Wie das Messparadigma uns in die Irre führen kann

Wir suchen nach Möglichkeiten, Phänomene der Umwelt zu messen um sie zu verstehen. Wenn wir diese Möglichkeiten dann gefunden haben, nutzen wir diese recht häufig, um die Umwelt zu erklären ohne die Messverfahren zu validieren. Schlimmer. Wir glauben dass die Messergebnisse die Umwelt darstellen. Dabei stellen die Messergebnisse zusammen mit den Messinstrumenten nur Modelle dar, die wir aus unseren Wahrnehmungen der Umwelt generiert haben. Diese sind noch lange nicht die Umwelt an sich.

Wie fatal dieser Mindset sein kann, möchte ich am Beispiel der Relativitätstheorie von Albert Einstein erklären. Ich möchte die Erkenntnisse Einsteins nicht negieren, sondern nur hinterfragen, da mir diese auf Grund meiner Erfahrungen “spanisch” vorkommen, wissend dass nicht alle Phänomene der Natur mit dem menschlichen Verstand korrelieren müssen. Nur die Erklärungen, die zu den Ergebnissen führen, sind aus meiner Sicht nicht hinreichend und notwendig genug. Aber lassen Sie uns starten.

Was besagt die Relativitätstheorie eigentlich?

Ich möchte mich einzig und allein auf die Komponente Zeit stürzen und die Entdeckungen und Erfindungen darlegen, die Einstein diesbezüglich gemacht hat. Die Ausführungen beanspruchen aber keine Vollständigkeit. Einstein hat herausgefunden, dass die Geschwindigkeit unabhängig vom Beobachter stets gleich ist. Um das zu verdeutlichen möchte ich Ihnen ein Beispiel präsentieren. Angenommen Sie stehen am Straßenrand und beobachten ein bestimmtes Auto. Ganz egal ob sie sich bewegen, auf das Auto zu oder dem Auto entgegen, und wie schnell sie sich bewegen, das Auto hat für Sie stets die gleiche Geschwindigkeit. Einstein setzt die Geschwindigkeit als stets konstant an. Nun kennen wir aber die Formel zur Berechnung der Geschwindigkeit: Geschwindigkeit ist gleich Weg durch Zeit. Damit diese Formel weiterhin Relevanz haben kann, muss Einstein einen Trick anwenden. Den hat er gefunden, in dem er die Zeit als relativ ansetzt. Zeit soll also abhängig vom Beobachter sein. Es gab auch einige Experimente, die dies anscheinend belegten. Das Wort anscheinend muss ich hier anführen, da diese Experimente einzig und allein bezeugten, dass die Messergebnisse der Zeit abhängig vom Standpunkt waren, nicht die Zeit an sich. Beispielsweise ergibt das Messen der Zeit auf dem Himalaya ein anderes Ergebnis als in Rostock. Auf Grund des Höhenunterschiedes ist die Gravitation verschieden, was letztendlich einen Einfluss auf das Messinstrument Uhr und damit auf die gemessene Zeit hat. Zwar ist der Unterschied sehr gering, aber in dem die Feinfühligkeit der Messintrumente stets verbessert wurde, hat man diese kleinen Unterschiede messbar machen können. Wir messen also das unterschiedliche Verhalten des Messintrumentes Uhr. Nicht mehr und nicht weniger.

Diese Erkenntnisse haben Einstein aber dazu bewogen, das so genannte Zwillingsparadoxon aufzustellen. Dieses besagt Folgendes. Nehmen wir an ich würde mich in ein Raumschiff setzen, mit hoher Geschwindigkeit durch das All düsen und nach einigen Jahren wieder auf der Erde landen. Dann würde ich weniger gealtert sein, als wenn ich auf der Erde geblieben wäre und die Reise nicht angetreten hätte. Diesen Fakt kann ich mit meinen bislang gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen nicht in Einklang bringen. Aber wie am Anfang bereits angedeutet, möchte ich nicht so blauäugig sein und glauben alle wissenschaftliche Erkenntnis und Naturphänomene müssen mit dem menschlichen Verstand vereinbar sein. Hätte man eine Uhr in das Raumschiff gelegt, würde die Uhr aus dem Raumschiff wahrscheinlich der Uhr auf der Erde nachgehen. Das mag wohl stimmen. Aber hat man damit bewiesen dass ich weniger altere? Wohl kaum. Damit hat man einzig und allein die Relativität der Messergebnisse bzgl. der Naturgesetze nachgewiesen, nicht die der Zeit an sich.

Was ist Zeit?

Ich habe bereits auf die Zeit Bezug genommen, ohne genauer zu klären was Zeit ist. Das möchte ich nun nachholen und dabei auch auf einige Grundsatzfragen eingehen, die derzeit in diesem Bezug debattiert werden.

Seit wann gibt es Zeit an sich eigentlich? Die Messung von Zeit wurde von Menschen erfunden, die Zeit an sich ist so alt wie es prozessuale Abläufe gibt. Denn seit dem gibt es ein “vorher” und ein “nachher” und damit auch die Zeit an sich. Wir Menschen können uns ein Leben ohne Zeit an sich nicht vorstellen. Immanuel Kant bezeichnet die Zeit, übrigens wie auch den Raum, als die reinen Formen der Sinnlichkeit, die vor jeder Erfahrung vorhanden sind (a priori). Diese Ideen habe ich in meinem Post Kant für Manager ausführlicher dargestellt. Zeit gibt es also nicht erst seit dem wir diese messen. Viele Gelehrte unterscheiden die Zeit in 3 Zeitpfeile.

  • psychologischer Zeitpfeil: Dieser Zeitpfeil beschreibt unsere Wahrnehmung der Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Unser Bewusstsein konstruiert eine chronologische Abfolge von Dingen. Im nächsten Abschnitt gehe ich auf hierauf noch detaillierter ein.
  • thermodynamischer Zeitpfeil: Dieser Zeitpfeil beschreibt die Tatsache, dass die Vorgänge der Welt sich nicht umkehren lassen. Die Welt strebt stets von Ordnung zu Unordnung, genannt wird dies Entropie. Details finden Sie in meinem Post Benjamin Button und Unternehmensplanung
  • kosmologischer Zeitpfeil: Dieser Zeitpfeil stellt die Ansicht der Physiker dar, dass der Urknall der Beginn des Universums ist und sich seitdem ausdehnt. Diese Ausdehnung gibt aus der Sicht der Gelehrten der Zeit diese eine Richtung vor, die wir kennen (Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft).

Es gibt Völker auf der Erde, die die Zeit nicht messen. Trotzdem ist für diese Völker die Zeit existent, nur eben in aufeinanderfolgenden Ereignissen und nicht in Form von Zeigerstellungen einer Uhr. Dies habe ich bereits in einem meiner Kommentare in meinem Logbuch am Beispiel der San beschrieben. Allerdings teilen auch diese Völker das Jahr, oder jedenfalls das was wir als Jahr bezeichnen, in bestimmte Abschnitte ein. Daraus resultieren dann auch verschiedene Kalender. Ich möchte Ihnen nur einige Beispiele nennen, ohne auf Vollständigkeit zu plädieren.

  • Der Bengalischer Kalender bezieht sich auf den Auszug Mohammeds aus Mekka. Nach dem befinden wir uns jetzt im Jahre 1418.
  • Der Koptische Kalender geht auf den altägyptischen Kalender zurück. Nach diesem befinden wir uns jetzt im Jahre 1727.
  • Der Koreanische Kalender hat 24 Monate und beginnt 2333 v. Chr.: Nach diesem befinden wir uns jetzt im Jahre 4708.

Auf welcher Grundlage basieren eigentlich die Kalender? Um Zeit in Einheiten aufzuteilen orientieren sich die Menschen an drei astronomische Vorgänge, die unabhängig voneinander ablaufen.

  • Die Rotation der Erde um sich selbst, die einen Tag ergibt.
  • Die Drehung des Mondes um die Erde. Diese dauert 29,5 Tage, weshalb auch nicht alle Monate die gleiche Anzahl an Tage aufweisen.
  • Die Umlaufzeit der Erde um die Sonne. Diese dauert 365,25 Tage, weshalb wir alle 4 Jahre ein Schaltjahr haben.

Wir sehen also, aus Sicht der Messung von Zeit, ist Zeit relativ. Das resultiert zum Teil aus den verschiedenen Messverfahren, aber auch aus den Einflüssen der Naturgesetze auf die Messverfahren (Gravitation). Gibt es weitere Einflüsse, die Zeit relativ werden lassen? Ja. Welche? Lesen Sie gerne weiter.

