Methoden und Komplexität – eine brisante Kombination

Am 4. Mai habe ich das PM Camp Hamburg besucht. Es war das erste Mal, dass ich auf einem der PM Camps zu Gast war und teilgeben durfte. Einige Menschen spotteten schon, mich gäbe es gar nicht im realen Leben, sondern nur in der Bloggingsphäre. Diese Hypothese habe ich nun ins Reich der Fabeln verwiesen. 🙂 Mein generelles Fazit zum PM Camp fällt extrem positiv aus. Die Organisation war Weltklasse. Der Fokus der Diskussionen lag hauptsächlich auf dem “Menschen”. So muss es sein. Lasst uns diese Richtung konsequent fortsetzen.

Gleich am Anfang des PM Camps am ersten Tag habe ich einen Pecha Kucha Vortrag halten dürfen. Der Titel war “Komplexität verspeist Methodik, oder warum Wasserfall auch agil sein kann”. Nachfolgend sehen Sie den Videomitschnitt zu dem Vortrag.

Hier nun auch in Worten mein Vortrag nachgezeichnet.

Was sind Methoden und warum haben wir sie?

Menschen in Unternehmen übersetzen Signale des Marktes (Kundenbedürfnisse, Produkt-Launches von Wettbewerbern, Kauf von Teilen bei Lieferanten, …) in interne Signale. Damit schaffen wir Strukturen in Unternehmen, die etwas Gemeinsames darlegen. Sie erzeugen eine Sprache für Verständigung und sparen dadurch Zeit und Ressourcen. Man muss sich nicht jedes Mal neu zusammen justieren.

Welche Prämisse setzt man hier aber voraus? Diese Transformation der Marktsignale in interne Signale sollte nicht allzu häufig passieren. Es geht also nur um Effizienz, da im Unternehmen klar ist, was getan werden muss. Es muss nur schnell und kostengünstig getan werden. Effektivität steht hinten an. Stimmt diese Prämisse denn? Nein, sie hat noch nie gestimmt. Nur früher wurde das Agieren nach dieser Prämisse vom Markt nicht abgestraft. Früher hatten wir einen Verkäufermarkt. Heute aber, wo Kunden nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren, haben wir einen Käufermarkt. Effektivität wird immer wichtiger.

Das bedeutet, es ist eben nicht klar, was in Unternehmen getan werden muss, um den Markt zu bedienen und zu gestalten. Damit stehen aber auch die Methoden immer wieder auf Probe und müssen auf Passfähigkeit evaluiert werden. Das fällt uns Menschen schwer. Da mit Methoden auch andere Strukturen ausgebildet werden, wie beispielsweise Rollen. Wir Menschen identifizieren uns in Unternehmen so unglaublich gerne mit Rollen. Sie geben Sicherheit, auch wenn es nur zum Schein ist. Das Hinterfragen der Methoden fällt uns also schwer und das ist urmenschlich. Das Agieren nach Methoden artet in meinen Augen häufig in ein Fröhnen und Zelebrieren aus. Es ist so, als würden wir vor jeder Mahlzeit das Besteck bewundern und darüber debattieren wie schön glänzend dieses doch ist, bevor wir uns ans Essen heran machen.

Ein erweiterter Blick auf Methoden

Methoden geben vor was getan werden sollte. In komplexen Situationen ist aber hilfreich zu wissen, was nicht getan werden sollte, damit dann situativ und kontextbasiert gedacht und gehandelt werden kann. Methoden sollten einen leeren Handlungsrahmen vorgeben. Bei komplizierten Problemen hilft Wissen weiter, bei komplexen eher Nichtwissen. Warum? Komplexität hat mit Lebendigkeit zu tun und Lebendigkeit mit Widersprüchlichkeit. Würden wir Methoden widersprüchlich definieren, würden sie den Wert für uns verlieren.

Nehmen wir das Beispiel “Wandel im Unternehmen”. Wandel in Unternehmen geht nur von innen heraus. Will man also Wandel forcieren, muss man Teil des Unternehmens bleiben, also Regeln im Unternehmen beachten und befolgen. Wandel setzt aber nun gerade auch voraus, Regeln zu brechen und damit zu ändern. Was soll also nun ganz genau getan werden, um Wandel zu befeuern? Klärt uns hier eine Methode auf? Nein.

Menschen machen Unternehmen erfolgreich, nicht Methoden. Deshalb sind Methoden an sich weder “gut” noch “schlecht”. Wir Menschen entscheiden über die Passfähigkeit von Methoden, nämlich über die Auswahl und den Einsatz dieser je nach Problem. Deshalb sind auch für mich Methoden wie “Wasserfall” oder “Scrum” weder agil noch nicht agil. Eine Wertung ergibt sich erst aus der Verwendung durch Menschen in bestimmten Kontexten. Überhaupt ist die Frage “Müssen wir agil sein?” ähnlich irrelevant, wie die Fragen “Müssen wir regelmäßig Nahrung zu uns nehmen?” oder “Ist es wichtig zu atmen?”.

Wir können mit Lebendigkeit und damit mit Widersprüchen umgehen. Das beweisen wir tagtäglich beispielsweise im privaten Umfeld. Im beruflichen Kontext tun wir uns schwer. Menschen mutieren in Unternehmen oft zum Werkzeug der Methode. Es sollte eigentlich anders herum sein. Dadurch aber verhindern Methoden eine Verantwortungsübernahme für Misserfolg und stehen damit Lernen im Wege.

Ein möglicher Ausweg

Shu-Ha-Ri kommt aus der japanischen Kampfkunst. “Shu”, als erste Stufe des Lernens bezeichnet, bedeutet so viel wie “erhalten oder gehorchen”. Man lernt, indem man stur gegebenen Regeln folgt. Ich spreche hier auch gerne von einem kontextlosen Befolgen von Regeln. “Ha”, die zweite Stufe, lässt sich übersetzen mit “(auf)brechen, frei werden, abschweifen”. Hier geht es darum, die kontextlosen Regeln und Standards zu interpretieren und auf den Kontext abgestimmt zu variieren. Dazu gehört also, den Sinn und Zweck der einzusetzenden Methoden zu verstehen, um so über das reine Befolgen dieser hinaus zu kommen. “Ri”, als dritte und höchste Stufe, schließlich bedeutet “verlassen, trennen, abschneiden”. Hier wird gemeint, die gegebenen Muster hinter sich zu lassen um, von eigenen Impulsen gesteuert, eigene Wege zu gehen.

Die Erfahrung und das Beherrschen der Regeln ist dabei die Voraussetzung, um sich als Mensch im jeweiligen befindlichen Kontext unabhängig von Methoden zu machen. Methoden sind nur mit der entsprechend Geisteshaltung der anwendenden Menschen erfolgversprechend.

Im Anwenden von Methoden muss man imstande sein so zu denken wie Derjenige, der die Methode erfunden hat. Der Sinn und Zweck hinter der Methode muss verstanden und verinnerlicht sein. Hierzu gerne ein Beispiel. Warum gibt es nach Kanban WIP Limits? Viele Menschen, die Kanban verwenden, habe ich gefragt. Die meisten Menschen haben sich auf Schulungen berufen, in denen dieser Inhalt vermittelt wurde. Andere haben an die schädliche Wirkung von Multitasking gedacht. Der eigentliche Grund für WIP Limits liegt in der Notwendigkeit des Ausrichtens auf den Engpass in einer Kette von nacheinander von einander abhängigen Arbeitsschritten. Denn der Engpass bestimmt den Durchsatz dieser Kette. Details kann man in der Theory of Constraints (ToC) von Eliyahu Goldratt nachlesen.

Ich habe also genau dann die höchstmögliche Methodenkompetenz, wenn ich Methoden so gut verinnerlicht habe, das ich sie zum Lösen von Problemen nicht mehr benötige. Leider gelangen wir in der westlichen Gesellschaft über die erste Stufe “Shu” meist nie hinaus, unter anderem deshalb weil wir für Misserfolg ungerne Verantwortung übernehmen wollen. Wir suchen bei Misserfolg immer gleich nach einer neuen Methode.

Noch einmal ganz deutlich gesagt. Ich bin nicht gegen Methoden, nur für eine differenzierte Sicht auf diese. Denn nur mittels bewusstem Umgang mit Methoden, um Stärken und Schwächen wissend, lassen sich diese erfolgreich einsetzen. Methoden geben Auskunft über ein Handeln an sich. Sie inkludieren dort aber nicht den jeweiligen Kontext einer spezifischen Situation. Dieser Kontext kommt ausschließlich vom Menschen über Wahrnehmung und Reflektion. Und nun meine These zum Schluss, über die wir sicherlich im Laufe dieser Veranstaltung noch diskutieren können.

Gründe für Erfolg in komplexen Umgebungen, wie Unternehmen welche sind, kann man nicht beschreiben, lassen sich dementsprechend auch nicht in Methoden zusammen fassen. Gründe für Misserfolg lassen sich schon beschreiben, nämlich in Form von Methodik.

Beispiele dafür gibt es extrem viele.

Eine nachfolgende Diskussion

Nach dem PM Camp hat sich auf Twitter eine Diskussion rund um eine ähnliche Fragestellung entbrannt. Ich habe die folgende Hypothese in den Raum gestellt.

Das Schwierige an Komplexität? Schon wenn wir darüber reden oder schreiben, transformieren wir diese in Kompliziertheit. Unserer Sprache bedingt. Kategorienfehler! Nur haben wir derzeit keine anderen Mittel zur Verfügung. Oder?

Den kompletten Thread dazu können Sie hier nachvollziehen.

Warum passt diese Diskussion sehr gut zum Methodizismus? Methoden entstehen auf der Hypothese, wir könnten zu einem Problem eine Lösung analytisch herleiten und dann in Form von Methoden formal-logisch sauber dokumentieren. Komplexe Probleme sind aber emergent. Das bedeutet, man kann komplexe Probleme eben nicht in Teilprobleme zerlegen, diese dann lösen und dann die Teillösung zu einer Gesamtlösung zusammensetzen. Mit dieser Vorgehensweise zerstören wir die Emergenz und damit die DNA des komplexen Problems. Wir sind einem Kategorienfehler aufgesessen, da wir ein transformiertes kompliziertes Problem lösen, nicht das eigentlich komplexe.

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Pfadabhängigkeit im Wandel

Wandel in Unternehmen fällt schwer. Und genau diese gefühlte Schwierigkeit muss “gute” Gründe haben. Erst wenn wir diese “guten” Gründe kennen, haben wir überhaupt eine Chance, dem Wandel einen gelingenden Rahmen zur Verfügung zu stellen. Mit diesem Beitrag möchte ich auf einen dieser “guten” Gründe eingehen, der Pfadabhängigkeit im Denken und Handeln. Auf eines werden Sie aber verzichten müssen, auf die Rezepte, diese Pfadabhängigkeit zu überwinden. Warum? Weil es diese nicht gibt. Hier hilft nur eigenes Denken und Fühlen der Menschen in den jeweiligen Unternehmen weiter.

Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade “Wie stehst Du zu Change Management? Wie schlagen wir Brücken von Alt zu Neu?” von intrinsify.me teil.

Menschliches Handeln hat grundsätzlich 3 Elemente: Zweck, Mittel und Nebeneffekt. Der Zweck ist das, weshalb man eine bestimmte Handlung mit den ausgesuchten Mitteln vollzieht, wohingegen Nebeneffekte in Kauf genommen werden. Die folgende Tabelle stellt die 3 Elemente schematisch dar.

Zweck-Mittel-Nebeneffekt_Definition

Zweck und Mittel sind intendiert, sie sind also ganz bewusst von dem Handelnden beabsichtigt. Nebeneffekte sind das nicht. Man kann hier noch weiter unterscheiden. Ergeben sich Nebeneffekte direkt aus dem Zweck spricht man von Fernwirkung. Ergeben sie sich aus den Mitteln, dann nennt man diese Nebenwirkung, was wir ja von Beipackzetteln von Medikamenten finden. Der Nebeneffekt muss auch nicht immer eintreten. Er wird aber billigend als mögliche und oft auch hoch wahrscheinliche Auswirkung in Kauf genommen.

Ich spreche in diesem Post ausdrücklich von „Zweck“ und nicht von „Ziel“. Einen großen Unterschied gibt es meines Erachtens nicht. In der deutschen Sprache ist „Zweck“ im Zusammenhang mit der Diskussion um Intentionalität gebräuchlicher, weil „Ziel“ etwas entfernter klingt. „Zweck“ klingt demgegenüber etwas näher. Der Zweck einer Handlung kann sehr unmittelbar mit ihr erreicht werden. In anderen Sprachen kann man den Unterschied allerdings gar nicht machen.

Grundsätzlich sind die Elemente auch anhand der oben aufgeführten Beispiele aus meiner Sicht selbsterklärend und in der Regel lassen sich für Handlungen diese 3 Elemente sauber identifizieren.

Was passiert aber, wenn die Elemente für scheinbar von außen beobachtete identische Handlungen vertauscht werden? Ich möchte heute den Tausch von Zweck und Nebeneffekt beleuchten und die Erkenntnisse auf Veränderungsinitiativen in Unternehmen spiegeln.

Dabei möchte ich mich auf ein Beispiel beziehen, welches in der folgenden Abbildung dargestellt ist.

Zweck-Mittel-Nebeneffekt_Beispiel1

Stellen wir uns vor, dass in der Vergangenheit in einem Unternehmen ein neuer Prozess eingeführt wurde, mit der Intention einen Mehrwert zu generieren. Der Zweck ist also „Generierung eines Mehrwertes“, der mit dem Mittel „Etablierung eines Prozesses“ erreicht werden soll. Selbstverständlich benötigt man für das Ausführen dieses Prozesses Menschen. Wohl möglich werden ganz besondere Skills und Fähigkeiten an diese benötigten Mitarbeiter gestellt, die derzeit im Unternehmen nicht vorhanden sind. Also werden entweder Ausbildungsmaßnahmen angestoßen oder neue Mitarbeiter eingestellt. Auf jeden Fall wird aber eine neue Rolle etabliert, die es derzeit so im Unternehmen noch nicht gab. Der Nebeneffekt ist also, dass die Daseinsberechtigung der Rolle gestärkt wird.

Was passiert nun aber, wenn heute im Unternehmen analysiert wird, dass dieser Prozess nun nicht mehr mehrwertgenerierend ist? Das kann mehrere Gründe haben, beispielsweise weil sich bestimmte Rahmenbedingungen im Markt verändert haben. Für die Mitarbeiter, die eng mit dem Prozess verbunden sind, kann sich dann Zweck und Nebeneffekt verschieben, wie in der folgenden Tabelle in der zweiten Zeile dargestellt.

Zweck-Mittel-Nebeneffekt_Beispiel2

In diesem Fall geht es in erster Linie um die Sicherung der eigenen Existenz, in dem die Daseinsberechtigung der eigenen Person gestärkt wird. Der eigentliche Sinn dieses Prozesses rückt in den Hintergrund. Er wird zum Nebeneffekt, auch wenn dieser gar nicht eintritt, da der Prozess nicht mehr mehrwertgenerierend ist. Dieser Wechsel der Perspektiven wird von den betroffenen Personen meistens nicht offen eingestanden. Sie argumentieren dann immer noch im Sinne des eigentlich ausgelobten Zweckes.

Im Rahmen von Veränderungsinitiativen ist in solch einem Falle ein Diskutieren und Kommunizieren schwierig, da Mitarbeiter verschiedene Kontexte haben, auf denen ihre Argumente fußen. Wenn Sie also in Veränderungsinitiativen involviert sind und über bestimmte Aktivitäten diskutieren, versuchen sie stets auf Basis der involvierten Rollen Zweck und Nebeneffekt sauber zu trennen und die getätigten Argumente dagegen zu validieren. Das Vertauschen von Zweck und Nebeneffekt der betroffenen Personen sollte auch nicht verurteilt werden. Es ist allzu menschlich und sollte deshalb auch transparent gemacht werden. Dadurch fühlen sich die betroffenen Personen ernst genommen und man schafft eine Basis für ganzheitliche Lösungen.

Nebeneffekte, die nach einer gewissen Zeit zu Zwecken mutieren stellen eine Pfadabhängigkeit dar, die eine Hürde für Veränderungen bedeuten. Ganz oft spricht man dann auch davon, dass Mittel um ihrer selbst willen eingesetzt werden. Richtigerweise erkennt man in solchen Fällen den Tausch von Zweck und Nebeneffekte an.

