raum nicht, wie oben ausgeführt. Die Frage “Wer?” ist relevant. Man benötigt also den “richtigen” Menschen mit der passigen Gabe, der sich in komplexen Umgebungen passfähig bewegen kann.

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Künstliche Intelligenz gibt es noch nicht

Oft lese ich von Künstlicher Intelligenz und das wir bald so weit sind, dass Maschinen schlauer sind als wir Menschen. Nein, und dieses Nein gerne in Schriftgröße 100 und ganz fett geschrieben.

Künstliche Intelligenz gibt es derzeit noch nicht. Alles was derzeit unter diesem Deckmantel entwickelt wurde ist allenthalben maschinelle Mustererkennung. Nicht mehr und nicht weniger.

Wir sind derzeit meilenweit davon entfernt Lebendigkeit zu modellieren und künstlich zu erzeugen und damit auch Intelligenz. Und das liegt nicht an den mathematischen Verfahren oder Algorithmen, die wir einsetzen, um Lernverfahren für Maschinen zu programmieren.

Ich habe 1998-99 im Rahmen meiner Diplomarbeit ein Lernverfahren für ein Künstlich Neuronales Netz für eine Maschine zur Bilderkennung entwickelt und programmiert. Und seit dem hat sich zwar auf der quantitativen Ebene so Einiges getan. Die Maschinen können heute schneller rechnen und sie können mittlerweile auch mehrere Formate, wie zum Beispiel Sprache, als Inputdaten verarbeiten.

Auf der qualitativen Ebene hat sich allerdings nichts getan. Na klar wurden die Algorithmen weiter entwickelt. Aber das ist nicht der Punkt. Es liegt an der Art und Weise, wie unsere Maschinen funktionieren. Sie funktionieren seit Beginn an auf Basis der Axiome der klassischen (Aristotelischen) Logik.

  1. Axiom: Satz der Identität
    Alles ist mit sich identisch und verschieden von anderem! Beispiel: Sagt jemand von sich er sei Katholik, dann ist er nicht Protestant oder Moslem, etc.
  2. Axiom: Satz vom konträren Widerspruch
    Von zwei Sätzen, von denen einer das Gegenteil des anderen aussagt, muss einer falsch sein! Beispiel: Herr X ist Protestant. Herr X ist Katholik.
  3. Axiom: Satz vom ausgeschlossenen Dritten (TERTIUM NON DATUR – TND)
    Von zwei Sätzen, von denen einer das vollständige Gegenteil des anderen aussagt, muß einer richtig sein! Beispiel: Herr X ist Katholik, Herr X ist Nicht-Katholik.
  4. Axiom: Satz vom zureichenden Grunde
    Alles hat seinen Grund, warum es so ist, wie es ist!

Diese Axiome sorgen dafür, dass Autonomie, als Grundlage für Lebendigkeit, derzeit technologisch nicht umsetzbar ist. Mehr möchte dazu aber gar nicht schreiben, sondern auf den Beitrag Autonomie in Biologie und Technik verweisen, wo dieser Fakt gründlich untermauert ist. Viel Spaß beim Lesen.

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Möchte man Geld verdienen, sollte man Geldverdienen nicht in den Fokus setzen

Je komplexer Umgebungen sind, desto weniger können wir Menschen diese sprachlich erfassen. Das bedeutet dann aber nicht automatisch, dass wir in diesen Umgebungen nicht passfähig handeln können, ganz im Gegenteil sogar. Wir können eben nur nicht Erfolg und Misserfolg von Handlungen über lineare Ursache-Wirkungsbeziehungen erklären.

Einige andere Aspekte zu Komplexität habe ich hier zusammen geschrieben.

Das schließt ebenfalls ein, dass wir mit scheinbaren Widersprüchen umgehen sollten. Auf einen dieser scheinbaren Widersprüche möchte ich nun eingehen.

Unternehmen müssen Geld verdienen, tun sie es nicht, sterben sie. Aber, fokussieren sich die Menschen in einem Unternehmen im Denken und Handeln primär auf Geldverdienen, werden sie mittel- und langfristig immer weniger Geld verdienen.

Je mehr komplizierte Anteile eine Umgebung hat, also je maschinenartiger eine Umgebung funktioniert, desto weniger trifft diese Feststellung zu. In solchen Umgebungen sollte man eben das was man erreichen möchte auch in den Fokus setzen.

Die Wirkungen rund um das Geldverdienen habe ich in diesem kleinen Loopy-Modell modelliert. Beim Simulieren gerne darauf achten, dass der Faktor “Geldverdienen” am Anfang noch zunimmt, dann aber nach einer gewissen Zeit nahe Null bleibt und nicht mehr anwächst.

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Handhaben von Komplexität erfordert NEUES Denken

Um die komplexen Probleme unserer Gesellschaft aber auch in den Unternehmen lösen zu wollen, sollten wir anfangen anders zu denken, weg vom mechanistisch-ingenieurstechnischen hin zum organischen Denken. Diesen Fakt habe ich in der Vergangenheit bereits in verschiedenen Beiträgen beleuchtet. Nachfolgend führe ich nur einige auf.

  1. Vernetztes Denken ist (noch?) eine Illusion
  2. In der Schule verlernen Schüler das Denken
  3. Denken und Handeln nach der Kostensicht zerstört die Identität von Unternehmen
  4. Unternehmen NEU denken, um den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten
  5. Unser Denkrahmen hat sich seit dem Mittelalter nicht weiter entwickelt

Das mechanistisch-ingenieurstechnische Denken ist uns in Fleisch und Blut übergegangen, da genau dieses Denken in unseren Bildungseinrichtungen gelehrt wird (siehe den zweiten in der obigen Liste aufgeführten Beitrag). Das organische Denken ist über die Jahre in den Hintergrund verschwunden, jedoch vor einigen Jahrhunderten mit Johann Wolfgang Goethe bekannt geworden.