Der psychologische Zeitpfeil

Im vorigen Abschnitt habe ich bereits den psychologischen Zeitpfeil als einen von dreien angesprochen. Ich möchte jetzt die Wahrnehmung der Zeit ansprechen, denn, und das muss man sich immer wieder vor Augen halten, das was wir über Zeit sagen können ist ausschließlich das was wir von ihr wahrnehmen können, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb ist meines Erachtens die Diskussion unwichtig, ob Zeit in der Realität diskret oder kontinuierlich verläuft. Wir können diese Frage nicht beantworten. Der griechische Philosoph Heraklit beispielsweise hat um ca. 500 v. Chr. wohl als Erster die Zeit mit einem Fluss verglichen. Seine Aussage “Alles fließt” ist Ihnen wahrscheinlich geläufig. Dem gegenüber plädierte Demokrit eher für eine diskrete Abfolge der Zeit, in dem diese aus winzigen Partikeln bestehen, die nacheinander ablaufen. Wie gesagt, wichtig ist nicht wie die Zeit real abläuft, sondern wie wir Menschen diese wahrnehmen. Und da gibt es ganz erstaunliche und faszinierende Phänomene.

Wir haben zwar das Gefühl in einem kontinuierlichen Strom der Zeit zu leben. Das ist allerdings nur ein Gefühl, welches unser Bewusstsein uns vorgaukelt. Das Bewusstsein nämlich setzt unser Erkennen und Erleben aus winzigen kleinen zeitlichen Einheiten zusammen, die in uns eine Gegenwart erzeugen. Daraus ergibt sich dann eine Vergangenheit, also eine Gegenwart, die gewesen ist, und eine Zukunft, die eine kommende Gegenwart sein wird. Wenn aber unser Bewusstsein, dieses Zeitempfinden generiert, ist dann mein Zeitempfinden unterschiedlich zu ihrem Zeitempfinden? Das ist nicht auszuschließen. Unser Zeitempfinden unterliegt auch Einflüssen. Beispielsweise tragen Fieber oder Konsum von Haschisch dazu bei das der innere Zeittakt erhöht wird. Damit nehmen wir unsere Umwelt in Zeitlupe wahr. Es existiert aber auch der umgekehrte Fall. Der Zeittakt von Parkinson-Patienten oder die Einnahme von Kokain fördert eine Verringerung des inneren Zeittaktes, was letztendlich dazu führt, dass diese Menschen die Umwelt in Zeitraffer wahrnehmen, also viel schneller. Tischtennisspieler der Weltspitze beispielsweise haben die Gabe, ihren inneren Zeittakt zu erhöhen, um in der Lage zu sein, die Rotation des Balles quasi in Zeitlupe wahrzunehmen um angemessen reagieren zu können. Von Oliver Sacks, einem berühmten amerikanischen Psychologen ist bekannt, dass er einen Parkinson-Patienten beobachtete, der sich die Nase putzte. Diese Prozedur dauerte mehrere Stunden, was für ihn als Beobachter natürlich ungewöhnlich lange dauerte, für den Patienten aber normal war. Er nahm seine Umwelt und damit auch seine Bewegungen viel schneller wahr als andere Personen.

Im Durchschnitt beträgt das zeitliche Auffassungsvermögen eines Menschen 16 Bilder pro Sekunde. Werden mehr Bilder von der Umwelt angeboten, verschwimmen die Wahrnehmungen zu einem kontinuierlichen Fluss, was wir dann als Film erkennen. Warum ich hier Durchschnitt schreibe, ist dem vorher Gesagten zu entnehmen. Ein Tischtennisspieler beispielsweise kann mehr Bilder wahrnehmen, bevor alles zu einem Fluss verschwimmt. Bei einer Katze ist es ähnlich. Sie kann im Durchschnitt ca. 24 Bilder pro Sekunde wahrnehmen. Eine Schnecke erkennt nur 3 Bilder pro Sekunde.

Ist Zeit nun relativ und welche Schlussfolgerungen ziehen wir für das Messen?

Ich hoffe die oben getätigten Ausführungen reichen aus, um die Frage mit Ja zu beantworten. Dies postuliert Albert Einstein ja auch, nur zieht er dafür andere Begründungen heran. Aus diesen Begründungen kann ich die Relativität der Zeit nicht erkennen. Zeit ist relativ, da das Erleben subjektiv ist. Einstein geht darauf aber nicht ein. Er bezieht sich auf das Messen von Zeit. Das Messen der Zeit haben die Menschen erfunden. Nur die Messinstrumente und die -umgebung hängen von Naturgesetzen wie der Gravitation ab.

Ein Modell, welches die Umwelt erklären soll darf niemals führend werden. Das heißt, dass aus Wahrnehmungen heraus das Modell regelmäßig validiert und unter Umständen angepasst werden muss. Man darf sich die Umwelt nicht so zurecht reden, dass das Modell passend wird. Man muss also stets aufpassen was man misst und welche Bedeutung den Messergebnissen beigemessen wird. Ein Beispiel können Sie meinem Post Renditemaximierung der Realwirtschaft: Antwort auf den Zinsstress mit negativen Implikationen entnehmen. In diesem Beitrag habe ich gezeigt, dass Unternehmen, die an der Börse notiert sind, ihren Blick nicht mehr nach außen in Richtung Kunde und Markt richten, sondern ausschließlich auf Kostensenkung ausgerichtet sind, also nach innen blicken. Das macht das Messen der Kennzahl Kundenzufriedenheit auch nicht besser. Es besteht also eine Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit.

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Den Wettlauf mit der Komplexität können wir nicht gewinnen

Diese Aussage im Kommentar meines Post Komplexitätsmanagement – Können wir Komplexität in Unternehmen handhaben, wenn ja wie? Welche Rolle spielt dabei Simplifizierung? hat mich zum weiteren Nachdenken über Komplexität angeregt. Die Ergebnisse dieser Gedankengänge, die nur vorläufigen Charakter haben können, wenn man dem Titel meines Posts glauben schenkt, möchte ich hier gerne darlegen. Und ich glaube fest daran, dass wir den Wettlauf mit der Komplexität nicht gewinnen können. Warum? Lesen Sie gerne weiter.

Zur Definition von Komplexität möchte ich in diesem Post nicht weiter eingehen. Da möchte ich auf das Cynefin-Modell von Dave Snowden verweisen, welches ich in meinem Post Behindert unser unzureichendes Zahlenverständnis unser Problemlösen? reflektiere.

Sie kennen doch sicherlich das Grimm-Märchen Der Hase und der Igel, in welchem Hase und Igel Wettläufe bestreiten und der Hase einfach nicht gewinnen kann, da der Igel trickst. Ähnlich wie dem Hasen ergeht es uns mit der Komplexität. Immer wieder versuchen wir die Komplexität einzuholen, müssen aber immer wieder leidlich erfahren, dass wir das nicht schaffen. Immer wieder trickst diese “stachlige” Komplexität uns aus. Nur mit welchen Tricks? Das möchte ich im Folgenden beleuchten.

Trick 1: Emergenz

Aus der Systemtheorie kennen wir das Phänomen der Emergenz, welche besagt, dass das Ganze stets mehr ist als die Summe der Teile des Ganzen. Um also eine Sachlage oder eine Problematik zu verstehen, müssen wir Sie im Ganzen betrachten. Bereits ein Herausnehmen von Teilen führt zu einer Verfälschung der Sachlage oder der Problematik. In den allermeisten Fällen besteht ein Problem aus einer Reihe von Einflussfaktoren, die wir gar nicht alle auf einmal wahrnehmen und betrachten können. Dafür ist unser Aufmerksamkeitsfenster viel zu klein. Ein gleichzeitiges Erfassen einer Gesamtsituation geht also rein anatomisch und kognitiv nicht. Auf der anderen Seite sichert uns aber diese Vereinfachung überhaupt erst das Überleben in einer dynamischen Umwelt. Dafür möchte ich jeweils ein Beispiel anführen, eines welches die Sinnhaftigkeit von Trivialisierung untermauert und eines welches die Gefahren offenlegt. Fahren Sie mit dem Auto beispielsweise von Rostock nach München, bringt Ihnen eine Karte, in welcher auf der Strecke zwischen Rostock und München jede kleine Nebenstraße eingezeichnet ist, relativ wenig, im Gegenteil diese Information wird Sie wahrscheinlich verwirren. Den überwiegenden Teil der Strecke verbringen Sie auf der Autobahn. Hier hilft also Vereinfachung absolut weiter. Wenn Sie Wasser in seine Einzelteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen und aus den Eigenschaften dieser auf die Eigenschaft von Wasser schlussfolgern wollen, würden Sie wahrscheinlich niemals auf die Idee kommen, Wasser zum Löschen von Feuer einzusetzen.