Ein weiteres Beispiel für eine Pfadabhängigkeit ist das sehr komplizierte Steuergesetz. Zu einer bestimmten Zeit lagen bestimmt gute Gründe vor, warum unser Steuergesetz in Deutschland so ist wie es ist. Auf Basis dieser Kompliziertheit mussten dann Steuerberater institutionalisiert werden. Diese Rolle wurde nun einmal geschaffen, die auch sehr viele Menschen in Deutschland ernähren lässt. Das Steuergesetz zu ändern und damit einfacher zu gestalten ist nun nicht mehr so einfach möglich. Was sollen denn die vielen Steuerberater machen, wenn sie auf Grund der Einfachheit der Gesetze nicht mehr konsultiert werden? Die Steuerberater würden wohl in Diskussionen diesbezüglich Zweck und Nebeneffekt vertauschen und auf dieser Basis diskutieren.

Sicherlich finden Sie eine Reihe weitere Pfadabhängigkeiten. Unsere Welt ist voll von ihnen.

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Unternehmensleitbilder an sich sind beides, gut und schlecht

Ich habe oft erwähnt, dass Unternehmensführung Kunst ist, da mit Widersprüchlichkeiten umgegangen werden muss und deshalb nicht per Rezept und Methodik funktioniert. Warum? Weil wir es hier mit Menschen zu tun haben. Und Lebendigkeit zeichnet sich eben durch Widersprüchlichkeit aus. Warum ist das so wichtig zu verstehen? Widersprüchlichkeit lässt sich formal-logisch nicht ausdrücken, jedenfalls nicht ohne zu stark zu trivialisieren. Und im Fall der Führung müsste der Mensch zu stark trivialisiert werden, was nicht in unserem Interesse sein kann. Diesen Aspekt habe ich bereits des Öfteren thematisiert, unter anderem in meinem Beitrag Gute Führung lässt sich nicht beschreiben, ….

Mit dem heutigen Beitrag möchte ich die Widersprüchlichkeit in der Lebendigkeit an einem weiteren Aspekt beleuchten, im Rahmen einer agilen Transformation, in dem ja, schenkt man jedenfalls den Meldungen im Netz Glauben, fast jedes Unternehmen derzeit steckt. Auch Change gestaltet sich widersprüchlich. Man muss im Rahmen des Wandels bestehende Regeln des Unternehmen im Denken und Handeln einhalten, da man sonst aus dem System gespült wird. Wandel kann aber nur aus dem Innern des Systems heraus befeuert werden. Man muss gleichzeitig aber auch Regeln des Systems brechen, sonst würden wir ja nicht von einem Wandel sprechen. Wandel bedeutet also bestehende Regeln zu brechen, aber auch einzuhalten.

Ich habe zur Veranschaulichung der Wirkungszusammenhänge im Rahmen einer agilen Transformation in Unternehmen ein qualitatives Modell im Consideo iModeler erstellt. Damit möchte ich auch gleichzeitig eine Möglichkeit anreichen, komplexe Probleme so zu visualisieren, dass sie in einem Team gemeinschaftlich gelöst werden können, da man eine einheitliche Kommunikationsbasis schafft, ohne zu stark trivialisieren zu müssen. Ich bin beim Modellieren erst einmal vom Ziel ausgegangen: Ein Unternehmen möchte erfolgreich sein. Dann habe ich ausgehend von diesem Ziel Faktoren über Ursache-Wirkung ins Verhältnis gesetzt, die im Rahmen einer agilen Transformation von Menschen im Unternehmen gehandhabt werden müssen. Diese Zusammenhänge werde ich jetzt direkt am Modell erklären. Sie erreichen das Modell durch einen Klick auf die unten stehende Abbildung.

Im Zuge der weiteren Erläuterung werde ich, falls der iModeler nicht bekannt sein sollte, immer dazu angeben, wie Sie diese Zusammenhänge im Modell erkennen können. Eine Anmerkung noch vorab. Natürlich ist dieses Modell stark vereinfacht, so wie übrigens jedes Modell vereinfacht sein muss, sonst wäre es eben nicht brauchbar. Allerdings, so bin ich der festen Überzeugung, trivialisiert diese Vereinfachung die Zusammenhänge nicht so stark, dass sie eben komplett falsch wären und man keine Erkenntnisse daraus ziehen könnte.

Um qualitative Ursache-Wirkungs-Modelle zu analysieren sind die Schleifen ein probates Mittel dies zu tun. Dafür gehen Sie im iModeler ins Menü (oben links) und dann Ansicht → Schleifen. Man unterscheidet zwei Arten von Schleifen, sich ausgleichende und sich aufschaukelnde Schleifen. Im Modell gibt es drei ausgleichende (gekennzeichnet mit einem blauen B) und vier sich aufschaukelnde (gekennzeichnet mit einem roten R) Schleifen, die alle miteinander zusammen wirken. Ein Klick auf die unten stehende Abbildung lässt die Schleifen lesbar erscheinen.

Ich werde beispielhaft jeweils eine Schleife der jeweiligen Art erklären, um Ihnen dann nachfolgend eine zusammenhängende Analyse anzureichen. Starten werde ich mit einer sich ausgleichenden Schleife. Die restlichen Schleifen können Sie sicherlich im gleichem Schema leicht nachvollziehen. In der folgenden Abbildung ist diese sich ausgleichende Schliefe mit blauen Verbindungen zwischen den Faktoren dargestellt.

Wenn Menschen im Unternehmen mutig denken und handeln, dann definieren sich diese Menschen weniger über ihre Rolle als über sich selbst. Sie haben Vertrauen in sich, in ihre Stärken und ihre Schwächen, und benötigen keine “Strukturen im Außen”, wozu ich Rollen zähle. Dazu später im Beitrag mehr. Das befeuert auch das selbständige Denken und Handeln, was letztendlich dann aber hinderlich ist, um sich mit dem Sinn und Zweck des Unternehmens zu identifizieren. Erkennen Sie diesen Wirkzusammenhang, der leider oft im Wandel zu unreflektiert stehen gelassen wird? Und dann zu Lasten der beteiligten Menschen. Identifizieren sich Menschen mit Sinn und Zweck des Unternehmens, haben sie auch einen hohen Kundenfokus, was letztendlich zu mehr Erfolg führt. Und ein Mehr an Erfolg führt auch dazu, dass Menschen im Unternehmen mutig unterwegs sind, denn ihr Handeln wird ja über das Ausweisen des Erfolgs gerechtfertigt. Und damit wäre die Schleife geschlossen. Wir wären wieder beim Mut. Im Rahmen dieser Schleife wird der Erfolg des Unternehmens ausbalanciert, da der Faktor “Mitarbeiter im Unternehmen können selbstbestimmt denken und handeln” verringernd auf den Faktor “Mitarbeiter identifizieren sich mit Sinn und Zweck des Unternehmens” wirkt.

In der folgenden Abbildung sehen Sie eine sich aufschaukelnde Schleife, die ich ebenfalls erläutern möchte. Diesmal sind die Verbindungen zwischen den Faktoren in roter Farbe dargestellt.

Wenn man mit dem Denken und Handeln im Unternehmen Erfolg hat, werden Menschen im Unternehmen auch mutiger. Sie werden ja bestätigt. Das hatten wir eben schon einmal. Mit dem Mehr an Mut kommt auch, dass Menschen ihr Heil nicht “im Außen” suchen müssen. Sie definieren sich mehr über ihre Fähigkeiten, Skills und Kompetenzen, als dass sie dafür Rollen benötigen würden. Damit wird das selbständige Denken und Handeln der Menschen befeuert, was sich letztendlich aber eher nicht passfähig auf ein gemeinsam verabschiedetes Leitbild niederschlägt. Je freier jeder einzelne Mensch sich fühlt, desto schwieriger wird das Definieren des Gemeinsamen. Dieser Fakt allerdings, dass es kein stark vergemeinschaftetes Leitbild gibt, sorgt dafür, dass im Unternehmen der richtige Zeitpunkt für Wandel erkannt werden kann. Man hängt nämlich nicht zu stark an starren Strukturen der Vergangenheit fest. Das wiederum befeuert den Wandel im Rahmen der agilen Transformation und damit den Erfolg. Und dieser Erfolg sorgt dann wieder für ein Mutigsein der Mitarbeiter. Damit wäre die Schleife wieder geschlosseon.

Möchte man nun eine Aussage zum gesamten Wirken der Faktoren untereinander treffen, also in diesem Fall über alle 7 Schleifen zusammen, können Sie sich sicherlich vorstellen, dass hierfür eine Hilfe im iModeler sinnvoll sein könnte. Zu diesem Zweck gibt es die Erkenntnismatrix. Man kann von jedem Faktor im Modell heraus die Erkenntnismatrix aufrufen. Dafür klickt man den Faktor an und geht dann über das Kontextmenü links auf das “i” Symbol. Im sich dann öffnenden Dialogfenster klickt man in der Mitte auf den Button “Erkenntnismatrix” und klickt dann unten im Dialogfenster auf den Button “Alle”, um alle Faktoren, die auf den Zielfaktor wirken oder von diesem beeinflusst werden, in die Analyse mit einzubeziehen zu. Mich interessiert die Erkenntnismatrix zum Zielfaktor “Das Unternehmen hat Erfolg”. In der unten stehenden Abbildung sehen Sie die Erkenntnismatrix mit 2 Achsen.

Die x-Achse sortiert die einzelnen Faktoren des Modells je nach Wirkung auf das Ziel “Das Unternehmen hat Erfolg” ein. Je weiter rechts ein Faktor steht desto größer ist die vermehrende Wirkung auf das Ziel, nach dem Motto “Je mehr (Faktor), desto mehr (Ziel)”. Je weiter links ein Faktor platziert ist, desto größer ist die verringernde Wirkung auf das Ziel, nach dem Motto “Je mehr (Faktor), desto weniger (Ziel)”. Der Faktor “Das Unternehmen ist erfolgreich im Wandel hin zu Agilität unterwegs” wirkt beispielsweise vermehrend auf das Ziel “Das Unternehmen hat Erfolg”, wohingegen der Faktor “Das Unternehmen hat Erfolg” verringernd wirkt. Hier erkennen Sie die Rückbezüglichkeit zwischen Faktoren. Erfolg wirkt auf Erfolg. Faktoren wirken nämlich durch die oben beschriebenen Schleifen auf sich zurück. Ursache wird zur Wirkung und Wirkung wird zur Ursache. Erfolg, den ein Unternehmen heute hat, wirkt sich nicht befeuernd auf zukünftigen Erfolg aus. Dieser Fakt ist an guten Praxisbeispielen belegbar, ziehen Sie beispielsweise Nokia oder Kodak heran. Erfolg im Heute macht blind für Notwendigkeiten des Wandels und damit für Erfolg im Morgen. Das ist aber logischerweise noch lange kein Grund auf Erfolg im Heute zu verzichten. Ansetzen sollte man an anderen Hebeln.

Die y-Achse stellt den zeitlichen Einfluss der Wirkung der Faktoren auf das Ziel “Das Unternehmen hat Erfolg” dar. Je weiter oben ein Faktor steht, also je weiter im positiven Bereich der y-Achse, desto verstärkend positiver gestaltet sich der Einfluss. Nehmen wir beispielsweise wieder den Faktor “Das Unternehmen hat Erfolg” als Beispiel. Der Faktor liegt oben im blauen Bereich der Matrix. Das bedeutet kurzfristig ist der Einfluss des Erfolgs auf sich selber “negativ”. Mittel- und Langfristig wird dieser Einfluss aber immer “positiver”. Ähnlich verhält es sich mit den Faktoren im negativen Bereich der y-Achse. Hier wird der Einfluss auf den Zielfaktor mit der Zeit abgeschwächter. Nehmen wir hier mal den Faktor “Das Top Management steht authentisch hinter dem Wandel und gibt die Richtung vor”. Klar, anfangs mag dieser Fakt befruchtend sein. Nur im Laufe der Zeit, wo man von mehr Eigenregie der Menschen im Unternehmen ausgeht, ist der Umstand, dass das Top Management die Richtung vorgibt, eher hinderlich für Erfolg, da die Menschen sich dann in ihrem eigenen Denken und Handeln gehindert fühlen.

Weiterführende Information und Erklärungen zum Consideo iModeler erhalten Sie übrigens in diesem Handbuch oder diesen Videos.

Für eine nun folgend detaillerte Analyse interessiert mich der Faktor “Leitbild”, wie im Titel des Beitrages ja ausgeführt. Ich möchte wissen, wie sich das Vorhandensein eines gemeinsam verabschiedeten und getragenen Leitbildes auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Der Faktor befindet sich um den Nullpunkt der Erkenntnismatrix herum. Was bedeutet das? Das Leitbild an sich ist weder “gut” noch “schlecht” für den Unternehmenserfolg. Man könnte auch wie im Titel des Beitrages formulieren: Unternehmensleitbilder sind sowohl “gut” als auch “schlecht”. Je nach Kontext, den man beim Modellieren einnimmt, kann der Faktor bzgl. der x-Achse nach rechts (passfähig für Unternehmenserfolg) oder nach links (nicht passfähig für Unternehmenserfolg) wandern. Trotz dieser Obacht, die man beim Modellieren einnehmen sollte, negiere ich Modellieren an sich nicht. Ähnlich stehe ich zu dem Definieren von Leitbildern in Unternehmen. Diese Erkenntnis möchte ich nun weiter ausführen und dabei auch auf Ergebnisse des Modells zurück greifen.

Ein Leitbild gibt etwas im Unternehmen gemeinsam Definiertes und Verabschiedetes vor, welches dadurch Handlungsfreiheit der Menschen einengt, denn ab sofort müssen sie sich im Denken und Handeln daran ausrichten. Gleichzeitig ist diese Einengung gewünscht, denn Menschen im Unternehmen sollten gemeinsam in eine Richtung voranschreiten. Ein Leitbild ist also gleichzeitig passfähig und nicht passfähig für Unternehmenserfolg. Leitbilder sollten im Unternehmen vorhanden sein, weil sie Richtung vorgeben und auf ein Ziel einschwören. Deshalb sind Leitbilder in Unternehmen wichtig. Man muss sich allerdings auch um die Schwierigkeiten, Leitbilder zu haben, gewahr sein. Denn sie erzeugen durch ihre Stabilität ein Hemmnis für den Wandel. Leitbilder sollten also eng genug sein, um Gemeinschaft erzeugen zu können, sollten aber auch genügend Freiraum bieten, um Eigenständigkeit zu erlauben, vor allem in Zeiten des Wandels. Die Wandelfähigkeit sollte Bestandteil einer Identität der Unternehmen sein. Deshalb ist Identität für mich nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches. Es muss im Unternehmen die Fähigkeit entwickelt werden, Identität stetig zu hinterfragen und ggf. zu ändern, diese allerdings auch zu leben, und nicht stetig ändern zu wollen. Alleine schon der Prozess, ein Leitbild zu definieren, ist wichtig. Es geht also nicht nur um das Ergebnis an sich, sondern auch um den Weg, der hier also auch Ziel ist. Es ist also ein stetes Bewegen zwischen den beiden extremen Polen “Ich akzeptiere die Identität” und “Ich hinterfrage die Identität” von Nöten. Für dieses Austarieren gibt es keine Methodik. Hier hilft Fühlen, Wahrnehmen etc. weiter. Trotzdem, und das erlebe ich natürlich auch bei mir, ist dieses Austarieren unglaublich komplex.

“Strukturen im Außen”, und dazu zählen für mich Leitbilder, aber auch Rollen, Prozesse, Visionen etc., sollten widerspruchsfrei formuliert werden. Wären sie es nicht, würden wir die Sinnhaftigkeit des Aufgeschriebenen in Frage stellen. Lebendigkeit ist aber eben nicht widerspruchsfrei. Und hier haben wir das Dilemma. Leitbilder erstellen wir, damit wir danach denken und handeln. Diese Leitbilder sind aber widerspruchsfrei. Handeln wir streng nach Leitbildern, müssten wir Menschen unsere Lebendigkeit negieren und uns damit zu Maschinen trivialisieren. Das wollen wir natürlich auch nicht. Aufgabe von Führung in Unternehmen ist es, unter anderem dieses Dilemma erst einmal bewusst anzuerkennen und zu handhaben, in dem Strukturen geschaffen werden, in dem Menschen Beides erlaubt ist, Leitbildern zu folgen und diesen nicht zu folgen, je nach Kontext, in denen die Menschen gerade agieren. Das ist unter anderem auch der Grund, warum in meinen Augen gute Führung nicht zu beschreiben ist, wie am Anfang dieses Beitrags angemerkt. Falls Sie diese These nicht glauben, ermuntere ich sie gerne, klar zu formulieren, wie eine Führungskraft ganz genau handeln soll, damit Mitarbeiter nach Leitbildern agieren und diese aber auch negieren.