Dieser spannende Vortrag, separiert in 11 Teile, stellt diese These sehr anschaulich dar.

Das organische Denken ist von einer Dreigliederigkeit geprägt. Jedes organische System (Mensch, Tier, Pflanze, Gesellschaft, Unternehmen etc.) besteht aus 3 autonom agierenden Systemen, die miteinander im Sinne eines größeren Ganzen kooperieren.

Beim Menschen sind das diese Systeme.

  1. Rhythmus-System (Lunge, Herz – Fühlen),
  2. Nerven-Sinnessystem (Denken) und
  3. Soffwechsel-System (Wollen)

In der Gesellschaft sind das diese Systeme

  1. Wirtschaftssystem (Wirtschaft),
  2. Rechtssystem (Politik) und
  3. Geistessystem (Bildung und Kultur)

Welche 3 Systeme wären das in den Unternehmen? Was bedeutet das für die Organisationsstruktur von Unternehmen? Wie kann man diese Gedanken mit dem Viable System Model verknüpfen? Fragen über Fragen. Das Leben wird nicht langweilig. 😉

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Das Agile Manifest ist ein Beschreibe- kein Wandelinstrument

Ich möchte die folgende These in diesem Beitrag untermauern.

Das „Agile Manifest“ beschreibt passfähiges Arbeiten, um Wert in immer komplexer werdenden Umgebungen zu generieren. Es ist allerdings nicht passfähig, um Menschen genügend Hilfe zu bieten, um dieses passfähige Arbeiten zu erlernen.

Um diese These zu untermauern, kümmere ich mich erst einmal um Komplexität. In diesem Foliensatz finden Sie meine Gedanken zu Komplexität, vor allem und insbesondere in einer Gegenüberstellung zu Kompliziertheit.

Eines von vielen Charakteristiken von je komplexer werdenden Umgebungen ist, dass man in diesen jeder Handlung positive als auch negative Aspekte abgewinnen kann. Man könnte auch formulieren, dass in je komplexer werdenden Umgebungen jede Handlung negative Konsequenzen nach sich zieht.

Halten wir dieses Charakteristikum von Komplexität gerne im Kopf. Wir kommen darauf zurück, widmen uns nun aber erst einmal der „Agilität“. Dazu eine kleine Anmerkung. Ich schreibe das Wort „Agilität“ in Anführungszeichen, da es in meinen Augen mittlerweile zu einem inhaltsleeren Buzzword verkommen ist, ich es aber trotzdem nutze, um Anschlussfähigkeit für Verständigung herzustellen. In meinen Augen, und da wage ich mal eine steile Hypothese, wurden die Prinzipien der „agilen“ Arbeitsweisen nicht erst mit dem „Agilen Manifest“ gesetzt, sondern sehr viel früher, nämlich von Talcott Parsons mit dem AGIL-Schema in den 50-iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ich bin mir nicht sicher, ob die Verfasser des „Agilen Manifests“ die Ideen von Parsons kannten. Das ist auch für mich nicht relevant. Viel wichtiger ist, dass ich Ähnlichkeiten entdecke, aber auch einen gewichtigen Unterschied.

  • Das AGIL-Schema beschreibt Grundfunktionen und Fähigkeiten, die ein Unternehmen, Bereich, Team etc. zur Selbsterhaltung erfüllen muss.
  • Das Agile Manifest beschreibt Handlungsprinzipien, die ein Unternehmen, Bereich, Team etc. zur Selbsterhaltung erfüllen muss.

Vielleicht wundern Sie sich ein wenig ob meiner Betrachtung des Agilen Manifests. Ja, ich weiß, es ist im Umfeld der Softwareentwicklung entstanden, trotzdem sind in meinen Augen die dort beschriebenen Werte als Prinzipien auf generelle Kontexte übertragbar, wo Menschen zusammen Wert generieren wollen.

Einen schönen Beitrag, der das „Agile Manifest“ in Verbindung zu der Theorie von Parsons setzt, finden Sie hier.

Das „Agile Manifest“ beschreibt Prinzipien. Kommen wir nun zu dem Charakteristikum von Komplexität zurück und erkennen das Problem, denn je komplexer eine Situation ist, desto eher kann man jede Handlung als prinzipientreu definieren. Denn hier ist Wahrnehmung von Kontexten entscheidend, um zwischen Ausnahme und Regel zu unterscheiden. Wahrnehmung ist aber stets Wahrheit. Klar, heißt ja auch WAHRnehmen und nicht FALSCHnehmen. Deshalb sollte man einem Menschen auch niemals entgegnen falsch wahrzunehmen.

Menschen mit passfähiger Haltung treffen passfähige Unterscheidungen. Sie benötigen das Prinzip nicht mehr, um daraus ihre Handlung abzuleiten. Menschen mit nicht passfähiger Haltung treffen nicht passfähige Unterscheidungen, was man aber nicht thematisieren kann. Sie werden stets behaupten können, dass sie nach dem Prinzip handeln. Das definierte Prinzip passt mit höher werdender Komplexität für immer mehr Handlungen. Das Dilemma ist nicht auflösbar. Deshalb ändert sich auch nichts.‬

Dazu gerne ein Beispiel.

Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge

ist ja bekanntlich ein Prinzip im „Agilen Manifest“. Dieses Prinzip gibt nicht vor, wie viele Prozesse und Werkzeuge wann und wo notwendig sind. Die Kontexte fehlen.

Ich würde sogar behaupten, dass wir in der Wirtschaft regelmäßig gegen dieses Prinzip verstoßen, wenn wir beispielsweise Rollen über Menschen setzen, wenn ich Rollen als “Strukturen im Außen” zu den Prozessen und Werkzeugen zähle. Dazu nur ein Beispiel. Gehälter werden direkt an Rollen fest gemacht, nicht direkt an einzelnen Menschen. Ergebnis sind dann Gehaltsbänder. Ich könnte jetzt hier unzählige weitere Beispiele nennen.