Grundsätzlich benötigen wir Paradigmen, die nicht ständig hinterfragt werden, sondern als gegeben angesehen werden. Diese geben uns Halt und spiegeln den Fakt wider, dass Menschen in der Regel energieeffizient agieren. Hier kommen wir an ein Paradoxon nicht vorbei. Das Bewusstsein für Komplexität wird nur dann ausgebildet, wenn diese das Bewusstsein überfordern. Das Bewusstsein hinkt ständig hinterher. Und wenn wir uns etwas nicht bewusst sind, reagieren wir auch nicht darauf. Selbst beim Denken fokussieren wir, nehmen also Teile heraus und verändern damit ein Problem, was wir durch das Denken und dem anschließend darauf aufbauenden Handeln lösen wollen. Also dürften wir eigentlich nicht denken, würden dann aber auch nicht rational handeln können. Intuitiv könnten wir schon handeln, was aber nicht ausreichend ist, genauso wie rein rationales Handeln nicht ausreichend ist, komplexe Probleme zu lösen. Des Weiteren lassen sich unsere Wahrnehmungen einzig und allein durch Kommunikation mit unseren Mitmenschen teilen. Aber auch die Sprache ist wieder eine Trivialisierung. Wir setzen Objekte und Subjekte, die wir wahrnehmen, mit Buchstaben und Wörtern gleich und erzeugen damit eine Statik, die der Welt nicht unterliegt. Schon Heraklit meinte, das alles fließt und sich verändert. Auf Grund des linearen Aufbaus unserer Sprachen können wir diese Dynamik aber nicht ausdrücken.

Trick 2: Black Box

Aus der Kybernetik kennen wir den Begriff der Black Box. Heinz von Förster leitete daraus die nichttriviale Maschine ab. Die nichttrivialen Maschinen haben keine Fenster, was heißen soll, dass man nicht in sie hineingucken kann. Es lassen sich aber auch nicht aus der Analyse und Gegenüberstellung von Input- zu Outputdaten, Verhaltensmuster dieser Maschinen entlarven. Der Mensch ist eine solche nichttriviale Maschine oder Black Box. Die Gedankengänge eines Menschen sind von außen unsichtbar und werden es auch immer bleiben. Ganz egal was uns die Vertreter der Künstlichen Intelligenz auch weis machen wollen. Das Einzige was sichtbar ist, da messbar, sind Gehirnströme. Aber aus diesen lassen sich niemals Gedankeninhalte ableiten. Ein Mensch kann sich beispielsweise in scheinbar gleichen Situationen komplett unterschiedlich verhalten. Ich sage hier scheinbar, da es keine zwei Situationen geben kann, die absolut identisch sind. Wir trivialisieren im Rahmen unserer Wahrnehmung Situationen als identisch. Aber das hatten wir ja schon im Trick 1. Des Weiteren können wir auch an scheinbar gleichen Gestiken und Mimiken eines Menschen seinen Gemütszustand nicht ansatzweise ablesen. Das Wort scheinbar füge ich hier wieder mit der gleichen Begründung wie ein. Wir haben es also mit Subjektivitäten zu tun, die im Rahmen der menschlichen Kognition nicht formalisierbar sind. Alle Probleme, die wir als komplex wahrnehmen, haben mit Subjektivitäten zu tun. Oder kennen Sie ein Problem wo dies nicht der Fall ist?

Ich möchte nicht versäumen in diesem Zusammenhang Gottfried Wilhelm Leibniz zu erwähnen, der mit seiner Monadologie ebenfalls einen Beitrag geliefert hat, Subjektivitäten zu akzeptieren. Gotthard Günther hat mich in seiner Vorlesung zur Naturphilosophie, die er in Hamburg im Wintersemster 1981 gelesen hat, auf die Monadologie aufmerksam gemacht. Monadologie stammt vom Begriff Monade und kommt aus dem Griechischen, wo Monas gleich Einheit bedeutet. Eine Monade ist die letzte, unteilbare, nicht zusammengesetze Einheit. Leibniz stützt sich in seiner Monadologie auf eben genau diese Vorstellung. Monaden sind für ihn die letzten, einfachen, unteilbaren, individuellen und in sich abgeschlossenen Einheiten oder Substanzen. Sie sind selbständig, haben keinen körperlichen, sondern einen seelisch-geistigen Charakter. Leibniz hat 92 Paragraphen seiner Monadologie aufgestellt. So wie ich diese verstehe, kann man Monaden gut und gerne mit Black Boxes vergleichen.

Trick 3: Problem-Lösungs-Spirale

Je mehr wir wissen, desto mehr wissen wir nicht. Oder anders. Je größer unser Wissen ist, desto größer ist auch unser bekanntes Nichtwissen. Das bedeutet, wir kennen dann mehr Themen, die wir nicht wissen. Die Komplexität wird also dann größer empfunden. Komplexität ist immer subjektiv, wird also von jedem Individuum anders empfunden und wahrgenommen. Unser Wissen hat also unmittelbar etwas mit der subjektiv wahr genommenen Komplexität zu tun. Bezüglich der Komplexität bestehen zwei Sichtweisen. Die eine Sichtweise postuliert, dass wir Menschen Komplexitäten selber erzeugen, die andere, dass Komplexitäten schon immer da waren, wir sie nur jetzt auf Grund unseres gesteigerten Wissens erst wahrnehmen können. Ich tendiere zu der ersten Sichtweise. Wir erzeugen Probleme, die wir versuchen zu lösen, oft auch lösen, und erzeugen damit weitere Probleme. Hier hat sich die Komplexität einen ganz gewieften Trick ausgedacht. Wir befinden uns in einer Spirale, der wir nicht entfliehen können.

Bleibt die Frage, ob diese Spirale irgendwann endet oder nicht, sprich ob wir es mit einer Singularität, die sinnbildlich für ein unbegrenztes Wachstum der Komplexität steht, oder ob wir es mit einem Fixpunkt, der sinnbildlich für ein begrenztes Wachstum der Komplexität steht, zu tun haben. An dieser Stelle streiten sich die Gelehrten und Futuristen noch. Mathematisch ist beides möglich, denn Beides beruht auf Rekursion. Aus der Finanzwirtschaft kennen wir leidlich das Prinzip der Singularität. Durch den Zinseszins wird Geld zu Geld und immer mehr Geld, und das unbegrenzt. Von der menschlichen Kognition her kennen wir das Prinzip des Fixpunktes, was uns erlaubt unsere Umwelt überhaupt erst wahrzunehmen. Wenn sich die Problem-Lösungs-Spirale in Richtung Fixpunkt dreht, hat sich dieser Trick irgendwann ausgetrickst. Dann würden wir diesbezüglich der Komplexität nicht mehr nur hinterher hinken, sondern irgendwann einholen. Aber Vorsicht, wir haben ja noch die beiden anderen Tricks. Allerdings bleibt noch zu überlegen, ob wir in einem Fixpunkt nicht doch eine Verstärkung der Komplexität wahrnehmen, die real nicht da ist. Dieser Fakt ist weitere Überlegungen wert.

Wolfgang Berger geht in seinem Buch Business Reframing – Erfolg durch Resonanz im zweiten Kapitel Managementmoden sind Modekrankheiten darauf ein, wie die Menschen auf Komplexität reagieren. In der ersten Phase leugnen sie diese und machen weiter wie gehabt. Diese Phase nennt er Unterdrücken und Leugnen. Diese Phase ist geprägt von Determiniertheit und Sicherheit, natürlich nur vorgegaukelt. Man glaubt es gäbe Algorithmen, die man zur Lösung von Problemen anwenden kann, die eine Lösungsgarantie zusichern. Abgelöst wird diese erste Phase durch die zweite, dem so genannten Krisenmanagement. Man anerkennt die Unsicherheit und geht von Algorithmen über zu Heuristiken, die keine Lösung garantieren. Hier glaubt man aber noch ganz sicher an die Möglichkeiten direkt auf Komplexitäten Einfluss nehmen zu können. In dieser Phase befinden wir uns wahrscheinlich derzeit gerade bzgl. der Finanzkrise, wenn ich mir die Aktivitäten der Staaten anschaue, wie sie krampfhaft versuchen, verschuldete Staaten wie Griechenland oder Portugal unter die Arme zu greifen. Abgelöst wird die zweite Phase dann durch die dritte, namens Anpassung an eine Welt ohne Kausalketten. Hier akzeptiert man das Ursachen zu Wirkungen und vice versa werden können. Es existieren also keine Kausalketten, sondern Kausalkreise. Mathematisch gesehen vollführt man hier einen Übergang von Heuristiken hin zu Fraktalen. Geprägt ist diese Phase von dem Anerkennen von Nichtlinearitäten, die kleine Ursachen zu großen Wirkungen werden lassen. Das macht ersichtlich, dass direkte Einwirkungsmöglichkeiten in Komplexitäten nicht zum Erfolg führen können. Indirekte oder selbstorganisierende Maßnahmen sind erfolgversprechender.