Ich möchte noch einmal auf “Strukturen im Außen” zu sprechen kommen. Diese Strukturen entstehen, wenn wir Menschen versuchen komplexe Problemstellungen zu lösen. Wir transformieren in diesem Zuge die komplexen Probleme in komplizierte und lösen dann diese Probleme. Für diese komplizierten Probleme sind
Strukturen, wie Prozesse, Rollen, Visionen, Leitbilder etc. die Lösung, aber eben nicht für die eigentlich von uns zu lösen wollenden komplexen Probleme. Wenden wir dann die Lösungen trotzdem auf die komplexen Probleme an, merken wir zwar die Nichtpassfähigkeit, erkennen aber nicht den eigentlichen Grund dafür, sondern suchen nach anderen Lösungen für das komplizierte Problem. Damit sind wir inmitten eines Teufelskreises. Der eigentliche Grund ist der von uns begangene Kategorienfehler beim Übergang von Komplexität zu Komplizierheit. Detaillierter habe ich dieses Phänomen hier beschrieben.

Ich reiche Ihnen zu diesem Kategorienfehler gerne ein Beispiel an. Das Rechnen von Business Cases bei Investitionsentscheidungen. In einem Unternehmen soll in ein neues Produkt investiert werden. Ersichtlich ist uns wohl allen, dass Niemand vorhersagen kann

  1. wie gut sich das Produkt verkauft,
  2. wie es bei den Kunden ankommt,
  3. wie sich Kundenbedürfnisse weiter entwickeln,
  4. wieviel Umsatz mit diesem Produkt gemacht wird,
  5. wieviel Kosten entstehen, um das Produkt zu erstellen,
  6. wie schnell die Wettbewerber auf das neue Produkt reagieren etc.

Mit dieser Unsicherheit im Entscheiden gibt sich das Management aber häufig nicht zufrieden. Es werden Business Cases erstellt und auf dieser Basis dann entschieden. Nun aber die Frage an Sie. Glauben Sie dass diese Business Cases auch nur ansatzweise etwas mit den aufgeführten Fragen zu tun haben? Genau an dieser Stelle vollführen wir die Transformation von Komplexität (die in die Zukunft gerichteten Fragen) hin zu Kompliziertheit (Business Cases). Auch Leitbilder sind, wie Business Cases, als eine “Struktur im Außen”, eine Lösung für ein kompliziertes Problem, welches aus einer Transformation aus einem eigentlich zu lösenden komplexen Problem entstanden ist, nämlich das Menschen auf ein gemeinsames Ziel und einen gemeinsamen Weg eingeschworen werden sollen. Dafür gibt es kein Rezept, da Menschen eben keine Maschinen sind. Das Management kann diese Unsicherheit aber oft nicht akzeptieren. So entstehen Leitbilder.

Die größte Herausforderung im Wandel wird in den Unternehmen selbst erzeugt, in dem nämlich die Menschen sich unabdingbar mit Strukturen identifizieren, die im Wandel auf die Probe gestellt werden und ggf. geändert werden müssen oder wegfallen. Denn wie kann ich als Mensch eine Rolle zur Diskussion stellen, über die ich mich voll identifiziere, so dass, wenn diese Rolle wegfällt, ich ebenfalls wegfalle? Ein Ausweg? Sich als Mensch wieder mehr verstehen, in sich hinein fühlen, seine Stärken und Schwächen besser kennen und damit mehr Selbstvertrauen entwickeln, was dazu führt auch anderen Menschen mehr vertrauen zu können. Denn wie sollte ich anderen Menschen vertrauen können, wenn ich mir selbst nicht einmal vertraue? Dann haben wir auch eine Basis mit “Strukturen im Außen” (Methoden, Best Practice, Business Cases etc.) bewusst als Lösungshilfe umgehen zu können. Dann bleiben diese Strukturen das Werkzeug. Ohne diese Einstellung mutieren wir Menschen zum Werkzeug dieser Strukturen.

In diesem Sinne möchte ich noch einmal ausdrücklich formulieren, dass ich Leitbilder, so wie auch andere “Strukturen im Außen” nicht grundsätzlich ablehne. Wir sollten nur die Kontexte verstehen, in denen diese im Sinne einer Problemlösung passfähig und nicht passfähig sind, und dann damit ganz bewusst umgehen, inklusive aller Unsicherheit, die wir dann aushalten sollten.

Zum Schluss möchte ich nicht versäumen, die qualitative Modellierung, auf deren Basis ich ja meine Argumentationslinie aufgebaut habe, einer Kritik zu stellen. Modelle, die man im oben gekennzeichneten Weg aufbaut, sollen Werkzeug sein. Sie sollten nicht das Denken ersetzen. Dafür muss man sich natürlich über die Grenzen dieser Art der Modellierung bewusst sein, damit man als Mensch nicht zum Werkzeug dieser Modelle verkommt. Nur dann kann das Modell im Handhaben von Komplexität und damit Widersprüchlichkeit helfen. In diesem Sinne können sie meinen Beitrag Drei Stolperfallen der qualitativen Modellierung und das auf diesem Beitrag aufbauende Streitgespräch einsehen. In komplexen und damit häufig widersprüchlichen Situationen helfen pauschale Meinungen, dass etwas grundsätzlich passfähig ist oder nicht, nicht weiter. Also auch die qualitative Modellierung hat ihre Grenzen, was mich allerdings nicht davon abhält, diese einzusetzen.

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Digitalisierung ist mehr als nur “0” und “1”

In meinem heutigen Beitrag werde ich meine Hypothese untermauern, dass wir uns im Zuge der Digitalisierung immer weiter von Maschinen abhängig machen, was letztendlich zu einer Entfremdung von uns selbst und auch von anderen Menschen führt. Ich gebe aber auch einen aus meiner Sicht sinnvollen Ausblick, um diesen Trend umzulenken und so die Digitalisierung für uns Menschen wertgenerierend zu gestalten. In diesem Zuge werde ich auch die immer wieder mal aufkeimende Angst vor Maschinen, dass diese uns nämlich irgendwann beherrschen und unsere Arbeit wegnehmen könnten, versuchen zu entmystifizieren.

Dieser Beitrag ist übrigens der erste im Rahmen der Blogparade der Otto Group Digitalisierung: Was genau passiert da eigentlich?

Eines noch vorweg angemerkt. An bestimmten Stellen reiche ich Links zu weiterführenden Erklärungen meiner Thesen an. Diesen muss man nicht unbedingt direkt folgen, wenn man im Lesefluss nicht gestört werden mag.

Was hat Digitalisierung mit der Entwicklung und dem Fortschritt der Menschheit zu tun?

Alles was wir heute wahrnehmen hat seine Ursache in der Vergangenheit, auch wenn wir diese Ursachen nicht immer den heute wahrgenommenen Wirkungen zuordnen können, da sie in Raum und Zeit verschoben sind. Dementsprechend möchte ich meine kleine Reise in das Thema “Digitalisierung” in der Vergangenheit starten. Dabei stütze ich mich auf Erkenntnisse von Gotthard Günther, einem verstorbenen Deutsch-Amerikanischen Logiker und Philosophen, die er in Anlehnung an die Ausarbeitungen Oswald Spenglers in seinem berühmten Werk Der Untergang des Abendlandes adaptiert hat. In der Ausarbeitung Maschine, Seele und Weltgeschichte kann man seine Gedanken ab der Seite 15 nachvollziehen, die ich hier kondensiert anreichen möchte.

Er unterteilte die Entwicklung der Menschheit in 3 Epochen.

  1. Die primitive Epoche
  2. Die Epoche der regionalen Hochkulturen
  3. Die Epoche der universellen planetaren Kultur

Die drei Epochen habe ich in der unten stehenden Abbildung als Basis für eine nachfolgende Erklärung schematisch dargestellt.

In der primitiven Epoche haben die Menschen Naturereignisse mit Magie und Zauberei erklärt. In dieser Zeit haben die Menschen die Vorgänge in der Natur noch nicht auf sich selbst reflektiert. Ausdruck dieser Magie waren unter anderem Medizinmänner. Angst vor den Ereignissen in der Natur war unter den Menschen vorherrschend. Diese Epoche war 1-wertig.

In der zweiten Epoche, die der regionalen Hochkulturen, wurden die Ursache-Wirkungsbeziehungen eingeführt. In dieser hat man versucht, alle Ereignisse in der Natur rein rational zu erklären. Unsicherheiten wurden aus der Wahrnehmung gestrichen. Diese Methode hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, allerdings nur für nicht-lebende Vorgänge. Ihren Höhepunkt hatte diese Epoche wohl mit dem Irrglauben des französischen Mathematikers Laplace, der die EINE Formel erfinden wollte, mit der die Welt erklärbar ist. Es wurde die Angst vor der Natur abgestreift, weil alle Vorgänge scheinbar erklärbar waren. Diese Epoche war und ist damit 2-wertig. Aristoteles hat diese mit seiner Logik geprägt. Diese Epoche hat mit dem Aufblühen der Naturwissenschaften begonnen. Allerdings haben sich die Menschen mit dem Erkenntnisgewinn über die Natur auch begonnen sich über diese hinweg zu setzen, sie quasi beherrschen zu wollen. Dazu gleich in kommenden Abschnitten mehr.

Heute stehen wir zwischen der zweiten und der dritten Epoche. Wir erkennen zwar, dass wir Ursache-Wirkungsbeziehungen mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten unterlegen müssen, setzen diese Erkenntnis aber noch nicht voll umfänglich in die Tat um. Diese These lässt sich sehr eindrucksvoll an den Forschungen rund um die Künstliche Intelligenz ergründen.

Es geht jetzt um die Modellierung von Subjektivität, also die Formalisierung von Vorgängen in lebendigen Organismen, wie beispielsweise Menschen welche sind. Komplexität bekommt jetzt eine besondere Bedeutung. Diese Epoche ist nicht mehr zweiwertig. Das bedeutet, die notwendige Logik ist standpunktabhängig und mit der bekannten Mathematik, die auf der 2-wertigen Logik beruht, nicht mehr formalisierbar. Der oben angesprochene Gotthard Günther hat hier vor bereits mehr als einem halben Jahrhundert mit seiner Polykontexturalitätslogik einen Formalismus entwickelt, der in unserer heutigen Gesellschaft leider noch keinen Einfluss entwickelt hat, weshalb wir auch noch auf den Übergang in die 3. Epoche warten. Dieser Wechsel ist aber notwendig, da wir unsere derzeitigen Probleme und Herausforderungen im Kontext Komplexität nur innerhalb dieser Epoche lösen werden. Mittels klassischer Maschinen, die auf Zweiwertigkeit beruhen, lassen sich ausschließlich komplizierte Probleme lösen, keine komplexen. Dafür sind, wie Günther so schön sagt, transklassische Maschinen notwendig, die auf Basis einer erweiterten Logik basieren. Dazu dann gleich mehr.

Warum hat die Digitalisierung mit dem Aufblühen der Naturwissenschaften begonnen?

Wir haben uns nicht in der heutigen Zeit für Digitalisierung entschieden, sondern nur die Entwicklung im Kontext unseres Denkrahmens, den wir mit dem Beginn der Naturwissenschaften (2. Epoche), geschaffen haben, konsequent fortgeführt. Die Entscheidung über Digitalisierung ist viel früher, genauer im 17. Jahrhundert mit dem Aufblühen der Naturwissenschaften, gefällt worden.

Zur Zeit des 30-jährigen Krieges, in welchem sich die Menschen gegenseitig um der Wahrheit Willen getötet haben, hat sich Rene Descartes, französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler, die Frage gestellt, ob es keine andere Art und Weise geben kann, über Wahrheit zu “streiten”. Das war der Impuls für den Beginn der Naturwissenschaften. Es wurde ein Denkrahmen geschaffen, der es erlaubt, über Themen und Sachverhalte zu diskutieren. Francis Bacon, englischer Philosoph und Wegbereiter des Empirismus, hat als erster formuliert, dass der Sinn der Naturwissenschaften darin besteht, die Natur zu beherrschen. Descartes hat dieser Forderung Leben eingehaucht, in dem er die Methode von Galileo Galilei fortgeführt hat, die aussagt, wie Problemstellungen wissenschaftlich untersucht werden sollten. Diese Methode beruht auf den folgenden Säulen.

  1. Gefundene Erkenntnisse müssen reproduzierbar sein.
  2. Gefundene Erkenntnisse müssen objektivierbar sein. Egal wer ein Experiment ausführt, es kommt stets das gleiche Ergebnis heraus.
  3. Gefundene Erkenntnisse müssen quantitativ abgelegt sein, sonst sind diese nicht ernst zu nehmen, da zu schwammig.
  4. Gefundene Erkenntnisse müssen kausal über Ursache-Wirkung-Denken hergeleitet sein.

Es ist leicht einzusehen, dass diese Methode eine Trennung zwischen Geist und Materie voraussetzt und nur für die Materie gilt. Grundsätzlich ist diese Methode auf den Axiomen der Aristotelischen Zweiwertigen Logik aufgebaut, welche ja Basis für allen Fortschritt in der 2. Menschheitsepoche ist. Dazu kann man hier mehr erfahren.

Erkennen Sie jetzt bereits den Zusammenhang zwischen dem Beginn der Naturwissenschaft und der Digitalisierung? Wir identifizieren Digitalisierung viel zu häufig mit der Weiterentwicklung von Technologie. Alle Probleme und Herausforderungen versuchen wir über Technologie zu lösen. Nehmen Sie nur als Beispiel die Kommunikation in Unternehmen. Stellen wir fest, dass diese nicht gut genug ist, stellen wir gleich die Toolfrage: Welches Tool nutzen wir zukünftig, um vernetzter zu agieren? Das Kommunikation eine zu tiefst menschliche Angelegenheit ist, wird außer Acht gelassen.

Sie finden sicherlich weitere Beispiele, die diese These belegen. Übrigens ist unser gesamtes Managementsystem in Unternehmen auf dem Aristotelischen Denkrahmen aufgebaut. Das können Sie sicherlich in Ihrem täglichen Berufsalltag leicht nachprüfen. Den Höhepunkt der “Technologieverliebtheit” setzt sicherlich Ray Kurzweil, der beispielsweise sagt, dass es unabdingbar wäre, intelligente Maschinen zu entwickeln, da nur diese alle Probleme unserer heutigen Zeit lösen könnten. Diese Aussage ist absolut konsequent, da zu unserem Zweiwertigen Denkrahmen viabel.

Allerdings verspüre ich alleine beim Aufschreiben dieser These wahnsinnige Schmerzen, da sie unsere Einstellung nur allzu gut verdeutlicht. Wir setzen unser Vertrauen in Maschinen, genauer in klassische, treiben dadurch die Dichotomie zwischen Geist (Subjektivität) und Materie (Objektivität) in die Perfektion und merken nicht, wie wir uns von uns selber und von anderen Menschen entfremden. Dazu nun mehr.

Was macht die Digitalisierung mit uns?

Natürlich, und das möchte ich vorweg schicken, haben wir im Rahmen des Aristotelisch Zweiwertigen Denkrahmens enorme und für uns auch wichtige Fortschritte erlangt, aber eben nur im technologischen Bereich. Das ist unbestritten und auch gut so. Allerdings fehlt dabei stets eine Komponente, und das ist die Lebendigkeit. Lebendigkeit ist durchzogen von Widersprüchen. Ohne Widersprüche gibt es keine Lebendigkeit. Lebendigkeit können wir in unserem Denkrahmen nicht behandeln, also schließen wir sie aus und damit den Menschen. Dadurch geht Menschlichkeit in unserer Gesellschaft verloren. Und das ist mein Schmerz.

Diese Entmenschlichung erkannt man auch leicht an Handlungsmuster, die für uns im Alltag total normal geworden sind. Wenn wir uns beispielsweise krank fühlen, greifen wir sofort zum Thermometer, um Fieber zu messen. Wir trauen unserem Gefühl nicht, sondern müssen dieses technologisch nachweisen. Das mag banal klingen. Für mich allerdings ist das ein Indiz dafür, wie sehr wir uns nicht nur von unseren Mitmenschen entfremden, sondern sogar auch von uns selbst.
Die folgende Abbildung stellt einen von mir wahrgenommenen Teufelskreis dar, an dem ich dieses Entfremden näher erläutern möchte.