Selbstverständlich kann man meine Behauptung, dass wir gegen dieses Prinzip verstoßen, immer wieder entkräften. Die Zeit darüber zu streiten kann man sich sparen. Es fällt nicht schwer, die eigene Position auf Basis des obigen Prinzips zu bestätigen, denn es ist zu schwammig für eine klare Einwertung, was auf der anderen Seite auch wieder passig ist, da sonst eine passfähige Beschreibung der Handlungen im „agilen“ Zielraum auch nicht möglich wäre, da es zu sehr einschränken würde. Genau deshalb fehlt aber die genaue interpretationsfreie Handlungsleitung in der Beschreibung, weshalb der Wandel hin zu diesem Zielraum nicht befeuert wird.

Es geht mir rein inhaltlich nicht um die Passfähigkeit des Agilen Manifestes an sich. Das unterschreibe ich glatt und sofort. Es geht mir um die Handlungsleitung für einen Wandel in neue Denk- und Arbeitsweisen hinein. Und diese ist in meinen Augen nicht gegeben. So lange wir also „Agilität“ mit Prinzipien gleich setzen wird sich nichts ändern und der Begriff verbrannt, was gerade geschieht. Ich beziehe mich lieber auf Parsons und setze „Agilität“ mit Fähigkeiten gleich. Hat man eine Fähigkeit nicht, lässt sich das nicht verschleiern, egal was man behauptet.

Was ist zu tun, um einen Wandel hin zu „Agilität“ zu befeuern? Prinzipien reichen nicht aus. Das habe ich versucht zu zeigen. Fragt man ein Team, Bereich, Unternehmen, wo bereits ein Wandel erfolgreich verlaufen ist, könnten sie mit Fug und Recht ihr Handeln mit passfähigen Prinzipien beschreiben. Hier ist die eingebaute Freiheit im Handeln, die je unterschiedlichem Kontext notwendig ist, für die Beschreibung passfähig. Möchte ein Team, Bereich, Unternehmen, den Wandel hin zur „Agilität“ allerdings erst vollführen, mutiert der Freiraum für das Handeln, der durch die Prinzipien aufgespannt wird, zur Beliebigkeit.

Für einen Wandel müssen Handlungsprinzipien aus den notwendig zu erlangenden Fähigkeiten abgeleitet werden, um diese Prinzipien dann in einen weiteren Schritt in konkrete Regeln zu formen, die interpretationsfreie Handlungsleitung sicherstellen. Für diese Regeln gibt es keine Best Practice, sondern bestenfalls Good Practice. Jedes Unternehmen, Bereich, Team sollte seine eigenen Regeln finden, denn es bestehen stets unterschiedliche Kontexte, in denen agiert wird. Dabei muss man das Rad nicht neu erfinden. Man kann sich auf bereits oft bewährte Praktiken erfolgreicher Unternehmen beziehen, sollte dabei aber nicht stumpf kopieren.

Bei Shu-Ha-Ri ist diese Erkenntnis inhärent eingebaut. In der ersten Stufe „Shu“ werden klare Regeln definiert, die interpretationsfrei sind. Die Klarheit wird dann mit Stufe „Ha“ und spätestens mit „Ri“ verlassen, um den notwendigen Freiraum im Handeln zu gestatten, um der Komplexität gerecht zu werden.

Für mehr Details zur Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien empfehle ich Ihnen diesen Podcast oder diesen Blogpost, in dem ich unter anderem an einem Beispiel beschreibe, wie man von einem Prinzip zu einer Regel kommt.

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Kundenzentrierung in Unternehmen ist unmöglich, sollte aber trotzdem ausgelobt werden

“Kundenzentrierung” ist in meinen Augen ein Marketingbegriff, wenn auch ein notwendig wichtiger. Mit dem heutigen Blogpost möchte ich belegen, dass Kundenzentrierung in Unternehmen niemals möglich ist, jedenfalls wenn man die Welt mit der Sprache und den Modellen des Radikalen Konstruktivismus betrachtet, wie ich es vollführe.

Es gibt ja so einige Konzepte und Modelle, die die Interaktion zwischen Unternehmen und Markt darstellen. Ich greife hier den OODA Loop heraus. Das folgende Bild ist von Mark Lambertz – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0.

Im Netz findet man so einige Abbildungen und dazugehörige Beschreibungen des OODA Loops. Bei all diesen fällt mir die fehlende Beachtung der operationalen Geschlossenheit von Unternehmen und Markt auf. Beim Betrachten der Abbildungen kommt man leicht zum Fehlschluss, das Menschen im Unternehmen direkt auf Geschehnisse des Marktes reagieren könnten sowie umgekehrt (in der obigen Abbildung unten rechts zwischen “Aktion (Test)” und “Sich entfaltende Interaktion mit der Umgebung”). Das geht nicht. Ein Unternehmen kann mit dem Markt niemals einen geschlossenen Regelkreislauf ausbilden.

Menschen in den Unternehmen können niemals direkt auf Basis von Handlungen von Akteuren des Marktes (Kunden, Wettbewerber, Lieferanten etc.) agieren, die ich mal als externe Referenzen bezeichne. Menschen in den Unternehmen müssen interne Referenzen aufbauen. Das sind zum Beispiel Leitbilder, Missionen, Visionen, Strategien, Kennzahlen, Rollen, Prozesse etc. Diese internen Referenzen sollten zwingend Geschehnisse des Marktes passfähig abbilden, damit die darauf basierenden Handlungen ebenfalls passfähig sein können.