Die drei Phasen, die Berger anspricht, wechseln sich gegenseitig abhängig von bestimmter Problemen immer wieder ab und sprechen nur das Bewusstsein und die Einstellung der Menschen hinsichtlich der Komplexität an. In der dritten Phase akzeptieren wir die Spirale, dass wir mit Lösungen von existierenden Problemen neue Probleme erschaffen, für die dann wiederum neue Lösungen generiert werden müssen. Wir erkennen also den Kausalkreis, in dem wir Komplexität erschaffen.

Fazit: Jeder Trick für sich, sorgt schon dafür, dass wir Menschen der Komplexität stets hinterherhinken, Trick 2 vielleicht in Abstrichen. Deshalb müssen wir lernen, mit Ehrfurcht und Demut an Komplexität heranzugehen und durch Systemisches Denken ein Gefühl für Komplexität zu entwickeln. Mehr scheint nicht möglich.

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Konfliktlösung: Vom Taubengleichnis lernen

Immer wieder erlebe ich es und leider viel zu häufig. Situationen und Problemlagen werden trivialisiert, in dem die beteiligten Menschen objektiviert werden. Als Beispiel solcher Situationen möchte ich Konfliktsituationen beleuchten, wobei ich anmerken möchte, dass die Ideen und Gedanken, die ich hier darlege, grundsätzlich auf alle Situationen reflektiert werden können, in denen Menschen agieren und reagieren.

Menschen werden trivialisiert

Was meine ich mit Trivialisierung von Menschen? Sie werden in Schubladen gesteckt. Es gibt verschiedenste Verfahren, um menschliche Charaktere statisch zu kategorisieren. Ein Beispiel dafür ist der Myers-Briggs Typindikator, der zur Einschätzung von menschlichen Persönlichkeiten angewendet wird. Mit diesem Indikator wird eine Art Persönlichkeitstopologie gezeichnet, bei dem 4 Funktionen gegenübergestellt werden.

  • Introversion vs Extraversion
  • Intuition vs Sensing
  • Feeling vs Thinking
  • Judging vs Perceiving

Es gibt eine Menge weiterer Verfahren, Menschen einzuteilen. Vielleicht kennen Sie ja auch die Einteilung der menschlichen Persönlichkeitsstrukturen in die Farben rot, grün und blau. Wie oft habe ich Aussagen wie “Das ist ein Roter. Da musst Du aufpassen. Der geht schnell in die Luft.” gehört. Egal welche Verfahren Sie nehmen, eines haben sie alle gemeinsam, sie trivialisieren die Menschen. Ich möchte nicht sagen, dass eine einfache Einteilung, wie diese Verfahren es ersinnen, grundsätzlich falsch sind. Sie dienen im ersten Moment zu einer Standortbestimmung. Mehr aber auch nicht. Sie sind nicht das Allheiligtum zur Charakterisierung von Menschen, da die Menschen viel zu komplex sind, um sie so einfach in Kategorien einzuteilen. Diese Einteilung kann also nur ein erster Schritt sein, aber mit Sicherheit nicht der letzte Schritt, um zu verstehen wie und warum Menschen agieren wie sie agieren. Denn was wird hier zu sehr vereinfacht? Es ist die Subjektivität.

Warum wippen Tauben eigentlich immer mit dem Kopf?

Um die Wichtigkeit von Subjektivität beim Beobachten und Bewerten von Problemlagen oder Situationen zu betonen, möchte ich ein Beispiel bemühen. Warum wippen und nicken die Tauben stetig mit dem Kopf beim Gehen? Aus der Sicht des Menschen ist dies nämlich der Fall. Das ist für uns komisch und nicht nachvollziehbar. Aber aus Sicht der Tauben sieht die Sachlage ganz anders aus. Denn die Taube hält den kopf relativ stabil zur Erdoberfläche. Die Tauben strecken ihren Kopf beim Gehen vor und ziehen ihren Körper dann nach. Es herrscht also wenig Bewegung des Kopfes. Das ist einleuchtend, denn Kopfbewegung bedeutet für die Taube hoher und unnötiger Energieaufwand und verzerrtes Beobachten der Umwelt. Und genau das ist überlebenswichtig: Optimaler Energieeinsatz und die Möglichkeit die Umwelt scharf beobachten zu können. Sie können das ja gerne nachvollziehen, in dem Sie beim Filmen mit der Videokamera die Kamera ständig hin und her bewegen. Das spätere Anschauen der Sequenzen am Fernseher wird sicherlich kein Spaß. Wir erkennen also, will man Situationen richtig beobachten und bewerten, muss man in der Lage sein, diese von verschiedenen Positionen aus zu betrachten. Tauben wippen nämlich gar nicht mit dem Kopf. Ich habe die Relativität in Bezug des Taubenkopfes zur Erdoberfläche angesprochen. Besteht hier ein Bezug zur Relativitätstheorie von Albert Einstein? Bevor ich dies aber nachvollziehe, möchte ich noch auf meinen Artikel Ist Objektivität eine Illusion? verweisen, in dem ich detailliert das Phänomen der Subjektivität unter Bezugnahme von trivialen und nichttrivialen Maschinen, wie sie der Kybernetiker Heinz von Förster eingeführt hat, beleuchte.

Sind Konfliktsituationen relativitätstheoretisch?

Den Kampf zwischen Objektivität und Subjektivität erkennt man in den Interpretationen der Relativitätstheorie von Albert Einstein. Einstein meinte die Geschwindigkeit sei für jeden Menschen gleich, egal wie oder wie schnell er sich bewegt. Um dieser Sichtweise Stand zu geben, setzte er die Zeit als variabel an, damit die uns allen bekannte Formel “Geschwindigkeit ist gleich der Weg relativ zur Zeit” wieder passt. Diese Vorgehensweise ist unter dem Begriff Zeitdilatation bekannt geworden. Dass das aber mit unserer Wahrnehmung nicht ganz vereinbar ist, scheint einleuchtend zu sein, wenn Sie sich das folgende Beispiel anschauen. Wenn Sie in einem Zug sitzen und einen entgegenkommenden Zug sehen, dann kommt Ihnen die Geschwindigkeit dieses Zuges größer vor, als wenn Sie den gleichen Zug stehend am Bahnsteig an sich vorbeiziehen lassen würden. Das veranlasste die Gegner der Relativitätstheorie eine Gegenthese zu postulieren. Denn wenn Einstein Recht hätte, müsste sich die Geschwindigkeit, in diesem Falle des Zuges, an jeden Beobachter anpassen, damit sie für jeden Beobachter gleich ist. Sie beziehen die Subjektivität ein und sagen, dass ein Objekt nicht für jeden Beobachter die gleiche Geschwindigkeit haben kann.

Aber wie kann ein Außenstehender überhaupt erkennen, wie ein anderer Beobachter die Geschwindigkeit eines Zuges wahrnimmt? Das geht ausschließlich über die Kommunikation. Der andere Beobachter drückt allerdings nur das aus, was er subjektiv wahrnimmt. Dafür trivialisiert er seine Wahrnehmungen auf eine auf Konsens abgestellte Form der Notation, die Sprache. Gut erkennt man dies an Farben. Wenn Ihr Gegenüber einen Gegenstand als rot wahrnimmt und Ihnen das mitteilt, wissen Sie ausschließlich, dass ihr Gegenüber diesen Gegenstand der Farbe rot zugeordnet hat. Sie wissen nicht, ob ihr Gegenüber die Farbe genauso oder ähnlich wahrnimmt wie Sie.

Kommen wir wieder zum Zug. Auf der einen Seite sind die beobachteten Geschwindigkeiten des Zuges stets subjektiv seitens der Beobachter. Der Beobachter ist für andere Beobachter des gleichen beobachteten Objektes, von dem die Geschwindigkeit beobachtet wird, eine “Black Box”. Beide Beobachter können sich ausschließlich über ihre Sprache verständigen. Wir können aus einer Superposition heraus nicht klar bestimmen, welche Geschwindigkeit das beobachtete Objekt hat. Die Einsteinbefürworter sind der Meinung, die Geschwindigkeit ist stets gleich und die Zeit ändert sich. Die Einsteingegner postulieren das Entgegengesetzte, die Geschwindigkeit ändert sich je nach Position und Lage des Beobachter und die Zeit bleibt gleich. Ich bin mir nicht sicher, wer Recht hat, tendiere aber eher zu der zweiten Gruppe und mache mir dies am so genannten Zwillingsparadoxon bewusst. Wenn von 2 Zwillingen einer eine große Reise, sagen wir mit einem Raumschiff durch das Weltall, antritt, und der andere Zwilling zu Hause auf der Erde bleibt, muss gelten, dass der reisende Zwilling weniger altert als der daheimgebliebene Zwilling. Hier habe ich eine Blockade dies als wahr zu denken. Damit möchte ich allerdings nicht behaupten, dass alle Vorgänge in der Natur mit dem “gesunden Menschenverstand” vereinbar sein müssen.