Komplexe Probleme sind formal-logisch im Zweiwertigen Denkrahmen nicht beschreibbar, da Komplexität Widersprüchlichkeit impliziert und unser Denkrahmen diesen aussperrt. Methoden und Standards basieren nun mal auf Zweiwertigkeit. Würden Methoden widersprüchlich sein, würden wir diese negieren, da wir ihren Mehrwert nicht sehen. Um also Methoden als Lösung heran ziehen zu können, müssen wir komplexe Probleme in komplizierte transformieren. Diese Transformation ist für uns so normal geworden, dass wir darüber schon gar nicht mehr reflektieren. Die gefundene Lösung dann, die ja auf das transformierte komplizierte Problem beruht, wenden wir dann auf das komplexe Problem an. Dabei begehen wir einen Kategorienfehler.

Mit Begehen dieses nicht wahrgenommenen Kategorienfehlers sind wir einem Teufelskreis aufgesessen. Teufelskreis deshalb, weil wir es hier mit einer sich selbst verstärkenden Schleife zu tun haben, die ich kurz aus zwei Richtungen heraus erkläre.

Auf der einen Seite merken wir, dass die gefundenen Lösungen sehr häufig nicht die Probleme lösen. Logisch, sie haben ja aufgrund der vorgenommenen Transformation nichts miteinander zu tun. Das befeuert in uns die Unsicherheit, die wir ja eigentlich im Rahmen unserer 2. Menschheitsepoche überwinden wollen, und zwar durch Fortschritt durch Technologie. Also wird unser Verlangen nach noch mehr Methodik und noch mehr Standards immer größer. Wie gesagt beruhen diese aber auf Zweiwertigkeit und grenzen damit immer weiter die Lebendigkeit aus. Dabei werden unsere Probleme nicht gelöst, sondern noch verschärft.

Beispiel. Steuerung nach Kennzahlen in Unternehmen. Kennzahlen sollten eigentlich als Modell für den Markt genutzt werden und gegen sie gesteuert werden, im Glauben damit auch gegen den Markt zu steuern. Was passiert, wenn dieses Modell falsch oder nicht passfähig ist? Indem ein Unternehmen beispielsweise Renditeziele auslobt, also gegen Renditekennzahlen steuert, verliert dieses Unternehmen den Blick auf den Markt. Es wird sich dann im Unternehmen nur noch “mit sich selbst befasst”. Die Kundensicht wird damit negiert. Aus systemischer Sicht verliert das Unternehmen den Markt als Teil seiner selbst. Natürlich wird das im Unternehmen niemand zugeben. Allerdings genügt bereits ein bisschen Mathematik, um diesen Fakt zu belegen. Hier finden Sie dazu mehr.

Auf der anderen Seite aber gibt es auch eine Wechselwirkung zwischen Modell und Realität. Das bedeutet, wir passen nicht nur unsere Modelle der wahrgenommenen Realität an, sondern unsere Realität auch den Modellen. Da die Modelle aber Lebendigkeit aussperren, modellieren wir unsere Realität, in den meisten Fällen unbewusst, ebenfalls leblos. Hier kommt das von mir oben Gesagte zum Tragen, dass wir Menschen uns mit dem Verstehen der Natur auch immer mehr über diese hinwegzusetzen. Wir gestalten sie. Wir haben also eine operationale Theorie geschaffen.

Beispiel. Der Bau von Autobahnen, um effizient von A nach B zu gelangen. Mittels Karten, und seit neuester Zeit mit Navigationsgeräten, sind wir sehr gut in der Lage eine Reise von A nach B zu planen. Wir erschaffen quasi ein Modell (Karte) der Realität (Straßenverkehrsnetz) und planen die Reise dann gegen das Modell. Wir haben also eine Wirkung der Realität auf das Modell. Es ist aber auch so, dass wir eine umgekehrte Richtung ausmachen können. Denn mit der Benutzung der Karte ist es uns möglich, immer effizientere Routen zu planen, die dann in der Realität auch umgesetzt werden, in dem beispielsweise Flüsse umgelegt werden, Wälder gerodet werden etc., um beispielsweise Autobahnen zu bauen. Hier hat also das Modell eine Wirkung auf die Realität.

Sie finden sicherlich eine Reihe weiterer Beispiele in der Praxis, die den oben aufgezeigten Teufelskreis, der unserem Fokus auf technologischen Fortschritt inhärent ist, belegen. Die Frage an dieser Stelle ist, in wie weit unsere Natur dieses Spiel mitspielt. Denn es ist sicher nicht so, dass wir die Natur zerstören könnten. Wir sollten eher auf uns aufpassen.

Wir schießen Sonden zum Mars, was für mich unvorstellbar ist, erzeugen aber auf der anderen Seite immer mehr Krisen, die unser Leben hier auf der Erde gefährden. Im technologischen Bereich entwickeln wir uns immer weiter, im menschlichen Bereich bleiben wir auf der Stelle stehen, ja wir entwickeln uns sogar zurück. Wir verharren derzeit in der zweiten Epoche unserer Menschheitsgeschichte, auch und vor allem durch den Fortschritt, den wir durch Technologie errungen haben. Hier ist das Glück also auch gleichzeitig der Schmerz. Denn genau auf dieser Basis haben wir Digitalisierung definiert. Es bedarf also einer Neujustierung.

Wie könnte eine Neuausrichtung der Digitalisierung ausschauen?

Wie bereits in diesem Beitrag angesprochen ist der Übergang in die 3. Menschheitsepoche unabdingbar notwendig, da wir unsere derzeitigen Probleme und Herausforderungen mit Komplexität nur innerhalb dieser Epoche lösen werden. Wir müssen quasi einen Ausgleich zwischen dem technologischen und dem sozialen Fortschritt schaffen und auf dieser Basis die Digitalisierung neu ausrichten.

Mit den Naturwissenschaften und dem dahinter liegend inhärenten Denkmuster der Zweiwertigkeit hat sich das lineare Ursache-Wirkungsdenken etabliert. Dieses Denken hat sich mit der Digitalisierung manifestiert, was aber letztendlich hinderlich beim Handhaben von Komplexität ist. Dieser brandeins Artikel befasst sich mit dieser Thematik und belegt diese These auch mit Beispielen aus der Praxis.

Ich verteufele die Digitalisierung nicht an sich. Ich bin nur der festen Überzeugung, dass wir auf der digitalen Reise einen Irrweg eingeschlagen haben, den wir nur verlassen können, wenn wir unseren Zweiwertigen Denkrahmen erweitern. Maschinen konstruieren und entwerfen wir im Zweiwertigen Denkrahmen. Nach Gotthard Günther nenne ich diese “klassisch” (siehe obere Abbildung der Einteilung der Menschheitsgeschichte in 3 Epochen). Das geht auch nicht anders, da so nun einmal unsere Computer funktionieren, “0” oder “1”. Wir Menschen sind aber zu viel mehr im Stande, als der Zweiwertige Denkrahmen zulässt, der ausschließlich in der materiellen Welt funktioniert, nicht in der geistigen. Wir konditionieren uns im Rahmen der Digitalisierung wie ausgeführt auf den Zweiwertigen Denkrahmen und minimieren damit unseren Potentialraum, was dazu führt, dass wir abstumpfen und uns den Maschinen “nach unten” annähern. Die Maschinen nähern sich uns Menschen nicht “nach oben” an.

Was können wir aber nun konkret tun? Ich verfolge hier wie so häufig die Maxime “Groß denken, klein handeln!”.

Mit “Groß Denken” verbinde ich die Forderung nach der Erweiterung unserer Zweiwertigen Logik, damit wir im Stande sind, Lebendigkeit formal-logisch modellieren zu können und damit auf dieser Basis, adäquate Modelle und transklassische Maschinen zum Handhaben von Komplexität zu erstellen. Mit dem Bauen solcher transklassischen Maschinen würde man auch die Mystik von und damit die teilweise vorherrschende Angst vor Maschinen nehmen können. Einerseits wird verdeutlicht, an welchen Stellen Maschinen den Menschen wirklich behilflich sein können (Objektivität und objektivierbare Subjektivität). Andererseits wird aber auch klar gemacht, wo Maschinen, auch transklassische, den Menschen niemals ersetzen können. Hier hat Gotthard Günther ja bereits enorme Vorarbeit mit seiner Polykontexturallogik geleistet. Wir müssen den Ball hier nur aufnehmen.

Mit “Klein Handeln” verbinde ich, dass wir beim Problemlösen uns und unseren Mitmenschen mehr vertrauen sollten und nicht immer gleich nach Best Practice oder externen Beratern rufen. Das bedeutet, häufiger selbständig zu denken und zu fühlen, und nicht auf die in diesem Beitrag angesprochenen Methoden zu bauen, die ja, weil sie im Rahmen unseres Zweiwertigen Denkrahmens entstanden sind, monokontextural sind. Angewendet auf komplexe Probleme (siehe zweite Abbildung) sind diese dann kontextlos. Ein Beispiel solcher kontextlosen Regeln sind Business Cases im Rahmen von Investitionen. Warum das so ist erfahren Sie bei Interesse hier. Wir merken gar nicht, wie wir durch den Einsatz solcher Methoden automatisch die Verantwortung an diese abgeben und uns dadurch auch die Chance zum Lernen nehmen.

Mit dem einsetzenden Begreifen, dass Digitalisierung mehr ist als nur “0” und “1”, geben wir den Startschuss für die 3. Menschheitsepoche. Und damit ziehe ich den Rückschluss auf den Anfang dieses Beitrages, nicht vergessend auf ein interessantes Buch hinzuweisen, in welchem die in diesem Beitrag formulierten Ideen und Gedanken noch weiter ausgeführt werden, Technologische Zivilisation und transklassische Logik – Eine Einführung in die Technikphilosophie Gotthard Günthers

Ich bin gespannt auf die Diskussionen, die sich im Rahmen dieser Blogparade ergeben.

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Das Viable System Model als transklassisches Organisationsmodell

Auf Wunsch von Mark Lambertz, einem Begleiter auf meiner Reise des Verstehens, schreibe ich diesen Beitrag. Er hat mich gebeten, die Gemeinsamkeiten zwischen dem Viable System Model (VSM) von Stafford Beer und der Polykontexturallogik (PKL) von Gotthard Günther zu ergründen und zu beschreiben. Die Vermutung meinerseits auf einige Gemeinsamkeiten war durchaus vorhanden, da das VSM ein Modell für Lebendigkeit ist und die PKL eine formale Sprache zum Modellieren von Lebendigkeit darstellt.

Danke Mark, für diese Aufgabe. Durch diese habe ich das VSM noch einmal besser, vor allem aus einer anderen Sichtweise heraus, verstanden.

Im ersten Abschnitt möchte ich die Wichtigkeit der PKL beschreiben, vor allem auch im Kontext einiger prägnanter Probleme und Herausforderungen, denen wir uns in der heutigen Zeit ausgesetzt sehen. Die gewonnenen Erkenntnisse möchte ich dann im zweiten Abschnitt nutzen, um die Vorzüge des VSM zu erklären und dabei vor allem die Unterschiede zu den bekannten klassischen Organisationsmodellen anreißen. Abschließend werde ich dann mein Fazit für den weiteren Umgang und einen möglichen Einsatz des VSM ziehen.

PKL – Was ist das und warum ist diese so wichtig?

Die von Gotthard Günther entworfene PKL stellt eine formale Theorie dar, die es ermöglicht, komplexe, selbstreferentielle Prozesse, die charakteristisch für alle Lebensprozesse sind, nicht-reduktionistisch und logisch widerspruchsfrei zu modellieren. Es ist entscheidend, den Unterschied zu allen anderen Logiken (modale, mehrwertige, Fuzzy etc.), die alle auf der Zweiwertigen Logik von Aristoteles aufbauen, zu verstehen.

Zweiwertige Logik schließt Widersprüche und damit Lebendigkeit aus. Deshalb lässt sich auf Basis dieser Logik auch keine Handlungen von Menschen modellieren, oder eben nur mit ganz großer Vorsicht, da Menschen eben trivialisiert werden müssen, um die Zweiwertige Logik auf sie anwenden zu können. Diese Trivialisierung läuft oft unreflektiert ab, da im Rahmen der Zweiwertigen Logik, was diesen Fakt deshalb so gefährlich macht.

Die PKL schließt den Aussagenden mit ein, behandelt also nicht nur die Aussage an sich. Deshalb wird diese Logik auch oft mehrstellige oder standortabhängige Logik genannt. Bitte nicht verwechseln mit der mehrwertigen Logik. Oft wird statt “Stelle” auch “Standort” gesagt. Es wird also thematisiert, wo quasi Jemand steht, der eine Aussage tätigt. Dabei trifft Jeder Aussagende seine Aussage auf Basis der Zweiwertigen Logik. Nun kommt aber der Kniff. Diese Aussagen werden miteinander vermittelt. Das bedeutet, es wird innerhalb des Logikrahmens eine Quasi-Objektivierung zwischen verschiedenen Subjektivitäten hergestellt. Genau diesen Fakt macht sich das VSM bei der Vermittlung zwischen einzelnen lebensfähigen Systemen zu Nutze. Dazu kommen wir später noch detaillierter. Bei der Zweiwertigen Logik wird das Herstellen dieser Quasi-Objektivierung außerhalb des Logikrahmens hergestellt, weil dieser Rahmen keine Vermittlung kennt. Erst wenn diese Vermittlung getan ist, beispielsweise in Werten von “ja”, “nein”, “vielleicht”, …, kann die Logik angewendet werden. Vorher nicht.

Es geht in der PKL im Prinzip um die Auflösung einer Denkform, die in ihren Kategorien und in ihrer Logik von einer einzigen objektiven Welt, einer einzigen und objektiven Wahrheit ausgeht. Die Bedeutung dieser neuen Denkform möchte ich jetzt an bekannte Probleme der Wirtschaft spiegeln und dabei den Unterschied zwischen klassischen (Duales System, Matrix, Pfirsich, Holokratie etc. ) und transklassischen Organisationsmodellen (VSM) formulieren.

In der obigen Tabelle habe ich das Beispiel “Geld verdienen in Unternehmen” auf verschiedenen Reflexionsstufen abgebildet. “Geld verdienen” ist nach heutigen Spielregeln der Wirtschaft wie das Atmen beim Menschen: Lebensnotwendig. Es ist aber nicht der eigentliche Sinn des Daseins der Unternehmen. Auch könnten die Spielregeln ja anders sein, so dass Geld verdienen eben nicht mehr lebensnotwendig wäre. Heutige Unternehmen sind bis Stufe 1 modelliert, also nach klassischen Organisationsmodellen, die ich deshalb so nenne, weil sie eben auf der klassischen Zweiwertigen Logik von Aristoteles basieren. Fragen nach dem Sinn des “Geldverdienens” sind ausgeschlossen, und damit auch Fragen nach den Spielregeln der Wirtschaft.

Beispiele, wo uns diese Zweiwertigkeit zu schaffen macht, kann man in der Praxis zuhauf erkennen. Ich möchte hier das in letzter Zeit vielleicht prominenteste anbringen, das Manipulieren der Abgassoftware bei VW. Strukturen, wie eben unsere Organisationsmodelle, nach denen wir unsere Unternehmen aufbauen, konditionieren Menschen im Denken und Handeln. Bilden unsere Modelle aber eben nur maximal die Reflexionsstufe 1 ab, sollten wir uns nicht über solche Art von Handlungen von Menschen wundern, oder? Bitte nicht falsch verstehen. Ich möchte uns Menschen hier nicht aus der Verantwortung lassen, sondern Handlungen nur erklärbarer machen. Letztendlich sind wir Menschen ja verantwortlich für die Strukturen, nach denen wir unsere Unternehmen bauen. Die derzeitigen Strukturen sind ja kein Naturgesetz, wie etwa die Gravitation. Wir können sie ändern. Wir sind verantwortlich, aber eben nur auf einer anderen Stufe, nämlich schon beim Definieren unserer Unternehmensstrukturen, nicht erst beim Ausführen von Handlungen.