Ich schreibe im obigen Bild auf der rechten Seite bewusst von Perturbation und nicht von beispielsweise Interaktion o.ä. Perturbation drückt in meinen Augen genauer aus, was die Signale der Umwelt (externe Referenzen) überhaupt im Stande sind im Unternehmen zu leisten. Sie wirken ausschließlich quantitativ. Die Qualität wird, es geht gar nicht anders, im Unternehmen, über die Transformation in interne Referenzen, konstruiert.

Kein Mensch in einem Unternehmen sollte sich heraus nehmen, Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu kennen. Wünsche und Bedürfnisse der Kunden werden in interne Referenzen transformiert. Bei dieser Transformation gibt es stets Informationsverluste. Der Glaube an keinen solcher Verluste sollte auf der einen Seite so stark sein, dass man auch ins Handeln kommt, da man sonst in Starre verharrt, ob des Haderns über die richtige Entscheidung. Auf der anderen Seite aber sollte der Glaube auch wieder so schwach sein, um Demut walten zu lassen, damit regelmäßig eine Validierung dieser Transformation angegangen wird.

Die Eigenzentrierung der Unternehmen ist wegen der operationalen Geschlossenheit dieser unüberwindbar, was aber kein Wettbewerbsnachteil ist, da diesem Dilemma jedes Unternehmen aufgesessen ist.

Die internen Referenzen sind den Kunden Großteils unbekannt und haben rein gar nichts mit ihnen zu tun. Die Kunden scheren sich Null um sie. Ich bin Kunde von einigen Unternehmen, kenne aber weder deren Vision, Strategie oder Kennzahlen. Diese sind mir auch vollkommen egal, so lange meine Wünsche und Bedürfnisse erfüllt werden und das nicht zu Lasten der Umwelt inkl. meiner Mitmenschen. Die internen Referenzen in den Unternehmen beeinflussen meine Entscheidungen als Kunde nicht. Sie beeinflussen aber die Entscheidungen der Menschen im Unternehmen. Dafür sind sie ja da. Die Basis, auf denen Entscheidungen getroffen werden, ist innerhalb des Unternehmens und bei den Kunden Grund verschieden. Kundenzentrierung ist unmöglich.

Warum ist die Erkenntnis der Notwendigkeit, externe in interne Referenzen zu transformieren, so wichtig? Ich höre immer wieder, Erkenntnis zu generieren, wie der Markt auf eigene Handlungen reagiert, wäre immens wichtig. Aber auf welcher Ebene will oder sollte man Erkenntnis generieren? Es ist entscheidend, ob man die Transformation von externen in interne Referenzen validiert, also die Modelle, wie der Markt betrachtet wird, oder eben die Handlungen, die auf einem bestehenden Modell beruhen. Meistens wird nur das Zweite getan, weil man sich der Notwendigkeit von Modellen (Transformation externer in interne Referenzen) gar nicht bewusst ist. Und das ist auch der Grund, warum echte Weiterentwicklung oft verpasst wird. Bei Ersterem wird der Denkrahmen, also die Art und Weise WIE man denkt, hinterfragt. Beim Zweiten wird der Denkinhalt, also WAS man denkt, hinterfragt.

Unternehmen sind also stets eigenzentriert, niemals kundenzentriert, was natürlich nicht bedeutet, dass die Kunden den Menschen im Unternehmen egal sein können. Ganz im Gegenteil. Deshalb sage ich ja auch, dass Kundenzentrierung ausgelobt werden sollte. Ich gehe sogar noch weiter. Ich möchte Unternehmen keinesfalls aus der Verantwortung lassen, Kundenzentrierung anzustreben, auch wenn sie nie erreichbar ist. Dieses Bewusstsein und die darauf aufbauende Haltung darüber ist wichtig.

Nun möchte ich noch einmal auf die oft nicht bewusst durchgeführte Transformation von externen in interne Referenzen eingehen und am Beispiel Kennzahlen belegen. Sie finden sicherlich weitere Beispiele, wo nicht passfähige interne Referenzen aufgebaut werden. Ich höre und lese häufig von Unternehmen, dass sie für einen gewissen Zeitraum Rendite-gesteuert sind, sich aber trotzdem in Richtung des Marktes und der Kunden ausrichten wollen. Das ist schwierig bis nicht möglich. Denn, nimmt man sich die Renditeformel mal zur Brust und bildet die erste Ableitung (zum Zwecke der Optimierung) erhält man in der Formel nur noch Kostenbestandteile, keine Umsatzbestandteile. Das bedeutet, bei Renditeoptimierung sollte man sich einzig und allein auf Kosten fokussieren und diese minimieren, was man auch leicht an den ausgelobten Handlungen, wie Streichen von Schulungen oder vakanten Stellen, erkennt. Diese Handlungen haben aber rein gar nichts mit den Kunden zu tun, obwohl man den Kunden doch in den Fokus seiner Handlungen stellen wollte. Umsatz wäre näher als Kosten am Kunden ausgerichtet, allerdings bewirkt auch diese Kennzahl keine Kundenzentrierung. Sie ist und bleibt eine interne Referenz. Hier finden Sie gerne mehr dazu. Das ist ein gutes Beispiel, wie ausgelobte Handlungen das eigentlich verfolgte Ziel aufgrund nicht passfähiger Transformation externer in interne Referenzen verfehlen.

Ich hoffe meine Worte werden so verstanden, wie ich es im Sinn habe. Nur weil Unternehmen niemals kundenzentriert agieren können, bedeutet es nicht automatisch, dass sie nicht im Sinne der Kunden agieren sollten. Das fordere ich persönlich sogar ein. Ist man sich der Eigenzentrierung im Unternehmen nicht gewahr, vernachlässigt man die sowieso stattfindende Transformation von externen in interne Referenzen. Dann läuft diese Transformation aber unbewusst und unreflektiert ab und kann deshalb nicht Bestandteil des Lernens im Unternehmen sein.