Die Relativitätstheorie suggeriert das Inkludieren der Subjektivität, aber nur scheinbar. Bleiben wir bei dem Beispiel mit der Geschwindigkeit des Zuges. Wenn wir sagen, dass die Geschwindigkeit des Zuges stets gleich ist, unabhängig von dem Beobachter, absolutiert man auf den Beobachter bezogen. Die Relativität oder Subjektivität wird in das beobachtete Objekt, dem Zug, gelegt, denn dieser muss sich aus Sicht der Geschwindigkeit auf jeden Beoabachter einstellen. Wie man es dreht und wendet, Subjektivität ohne Objektivität gibt es nicht. Subjektivität kann uns zur Weißglut treiben, weshalb diese in den Wissenschaften auch häufig exkludiert wird, in dem alles objektiviert und damit trivialisiert wird. Damit handeln wir uns dann aber Probleme ein, die wir nicht handhaben können, wie wir beispielseise bei Konfliktlösungen immer wieder sehen. Und damit komme ich zum eigentlichen Thema.

Was lernen wir aus dem Taubengleichnis?

Das Wort “Konflikt” stammt von dem lateinischen Substantiv “conflictus” und bedeutet Aneinanderschlagen, Zusammenstoßen, im weiteren Sinne daher auch Kampf oder Streit. Konflikte unterscheiden sich von Problemen vor allem dadurch, daß sich die beteiligten Parteien in der Bewältigung der Situation uneins sind und dabei negative Gefühle entwickeln. Und genau bei den negativen Gefühlen möchte ich ansetzen. Die beteiligten Parteien verstehen die Motive und Sichten der jeweils Anderen nicht. Das ist der Nährboden für negative Gefühle, die einer Beseitigung des Konfliktes hemmend gegenüber stehen. Subjektivität im Sinne einer differenzierten Sicht und Beurteilung einer Sach- oder Problemlage muss akzeptiert werden und mehr noch, sie muss in die methodische Herangehensweise einfließen. Eine mögliche Methodik ist die Systemische Syndromanalyse von Andre Frank Zimpel, die er in seinem Buch Zwischen Neurobiologie und Bildung darstellt. Er verfolgte mit der Methodik das Ziel, die Förderdiagnostik in den Schulen zu erweitern. Zimpel unterscheidet 4 Beobachtungsstandpunkte, zwischen denen man zirkulär wechselt: Außensicht, Innensicht, Supersicht und Selbstreflektion. Die folgende Graphik stellt die Abläufe schematisch dar.

Ich bin der Meinung, dass man diese Methodik sehr gut für die Konfliktlösung einsetzen kann, was ich folgend belegen möchte. Aus einer Außensicht heraus beleuchtet man den Konflikt aus einer distanzierten, versachlichenden und verobjektivierenden Lage heraus. Man setzt eine Norm als Bewertungsschema an, die man als objektiv ansieht. Es wird also beobachtet, wie die anderen Parteien sich verhalten. Der Nachteil dieser Sicht ist einleuchtend. Man betrachtet sich selber nicht als Teil des Konfliktes und Subjektivität ist exkludiert. Der zweite angesprochene Nachteil, die Subjektivität, findet Beachtung in der Innensicht. Diese Sicht befreit sich quasi von einer von außen angelegten Norm und orientiert sich am subjektiven Erleben. Es wird sich in die anderen Parteien hinein gedacht und man versucht den Konflikt aus deren Position heraus zu betrachten und zu bewerten. Allerdings, und das muss man an dieser Stelle betonen, geschieht dieses Hineindenken mit den eigens angelegten Wertesystemen. Ebenso auffallend ist, dass aus beiden Beobachtungspositionen heraus jeweils eine Kontante gesetzt werden muss. Aus der Außensicht heraus ist es die Umwelt, sprich das Problem ist konstant, aus der Innensicht heraus ist es die Persönlichkeit, sprich die Sicht auf das Problem. Diese Zwickmühle wird erst in der Supersicht aufgehoben, da aus dieser Sicht heraus zwischen Innen- und Außensicht immer wieder gewechselt wird. Diese Wechsel müssen in einer Supersicht so lange geschehen bis das Verhalten der anderen beteiligten Parteien aus der eigenen Wahrnehmung heraus stimmig ist. Das ist die Grundlage, um die Meinung der Anderen zu achten, was die Basis ist für eine gemeinsame Konfliktbewältigung. Alle 3 genannten Sichten sind kognitionstheoretisch fiktiv, da sie immer noch von einer Beobachterperspektive ablaufen. Die 3 Sichten müssen sich also alle aufeinander beziehen, was die Selbstreflektion gewährleistet. Im Rahmen der Selbstreflektion wird also der Kreis der Beobachtungen einer Person zu dieser Person selbst geschlossen. Als Beobachter einer Konfliktlösung hinterfragt man sein eigenes Verhalten, welches Auswirkungen auf das Verhalten Anderer und damit wiederum auf seine Beobachtungen hat. Das Urteilen der Handlungen Anderer fällt damit auf einen zurück.

Sehr gut läßt sich die Systemische Syndromanalyse im Rahmen einer qualitativen Modellierung, beispielsweise mit dem CONSIDEO MODELER, durchführen. In der Außensicht werden Faktoren gesammelt, die das Verhalten der beteiligten anderen Parteien beschreiben. Es lassen sich bereits hier schon Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den Faktoren einzeichnen. Gleiches macht man bei der Innensicht, nur halt aus der subjektiven Perspektive der anderen Parteien heraus. In der Supersicht verbindet man die Faktoren beider Sichten hinsichtlich ihrer Ursache-Wirkungsbeziehungen. Im Zuge der Selbstreflektion werden die Beziehungen validiert und gegebenenfalls angepasst. Es ist ersichtlich, dass ein solches Modell niemals final sein kann, da eine Selbstreflektion niemals abgeschlossen und final sein kann.

Ich hoffe ich habe eindrucksvoll dargestellt, das ein Engagement eines Mediators zur gemeinsamen Bewältigung eines Konfliktes nicht zum Ziel führen kann. Ein Mediator bleibt immer Außenstehender eines Konfliktes. Damit fällt das Gemeinsame. Wendet jeder Beteiligte eines Konfliktes die angesprochene Methodik an, besteht Potential für gegenseitige Achtung für die jeweiligen Verhaltens- und Sichtweisen. Das ist das Fundament einer tragfähigen und gemeinsamen Lösung. Des Weiteren lässt sich diese Methode auf alle Problem- und Sachlagen ausdehnen, in denen Menschen beteiligt sind.

Fazit: Es ist quasi unmöglich einen anderen Menschen komplett zu verstehen und damit seine Handlungen und Motive. Die Einsicht dessen ist ein erster Schritt zum Erfolg. Man kann sich nur annähern, in dem man die anderen Menschen akzeptiert, achtet und versucht zu verstehen, denn Subjektivität ist niemals objektiv darstellbar.

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Renditemaximierung der Realwirtschaft: Antwort auf den Zinsstress mit negativen Implikationen

Ich habe bereits oft geschrieben, dass die Realwirtschaft einem Zinsstress der Finanzwirtschaft ausgesetzt ist, da man im Kapitalismus monetär betrachtet, stets mehr zurückgeben muss als man bekommt. Die Finanzwirtschaft wächst durch den Zinseszins exponentiell. Die Wachstumsrate der Realwirtschaft muss der Kapitalzinsrate der Finanzwirtschaft Stand halten, was unmöglich ist und negative Folgen nach sich zieht. Details zu den Zusammenhängen und zu den Folgen können Sie in meinem Post Wir schaffen unsere Finanzkrisen durch das Zinsparadigma selber nachlesen.

