Im Rahmen des diesjährigen LeanAroundTheClock in Mannheim wurden Themenboxen angeboten, eine haben die priomys als Gastgeber gestaltet. In dieser Runde wurde die Fragestellung andiskutiert, wie wir eine Brücke von Old Work zu New Work bauen können.
Sehr schnell kamen wir in der Diskussion auf die Themen „Fehler“ und „Fehlerkultur“ zu sprechen. Dabei wurde mir eines wieder einmal bewusst. Wir entmenschlichen häufig Diskussionen. Das möchte ich näher erläutern. Forderungen wie
- Wir sollten Fehler lieben! oder
- Wir müssen Fehler abfeiern!
bringen mich zu dieser Erkenntnis der Entmenschlichung. Denn, sollten wir Fehler wirklich lieben? Ein passfähiger Umgang mit Fehlern ist wichtig. Das ist genommen. Wir sollten eher anerkennen, dass Fehler, je komplexer die Umgebung ist, in der wir agieren, desto normaler werden. Sie lassen sich nicht verhindern. Wir sollten diesen Fakt annehmen und dann, wenn Fehler passieren, das Beste daraus machen, beispielsweise daraus lernen.
Aber sollten wir Fehler deshalb gleich lieben und abfeiern? Sollten wir sie gar herbei sehnen? Nein, in meinen Augen ganz und gar nicht. Das wäre wider der menschlichen Natur. Da hilft dann auch eine Unterscheidung zwischen „Irrtum“ und „Fehler“, wie ich sie häufig höre und lese, nicht wirklich weiter.
Hier kommt unser Entweder-Oder-Denken zum Vorschein. Entweder Fehler sind gut oder schlecht, was anderes können wir in diesem zweiwertigen Rahmen schwer denken. Das Thema „Fehlerkultur“ wird in einem für mein Befinden nicht passfähigen Denkrahmen diskutiert, was uns nicht dabei hilft, in einen passfähigeren Umgang mit ihnen zu kommen. Dazu passt ein Spruch von Albert Einstein.
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Wir benötigen einen Denkrahmen, in dem wir unsere Menschlichkeit nicht verlieren, uns also nicht zu Maschinen trivialisieren müssen.Wir benötigen einen Denkrahmen, in dem Fehler sowohl gut als auch schlecht sein dürfen, oder anderes ausgedrückt, weder gut noch schlecht, je nach Sichtweise und Kontext.
Auch die mittlerweile allseits bekannten Fuck Up Nights sind ein Mittel in diesem nicht passfähigen Denkrahmen. Hier wird Theater gespielt, jedenfalls in meinen Augen. Menschen, die vor langer Zeit einen Fuck Up hatten, nun aber mittlerweile wieder Erfolg, denn sie haben ja aus ihren Fehlern gelernt (!!!), berichten über ihre lange zurück liegenden Fehler. Ich habe z.B. bislang noch keinen Menschen über solch einem Format berichten gesehen und gehört, der zu dem Zeitpunkt gerade in einem Fuck Up steckte oder dort nicht erfolgreich heraus gekommen ist.
Danke noch einmal an Daniela (Röcker), Stefan (Röcker) und Andreas (Zeuch) von den priomys für die Moderation dieser unglaublich spannende Diskussionsrunde.
Bevor wir über Fehler oder gar Fehler-Kultur sprechen, erscheint mir wichtig, sich darüber klar zu werden, was wir überhaupt unter Fehler(-Kultur) verstehen. Schnell wird bei einem Blick auf https://de.wikipedia.org/wiki/Fehler bzw. https://de.wikipedia.org/wiki/Fehlerkultur klar, dass das alles andere als trivial ist.
Insofern kann man dieses Thema wahrscheinlich nicht pauschal beantworten/bewerten.