Noch eine kleine Randbemerkung zum Ende des Beitrages. Für Diejenigen, die sich tiefer und eingehender mit dem Phänomen der operationalen Geschlossenheit befassen möchten, verweise ich gerne auf meinen Beitrag Ist Objektivität eine Illusion? Denn, es gibt nicht nur die Notwendigkeit der Transformation von externen in interne Referenzen zwischen Markt und Unternehmen, sondern auch zwischen den einzelnen Menschen in den jeweiligen Unternehmen und denen im Markt. Jeder einzelne Mensch ist operational geschlossen und bildet daher in sich das Konzept der OODA Loops aus. Seit dem ich diesen Fakt für mich aus dem Radikalen Konstruktivismus übernommen habe, bin ich demütiger in puncto Kommunikation und Verständigung geworden.

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Komplexität: Meine Ideen dazu in einem kleinen Foliensatz kondensiert

Viel wird gerade im Zuge der Digitalisierung über Komplexität geredet und geschrieben. Oft empfinde ich die Darstellungen als nicht unbedingt handlungsleitend. Auch bestehende Modelle, wie Cynefin, sind meiner Erfahrung nach nicht so gestaltet, dass Komplexität gut verstanden werden kann, was nicht bedeutet, dass ich das Cynefin Modell komplett ablehne.

Aus dieser Motivation heraus habe ich in diesem kleinen Foliensatz meine Ideen und Gedanken zu Komplexität gespiegelt.

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Ökonomie – Was passiert eigentlich, wenn Mathematik nicht passfähig angewendet wird?

Modelle, nach denen wir Entscheidungen treffen, werden in meinen Augen oft zu wenig bis gar nicht hinterfragt und validiert. Obwohl das so wichtig wäre, denn nicht passfähige Modelle erzeugen nicht passfähige Entscheidungen und damit nicht passfähige Handlungen. Genau um diesen Fakt soll es in diesem Beitrag gehen, und zwar im Kontext der Ökonomie. Denn einige Gesetzmäßigkeiten, die in der Ökonomie vorherrschend sind und scheinbar wie Naturgesetze daher kommen, basieren auf nicht passfähigen mathematischen Modellen.

Ideen in diesem Kontext habe ich vor ein paar Jahren schon einmal im Beitrag namens Erkenntnisse der Mathematik werden falsch in die Wirtschaft portiert offenbart. Nun wurde ich auf dem diesjährigen LeanAroundTheClock 2019 wieder auf diese Problematik aufmerksam gemacht, nämlich von Stefan Röcker in der Themenbox der priomys, wo wir über NewWork diskutiert haben.

Im Rahmen dieser Diskussion warf Stefan das Buch Gier von Marc Elsberg in den Raum und erwähnte, dass in diesem Roman die mathematischen Modelle, auf denen unsere Ökonomie fußt, als nicht passfähig dargestellt werden. Da hat er mich als Mathematiker natürlich sofort gehabt. Ich habe mir am gleichen Tag das Buch bestellt und gelesen, nein verschlungen. 🙂

Elsberg deckt in diesem Buch in Romanform Fehler im mathematischen Fundament der Ökonomie auf, was letztendlich zu nicht passfähigen Entscheidungen und dann zu nicht passfähigen Handlungen führt. Hier findet man ein paar Hintergrundinformationen zum Anliegen dieses Buchprojektes.

Das Spiel

Der Autor lässt in dem Roman einen seiner Romanfiguren, Fitzroy Peel, anderen Menschen ein Spiel anbieten. In einer Kneipe schlägt er Folgendes vor. Einsatz je Spieler sind 100 Euro. Dann wird 100 Runden lang eine Münze geworfen. In jeder Runde wird bei Kopf 50% des derzeitigen Vermögens gewonnen und bei Zahl 40% verloren. Alle der angesprochenen Menschen in der Bar gehen das Spiel ein, natürlich im Gefühl des sicheren Gewinns. Wie rechnen diese Menschen? Würden Sie spielen?

Die Wahrscheinlichkeit für Kopf beträgt 50%, ebenso wie für Zahl. Wenn man nun diese Wahrscheinlichkeiten mit den Gewinn- und Verlustchancen kombiniert, erhält man den Erwartungswert.

Erwartungswert = 50% * (1 + 50%) + 50% * (1 – 40%) = 105%.

Bei dieser Rechnung steigt also das jeweilige Vermögen je Runde um 5%. Bei 100 Euro als Startvermögen beträgt der statistische Erwartungswert für das Gesamtvermögen nach 100 Runden also 13.150,13 Euro. Nach dieser Rechnung ist die Entscheidung, ob man das Spiel eingehen sollte oder nicht, klar. Auf jeden Fall spielen. Aber, ist die Rechnung richtig? Was wurde hier außer Acht gelassen?

Ergodizität

Für die Überprüfung der Passfähigkeit dieser Berechnung führe ich einen Begriff ein, die Ergodizität. Ergodizität ist eine Eigenschaft dynamischer Systeme. Ich zitiere Wikipedia.

Die Ergodizität bezieht sich auf das mittlere Verhalten eines Systems. Ein solches System wird durch eine Musterfunktion beschrieben, die die zeitliche Entwicklung des Systems abhängig von seinem aktuellen Zustand bestimmt. Man kann nun auf zweierlei Arten mitteln:

  1. Man kann die Entwicklung über einen langen Zeitraum verfolgen und über diese Zeit mitteln, also den Zeitmittelwert bilden, oder
  2. Man kann alle möglichen Zustände betrachten und über diese mitteln, also das Scharmittel (Ensemblemittel) bilden.