Ähnliche Phänomene erkennen wir nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in anderen Teilen der Gesellschaft, beispielsweise im Fußball beim Schinden von Elfmetern über Schwalben oder beim Erzielen von Toren mit der Hand. Die Spielregeln sind hier klar definiert, zweiwertig eben. Bricht ein Spieler mit diesen Regeln, erzielt also beispielsweise mit der Hand ein Tor, was der Schiedsrichter aber nicht wahrnimmt, wird es schwierig. Sollte der Spieler das Vergehen zugeben und damit vielleicht den Sieg riskieren aber als Ehrenmann dastehen? Oder sollte er das Vergehen verschweigen, um beispielsweise anschließend in der Presse angeprangert zu werden? Entweder der Spieler ist “gut” oder eben “böse”. Ein Drittes gibt es nicht. Auf dieses “Entweder-Oder-Denken” komme ich später noch zu sprechen. Es geht eben im Sport längst nicht mehr nur um das eigentliche Gewinnen eines Spiels. Die Spielregeln bilden diese Polykontexturalität aber nicht ab, was letztendlich auf dem Rücken der Spieler ausgetragen wird.

Wir Menschen sind im Stande, da wir lebendig sind, polykontextural zu agieren. Da wir aber im klassischen Sinne nicht fähig sind, diese Fähigkeit zu modellieren, sind unsere Unternehmen so eben nicht modelliert und aufgebaut. Dadurch stehen Menschen in zweiwertig aufgebauten Systemen immer “zwischen Baum und Borke”. Krankheiten werden so wahrscheinlich, da Menschen oft gegen ihr eigentliches Gewissen handeln müssen. Es ist also wichtig, unsere Unternehmen nach anderen Modellen zu modellieren und zu strukturieren, als die herkömmlichen klassischen es zulassen. Es werden allerdings in Arbeiten zu Organisationstheorien immer nur die klassischen Modelle thematisiert. Warum? Die oben angesprochene Reflexivität ab Stufe 2 erschwert aufgrund der Selbstbezüglichkeit das Verständnis über das klassische hinaus gehende Modelle, wie eben das VSM eines ist. Lineares Denken, wie wir es gewohnt sind, steht diesem Verständnis im Wege. Daher möchte ich nun am Beispiel des VSM einen Ansatzpunkt für mehr Klarheit liefern.

Das VSM als transklassisches Organisationsmodell

Ich zähle das VSM zu transklassischen Organisationsmodellen, da es eben auf der PKL als transklassische Logik basiert. Laut dem VSM lenkt ein System 1 eigenständige Operationen mit der Umwelt. Ein System 2 gleicht Oszillationen bei Anpassungsversuchen der Systeme 1 aus. Für die Ressourcenzuteilung und die interne Optimierung ist ein System 3 zuständig. Die Umweltinteraktion, Beobachtung und Simulation möglicher Zukünfte übernimmt ein System 4. System 5 ist die oberste Lenkungshierarchie, welche das Selbstverständnis entwickelt und Entscheidungen trifft, die die Identität und die DNA des Unternehmens bestimmen. Die folgende Abbildung stellt den Aufbau eines lebensfähigen Systems in diese 5 Systeme dar.

Jedes System 1, welches wiederum eigenständig lebensfähig ist, beinhaltet wiederum alle 5 Systeme des VSM, in dem gelenkt, abgestimmt und optimiert wird. Daran erkennt man sehr eindrucksvoll den fraktalen Aufbau des Modells, über welche die oben angesprochenen Reflexionsstufen (siehe Tabelle) im Unternehmen abgebildet werden. Diese Reflexionsstufen stellen den eigentlichen Charme des VSM dar. Der Clou und die Neuartigkeit des VSM sind also nicht die einzelnen Systeme 1 bis 5, sondern, der reflexive ineinander vermittelte Aufbau zwischen den einzelnen Systemen. Das System 1 besteht also wiederum aus Systemen 1 bis 5, die aber auf einem anderen Reflexionsniveau gedacht werden müssen. Das Spannende ist nun die Vermittlung zwischen diesen Niveaus, also den einzelnen Systemen, die alle lebensfähig sind, zu einem größeren gemeinschaftlichen lebensfähigen System. Diese Vermittlung lässt sich nur im PKL Denkrahmen formalisieren, was ich am Anfang des Beitrages über die Vermittlung der einzelner Subjektivität zu einer Quasi-Objektivität bereits angerissen habe.

Für diese Vermittlung kommt eine Operation, die Proemialrelation, ins Spiel, die es im Zweiwertigen Rahmen nicht gibt. Diese Proemialrelation erzeugt den wesentlichen Unterschied des VSM, als transklassisches Organisationsmodell, zu den klassischen Modellen. Diesen Fakt möchte ich an der unten stehenden Abbildung erklären.

Exemplarisch ist ist hier ein Unternehmen (System 3) aus zwei anderen lebensfähigen Systemen aufgebaut, System 1 (Produktteams) und System 2 (Entwicklungsteams). Die 3 Systeme bestehen jeweils, wie oben nach dem Modell des VSM dargestellt, aus den 5 VSM Systemen, die ja in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenwirken Lebensfähigkeit erst herstellen. Das Unternehmen (System 1) verkauft Produkte am Markt, die über System 1 (Produktteams) ganzheitlich in ihrem Lebenszyklus gemanaged werden. System 1 (Produktteams) erstellt Neu- und Weiterentwicklungen der Produkte als Auftrag an System 2 (Entwicklungsteams). System 1 und 2 könnten, weil diese ja lebensfähig sind, innerhalb anderer Unternehmen ebenfalls integriert werden. Beispielsweise könnten sich die Entwicklungsteams am Markt als Entwickler dieser Produkte selbständig machen, also von anderen Unternehmen oder Produktteams beauftragt werden.

Es wird nun in allen klassischen Organisationsmodellen der Fakt ignoriert, wie man die zwei autonom agierenden Systeme 1 und 2, die sich zu einem gemeinsamen System 3 verbinden, denken soll. Warum? Weil hier die Reflexionsstufen fehlen. Damit meine ich Fragen wie: In wie weit sind diese Entwicklungsteam wirklich autonom? Was können sie eigenständig bestimmen und was nicht? Und wie passt das dann wieder zur Autonomie? Diese Diskussionen verfangen sich immer wieder in Dichotomien, wie beispielsweise “keine vordefinierten Strukturen” und “vordefinierte Strukturen”, flippen also hin und her zwischen zwei unvereinbaren Polen. Hier finden wir das “Entweder-Oder” Muster, was strukturgebend ist für Zweiwertigkeit.

Das VSM bietet durch die Reflexionsstufen eine Möglichkeit, wo man Beides gleichzeitig denken kann, “Struktur” und “keine Struktur”. Entscheidend dafür ist die bereits angesprochen Proemialrelation, als heterarchische Vermittlung zwischen den Systemen 1 bis 3, die man in klassischen Organisationsmodellen aufgrund ihrer Zweiwertigkeit nicht kennt. Diese Operation ist in der obigen Abbildung als Zusammenspiel dreier anderer Operationen, der Ordnungs-, Umtausch- und Kongruenzrelation, dargestellt. Über diese Operation, also innerhalb der Schnittstelle zwischen den drei Systemen, wird die Vermittlung zwischen Netzwerk und Hierarchie bestimmt. Also statt “Entweder-Oder” nun “Sowohl-Als-Auch”. Aus einem linear hierarchisch strukturierten Prozess auf Unternehmensebene (System 3) wird nun ein parallel ablaufendes, sich gegenseitig beeinflussendes netzwerkartiges Prozessgeflecht über die Systeme 1 und 2 hinweg verteilt. Über die Proemialrelation, also den Schnittstellen zwischen den einzelnen 3 lebensfähigen Systemen werden also nicht nur Informationen im eigentlichen Sinne weiter gegeben. Hier können Umdeutungen, Umschreibungen und Umfungierungen vonstatten gehen, was letztendlich dazu führt, dass keine Priorität zwischen den Zwecken und den Zielen der drei Systeme auszumachen ist. Also die Zwecke der 3 Systeme (Unternehmen, Produktteams und Entwicklungsteams) sind gleichrangig. Wäre das nicht der Fall, würde also der Zweck des Unternehmens (System 3) den Zweck der Produktteams (System 1) immer toppen, wären die Produktteams nicht eigenständig lebensfähig. An dieser Stelle ist wichtig zu verstehen, dass es innerhalb von Prozessen in lebensfähigen Systemen keine Vorgänger-Nachfolger-Beziehungen bei der Erledigung der Aufgaben und Übergabe zwischen den Systemen vorherrscht.

Es gibt keine Hierarchie und damit Rangfolge in der Vermittlung zwischen den drei Systemen. Jedes der drei Systeme verfügt über eine eigene Wahrheit. Durch das Zusammenwirken der Systeme zu einem größeren muss aber eine neue Wahrheit entstehen, die dem gesamtheitlichen System (Unternehmen) genügt. Durch diese neu geschaffene Proemialrelation ist es also ebenfalls möglich innerhalb eines Unternehmens verschiedene Umgebungen zu erzeugen, denn auch die beiden Systeme 1 (Produktteams) und 2 (Entwicklungsteams) benötigen einen “Markt” als eine Umwelt, also ihr “Außen”. Durch die Proemialrelation wird Selbstrückbezüglichkeit formalisierbar, die ab Stufe 2 der Reflexion wichtig wird.

Genau an dieser Stelle übrigens verfangen sich derzeit alle derzeitigen Bemühungen, Intelligenz maschinell abzubilden. Es wird nämlich nicht ausreichend differenziert genug zwischen Rekursivität und Selbstrückbezüglichkeit. Rekursivität lässt sich im Zweiwertigen Denkrahmen formalisieren, Selbstrückbezüglichkeit (oder Selbstreferentialität), was ausschlaggebend für Lebendigkeit ist, nicht. Das nur mal so nebenbei.

Für tiefergehende Ausführungen der Proemialrelation im Zusammenhang mit der PKL verweise ich gerne auf den Beitrag Vom Subjekt zum Projekt oder Vom Projekt zur Subjektivität von Eberhard von Goldammer.

Im VSM ist also das Zusammenspiel von Hierarchie innerhalb der einzelnen 3 lebensfähigen Systemen (Zweiwertige Logik) und Heterarchie als gleichrangige Vermittlung zwischen diesen 3 Systemen abgebildet. Aber Vorsicht an dieser Stelle. In den Systemen 1 und 2, den Produkt- und Entwicklungsteams, gibt es ebenfalls wieder diese Vermittlung zwischen Hierarchie und Heterarchie, da ja auch diese Systeme lebensfähig sind und aus den VSM Systemen 1 bis 5 bestehen. Es muss also Netzwerk und Hierarchie gleichzeitig vermittelnd und gleichrangig gedacht werden. Das leisten klassische Organisationsmodelle (Duales System, Matrix, Pfirsich etc.) aber nicht. Sie bleiben bestenfalls beim Dualismus zwischen Hierarchie und Netzwerk hängen (siehe Reflexionsstufe 1 in der obigen Tabelle). Warum? Weil sie Selbstbezüglichkeit und Reflexivität ausschließen.

Je mehr Komplexität von einem System aber zu handhaben ist, desto mehr eigenständig lebensfähige (Teil-)Systeme müssen über die Proemialrelation zu diesem System miteinander vermittelt werden. Diesen Fakt nehmend wird auch schnell klar, warum in Organisationen, die nach klassischen Modelle strukturiert sind, Komplexität so schwer handhabbar ist und deshalb als Feind betrachtet wird.

Warum ist der Übergang von klassischen zu transklassischen Organisationsmodellen so schwierig?

Dieses eigentliche Problem hinter klassischen Modellen wird aber nicht wirklich gegriffen. Es bleibt bei den unauflösbaren Schattenkämpfen zwischen Dichotomien. Als Beispiel reiche ich Ihnen gerne diesen Artikel The problem with scaled Agile and SAFe an. In diesem Beitrag wird zwischen den dichotomen Polen “keine definierten Prozesse” und “definierte Prozesse” unversöhnlich hin und her geflippt. Ich habe das Phänomen der Schattenkämpfe, der Begriff stammt übrigens vom österreichischen Physiker und Philosophen Herbert Pietschmann, vor einiger Zeit an der Dichotomie “klassische vs. agile PM-Methoden” erörtert.

Es gibt übrigens weitere dichotome Wertepaare, die mir immer wieder in Diskussionen hoch kommen, und die vom eigentlichen Problem der klassischen Organisationsmodelle ablenken, die da wären.

  1. Spezialisten vs. Generalisten
  2. Funktionale vs. Prozessuale Organisation
  3. Optimierung des Bestehenden vs. Innovation
  4. Gegenwart vs. Zukunft
  5. Strategie vs. Operative
  6. Planbarkeit vs. Überraschung
  7. Fehler vs. Qualitätstreue

Ihnen fallen sicherlich weitere ein. Zwischen diesen aufgeführten Wertepaaren darf es keine Hierarchie und damit keine Priorität geben. Sie müssen gleichrangig behandelt werden, was aber in den klassischen Modellen nicht geht.

Allerdings werden die Vorteile des VSM im Zweiwertigen Denkrahmen entweder als bereits in klassischen Modellen umgesetzt und deshalb nicht mehrwertig angesehen oder eben als Scharlatanerie abgetan. Ein Drittes gibt es nicht: “Entweder-Oder”. Deshalb wird das VSM auch fast nie thematisiert, sondern stets nur die klassischen Modelle, wie Matrix, Pfirsich oder Holokratie etc. Man könnte also auch sagen, dass im Rahmen der klassischen Organisationsmodelle inhärent ein Muster aufgebaut wurde, dass es verhindert, diese in Gänze zu negieren. Sie sichern sich ihre Lebensfähigkeit in den Köpfen der Menschen.

Für mich ist das VSM ein transklassisches Organisationsmodell, übrigens das einzig mir bekannte, da es auf einer Erweiterung der Zweiwertigen Logik basiert. Damit ist es möglich, Rückbezüglichkeit und Reflexion, was Leben erst ermöglicht, widerspruchsfrei und nicht trivialisierend zu modellieren. Diese Rückbezüglichkeit ist aber eben auch verantwortlich für den schweren Zugang zum VSM und auch zur PKL, als Basis für das Verständnis des VSM. Widersprüchlichkeit lässt sich im Zweiwertigen Denkrahmen nicht denken.

Ich hoffe einen kleinen Impuls gesetzt zu haben, um zukünftig reflektierter über klassische Organisationsmodelle nachzudenken.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einige Quellen anreichen, über die Sie einen Zugang zu weiteren und tiefergehenden Informationen zum VSM und zur PKL.

Bücher zur PKL

Titel Link
Dimensionen des Denkens: Dreiwertige Logik erklärt auf der Basis von Gotthard Günther von Petra Sütterlin link
Idee und Grundriss einer nicht-Aristotelischen Logik von Gotthard Günther link
Technologische Zivilisation und transklassische Logik: Eine Einführung in die Technikphilosophie Gotthard Günthers” von Kurt Klagenfurt link
Das Bewusstsein der Maschinen: Eine Metaphysik der Kybernetik von Eberhard von Goldammer link

Links im Netz zur PKL

Titel Link
Blick ins Buch: Dreiwertige Logik erklärt auf der Basis von G. Günther link
Bibliographie von Gotthard Günther link

Bücher zum VSM

Titel Link
Freiheit und Verantwortung für intelligente Organisationen von Mark Lambertz link
Heart of Enterprise von Stafford Beer link
Brain of the Firm von Stafford Beer link
Diagnosing the System for Organizations von Stafford Beer link

Links im Netz zum VSM

Titel Link
Das deutschsprachige Buchprojekt zum Viable System Model von Mark Lambertz link
Mit dem Viable System Model Changeprojekten den Sinn nehmen von Conny Dethloff link
Steuerung und Regelung von Unternehmen mit dem Viable System Model von Conny Dethloff link
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Erfolgreiche Manager kümmern sich nicht um Methodik

Das Projekt Magazin hat eine Blogparade ins Leben gerufen, die deshalb für mich so spannend ist, weil hier eine für mich in letzter Zeit spannendsten Fragen thematisiert wird.

Was ist wichtiger für den Projekterfolg – die Projektmanagement-Methode oder die Persönlichkeit des Projektleiters?

Diese Frage habe ich ja bereits im Titel dieses Beitrages beantwortet, deshalb gerne noch einmal in anderen Worten formuliert.

Menschen machen Methoden erfolgreich, nicht umgekehrt!