Wenn ich “Fehlerkultur” lese/höre, assoziiere ich einen (angeblich) sehr unterschiedlichen Umgang zweier Gesellschaften (nämlich der US-amerikanischen vs. der europäischen) mit einer sehr bestimmten Art von “Fehlern”. Diese würde ich, als wirtschaftliche Misserfolge (= durch die gesetzte fehlerhafte Maßnahmen prognostizierte bzw. erwartete wsl. Ziele in einem komplexen Umfeld nicht erreichen) definieren und haben den Charakter des (zumindest temporären) Scheiterns. (Ob das Ziel fehlerhaft gesetzt ist, sei hier mal außen vor)
Angeblich besteht hier der US-amerikanische Zugang darin, das erworbene Learning, welches trotz der Fehler entwickelt wurde, deutlich positiver zu bewerten als in Europa. Womit in Konsequenz der Scheiternde es deutlich leichter hat, einen nächsten Versuch zu starten. Da scheint mit was dran zu sein.
In unserer Kultur wird man hier anscheinend schneller abgestempelt und bekommt (vom Management, von der Bank, von Kollegen … ) keine 2. , oder gar 3., 4. Chance. Nun: Vielleicht ist auch das durchaus sinnvoll!?
Danke für diese spezielle Sicht auf das Thema “Fehler” und “Fehlerkultur”, Walter. BG, Conny
Stimme dir zu.
Gebe aber zu bedenken, dass es gerade kein “entmenschlichen” ist, wenn es bei der Arbeit an der Fehlerkultur darum geht, das nicht immer vermeidbare Machen von Fehlern von Sanktionen zu trennen. Denn dass Menschen nicht gerne Fehler machen und sogar um Vermeidung bemüht (!) sind, ist die eine Sache, aber wenn sie geradezu Angst davor haben, weil sie mit Sanktionen rechnen müssen, erschwert das eben auch das was wir ja eigentlich wollen: dass aus Fehlern gelernt wird.
Übrigens: deine Referenz auf die hin und wieder zu lesende Unterscheidung zwischen Fehlern und Irrtümern ließ mich ein wenig schmunzeln, weil ich auch schon an verschiedenen Stellen angemerkt habe, dass ich diese Unterscheidung wenig hilfreich finde.
Da bin ich bei Dir, Patrick. Mit Entmenschlichen meine ich den alleinigen Fakt, dass wir Fehler lieben und frönen sollten. Das passt einfach nicht zusammen, auch wenn uns bewusst sein sollte, dass Fehler in je komplexer werdenden Umgebungen desto normaler werden. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass wir sie deshalb gleich lieben sollten. Wir sollten angemessen damit umgehen, und sie auch nicht verteufeln. Und genau deshalb sind Sanktionen keine angemessene Art und Weise mit Fehlern umzugehen.
Danke wieder für den interessanten Beitrag! Albert Einstein passt perfekt hierher: Es geht, wie Du ja angeführt hast, nicht darum, Fehler zu machen, sondern darum, was man daraus lernen kann, um sie zukünftig zu vermeiden. Auch um Antizipation, also um die Vorwegnahme von möglichen zukünftigen Fehlern. Das Wiederum erfordert kurze und laufende Rückkoppelungen und Kommunikation! Siehe dazu HROs… https://www.saurugg.net/2015/blog/vernetzung-und-komplexitaet/das-unerwartete-managen
Danke Herbert, für Deine Replik und den Link. BG, Conny
“Macht mehr Fehler, warus wollt ihr sonst lernen!?”, war der Leitsatz meines ehemaligen Mathelehrers in der 7. und 8. Klasse.
Ich persönlich halte auch nicht viel von dem Abfeiern von Fehlern, denn dies könnte (!) zu einer “Ist mir doch egal”-Haltung führen, in der ich mir nicht mehr über mögliche Konsequenzen und Folgen Gedanken mache. #istmirdochegal
Ich stimme Ihnen absolut zu in Ihren Ausführungen! Eine gesunde Fehlerkultur hat meines Erachtens auch etwas mit Prozessmanagement (PDCA) zu tun und hierzu gehört auch das regelmäßige sich selber hinterfragen, prüfen, ändern (abschalten), neu machen usw. Aber weil ich einen Fehler gemacht habe, bin ich nicht der Tollste. Erst wenn ich den Fehler als Fehler erkenne, akzeptiere und abschalte, bin ich ganz ok… 😉
Sehr einig. 😉