Streng ergodisch wird ein System dann genannt, wenn die Zeitmittel und Scharmittel mit der Wahrscheinlichkeit eins zum gleichen Ergebnis führen. Anschaulich bedeutet das, dass während der Entwicklung des Systems alle möglichen Zustände erreicht werden, der Zustandsraum also mit der Zeit vollständig ausgefüllt wird. Das bedeutet insbesondere, dass bei solchen Systemen der Erwartungswert nicht vom Anfangszustand abhängig ist.

Reflektieren wir diese Erkenntnis mal auf das Spiel. Das reine Werfen der Münze ist streng ergodisch. Nach 100 Würfen nähert sich das Vorkommen von „Kopf“ und „Zahl“ der 50% an. Alle möglichen Zustände, genau 2, „Kopf“ und „Zahl“, werden vollständig eingenommen. Der Erwartungswert 50% für „Kopf“ und „Zahl“ ist nicht abhängig davon, ob beim ersten Wurf „Kopf“ oder „Zahl“ geworfen wurde. Man könnte hier auch von statistischer Unabhängigkeit sprechen. Hier ist der Ensemblemittelwert zur Beschreibung dieses Systems passfähig. Was passiert aber bei der Hinzunahme der monetären Bewertung?

Spielen wir der Anschaulichkeit halber mal nur 2 Runden. In der 1. Runde fällt „Kopf“. Dann erhöht sich das Vermögen auf 150 Euro (plus 50%). In der 2. Runde fällt „Zahl“. Das Vermögen verringert sich auf 90 Euro (minus 40%). In der entgegengesetzten Reihenfolge, also erst „Zahl“ und dann „Kopf“, kommt man ebenfalls auf 90 Euro. Man erhält nach 2 Runden stets 90 Euro, obwohl „Kopf“ und „Zahl“ in gleicher Anzahl vorkommen. Man besitzt damit nach 2 Runden 10 Euro weniger als zum Spielbeginn. Hätten wir das vermutet? Die Gewinnrate ist höher als die Verlustrate und ich habe trotzdem weniger Vermögen. Wie kommt das?

Der Grund dafür ist die Nicht-Ergodizität des Systems, was dazu führt, dass der Ensemblemittelwert nicht mehr passfähig ist. Nun sollte man den anderen Mittelwert zu Rate ziehen, den Zeitmittelwert, da nun der so genannte Zinseszinseffekt ins Spiel kommt. Mit jeder Runde ändert sich die Berechnungsbasis. Es liegt keine statistische Unabhängigkeit mehr vor, da das Vermögen in Runde (n-1) entscheidend ist für das Vermögen in Runde n. Das war beim reinen Werfen der Münze nicht der Fall.

Menschen die eine Teilnahme am Spiel nach dem Zeitmittelwert bewerten, welcher für diese Situation passfähig ist, kommen zu der Entscheidung nicht zu spielen. Wir sehen also, dass unterschiedliche Modelle zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. Das kann verheerend sein. Ich habe das Spiel in Excel simuliert und folgende Ergebnisse erhalten, die diese angesprochene Dynamik verdeutlichen. Wer die Datei haben mag, kann mich gerne anschreiben. Ich sende das Modell dann zu.

Was erkennt man in der Graphik, in der 4 verschiedene Simulationsläufe abgetragen sind? Wenn der sehr unwahrscheinliche Effekt auftritt, dass nach 100 Runden „Kopf“ um ein Vielfaches mehr als „Zahl“ auftritt, hat man eine Chance nach 100 Runden sein Vermögen zu vermehren. Dieser Effekt wird aber je mehr Runden man spielt immer unwahrscheinlicher. Deshalb geht die Wahrscheinlichkeit, dass man nach 200 Runden sein Vermögen vermehrt hat, hat gegen Null, da der Ensemblemittelwert 50% des Vorkommens von „Kopf“ und „Zahl“ immer mehr Realität wird. Die Berechnung, dass man je Runde sein Vermögen um 5% steigert, ist falsch.

Nach welcher Formel lässt sich denn nun der Zeitmittelwert berechnen? Wir haben oben 2 Runden kurz angedacht. Das ergibt also den Faktor 1,5 (50% gewinnen) * 0,6 (40% verlieren) = 0,9 (Nach 2 Runden: 100 Euro * 0,9 = 90 Euro). Wenn 100 Runden gespielt werden sollen, muss man diesen Faktor mit 50 potenzieren, da dieser Faktor für jeweils 2 Runden gilt. Damit kommt man auf die Zahl 0,005153775 (=0,950). Und diese Zahl muss man nun mit 100 multiplizieren (100 Euro Startwert). Man erhält also 0,515377521 Euro, also ca. 50 Cent.

Nimmt man den Zeitmittelwert als Basis für die Berechnung erhält man nach 100 Runden rund 50 Cent und nicht 13.150,13 Euro, wie nach dem Ensemblemittelwert. Krass, dieser Unterschied, oder? Mit dieser neuen Berechnung kommt man natürlich zum Ergebnis eher nicht zu spielen. Dieses Ergebnis erkennt man in den Ergebnissen der Simulation auch schon eher. 2 unterschiedliche mathematische Modelle führen also zu unterschiedlichen Entscheidungen.

Übertragung auf die Ökonomie

Der Autor lässt die Romanfiguren auf unglaublich spannende und einleuchtende Art und Weise auf Grundlage der Erkenntnis über die Unterschiede der beiden Mittelwerte weitere Überlegungen anstellen.

Unsere derzeitigen ökonomischen Modelle basieren auf dem Ensemblemittelwert. Das ist nicht passfähig, da dieser nur bei statistischer Unabhängigkeit anzuwenden ist, also wenn die Elemente eines Systems nicht interagieren. Komplexe Systeme, wie das ökonomische eines ist, sind aber eben aufgrund ihrer Vernetzung komplex und damit auch emergent. Das Ganze ist mehr (Das „Mehr“ verstehe ich nicht nur quantitativ, sondern vor allem auch qualitativ) als die Summe ihrer Teile. Aus dem Zusammenwirken der Elemente entstehen Eigenschaften, die aus den Elementen heraus nicht erklärbar sind.