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Echten Erfolg erlangt man, wenn man sich erst gar keine Gedanken um die anzuwendende Methode macht. Dafür stütze ich mich auf die japanische Philosophie, auf der ja größtenteils auch die Ideen und Gedanken hinter Agil und Lean beruhen. Die dortige Kampfkunst kennt drei Stufen des Lernens (Shu-Ha-Ri), die ein Schüler von den Anfängen bis zur Meisterschaft seiner Kunst durchläuft.

  1. “Shu”, als erste Stufe des Lernens bezeichnet, bedeutet so viel wie „erhalten oder gehorchen“. Man lernt, indem man stur gegebenen Regeln folgt. Ich spreche hier auch gerne von einem kontextlosen Befolgen von Prozessen.
  2. “Ha”, die zweite Stufe, lässt sich übersetzen mit „(auf)brechen, frei werden, abschweifen“. Hier geht es darum, die kontextlosen Regeln und Standards zu interpretieren und auf den Kontext abgestimmt zu variieren. Dazu gehört also, den Sinn und Zweck der einzusetzenden Methoden zu verstehen, um so über das reine Befolgen dieser hinaus zu kommen.
  3. “Ri”, als dritte und höchste Stufe, schließlich bedeutet „verlassen, trennen, abschneiden“. Hier wird gemeint, die gegebenen Muster hinter sich zu lassen um, von eigenen Impulsen gesteuert, eigene Wege zu gehen. Die Erfahrung und das Beherrschen der Regeln ist dabei die Voraussetzung, um sich als Mensch im jeweiligen befindlichen Kontext unabhängig von Methoden zu machen.

Eine Methode, die man in Projekten anwendet, spielt keine Rolle für Erfolg oder Misserfolg. Diese These habe ich bereits in einem im vergangenen August veröffentlichten Beitrag Wasserfall ist weder “agil” noch “nicht agil” untermauert. Den Text möchte ich hier noch einmal bringen, da er passfähig zu der in der Blogparade gestellten Frage ist.

Immer wieder höre ich davon, dass die Wasserfall-Methode nicht agil ist. Mit diesem Beitrag möchte ich meine Sicht auf diese Aussage spiegeln. Dabei möchte ich auf zwei Dinge eingehen. Zum einen kann eine Methode an sich, also ohne Kontext, niemals “etwas sein” oder “etwas nicht sein”. Zum anderen sollte für einen erfolgreichen Einsatz einer Methode immer Derjenige die Verantwortung übernehmen, der diese auswählt und anwendet, niemals die Methode an sich.

Wasserfall ist weder “agil” noch “nicht agil” …,

… genauso wie übrigens Scrum als Methode weder “agil” noch “nicht agil” sein kann. Erst einmal müssen wir natürlich klären was man mit dem Begriff “agil” im Unternehmenskontext eigentlich verbindet. In meinem Beitrag Agilität ist in aller Munde, aber auch im Kopfe? habe ich bereits die folgende Definition angebracht.

Agil sein oder Agilität bedeutet nicht nur Wandel zu akzeptieren. Agilität geht einen Schritt weiter und fordert Wandel, wenn dies sinnvoll erscheint. Demnach müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, damit eine Organisation als agil bezeichnet werden kann:

  • Die Organisation akzeptiert und bewältigt Wandel.
  • Die Organisation nutzt und löst Wandel zum eigenen Vorteil aus.

Alleine, wenn man sich diese Definition zu Herzen nimmt, ist es mir unerklärlich, einer Methode die Bewertung “agil” oder “nicht agil” zuzuschreiben. Aber dazu komme ich erst im zweiten Teil meines Beitrages. Denn unabhängig von der Definition zu “agil” möchte ich anmerken, dass eine Bewertung über Adjektive ohne Kontext, in diesem Fall die Bewertung einer Methode, sinnentkoppelt ist. Inspiriert für diesen Beitrag wurde ich übrigens durch diese Diskussion auf Twitter.

https://twitter.com/Thomas_Michl/status/765638095626653696

Kontextlos gibt es keinen Unterschied zwischen “agil” und “nicht agil”. Dazu ein Beispiel. Ein Turner ist beweglich. Ergibt es deshalb Sinn, jeden Fußballer, nur weil er nicht so beweglich ist wie ein Turner, als nicht beweglich zu titulieren? Nein, natürlich nicht. Denn es ist essentiell, wie viel Beweglichkeit überhaupt sein muss, um erfolgreich in der jeweiligen Sportart zu sein. Und das ist der Kontext, den ich hier ins Spiel bringe.

Daraufhin wurde mir entgegnet, in der obigen Twitter Diskussion nachzulesen, dass die Benutzung von Adjektiven, also Eigenschaftsbeschreibungen wie “agil”, auch ohne Kontext Sinn machen. Dafür wurde folgendes Beispiel heran gezogen. Wasser ist flüssig, wäre es fest, würde man Eis dazu sagen. Hierbei wurde aber ungeachtet gelassen, dass auch hier ein Kontext verwendet wurde, nämlich der Vergleich der Festigkeit zwischen Eis und Wasser. Setze ich andere Kontexte an, bekomme ich andere Wertungen der Festigkeit von Eis und Wasser. Denn Wasser kann auch fest sein. Im Turmspringen beispielsweise wird die Wasseroberfläche aufgewirbelt, da diese sonst bei einem fehlerhaften Eintauchen der Springer zu fest wäre und so zu Verletzungen dieser führen könnte. Für den Bau einer Brücke beispielsweise ist Eis eben nicht fest und daher nicht tauglich für eine Verwendung.

Das trifft übrigens auf jede Bewertung über Adjektive zu. Ohne Kontext bleibt diese Bewertung ohne Bedeutung, da erst der Kontext den Bezugsrahmen für eine Bewertung darstellt, wie Marcus Raitner, ebenfalls in der obigen Twitter Diskussion nachzulesen, anführt. Das glauben Sie nicht? Okay, hier weitere Beispiele.

Usain Bolt wurde gerade Olympiasieger in Rio im 100m Sprint. Man kann ihn also als “schnell” bezeichnen. Ist deshalb jeder andere Sportler einer anderen Sportart nicht schnell, nur weil er nicht ansatzweise so schnell wie Bolt ist? Natürlich nicht. Auch hier ist wieder das Heranziehen des Kontextes entscheidend, der angibt, wie schnell man sein muss, um in der jeweiligen Sportart erfolgreich sein zu können. Ohne diesen Kontext würde man jeden Handballer als langsam einstufen. Ihnen fallen bestimmt viele weitere Beispiele ein. Oder?

Haben wir die erste Stufe also genommen. Es macht keinen Sinn eine Methode wie Wasserfall oder Scrum als “agil” oder “nicht agil” zu bezeichnen, wenn man nicht dazu angibt, was man überhaupt erreichen möchte. Ich werde jetzt nicht darauf eingehen, dass man hier einen Kategorienfehler begeht, da es sich bei “Wasserfall” um eine Methode und bei “Agil” um eine Haltung handelt. Im Rahmen einer agilen Haltung lassen sich logischerweise auch Wasserfall-Methoden sehr gut anwenden, ähnlich wie man bei Wasserfall-Methoden von einer agilen Einstellung reden kann, aber nicht muss. Warum denn eigentlich auch nicht? Man muss sich bei der Befriedigung von Kundenbedürfnissen, und darum geht es ja im Unternehmenskontext, eben nur die Frage beantworten, wie klar eine umzusetzende Anforderung seitens des Kunden verstanden und abgestimmt und wie zeitbeständig diese ist. Abhängig von dieser Antwort, müssen dann die Feedbackschleifen zum Kunden schneller oder langsamer drehen und der Kunde mehr oder weniger eingebunden werden. Abhängig von der Beantwortung dieser Fragen wählt man die passende Methode aus.

Verantwortung für Erfolg bleibt immer beim Anwender einer Methode, niemals bei der Methode

Ich habe es eben bereits angesprochen. Es geht um das Auswählen einer passenden Methode. Ein Hammer ist ja auch nicht deshalb als Werkzeug grundsätzlich unbrauchbar, nur weil ich mit diesem keine Schrauben in die Wand drehen kann. Und genau für das Wählen dieser Methode ist der Mensch verantwortlich. Um es klar zu sagen. Nur weil man im Projekt oder übergreifend im Unternehmen feststellt, dass man nicht agil genug ist, sollte man niemals der Methode, wie beispielsweise “Wasserfall” dafür verantwortlich machen. Denn wir wissen ja, auch mit dieser Methode kann man agil sein. Lesen Sie sich gerne die an den Anfang dieses Beitrages gestellte Definition durch, um sich diesen Fakt zu vergewissern.

“Agil sein” reicht als Kontext nicht aus. Hier muss man genauer werden, wie zum Ende des ersten Abschnittes angedeutet. Agil muss ein Unternehmen immer sein. Das ist essentiell für die Überlebensfähigkeit. Dazu ein Analogon, wieder mal aus der Welt des Sports. Würden Sie einen Sportler nach der Ursache seines Erfolges fragen und er würde entgegnen, dass es die Fähigkeit wäre zu atmen, würden Sie wohl schmal schauen. Ähnlich verhält es sich mit der Durchführung eines Projektes, ob dieses denn nun agil zu geschehen hat oder nicht. Diese Frage ist irrelevant. Klar muss es agil durchgeführt werden. IMMER. Nur ist damit der Fakt nicht einhergehend gefestigt, die Wasserfall-Methode nicht einsetzen zu dürfen.

Wir sollten sehr schnell weg kommen von der Vorstellung, dass weil die Wasserfall-Methode nicht agil ist, diese immer schlecht ist. Es wird aber leider in vielen Beiträgen zur Agilität im Netz häufig so dargestellt. Warum ist das wohl so? Meine These ist, dass dies mit der Methodenhörigkeit zu tun hat, der wir oft erlegen sind. Wir sollten uns und unseren Fähigkeiten wieder mehr vertrauen und diese nicht auf Methoden projizieren. Während Denken und Wahrnehmen eine hohe Priorität darauf legen, auf veränderte Anforderungen reagieren zu können, was in einer sehr flexiblen Vorgehensweise resultiert, ist das Ziel von Methoden, die Prozesse möglichst zu standardisieren und so weit zu vereinfachen, bis nur noch die Elemente übrig bleiben, die wesentlich zur Wertschöpfung beitragen. An dieser Stelle besteht die Gefahr, die Prozesse als kontextlos enden zu lassen.

Verfolgt man eine Strategie, die auf einem Kostenvorteil gegenüber dem Wettbewerb basiert, sind diese kontextlosen Methoden der richtige Ansatz. Die Vermeidung von Verschwendung führt auch zur Vermeidung von Kosten und schließlich zu der Möglichkeit, dem Kunden einen geringeren Preis anzubieten. Aber was ist das Optimum der Vermeidung von Kosten? Null Kosten. Und was bedeutet das für Unternehmen? Tod.

Auf der anderen Seite eignen sich Vorgehensweisen, die auf Denken basieren, für Differenzierungsstrategien. Wenn der Wettbewerbsvorteil darin bestehen soll, die Bedürfnisse der Kunden besser zu kennen, zu verstehen, um sie besser befriedigen zu können, heißt das auch, dass “Prozesse” benötigt werden, die ein ständiges Analysieren des Marktes ermöglichen und viele Gelegenheiten bieten, auf diese Erkenntnisse zu reagieren. Also Denken und Wahrnehmen. Diese Prozesse, deshalb auch in Anführungsstriche geschrieben, bezeichne ich als kontextbasiert.

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Warum Agilität in erster Linie nichts mit Methodik zu tun hat

Ich habe des Öfteren in meinen Beiträgen angesprochen, dass Agilität in erster Linie nichts Methodisches inne hat, sondern mit Einstellung und Haltung zu tun hat. Vergisst man diesen Fakt und stellt methodische Diskussionen in den Vordergrund, enden diese sehr schnell in einer Sackgasse, da zu “Glaubenskriegen” zwischen Methodikern.

Nachfolgend können Sie sich in jeweils 2 Screencasts anschauen, was ich unter Agilität verstehe, warum Agilität für Unternehmen wichtig ist, und was beachtet werden sollte, wenn ein Unternehmen Agilität operationalisieren möchte.

Screencast 1: Agil – Was, Warum und Wie

Die GROW Methode

Screencast 2: Agil – Skalierung

Die GROW Methode

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Warum Kybernetik für mich ab sofort KybernEthik heißt

Es gibt ja derzeit eine Debatte, ob die Kybernetik eine Steuerungsobsession von uns Menschen befeuert oder eben nicht. Dieser Beitrag ist ein weiterer meinerseits, wo ich meine Ideen und Gedanken in diesem Kontext weiter konkretisiere.

Zu Beginn möchte ich in meinen Worten kondensieren, was genau der Kybernetik und seinen Gründern angelastet wird. Dies kann ja für einen Dialog häufig zuträglich sein. Es wird formuliert, dass die Kybernetik Modelle liefert, die insbesondere den Menschen technokratisieren, also zu Maschinen trivialisieren. Die Erkenntnisse der Kybernetik helfen Menschen zu manipulieren und zu kontrollieren. Es steckt quasi etwas Menschenabgewandtes, ja sogar -feindliches als Motiv für die Entwicklungen rund um die Kybernetik.

Grundsätzlich, und das habe ich in vielen meiner Beiträge ausgeführt, nehme ich in unserer Gesellschaft ebenfalls eine Technokratisierung und Entmenschlichung wahr. Der Kybernetik und seinen “Vätern” dafür aber die Schuld zu geben, wäre für mich zu kurz gesprungen. In meinem Beitrag “Wir haben uns nicht für Digitalisierung entschieden, …” habe ich ausgeführt, dass diese Entmenschlichung bereits mit dem Aufblühen unserer Wissenschaft im 17. Jahrhundert begonnen hat. Gerade die Kybernetik zweiter Ordnung hat hier erstmalig einen Gegenpol gesetzt, da der Mensch, im Gegensatz zu allen anderen Wissenschaftsdisziplinen, eben wieder mit einbezogen wurde. Mit diesem Einbezug des Menschen wurde dann aber auch offenbar, warum alle anderen Disziplinen den Menschen ausgrenzen mussten. Diese Disziplinen basieren nämlich alle auf dem Denkrahmen der Zweiwertigen Aristotelischen Logik, die beispielsweise den Widerspruch, damit Lebendigkeit und damit eben den Menschen ausschließen.

Genau das war unter anderem auch der Grund, warum die Gründer der Kybernetik damals Gotthard Günther konsultierten. Günther hat nämlich begonnen, die Zweiwertige Logik so zu erweitern, dass man mit dieser auch Lebendigkeit formalisieren kann. Er nannte diese dann Polykontexturallogik. So lange wir nicht im Stande sind, auf Basis dieser erweiterten Logik Technologie voran zu treiben, werden wir unsere Gesellschaft immer weiter entmenschlichen. Wie Gotthard Günther über Kybernetik gedacht hat, findet man in diesem Dokument.

Des Weiteren gibt es eine Reihe weiterer Bücher von Vertretern der Anfänge der Kybernetik, die von einer Menschenzugewandtheit nur so strotzen. Warum? Weil sie den Menschen thematisieren und nicht einfach nur als trivialisiertes Objekt betrachten; die vor allem auch immer wieder auf die Gefahren des Missbrauchs der Erkenntnisse hinweisen. Denn ein Modell oder eine Methode ist weder gut noch schlecht. Diese Bewertung kann man erst mit der Anwendung dieser durch den Menschen ansetzen. Nehmen Sie alleine den Hammer, welcher auch schon als Instrument eingesetzt wurde um Menschen zu töten. Nutzen Sie diesen deshalb nicht mehr, um einen Nagel in die Wand zu schlagen?

Hier nur ein kleiner Auszug der angesprochenen Literatur.

  1. Heinz von Foerster: KybernEthik
  2. Norbert Wiener: Mensch und Menschmaschine
  3. Gregory Bateson: Geist und Natur: Eine notwendige Einheit
  4. Humberto Maturana und Francisoc Varela: Der Baum der Erkenntnis: Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens

Wie gesagt, ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen.

Noch einmal aus meiner Sicht klipp und klar formuliert. Menschen sind keine Maschinen. Gerade die Kybernetik hat mir geholfen, nicht unbedingt diesen Fakt zu verinnerlichen, denn klar war mir das schon immer, aber in meinem täglichen Leben zu operationalisieren. Denn aus den Erkenntnissen der Kybernetik leite ich für mich Modelle ab, die es mir ermöglichen, stets den Menschen in den Mittelpunkt allen Schaffens zu stellen, aber nicht um ihn zu manipulieren.