Da die Realwirtschaft dem Zinsstress systemisch bedingt Stand halten muss, müssen neue Ziele in der Realwirtschaft ausgelobt werden. Es reicht nicht mehr aus, sich nur auf die Maximierung des Gewinns als absolute Größe auszurichten, sondern es muss auf das Verhältnis von beispielsweise Gewinn zu Kosten abgezielt werden. Es geht also um relative Zielgrößen, denn der Gewinn muss stets schneller steigen als die Kosten. Man erkennt leicht, dass beispielsweise der Gewinn steigen kann, aber die Profitrate fällt, da die Kosten stärker steigen als eben der Gewinn. Durch diese Sicht auf die Rendite drückt sich die Kapitalverzinsung aus. Denn der Zinseszinseffekt muss systemisch bedingt in der Realwirtschaft nachempfunden werden. Die Unternehmen müssen immer kostengünstiger den gleichen, besser mehr, Gewinn erwirtschaften, quasi so wie sich Geld in der Finanzwirtschaft auch von alleine durch den Zinseszins vermehrt.

Was bedeutet aber diese neue Sicht auf die Kennzahl Rendite für die Unternehmen?

Dazu möchte ich ein wenig Mathematik betreiben. Mehr als 1. und 2. Ableitung wird aber nicht von Nöten sein, um die Zusammenhänge zu analysieren. Im neben stehenden Dokument finden Sie mathematische Betrachtungen zur Maximierung des Gewinns als Beispiel für eine absolute Zielgröße und zur Maximierung der Profitrate als Beispiel einer relativen Zielgröße. Bei der Umorientierung der Unternehmen auf Profitrate verlieren die Unternehmen die Sicht auf den Markt, also auf die Wettbewerber und die Kunden. Um die Profitrate zu maximieren, reicht es vollkommen aus die Durchschnittskosten zu minimieren. Das erkennen Sie an den Formeln (13) und (15) im angehängten Dokument. Bei der Sicht auf die Gewinnmaximierung war das noch anders. Bei dieser Betrachtung spielte der Preis, den das Unternehmen für die produzierten Waren bekommt, eine entscheidende Rolle (Formel (5)).

Welche Schlussfolgerungen können wir ziehen?

Ich möchte zwei Schlussfolgerungen andeuten. Die eine Schlussfolgerung zielt auf die Kundensicht der Unternehmen ab. Wie oben bereits angedeutet, negiert ein Unternehmen bei der Fokussierung auf die Profitrate die Sicht nach außen. Das Unternehmen ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Aus systemischer Sicht verliert das Unternehmen den Markt als Teil seiner selbst. Es geht einzig und allein um Kostenminimierung. Wenn Sie Mitarbeiter dieses Unternehmens sind, werden Sie das an immer wieder kehrenden Kostensenkungsprogrammen erleiden müssen. Wenn Sie Kunde dieses Unternehmens sind, nehmen Sie das an unzureichenden Serviceleistungen wahr. Einzig und allein als Shareholder sind Sie für das Unternehmen von Interesse, nicht mehr als Stakeholder. Wenn Sie an der Börse Wertpapiere handeln, verstärken Sie diese Sicht der Unternehmen sogar noch. Auch Kundenfokussierungen beispielsweise im Rahmen von Balanced Scorecards in Unternehmen sind reine Lippenbekenntnisse.

Die zweite Schlussfolgerung dreht sich um die Kurzsichtigkeit der Unternehmen. Je höher die Taktrate des Geldumlaufes ist, desto höher fällt die Rendite aus. Das ist ein Effekt der Verzinsung, den ich in meinem Artikel Diskrete und Kontinuierliche Modellierung gezeigt habe. Eine Maximierung der Profitrate, als Beispiel einer relativen Zielgröße, führt also zu einer Beschleunigung des Kapitalumlaufes in Unternehmen. Das bedeutet, dass sich Investitionen immer schneller rentieren müssen. Erfolge in Projekten müssen immer schneller realisiert werden, damit diese nicht abgebrochen werden. Der Fokus wird hier auf Zeit gesetzt und das zu Ungunsten von Qualität. Dabei werden die Kosten durch Outsourcing ausgelagert. Projekte werden mit aller Macht mit Global Delivery “durchgeprügelt”. Wie gesagt, entscheidend ist, dass die Kosten gesenkt werden. Mit der Qualität wird es schon irgendwie passen. Der Kunde wird es schon verstehen. Aber das hatten wir ja eben schon.

Fazit: An diesem doch recht einfachen Beispiel kann man sehr schön erkennen, wie verheerend es sein kann, nach Kennzahlen, deren ganzheitlichen Auswirkungen scheinbar verborgen sind, zu steuern. Des Weiteren lassen sich sehr eindrucksvoll die kybernetischen Beziehungen zwischen Finanz- und Realwirtschaft spiegeln, wo die negativen Auswirkungen selbst in die privaten Haushalte hineinsprießen und die dort sogar noch durch Unbedarftheit und Unwissenheit verstärkt werden.

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BI Lösungen gaukeln eine scheinbare Sicherheit vor und birgen deshalb Gefahr

Kennen Sie das Lied vom Scheitern von Die Ärzte, in welchem sie im Refrain singen “Du bist immer dann am besten, wenn’s Dir eigentlich ganz egal ist…”? Oder haben Sie auch schon die Erfahrung gemacht, dass Sie etwas suchen, dieses nicht finden, sondern das was sie gestern gesucht haben? Oder Sie sind auf einer Party eingeladen worden, gehen fröhlich hin, weil Sie Spaß haben möchten und ganz große Erwartungen an diese Party haben. Sie werden jedoch enttäuscht. Beim nächsten mal gehen Sie mit wenig Erwartung zur Party oder haben eigentlich gar keine Lust und die Party wird großartig.

Was sagen uns diese Beispiele?

Wir fokussieren uns auf etwas Bestimmtes und vernachlässigen dabei andere Sachverhalte. Diese nicht beachteten Komponenten führen aber dazu, dass das, worauf wir uns fokussieren und wollen, negativ beeinflussen. Die Eigenart von komplexen Sachverhalten ist, dass, wenn man etwas ganz besonders will, meistens das Gegenteil erreicht. Komplexe Systeme sind durchzogen von Rückkopplungen, Ursache wird zur Wirkung und Wirkung zur Ursache. Genau diese Rückkopplungen werden aber in den Betrachtungen und Analysen oft ausgeblendet, so dass man am Ende vor Resultaten steht, die unerwünscht sind. Allerdings heisst das natürlich nicht, das man nichts mehr wollen darf, um etwas zu erreichen. Der Wille ein bestimmtes Ziel zu erreichen ist immer noch immens wichtig. In meinem Post Projektmanagement ohne Herz und ohne Kopf habe ich die Notwendigkeit des mit dem Herzen bei der Sache sein ausgeführt. Man muss eben bedenken, dass die Umsetzung dieses Willens nicht per Direktive durchgesetzt und kontrolliert werden kann.

Und genau daran krankt es: Wir denken, messen zu müssen

Wenn wir etwas messen fokussieren wir uns auf das zu Messende. Wir nehmen das Messobjekt aus dem Zusammenhang mit den anderen Dingen heraus. Dadurch zerstören wir das Wirkungsgefüge des Ganzen. Tom deMarco, Projektmanagement-Guru des Mainstreams, meint nun in seinem gleichnamigen Buch Was man nicht messen kann, kann man nicht kontrollieren. Das mag stimmen. Aber komplexe Systeme, wie es auch alle Projekte sind, darf man nicht kontrollieren wollen, da man es nicht kann. Also muss man auch nicht messen. Das verkennt Tom deMarco komplett. Ich habe das Buch trotzdem gelesen und kann es auch weiterempfehlen, denn auch von schlechten Beispielen oder von Fehlern kann man sehr gut lernen. Im Übrigen ist aus meiner Sicht jede Sachlage, jede Situation oder jedes Problem, in dem Menschen involviert sind, komplex und damit nicht kontrollierbar. Haben Sie beispielsweise schon mal versucht ihren Herzschlag oder ihre Atemzüge zu kontrollieren?

Was hat das alles nun mit Business Intelligence zu tun?

Auf dem Paradigma des Messen und Kontrollieren müssens bauen alle derzeitigen Business Intelligence Lösungen in Unternehmen auf. Es werden Kennzahlen und KPIs (Key Performance Indicators) definiert, die in den aller meisten Fällen die Rückkopplungen der einzelnen Kennzahlen nicht beachten oder schlichtweg diese nicht messbar sind. Gerade Qualitäten sind mit den Zahlen, die heute Basis für die Mathematik und Wissenschaft sind, nicht mit Zahlen darstellbar. Ich möchte das gar nicht tiefgründiger ausschmücken, sondern auf meine Posts zum Thema Zahlen verweisen. Ich werde vielmehr ein Beispiel anbringen, welches die Auswirkungen des Messparadigmas belegen.