Der Zeitmittelwert sollte in der Ökonomie Basis der Berechnungen und damit der Entscheidungen sein. Das ökonomische System ist nicht ergodisch, was relativ leicht erklärbar ist. Es werden in der Realität kaum alle möglichen Zustände im ökonomischen System eingenommen. Mit jeder Entscheidung, die man zum Zeitpunkt n trifft, werden bestimmte andere Zustände, die vor dieser Entscheidung noch wahrscheinlich waren, nun unwahrscheinlich und neue mögliche Zustände kommen hinzu. Das bedeutet, ähnlich wie bei dem Münzspiel ändert sich im ökonomischen System mit jeder getroffenen Entscheidung die Situation für kommende nachfolgende Entscheidungen und Handlungen. Die Berechnungsbasis ändert sich.

Durch diese Interaktionen der Elemente, im ökonomischen System sind das die Menschen, wird aber auch klar, dass Kooperation mehr zum Gemeinwohl beiträgt als Konkurrenz, was das Modell des Homo Oeconomicus auch ins Reich der Fabeln verweist. Unsere Welt ist durch unseren technologischen Fortschritt und die damit verbundene höhere Vernetzung eh komplexer geworden. Begegnen wir diesem Phänomen mit wenig Vernetzung (Interaktion) und damit mit weniger Kooperation und mit mehr Konkurrenz, verringern wir im jeweiligen System (z.B. Unternehmen) die Eigenkomplexität, was dazu führt, dass die Komplexität der Umwelt (z.B. Markt) schlechter zu handhaben ist (Ashbys Law). Diesen Fakt kennt man unter anderem auch aus dem Teamsport. Ein Team bestehend aus den besten Einzelspielern muss noch lange nicht gewinnen, und zwar genau dann nicht, wenn diese Einzelspieler nicht zusammen harmonieren.

Der Autor führt im Roman mit der so genannten Bauernfabel die Unterscheidung zwischen additivem (Ensemblemittelwert) und multiplikativem (Zeitmittelwert) Wachstum ein. Die Natur wächst eher multiplikativ, nicht additiv. Unsere ökonomischen Modelle basieren auf additivem Wachstum (Ensemblemittelwert), was nicht passfähig ist. Das haben wir gesehen. Man kann es sich aber auch auf andere Art und Weise leicht erklären. Wenn man nichts hat, kann man auch nicht einfach etwas generieren: 0 MAL irgendetwas bleibt Null. Das passt. 0 PLUS irgendetwas ist aber größer als 0. Das passt für die Ökonomie nicht.

Also Vorsicht beim Anwenden von Mathematik für die Berechnung von Entscheidungsbasen.

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Werte bewahren uns nicht davor, uns von uns selbst zu entfremden, ganz im Gegenteil

Die Neue Philanthropische Gesellschaft Hamburg, hat gestern zu einem Vortragsabend mit Christoph Quarch geladen. Der Titel des Vortrages war: „Was vom Guten blieb“ Eine kritische Würdigung des Konzeptes „Wert“

Ich bin der Einladung gefolgt und war sehr gespannt. Warum? Zum einen ist mir Christoph Quarch vor geraumer Zeit aufgefallen, da er sehr differenziert über die Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz referiert und diskutiert. In diesem Kontext verweise ich gerne auf dieses Interview mit ihm. Die Quintessenz daraus, jedenfalls aus meiner Sicht, habe ich in dieser Graphik veranschaulicht.

Zum anderen ging es in dem Vortrag um Werte. Diskussionen rund um Werte erleben ja gerade im Zuge des digitalen Wandels in Unternehmen aber auch in unserer Gesellschaft Hochkonjunktur. Teilweise wird dieser Begriff gar inflationär benutzt.

Also versprach ich mir von diesem Abend ebenso viel Differenzierung wie Erkenntnisgewinn. Ich wurde nicht enttäuscht.

Relativ zu Beginn seines Vortrages stellte Quarch klar, dass es wichtig wäre, wenn man über Werte spricht und diskutiert, zu ergründen, wann dieser Begriff überhaupt entstanden ist. Und an dieser Stelle muss man auf die Ökonomie verweisen, also auf eine Zeit, als wir Menschen begonnen haben, das Quantifizieren von Dingen im Zuge einer Bewertung zu perfektionieren. Die Begriffe „Wert“ und „Preis“ haben historisch den gleichen Wortstamm. Und das ist in meinen Augen ein wichtiger Fakt, da damit Werte an sich auch nur wieder eine „Struktur im Außen“ sind, wie beispielsweise Rollen, Benotungen, Prozesse etc., über die wir uns definieren und bewerten lassen.

Es geht also auch bei Werten um die Dimensionen „Höher-Schneller-Weiter“, um beispielsweise Handlungen als gut oder schlecht zu beWERTEN. Werte sind von Menschen gesetzt und verlangen einen rationalen Diskurs, um eine Vergemeinschaftung dieser zu erwirken, um also quasi objektiv zu sein. Nur mit dieser Objektivierung erlangen Werte eine Geltung. Aber wie soll dieser rationale Diskurs bewerkstelligt werden? Ist der Versuch einer Verrationalisierung nicht an sich wieder eine Entfremdung von Subjektivität und damit von Menschlichkeit (siehe obige Graphik)?