Aber wie oben bereits angedeutet. Kybernetik an sich ist weder gut noch schlecht. Erst in ihrer Anwendung lässt sich eine Bewertung vollziehen. Und auch diese Bewertung ist dann stets subjektiv, denn eine Bewertung wird immer von einem Bewerter gemacht.

Gib für eine Bewertung niemals dem Bewertungsgegenstand die Schuld. Du hast die Bewertung gemacht.

Genau dieser Fakt wurde auch im Bezug zur Kybernetik in dem Beitrag Sozialingenieure im Steuerungswahn — Über das kybernetische Erbe der Macy-Konferenzen angesprochen. Hier wurde die Frage angerissen, ob nicht die Erkenntnisse der Macy Konferenzen missinterpretiert wurden.

Die Karriere der kybernetischen Steuerungsideologie beginnt mit einem Missverständnis auf den geheimnisvollen Macy-Konferenzen in den USA nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit Elitewissenschaftlern, die fast alle in militärischen und geheimdienstlichen Projekten gearbeitet haben.

Ja, kann sein. Ich weiß es nicht. Ich war weder bei den Macy-Konferenzen dabei, noch war ich bei den Interpretationen dieser am Start. Wer, warum und wie welche Theorie interpretiert oder mit welchem Motiv welche Theorien erfunden wurden, kann ich nicht beurteilen. Es mag sein, dass das, was Gunnar Sohn zu Norbert Wiener und John von Neumann schreibt, stimmt. Ich kann es nicht beurteilen, ist für mich auch nicht wichtig. Interessant zu lesen ist es trotzdem. Für mich ist wichtig, wie ich diese Modelle interpretiere und einsetze. Das kann ich nämlich beeinflussen.

Ich kann nur aus den Büchern, die ich lese, interpretieren. Und da erkenne ich an der Literatur der Kybernetiker der ersten Stunde absolut nichts Menschenabgewandtes, ganz im Gegenteil. Aber es ist ja meine Interpretation, nicht ihre. Ich kann nur beurteilen, was eine Theorie oder ein Modell mit mir macht, und ob und wie ich diese einsetze. Für mich ist die Kybernetik passfähig, weshalb ich andere Menschen diesbezüglich nicht bekehren möchte. Auch wenn ich das wollte. Ich kann es eh nicht. Auch diese Erkenntnis ziehe ich aus der Kybernetik. Also von wegen Manipulation und Kontrolle.

Wir nehmen unsere Umwelt nur durch Modelle wahr, also niemals die Umwelt an sich. Deshalb sollten wir auch immer wieder unsere Modelle überprüfen, also schauen ob unsere Handlungen, die ja auf Modelle beruhen, für die Umwelt noch zuträglich sind oder nicht. Aber wie machen wir das? Natürlich auch wieder über Modelle? Hmmm. Teufelskreis? Ja, kann man so sagen. Denn selbst Modelle interpretieren wir in unserem Denkrahmen, also über Modelle. Man erkennt also die Selbstbezüglichkeit, die wir formal-logisch nicht abbilden können. Jeder versteht also Kybernetik in seinem Denkrahmen. Denn nicht Modelle konditionieren unser Verhalten, sondern unsere Interpretation der Modelle. Deshalb sollten wir ja auch viel mehr Demut über unsere Fähigkeiten im Umgang mit der Natur an den Tag legen.

Wenn Sie also noch einmal dem Versuch erlegen sein sollten, eine Theorie, wie eben auch die Kybernetik oder seine Begründer, kritisieren zu wollen, denken Sie immer daran, wer für diese Kritik die Verantwortung trägt. Das hat mich die Kybernetik gelehrt. Und das finde ich gut. 🙂

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Fördert Kybernetik die Steuerungsobsession von uns Menschen?

In letzter Zeit wird die Diskussion befeuert, dass die Gedanken und Ideen rund um die Kybernetik eine Steuerungsobsession befeuert. Es wird kritisiert, so jedenfalls meine Wahrnehmung, dass auch die Kybernetik, wie viele andere Lehren auch, nur Modelle anreicht, die den Menschen zu Maschinen trivialisieren. In diesem Kontext möchte ich Gunnar Sohn aus diesem Beitrag zitieren.

Es ist an der Zeit, solche Steuerungsheinis in der Öffentlichkeit mit einer kritischen Debatte zu konfrontieren. Helfen könnten paradoxe Interventionen: Steuerungssysteme entlarven, so dass ihre Modelle ins Leere laufen. Systeme mit Daten zu scheißen, so dass am Ende falsche Muster rausspringen. Mein eigenes Verhalten kann dafür sorgen, dass das System durch die Aufdeckung der dahinter stehenden Logik nicht mehr funktioniert – ganz ohne Demut.

Mit meinem heutigen Beitrag möchte ich in diesem Thema meine differenzierte Sichtweise darlegen. Verschweigen möchte ich nicht, dass Mark Lambertz, einer meiner Wegbegleiter auf meiner Reise des Verstehens und Autor des Buches Freiheit und Verantwortung für intelligente Organisationen, mich nach dem von Gunnar Sohn arrangierten Google-Hangout Wie Kybernetik-Technokraten die Welt beherrschen wollen, dazu ermutigt hat.

Also legen wir los. Starten möchte ich mit Begriffsklärungen. Dabei möchte ich auf zwei Begriffe dediziert eingehen, nämlich auf Steuern und Kybernetik.

Was ist Steuern?

Für die Definition des Begriffes “Steuern” möchte ich einen weiteren, nämlich “Regeln” hinzunehmen. Beiden gemein ist, dass ein bestimmtes System, nämlich das gesteuerte oder geregelte, einen bestimmten Zweck erfüllen soll, wodurch sich eine bestimmte Variable in gewünschter Weise verhalten soll. Das bedeutet, es wird in das System eingegriffen. Der große Unterschied zwischen Steuerung und Regelung besteht nun darin, dass bei der Steuerung eine lineare Ursache-Wirkungsbeziehung vorliegt, was dazu führt, dass im Rahmen von Steuerung der erreichte Endzustand der zu steuernden Variable selbst bei starken Abweichungen vom gewünschten Verhalten oder Variablenwert ein endgültiger ist, also nicht mehr geändert wird. Es gibt also keinen regulierenden Mechanismus hinsichtlich der Abweichungen des Istwertes vom Sollwert. Der angesprochene regulierende Mechanismus wird auch als negative Rückkopplung bezeichnet. Auf positive Rückkopplungen komme ich später noch zu sprechen. In der unteren Abbildung erkennt man den Unterschied zwischen Steuerung und Regelung. Bei einer Steuerung existiert keine Rückkopplung auf den Sollwert.

Steuerung_Regelung

Nun möchte ich diese Definition auf die Führung reflektieren. Dabei möchte ich auf Ideen von Maria Pruckner zurückgreifen, die sie in ihrem fantastischen Buch Komplexität im Management – InFormation dem Leser anreicht. Steuern geht stets vom Input aus, sprich es wird etwas mit einer bestimmen Absicht getan, ohne die Wirkung zu überprüfen. Hier geht es also statt Wirkung um die Ursache. Logisch oder? Es fehlt ja die Rückkopplung. Es gibt keinen geschlossenen Regelkreislauf. Beim Regeln wird vom Output her gedacht, sprich von der Wirkung, und dann bei Abweichung zum Sollwert am Input nachjustiert, eben geregelt. Regeln ist also ein zirkulärer Vorgang (Regelkreis). Beim Regeln erkennt man Fehler also als Chance zu lernen und besser zu werden. Beim Steuern hasst man Fehler. Man neigt dann dazu nicht zuzuhören und wahrzunehmen, sondern sein Ding einfach durchzuziehen.

Führen bedeutet also nicht von Beginn an etwas richtig zu machen, da das nicht funktioniert, sondern das Gemachte so schnell wie möglich zu regeln und zu steuern, wenn es als nicht passfähig im Kontext Zweck und Ziel wahrgenommen wird. Genau dafür müssen aber die notwendigen relevanten Informationen schnell vorliegen. Beim Steuern ignoriert man den Menschen, Feedback ist ja egal. Der Mensch wird trivialisiert auf Objektivität, also auf eine Maschine reduziert. Das erkennt man übrigens an vielen Regularien und Methodiken in Unternehmen.

Was ist Kybernetik?

Norbert Wiener gibt die aus meiner Sicht treffendste Definition von Kybernetik, wenn er sagt.

Kybernetik ist die Lehre von Regelung/ Steuerung und Kommunikation im Lebewesen und in der Maschine.

Die Kybernetik hat als erste Wissenschaft angefangen, auf interdisziplinäre Art und Weise Natur- und Geisteswissenschaften zu verschmelzen. Wenn man über Kybernetik spricht, kommt man an Heinz von Förster nicht vorbei. Von Förster hat die Kybernetik zweiter Ordnung ins Leben gerufen, in dem er den Beobachter mit in die Beobachtungen integriert (“Jede Beobachtung wird von einem Beobachter gemacht”). Erstmalig werden also Subjektivität und die Selbstbezüglichkeit in die Untersuchung von Systemen aufgenommen. Dieses Interview, welches Bernhard Pörksen mit Heinz von Förster im Vorfeld des Erscheinen des absolut empfehlenswerten Buches Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners führt, stellt die Ideen und Gedanken von Heinz von Förster sehr anschaulich dar.

Alleine an der Definition der Kybernetik erkennt man, dass den oben definierten Begriffen “Steuern” und “Regeln” eine sehr große Bedeutung beigemessen werden, allerdings differenziert nach Kybernetik erster und zweiter Ordnung, was ich nun detaillierter ausführen möchte.

Rücken wir noch einmal “Steuern” und “Regeln” in den Fokus, und zwar in Bezug auf Kybernetik erster Ordnung. Wir werden später noch erkennen, dass Kybernetik erster Ordnung ausschließlich auf tote Systeme angewandt werden sollte, was aber häufig missachtet wird, woher auch das Missverständnis in Bezug zu Kybernetik und Steuerungsobsession resultiert.

Nehmen Sie Ihre Heizungsanlage zu Hause, was ja ein totes System ist. Die eingestellte Solltemperatur für die einzelnen Zimmer ist die Führungsgröße. Die Regelgröße ist die derzeitige Zimmertemperatur, die vom Fühler, in diesem Fall vom Thermostat, gemessen wird. Stellt der Fühler eine Abweichung der derzeitigen Temperatur zur Solltemperatur fest, so wirkt der Regler, in diesem Falle wieder der Thermostat, dem entgegen. Bei zu niedriger Isttemperatur gegenüber der Solltemperatur wird die Isttemperatur erhöht und vice versa. Dieses Entgegenwirken wird durch die negative Rückkopplung erreicht. Störfaktoren könnten in diesem Fall offene Fenster sein, welche die Isttemperatur in der Regel senken, oder viele Menschen im Raum, welche die Isttemperatur in der Regel erhöhen. Die Heizungsanlage regelt also die Temperatur im Zimmer. Von Steuern kann man in diesem Kontext nicht reden, da dadurch eine Solltemperatur im Zimmer, wenn überhaupt, nur durch Zufall erreicht werden würde.

Aufgrund der fehlenden Justierung auf einen Zielwert ist es ersichtlich, dass ein irgendwie funktionierendes System nicht auf negative Rückkopplungen verzichten kann. Einige Teilsysteme eines Systems können vielleicht ausschließlich gesteuert werden. Rückkopplungen in Wirkungsschleifen von Systemen sind verantwortlich für nichtlineares Verhalten dieser Systeme. Dazu ein kleines Beispiel. Stellen Sie sich vor Sie hätten die Aufgabe ein Blatt Papier von 0,1 mm Dicke 48 mal zu falten. Wie hoch wäre dann der Stapel Papier den Sie erhalten würden? Man würde auf unvorstellbare 48 Mio km kommen. Zum Vergleich. Der Wert der mittleren Entfernung Erde-Mond beträgt 384.401 km. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass Menschen im Umgang mit Systemen, welche Rückkopplungen in den Wirkungsschleifen enthalten, sehr oft kontraintuitives Verhalten aufweisen.

Kann man die Mechanismen, die mit Steuern und Regeln in Bezug zu toten Systemen einhergehen, einfach auf lebende, organische oder soziale Systeme übertragen, kann man also durch ausschließliches Steuern und Regeln ein Unternehmen führen? Um die Frage zu beantworten, schauen wir uns erst einmal an, welche möglichen Fragestellungen wir dafür thematisieren müssten.

  1. Wie lernt ein lebendes oder organisches System?
  2. Wie erkennt ein lebendes oder organisches System seine Umwelt?
  3. Wie wird in einem lebenden oder organischen System ein einmal gestelltes Ziel revidiert oder korrigiert?

Bei der Kybernetik erster Ordnung wird das Erreichen einer Stabilität durch eine Kontrollinstanz in den Vordergrund gestellt, was dem Führen eines Unternehmens nicht gleich gestellt werden darf. Es muss ein Paradigmenwechsel vollzogen werden hin zur Akzeptanz einer instabilen Dynamik von Entscheidungen. Das bringt uns zum Thema der Kybernetik zweiter Ordnung, oder auch Kybernetik der Kybernetik genannt.

Bei der Kybernetik zweiter Ordnung werden die Prinzipien der Kybernetik erster Ordnung wie bereits angemerkt auf Beobachter selbst angewendet. Es wird bezweifelt, dass es da draußen objektiv vom Beobachter erkennbare Systeme gibt. Der Beobachter muss als Teil des Kontextes, den er beobachtet, mit konzeptualisiert werden. Hier stehen die beobachtenden Systeme und nicht mehr nur wie in der Kybernetik erster Ordnung die beobachteten Systeme im Fokus. Befasst man sich also mit lebenden Systemen, wie auch Unternehmen welche sind, kommt man nicht umhin sich mit der Kybernetik zweiter Ordnung zu befassen. Es sind nicht mehr nur stabilisierende negative Rückkopplungen im Fokus der Untersuchung, sondern auch verstärkende und aufschaukelnde positive Rückkopplungsprozesse. Solche aufschaukelnde Prozesse können auf der einen Seite zum Chaos führen. Auf der anderen Seite sind sie aber Antriebsmotor für die Weiterentwicklung eines Systems. Sie können also für ein System zerstörend wirken, obwohl sie lebensnotwendig sind. Denn Systeme, die weit weg sind vom Gleichgewicht, also instabil sind, sind offen für Veränderungen und Wandel. Dieses Entfernen vom Gleichgewicht erreicht man durch verstärkende positive Rückkopplungsschleifen. Dieses Ungleichgewicht ist die Triebfeder für Veränderungen. Allerdings sollte dieses Ungleichgewicht nicht stetig anhalten, sondern durch stabilisierende negative Rückkopplungsschleifen nach einer gewissen Zeit wieder nahe an das Gleichgewicht (genauer Fließgleichgewicht) herangeführt werden.

Aktivitäten, die ein System in Ungleichgewicht und Gleichgewicht bringen, wechseln sich stetig ab. Ohne positive Verstärkungen ist also kein Fortschritt möglich. Reines Agieren innerhalb eines Systems mit der Command-and-Control Philosophie ist gleichzusetzen mit Steuern und Regeln toter Systeme. Dies reicht aber nicht aus, um komplexe Systeme, wie sie Unternehmen nun einmal sind, zu führen.

Was ist Selbstorganisation?

Selbstorganisation ist ein Vorgang, der aus Unordnung Ordnung entstehen lässt und den die Elemente eines Systems durch ihr Interagieren von sich selbst heraus aus anstoßen.

Was bedeutet das konkret? Systeme, die einem überkritischen, das heißt mit der momentanen Struktur nicht bewältigbaren, asymmetrischen Energieeintrag (Einflüsse aus dem Markt, die durch derzeitig aufgesetzte Prozesse in den Unternehmen nicht verarbeitbar sind) ausgesetzt sind, werden chaotisch. Dieser hohe Energieeintrag wird durch die positiven verstärkenden Rückkopplungsschleifen erzeugt. Das Chaos ist aber nicht das Ende der Geschichte, vielmehr suchen und erfinden Systeme im Chaos neue Strukturen, die geeignet sind, um mit dem asymmetrischen Energieeintrag umgehen zu können. Dazu möchte ich gerne ein eingängiges Beispiel geben.