Die Kennzahl Auslastung

Die Kennzahl Auslastung (engl.: Utilization) stammt aus der Zeit der Industrialisierung. Menschen wurden als Maschinen angesehen, in der Fließbandarbeit vorherrschend war. Kopfarbeit kann man aber nicht mit Fliessbandarbeit vergleichen. Trotzdem wird diese Kennzahl noch sehr häufig als oberster Maßstab für das Messen von Leistungen von Mitarbeitern verwendet, auch und gerade bei servicelastigen Tätigkeiten. Ich habe ein qualitatives Modell im CONSIDEO MODELER erstellt, in welchem ich die Kennzahl Auslastung im Rahmen von Projekten ganzheitlich analsiert habe.

Die Erkenntnisse der in der oberen Abbildung gezeigten Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den Faktoren möchte ich nachfolgend erläutern. Eine erste Erkenntnis ist, dass die Auslastung kurzfristig eine starke positive Auswirkung auf den Umsatz hat. Allerdings müssen Festpreisprojekte oder Zeit-und-Material Projekte diesbezüglich differenzierter betrachtet werden. Eine höhere Auslastung der Mitarbeiter macht bei Festpreisprojekten überhaupt keinen Sinn, denn der Kunde zahlt nicht für diese scheinbar höheren Kosten. Bei Zeit-und-Material Projekten erzielt die höhere Auslastung nur dann einen positiven Effekt auf den Umsatz, wenn der Level an Erhöhung auch mit der Abrechnungsbasis übereinstimmt. Werden die Auslastungen der Mitarbeiter beispielsweise auf Stundenebene erhöht, die Abrechnung in Richtung Kunde erfolgt aber auf Tagesbasis, ist der Effekt gleich 0.

Des Weiteren muss man bei der Analyse bedenken, dass Festpreisprojekte häufig über Preise vergeben werden. Daraus ergibt sich in der Regel bereits von Beginn an ein hoher Kostendruck auf das Projekt. Eine Erhöhung der Auslastung der Mitarbeiter erzeugen noch mehr Kosten, die das Projekt tragen muss, was den Druck auf das Projekt weiter erhöhen lässt, denn der zu erwartende Umsatz ist nicht kostenabhängig. Ein weiterer nicht zu verachtender Aspekt ist, dass die Notwendigkeit stets ausgelastet zu sein, einen hohen Druck bei den Mitarbeitern generiert. Man muss immer beschäftigt sein. Nachdenken scheint nicht erlaubt, da es kurzfristig keinen gesicherten und werthaltigen Output erzeugt. Der eigentliche Sinn der Kopfarbeit, kreativ zu sein, geht verloren. Ergebnisse, die über kreative Aktivitäten erzielt werden, lassen sich nicht nach Stechuhr abrechnen.

Wenn alle Mitarbeiter ausgelastet sind, sind keine Mitarbeiter verfügbar, qualitativ gute Angebote zu erstellen, die die Basis für neue Projekte darstellen. Die Pipeline wird also nicht mit neuen validen Opportunities bestückt. Des Weiteren wird die Flexibilität genommen, kurzfristig auf Kundenanfragen zu reagieren oder neue Projekte zu staffen. Das wirkt sich dann negativ auf die Kundenzufriedenheit aus.

Haben wir also oben angedeutet, dass eine hohe Auslastung kurzfristig eine positive Auswirkung auf den Umsatz hat, dreht sich dieser Effekt mittel- und langfristig gesehen um. Beim Messen der Auslastung wird diese Kenzahl aus dem Gesamtzusammenhang des Wirkungsgefüges gerissen, was damit Ergebnisse ans Tageslicht befördert, die nicht gewollt sind, nämlich niedriger Umsatz. Es wird direkt in Richtung hohe Auslastung agiert, was zu vergleichen ist mit dem Verabreichen von Suchtmitteln an einen Suchtkranken. Kurzfristig fühlt er sich besser, mittel- und langfistig aber verschlechtert sich sein Zustand. Diesen Effekt sehen Sie in der Erkenntnismatrix in der folgenden Abbildung an dem Fakt, dass der Faktor 6:Utilization im rechten unteren Quadranten ganz außen liegt.

Welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus?

Bevor ich meine Ideen formuliere, die die erkannten Schlussforgerungen verarbeiten, möchte ich noch einmal auf das Fokussieren eingehen. Der Buddhismus hat die Notwendigkeit des Nichtfokussierens erkannt. Denn wie oben angedeutet wird eine zu analysierende Ausgangslage zerstört, in dem auf bestimmte Themen fokussiert wird, da diese aus dem Gesamtzusammenhang gerissen werden. Das passiert übrigens auch beim Denken. Das ist der Grund, warum Buddhisten häufig vermeiden zu denken. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auf die Homepage von Rudolf Matzka verweisen. Er reflektiert Erkenntnisse des Buddhismus auf die derzeitigen kulturellen und gesellschaftlichen Probleme, um neue Sichtweisen zu generieren. Wirklich sehr spannend und erhellend.

Ziele müssen nicht handlungsleitend sein. Sie müssen im Sinne einer Vision aufgestellt werden, mit denen sich alle Mitarbeiter des Unternehmens oder des Projektes identifizieren. Die Mitarbeiter sind also emotional und mit dem Herzen dabei. Das hatten wir bereits. Es kommt nicht darauf an einen Plan zu erfüllen oder überzuerfüllen. Wichtig ist zu erkennen, dass sich aus solchen Zielen keine sinnvollen und konkreten Teilziele herunter brechen lassen, nach denen die Leistungen der Mitarbeiter dann “von Oben” gemessen werden. Es existieren keine Handlungsvorgaben, Pläne, Meilensteine und dergleichen auf Mikroebene, die “von Oben” definiert werden müssen. Und genau darauf kommt es an. Die Mitarbeiter müssen selber denken. Sie müssen stetig Signale der Umwelt aufnehmen, um auf Basis dieser Informationen zu generieren, die ihnen behilfreich sind Entscheidungen zu treffen. Damit wird Transparenz über Erfolg und Misserfolg geschaffen, die wichtig ist, damit die Mitarbeiter marktabgeleitete Belohnungen, im positiven wie auch im negativen Sinne, akzeptieren. Jeder Mitarbeiter gibt den eigenen Aktivitäten damit einen Sinn. Derzeit sind die meisten Belohnungssysteme zu einem Glücksspiel verkommen. Das demotiviert. Besser wäre es, wenn jeder Mitarbeiter aus sich heraus entscheidet, was getan werden muss, um das gesamtheitlich gestellte Ziel zu erreichen, welchem er mit dem Herzen anhängt. Zur Validierung der Tätigkeiten sind natürlich Kennzahlen nicht verboten. Der Unterschied zu dem derzeitigen Einsatz besteht aber darin, dass diese nicht “von Oben” vorgegeben werden. Die Mitarbeiter sind sich damit ebenfalls bewusst, dass man nicht alle Aktionen nur den Kennzahlen zu Grunde legen darf, die messbar sind. Mitarbeiter wollen mehr Verantwortung übernehmen. Was legitimiert einen Manager oder eine Führungskraft eigentlich einen Mitarbeiter auf Mikroebene zu managen? Im privaten Umfeld handhaben die Mitarbeiter doch auch sehr komplexe Themen und das in der Regel sehr gut. Denken Sie nur an die Kindererziehung.

Einen weiteren Aspekt, den ich anführen möchte ist, das Lernen von der Natur und vom menschlichen Körper, die sehr positive Beispiele dafür darstellen, wie komplexe Systeme gehandhabt werden. Hartmut Bossel hat die Fragestellung analysiert, nach welchen Leitwerten ein komplexes System agieren muss, um lebensfähig zu sein. Die Antwort hat er in der Natur gefunden, in dem er folgende Leitwerte definiert hat: Existenz, Wirksamkeit, Handlungsfreiheit, Sicherheit, Wandlungsfähigkeit und Koexistenz. Details dazu finden Sie unter anderem in meinem Rucksack.

Wolfgang Deppert reflektiert in seinem Artikel Natur und Wirtschaft oder Das Überlebensproblem Funktionen, die die Natur anwendet, die aber in der Wirtschaft sträflich bis gar nicht Anwendung finden, um lebensfähig zu sein. Es geht dabei um die Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Maßnahmenfunktion.

Ich möchte einen Ausblick wagen

Ich bin gerade dabei meine Gedanken zu sammeln und zu sortieren, die die angesprochenen Themen dieses Posts die Fragestellung beantworten lassen, wie Business Intelligence der Zukunft gestaltet werden muss, um die komplexen Sachverhalte rund um das Führen von Unternehmen zu handhaben. Dabei werde ich ebenfalls die Klammer zur Systemtheorie und zur Kybernetik spannen. Die Zutaten sind also alle vorhanden, es fehlt nur noch das Rezept. Da wir Menschen bereits schon durch Worte und deren hinein interpretierte Bedeutung in eine bestimmte Richtung gelenkt werden, werde ich in dieser Ausarbeitung den Begriff Business Intelligence durch Business Systemics ersetzen und damit zum Ausdruck bringen, das beide Vorgehensweisen fundamental verschieden sind.