Des Weiteren kann man in unserer heutigen Gesellschaft beobachten, dass Werte Instrumente zur Machtdurchsetzung sind. Werte werden durch ihr Gewolltsein überhaupt erst zu Werte, also durch Macht und dann werden sie zum Erhalt dieser eingesetzt. Werte sollten flexibel sein, damit Handlungen, die auf sie beruhen, eine notwendige Angepasstheit mitbringen, um auf geänderte Rahmenbedingungen adäquat reagieren zu können. Allerdings erweist diese Flexibilität den Werten an sich einen Bärendienst, da diese Freiheit ausgenutzt werden kann und wird, und zwar von den Machthabenden.

Nach dieser Argumentationskette, die ich hier nur kurz anreißen kann, stellte Quarch den Wert der Werte grundsätzlich in Frage und kam so auf die Tugendlehre von Platon zu sprechen. Er postulierte in diesem Zuge, dass unser oberstes Ziel Harmonie sein sollte. Jede Handlung, die wir Menschen ausführen, sollte Harmonie als Gebot haben, eine Harmonie nach innen zu uns selbst gerichtet, und nach außen in Richtung unserer Umwelt. Alles sollte sich der Sicherung der Lebensfähigkeit unterordnen, der Mensch im Einklang mit der Natur.

Platon kannte wie gesagt den Begriff „Wert“ nicht. Er trat ja erst mit den Anfängen der Ökonomisierung unseres Lebens in Erscheinung.

Zum Ende des Vortrages habe ich mich dann an einen Beitrag von mir aus dem Jahre 2013 erinnert, in dem ich die Tugendlehre von Platon auf die Frage angewendet habe, wie eine gute Führungskraft sein sollte. Die 4 Tugenden sind in der folgenden Graphik abgetragen und in Beziehung gesetzt.

Details finden Sie in dem Beitrag Eigenschaften einer guten Führungskraft? Frag` doch einfach Platon. Schön, wie sich manchmal alles zusammen fügt. Harmonie. 🙂

Lasst unser Denken und Handeln also eher auf Tugenden als auf Werte ausrichten. Werte drücken stets etwas Quantifizierbares aus. Man will ja mittels ihrer beWERTEN. Damit eliminieren wir Subjektivität und damit Menschlichkeit. Tugenden drücken etwas Qualitatives aus und erhalten Menschlichkeit.

Spannend war auch, dass ich am Tisch von einem Gast verwundert gefragt wurde, warum ich aus der Wirtschaft kommend, solch einem Vortrag lausche, woraufhin ein anderer Gast meinte, dass er eher verwundert ist, dass nicht viel mehr Menschen aus der Wirtschaft anwesend sind. Oh ja. 😉

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Wir sollten unsere Fehler lieben! – Ernsthaft?

Im Rahmen des diesjährigen LeanAroundTheClock in Mannheim wurden Themenboxen angeboten, eine haben die priomys als Gastgeber gestaltet. In dieser Runde wurde die Fragestellung andiskutiert, wie wir eine Brücke von Old Work zu New Work bauen können.

Sehr schnell kamen wir in der Diskussion auf die Themen „Fehler“ und „Fehlerkultur“ zu sprechen. Dabei wurde mir eines wieder einmal bewusst. Wir entmenschlichen häufig Diskussionen. Das möchte ich näher erläutern. Forderungen wie

  1. Wir sollten Fehler lieben! oder
  2. Wir müssen Fehler abfeiern!

bringen mich zu dieser Erkenntnis der Entmenschlichung. Denn, sollten wir Fehler wirklich lieben? Ein passfähiger Umgang mit Fehlern ist wichtig. Das ist genommen. Wir sollten eher anerkennen, dass Fehler, je komplexer die Umgebung ist, in der wir agieren, desto normaler werden. Sie lassen sich nicht verhindern. Wir sollten diesen Fakt annehmen und dann, wenn Fehler passieren, das Beste daraus machen, beispielsweise daraus lernen.

Aber sollten wir Fehler deshalb gleich lieben und abfeiern? Sollten wir sie gar herbei sehnen? Nein, in meinen Augen ganz und gar nicht. Das wäre wider der menschlichen Natur. Da hilft dann auch eine Unterscheidung zwischen „Irrtum“ und „Fehler“, wie ich sie häufig höre und lese, nicht wirklich weiter.

Hier kommt unser Entweder-Oder-Denken zum Vorschein. Entweder Fehler sind gut oder schlecht, was anderes können wir in diesem zweiwertigen Rahmen schwer denken. Das Thema „Fehlerkultur“ wird in einem für mein Befinden nicht passfähigen Denkrahmen diskutiert, was uns nicht dabei hilft, in einen passfähigeren Umgang mit ihnen zu kommen. Dazu passt ein Spruch von Albert Einstein.

Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.

Wir benötigen einen Denkrahmen, in dem wir unsere Menschlichkeit nicht verlieren, uns also nicht zu Maschinen trivialisieren müssen.Wir benötigen einen Denkrahmen, in dem Fehler sowohl gut als auch schlecht sein dürfen, oder anderes ausgedrückt, weder gut noch schlecht, je nach Sichtweise und Kontext.

Auch die mittlerweile allseits bekannten Fuck Up Nights sind ein Mittel in diesem nicht passfähigen Denkrahmen. Hier wird Theater gespielt, jedenfalls in meinen Augen. Menschen, die vor langer Zeit einen Fuck Up hatten, nun aber mittlerweile wieder Erfolg, denn sie haben ja aus ihren Fehlern gelernt (!!!), berichten über ihre lange zurück liegenden Fehler. Ich habe z.B. bislang noch keinen Menschen über solch einem Format berichten gesehen und gehört, der zu dem Zeitpunkt gerade in einem Fuck Up steckte oder dort nicht erfolgreich heraus gekommen ist.

Danke noch einmal an Daniela (Röcker), Stefan (Röcker) und Andreas (Zeuch) von den priomys für die Moderation dieser unglaublich spannende Diskussionsrunde.

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