Wenn man gleichzeitig mit den Zeigefingern beider Hände auf einen Tisch klopft und den Takt immer weiter erhöht, kommt man an einen Punkt, an dem die Hände ungleichmäßig und unrhythmisch trommeln bis sich nach kurzer Zeit ein abwechselndes, rhythmisches Klopfen einstellt. Für Unternehmen bedeutet das, dass es eine gute Ausgewogenheit zwischen Effektivität (“Die richtigen Dinge tun”) und Effizienz (“Die Dinge richtig tun”) schaffen muss. Es müssen also die richtigen Dinge richtig getan werden.

Der Grad der Effektivität drückt die Fähigkeit des Unternehmens aus, sich selbst zu organisieren und damit neue Muster (Prozesse, Produkte, Verfahrensweisen etc.) zu erschaffen. Man kann auch sagen, dass Effektivität für eine hohe Eigenkomplexität des Unternehmens steht. Unternehmen können beispielsweise in diesem Zusammenhang auf unterschiedlichste Kundenanfragen stets adäquat reagieren. Es herrscht eine hohe Vielfalt in den Produkten, Prozessen etc vor. Effizienz steht in diesem Falle für eine geringe Eigenkomplexität. Prozesse sind beispielsweise schmal und kostengünstig angelegt. Das geht dann zu Lasten der Vielfalt. Beides muss im Gleichklang (Fließgleichgewicht) gehalten werden.

Fördert Kybernetik denn nun die Steuerungsobsession?

Ich denke, ich habe die Antwort implizit bereits in den Definitionen und Erläuterungen zu den Begriffen gegeben, möchte es hier aber noch einmal explizit heraus stellen.

Trivialisiert man Menschen und Unternehmen zu “tote” Systeme, lässt sich die Kybernetik erster Ordnung anwenden, was aber letztendlich dazu führt, dass dann diese Systeme zerstört werden. Komplexe Systeme widersetzen sich ganz einfach Kontrollversuchen. Leider muss ich feststellen, dass heutige tradierte Managementmethoden genau das tun. Sie sind auf Erkenntnissen der Kybernetik erster Ordnung aufgebaut. In diesem Kontext kann ich der Kritik von Gunnar Sohn absolut verstehen, allerdings diese nicht auf die gesamte Kybernetik ausweiten. Es gibt ja noch die Kybernetik zweiter Ordnung.

In meinen Augen sind diesem Trugschluss, nämlich die Kybernetik zweiter Ordnung komplett auszublenden, fast alle Bewegungen rund um Big Data und KI aufgesessen. Wenn beispielsweise Ray Kurzweil behauptet den Punkt der Singularität bald erreicht zu haben, weil jedwede Entscheidung von Maschinen besser als von Menschen getroffen werden können, kann er gedanklich Menschen nur zu Maschinen trivialisieren. Anders ist es gar nicht möglich solch eine Aussage zu tätigen. Zu diesem Thema gibt es eine schöne brand eins Kolumne von Wolf Lotter, aus der ich kurz zitiere.

Wer die Digitalisierung nur für ein weiteres Werkzeug der Menschheit auf dem Weg in eine bessere Zukunft hält, begeht beinahe Gotteslästerung. Die Digitalisierung, sagen Größen wie der Unternehmer, Erfinder und Google-Entwicklungschef Ray Kurzweil, wird uns nicht nur verändern, sondern überflüssig machen: Singularität nennt er den Vorgang, bei dem sich künstlich intelligente Roboter als Fortsetzung der Evolution präsentieren. Noch ein paar Jahre, dann es ist so weit. Das ist, neben vielem anderen, der bisherige Höhepunkt westlichen Kulturpessimismus. Wir sind so schlecht, dass wir uns – durch unsere Kopie – selbst abschaffen wollen.

Es ist aus meiner Sicht fatal, die Väter der Kybernetik, wie Stafford Beer oder Heinz von Förster, um nur zwei zu nennen, die auch die Kybernetik zweiter Ordnung im Blick hatten, mit beispielsweise Ray Kurzweil auf eine Stufe stellen zu wollen, und ihnen eben diese Steuerungsobsession zu unterstellen. Erkenntnisse der Kybernetik zweiter Ordnung lassen einem bzgl. des Vorhabens “lebendige” Systeme steuern zu wollen demütig werden. Es ist an der Zeit, die Ideen und Gedanken rund um Big Data und KI zu erden. Denn Maschinen kennen nur das “Was”, niemals das “Warum”.

Warum ändern wir denn nicht einfach unsere Sichtweise und gehen zur Kybernetik zweiter Ordnung über?

Ganz einfach, weil wir diese Erkenntnisse heute nicht technologisch umsetzen können. Hier möchte ich Ihnen eine weitere Begriffsklärung mit auf dem Weg geben, nämlich die Unterscheidung zwischen trivialen und nichttrivialen “Maschinen”, wie sie Heinz von Förster ins Leben gerufen hat. Das Verhalten einer nichttrivialen “Maschine” ist stets abhängig vom Zustand dieser und dem Reiz, den diese aus der Umwelt wahrnimmt und verarbeitet. Da für einen externen Beobachter der interne Zustand der nichttrivialen “Maschine” zu keinem Zeitpunkt einsichtig ist, ist auch das Verhalten der nichttrivialen “Maschine” für einen externen Beobachter nicht vorhersagbar. Bei der trivialen “Maschine” ist das Verhalten einzig und allein vom Reiz aus der Umwelt abhängig. Mit einer Analyse der Input- und Outputpaare dieser kann ein externer Beobachter das Verhalten einer trivialen “Maschine” vorhersagen. Eine Heizungsanlage ist also eine triviale “Maschine”, ein Mensch und damit auch ein Unternehmen eine nichttriviale. Mehr dazu können Sie gerne in meinem Beitrag Ist Objektivität eine Illusion? nachlesen.

Lebendigkeit ist von Rückbezüglichkeit und damit von Widersprüchlichkeit geprägt, die sich aber nun einmal nicht formal-logisch mit unserer heutigen Mathematik abbilden lässt, da diese auf der Zweiwertigen Logik aufgebaut ist, die den Widerspruch ausschließt. Wir benötigen also eine erweiterte Mathematik, von der wir heute noch weit entfernt sind, obwohl Gotthard Günther, ein berühmter deutsch-amerikanischer Logiker und Philosoph, hier bereits erste entscheidende Schritte gegangen ist. Näheres dazu finden Sie in meinem jüngsten Beitrag Kennzahlen forcieren eine Entmenschlichung der Wirtschaft. Dieser fehlende wissenschaftliche Entwicklungsstand darf aber nicht der Grund sein, die Kybernetik an sich zu verdammen.

Fazit

Wenn man über Kybernetik urteilt, egal in welche Richtung, sollte man diese differenziert betrachten. Ich möchte natürlich nicht behaupten, dass ich mit diesem Beitrag die Differenzierung weit genug getrieben habe. Es ist aber zumindest ein Anfang, den wir gerne zusammen ausbauen können.

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Kennzahlen forcieren eine Entmenschlichung der Wirtschaft

Zu meinem jüngsten Beitrag Was ergibt 3 Weihnachtsmänner plus 4 Osterhasen? auf der Lean Knowledge Base Plattform habe ich eine Replik bekommen, auf die ich in diesem Beitrag eingehen möchte.

Zum einen wurde mir entgegnet, dass das Paradoxon von Achilles und der Schildkröte schon seit langem aufgelöst wurde und zwar mit Hilfe der Infinitesimalrechnung. Zum anderen wurde angemerkt, dass ich wohl auch einem Kategorienfehler aufgesessen bin, weil die Kennzahl Umsatz sehr wohl mathematisch korrekt ausgedrückt ist und man sie deshalb auch so verwenden kann.

Beide Themenstellungen werde ich aufnehmen und damit belegen, dass die Verwendung von Kennzahlen, jedenfalls so wie wir es heute tun, Lebendigkeit tötet und damit eine Entmenschlichung der Wirtschaft forciert.

Wurde das Paradoxon von Achilles und der Schildkröte wirklich aufgelöst?

Ich habe das Paradoxon im oben angerissenen Beitrag bereits ausgeführt. Können wir nun das Ereignis “Achilles überholt die Schildkröte”, welches wir unzweifelhaft beobachten können, mathematisch-logisch widerspruchsfrei beschreiben?

Angenommen Achilles sei 10 mal schneller als die Schildkröte, die einen Vorsprung von 100m erhält. Damit muss Achilles zuerst diese 100m Vorsprung zurück legen. Während dieser Zeit legt die Schildkröte 10m zurück. Damit hat Achilles sie noch nicht eingeholt. Nachdem Achilles auch diese 10m zurück gelegt hat, ist die Schildkröte noch 1m voraus. Setzt man diese Kette fort, würde Achilles die Schildkröte niemals überholen können, was, wie wir ja wissen, Unsinn ist, da empirisch widerlegbar. Denn wir beobachten ja etwas anderes. Wir erkennen also, dass wir die beiden Sichtweisen, die empirisch-physikalische, was wir beobachten, und die mathematisch-logische, was wir begrifflich beschreiben, hier noch nicht versöhnen können. Deshalb sprechen wir von einem Paradoxon.

Nehmen wir mal an, dass Achilles die 100m in 10s zurücklegt, dann ist es relativ einfach ersichtlich, dass er nach spätestens 12s die Schildkröte überholt hat. Denn wenn er die ersten 100m in 10s zurücklegt, dann benötigt er für die nächsten 10m eine Sekunde und für den noch fehlenden Meter 0,1s usw. In Summe wären das dann 10+1+0,1+0,01+… Sekunden = 11,111… Sekunden. Darum ging es Zenon bei diesem Paradoxon aber gar nicht. Warum? Weil wir hier einen Begriff zur Beschreibung nutzen, nämlich die “Unendlichkeit”, die wir weder beobachten noch denken können. Denn, eine unendliche Reihe kann eine endliche Summe haben. Das ist bekannt. Oder anders ausgedrückt. Die Summe der Teile einer endlichen Strecke, die man unendlich oft teilt, bleibt endlich. Wir führen also im Rahmen der Infinitesimalrechnung den Begriff des “Grenzwertes” ein, der letztendlich die Unendlichkeit substituieren soll und glauben damit das Paradoxon aufzulösen. Damit bin ich nicht einig.

Wir beobachten, dass Achilles auf einer endlichen Strecke in endlicher Zeit die Schildkröte überholt und müssen uns dem Begriff der “Unendlichkeit” bedienen, um dieses beobachtete Phänomen mathematisch-logisch auch erklären zu können. Skurril, oder? Das Paradoxon ist also noch nicht widerlegt worden. Es ist ein schönes Beispiel dafür, dass wir scheinbar triviale Vorgänge in der Natur, wie die Bewegung, nicht widerspruchsfrei denken können.

Und noch einmal möchte ich den Fakt anbringen, den ich in meinem Beitrag auf der Lean Knowledge Base Plattform ausgeführt habe. Die physikalisch-empirische Lösung im Rahmen der Infinitesimalrechnung verwendet die Maßeinheiten “Meter” und “Sekunde”, ja sogar das Verhältnis “Meter pro Sekunde”, ohne dies mathematisch-logisch gerechtfertigt zu haben. Es wird hier künstlich eine Maßeinheit eingeführt, was mathematisch, genauer im Rahmen der Zweiwertigen und damit monokontexturalen Logik, nicht abgesichert ist. Wir begehen einen Kategorienfehler. Denn wenn ich “Meter durch Sekunde” rechne, sollte ich auch “Meter minus Sekunde” rechnen dürfen. Denn jede Multiplikation bzw. Division lässt sich in geeigneter Weise auf die Operationen der Addition bzw. Subtraktion zurückführen. Aber welche neue Maßeinheit soll das sein? Was soll hier herauskommen?

Detailliertere Information zu dieser Argumentationskette erhalten Sie in dem Beitrag Warum das Unendliche im Endlichen … und das Endliche im Unendlichen liegt von Prof. Dr. Erberhard von Goldammer.

Wie ist das nun mit dem Umsatz?

Darf die Kennzahl “Umsatz” mit den eben gewonnenen Erkenntnissen einfach so verwendet werden? Nein, natürlich nicht, weil auch hier wieder, wie beim obigen Paradoxon, verschiedene Kontexturen einfach trivialisiert miteinander verbunden werden. Beim Paradoxon waren dass die Kontexturen “Weg” und “Zeit”, die man beide unabhängig voneinander messen kann. Will man diese aber miteinander über Rechenoperationen verbinden, benötigt man eine Mathematik, die verschiedene Kontexturen auch zulässt und nicht einfach ignoriert, wie es in unserer heutigen Mathematik der Fall ist, die ja bekanntlich auf der Zweiwertigen Logik basiert.

Zenon argumentiert bei seinem Paradoxon streng getrennt in den einzelnen Kontexturen “Weg” und “Zeit”, also monokontextural, und gelangt so in der mathematisch-logischen Dimension zu keiner Auflösung. Für eine rein mathematisch-logische Auflösung des Paradoxons muss man die Kontexturen “Weg” und “Zeit” miteinander verschmelzen und in die Berechnung der Geschwindigkeit hinein denken. Nur dann lässt sich die Formel zur Geschwindigkeit auch verwenden, ohne dass man einen logischen Fehler begeht. Prof. von Goldammer hat diesen Fakt in seinem Beitrag (siehe obiger Link) auf Seite 17 ff. detailliert ausgeführt.

Ähnlich sieht es mit dem Umsatz aus. Auch hier werden die verschiedenen Kontexturen in der Berechnung ignoriert, was dazu führt, dass Qualitäten ignoriert werden. Was sind beim Umsatz mögliche Kontexturen? Beispielsweise wären das die Präferenzen eines jeden Menschen für ein bestimmtes Produkt. Diese werden heutzutage über einen monokontextural, oft sage ich auch kontextlos dazu, definierten Produktpreis trivialisiert, den ein Unternehmen generell festsetzt. Die Menschen werden hier also objektiviert, da exkludiert, und damit eine objektive Präferenz gesetzt.

In allen Formeln, die wir in der Wirtschaft nutzen, ist der Mensch übrigens heraus gerechnet. Das kann man auch an dem einfachen Fakt erkennen, dass diese Berechnungen nicht selbstbezüglich sind. Sie können es nicht sein, da diese Selbstbezüglichkeit einen Widerspruch produzieren würde, der ja bekanntlich aus der Zweiwertigen Logik ausgeschlossen ist.

Lebendigkeit lässt sich nicht formal logisch, genauer mit unserer heutigen Zweiwertigen Logik, darstellen, da Lebendigkeit nicht widerspruchsfrei ist. Kennzahlen, denen wir uns Menschen, wie immer wieder zu beobachten, ausliefern, sind auf Basis unserer heutigen Mathematik berechnet. Ist es da ein Wunder, wenn wir eine fehlende Lebendigkeit und damit Menschlichkeit in der Wirtschaft wahrnehmen? Wenn ich also von zunehmenden technokratischen und menschenabgewandten Gebaren in der Wirtschaft rede, ist die Ursache genau hier zu finden, nämlich in der Fokussierung auf Kennzahlen, die in der Berechnung den Menschen ausschließen, ja sogar müssen. Unsere heutige Mathematik lässt nichts anderes zu.

Diesen Fakt möchte ich noch einmal von einer anderen Seite beleuchten, um diesen deutlicher zu machen. In der Schule haben wir gelernt, dass wir nur dann Objekte miteinander addieren können, wenn diese die gleichen Eigenschaften (= Kontexturen in obiger Ausführung) haben. Beispielsweise können wir “2 Äpfel + 3 Äpfel” rechnen und erhalten “5 Äpfel”. Hier möchte ich auf das Thema Eigenschaften gar nicht näher eingehen, denn auch unter den Äpfeln gibt es ja verschiedene Sorten und damit Eigenschaften. Aber was erhalten wir bei der Aufgabe “2 Äpfel + 3 Birnen”? Vielleicht sagen wir zum Ergebnis “5 Obststücke”. Wie auch immer, wir trivialisieren auf jeden Fall, weil wir Eigenschaften verallgemeinern müssen. Und genau diesen Fakt meine ich, wenn wir Kennzahlen auf Menschen anwenden, wie in der Wirtschaft Usus ist.

Nun wissen wir wo wir ansetzen sollten. Wollen wir loslegen?

Anmerkung: Prof. von Goldammer hat sich in seinem Beitrag auf den Beitrag Achilles und die Schildkröte von Gotthard Günther bezogen.

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