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Umdenken ist schwierig jedoch machbar, aber wie?

Die gravierenden Probleme der heutigen Zeit mit all ihren Konsequenzen und Implikationen, wie die Finanzkrise oder die Umweltverschmutzung, werden zu halbherzig angegangen und haben deshalb auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Lösungssuche bleibt bei den Symptomen hängen und greifen die Problematik nicht bei der Wurzel, sprich bei den Ursachen.

Was meine ich damit?

Wir hängen an den Paradigmen unseres vorherrschenden Systems, wie Mechanisierung und Digitalisierung von Arbeit, unbedingter Wettbewerb, unaufhörlicher Konsum, Kurzfristsicht als Basis für den Wachstumstrieb, Kontrollzwang auf Basis von Messverfahren um nur einige beispielhaft zu nennen. Tiefgreifende Veränderungen werden aber nur dann geschehen, wenn wir aus diesen Systemparadigmen heraustreten. Illustrieren möchte ich das gerne an einem Beispiel aus dem Sport. Der schwedische Skispringer Jan Bokloev hat Ende der 80-er Jahre den V-Stil, auch Froschstil genannt, erfunden und mit diesem größere Weiten erzielt als die damals etablierten Springer in der Weltspitze. Mit dem herkömmlichen Parallelstil hätten diese Weiten nie erzielt werden können. Das Umstoßen von Systemparadigmen wird allerdings stets mit Argwohn betrachtet, was Bokloev auch erleiden musste. Er wurde in der Anfangszeit mit schlechten Haltungsnoten bestraft, was ihn aber nicht davon abhielt, es weiter zu versuchen, denn er wusste, dass er mit dem alten Stil nicht in der Weltspitze mitspringen kann.

Was ist aber notwendig um Denkblockaden umzustoßen, die aus Systemparadigmen entstehen, die so ins Fleich und Blut der Menschen übergegangen sind, dass sie nicht hinterfragt werden?

Bei der Suche nach Antworten bin ich auf Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie, gestoßen. Ich habe mit Hochgenuss seinem Vortrag Könnten wir anders sein? Ist eine mentale Umprägung möglich? auf der 2. Konferenz der DenkwerkZukunft 2011 in Berlin mit dem Titel “Weichen stellen. Wege zu zukunftsfähigen Lebensweisen” gelauscht. Dieser hat mich zu einigen neuen Gedankengängen inspiriert. Hüther begründet in seinem Vortrag, warum das Umdenken den Menschen so schwer fällt. Umdenken geht ausschließlich durch das Erleben eigener Erfahrungen, denn nur durch diese können neue Haltungen aufgebaut werden. Und genau darum geht es. Menschen müssen ihre Haltungen zu Themen ändern, um diese anders zu sehen und zu denken. Es hilft nicht missionarisch durch die Welt zu pilgern und Menschen von etwas überzeugen zu wollen. Motive für menschliche Handlungen sind meist emotional. Das bedeutet, mit rationalen Argumenten kommt man nicht weiter, da diese nicht “unter die Haut” gehen oder berühren. Einladen und Inspirieren ist angesagt. Emotionen und rationale Fakten sind die Basis für ein Umdenkprozess, denn nach Hüther reicht es ebenfalls nicht aus, einen Menschen unablässig zu umarmen oder zu küssen, um ihn zum Umdenken zu bewegen. Nach Aussagen Hüthers geht es um unsere inneren Bilder, die unser Wahrnehmen und unser Denken beeinflussen. Auch hier wieder ein Beispiel aus der Praxis. Als ich vor kurzem gelesen habe, dass Porsche einen Sportwagen mit Elektromotor zur Serienreife gebracht hat, hat sich in mir etwas gesträubt. Meine inneren Bilder von Sportwagen und Elektromotor haben nicht zusammengepasst. Rein kognitiv betrachtet, sage ich super, aber emotional gesehen habe ich da eine Blockade. Können Sie sich die Formel 1 mit Elektroautos vorstellen? Meine inneren Bilder lassen das nicht zu. Und genau darum geht es. Es bringt nichts, AKWs abschalten zu wollen, wenn unsere inneren Bilder und und damit unsere Haltungen uns nicht in die gleiche Richtung konditionieren. Dann bleibt alles nur halbherzig.

Diese Erkenntnisse möchte ich nun weiter vertiefen, um weitere Voraussetzungen für Umdenkprozesse zu erkunden. Dabei stütze ich mich nun auf Gotthard Günther, einen meiner Lieblingsvordenker, der seiner Zeit meilenweit voraus war. Günther hat in seinem Buch Die amerikanische Apokalypse die menschliche Geschichte in drei Epochen eingeteilt.

  • Die primitive Epoche
  • Die Epoche der regionalen Hochkulturen
  • Die Epoche der universellen planetaren Kultur

In der primitiven Epoche haben die Menschen Naturereignisse mit Magie und Zauberei erklärt. In dieser Zeit haben die Menschen die Vorgänge in der Natur noch nicht auf sich selbst reflektiert. Ausdruck dieser Magie waren u.a. Medizinmänner. Angst vor den Ereignissen in der Natur war unter den Menschen vorherrschend. Diese Epoche war damit 1-wertig. In der zweiten Epoche, die der regionalen Hochkulturen, wurden die Ursache-Wirkungsbeziehungen eingeführt. In dieser hat man versucht alle Ereignisse in der Natur rein rational zu erklären. Unsicherheiten wurden aus der Wahrnehmung gestrichen. Diese Methode hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, allerdings nur für nichtlebende und nichtkomplexe Vorgänge. Ihren Höhepunkt hatte diese Epoche wohl mit dem Irrglauben des französischen Mathematikers Laplace, der eine Formel erfinden wollte, mit der die Welt erklärbar ist. Es wurde die Angst vor der Natur abgestreift, weil alle Vorgänge scheinbar erklärbar waren. Diese Epoche war und ist damit 2-wertig. Derzeit befinden wir uns in der 2. Phase. In dieser wird Sicherheit vorgegaukelt. Alles scheint wissenschaftlich erklärbar, oder soll es sein. Das ist aber der Grund, warum die Menschen nicht an etwas anderes denken können, als den Menschen eh schon ausmacht. Man ist fest verwurzelt in seinem Denken. Der Übergang in die dritte Epoche wird notwendig sein, um tiefgreifende Veränderungen herbeizuführen. Sie steckt allerdings noch in den rudimentären Anfängen. In dieser werden die Ursache-Wirkungsbeziehungen mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten unterlegt. Das bedeutet, es werden Subjektivitäten eingeführt und somit die Modellierung von Vorgängen lebender Organismen und komplexer Prozesse möglich gemacht. Komplexität bekommt jetzt eine besondere Bedeutung. Diese Epoche ist mehrwertig. Das bedeutet, die notwendige Logik ist standpunktabhängig und mit der derzeit bekannten Mathematik, die auf der 2-wertigen Logik beruht, nicht mehr formallogisch darstellbar. Darauf möchte ich in diesem Post nicht weiter eingehen. Information finden Sie in hier

Wir müssen also in die dritte Epoche der Menschheit eintreten. Leicht gesagt. Kann man das direktiv anordnen und steuernd durchführen? Eben nicht. Dabei verfängt man sich dann ja wieder in den Stricken der Mechanisierung und Linearisierung der Menschen, was die zweite Epoche ausmacht. Ich möchte einige Gedanken formulieren, die vielleicht dazu beitragen können, das Tor zur dritten Epoche aufzustoßen. Ich möchte mich dabei auf die Bildung fokussieren.

Wie schaffen wir die oben angesprochenen Voraussetzungen?

Kinder sind noch nicht den Denkparadigmen unseres Systems aufgesessen. Sie sind noch frei in ihren Gedanken und stellen deshalb auch oft Fragen, die unsere Paradigmen ankratzen. Diese Fragen tun wir dann mit Antworten wie “Das ist eben so.” oder “Das wirst Du noch lernen.” ab. Und genau das tun Sie dann ab der Schule. Leider. Sie werden wie die Erwachsenen. Ihnen werden Paradigmen einfiltriert, die es ihnen dann später nicht mehr erlauben, Grundsatzfragen zu stellen. Schade eigentlich, denn genau darin liegt unsere Chance, die immer wieder in der Presse heiß diskutierten Probleme wie Finanzkrise oder Umweltproblematik zu durchdringen und zu bewältigen. Also müssen wir genau da ansetzen, wo Kinder auf die Paradigmen unseres Systems trivialisiert werden, in den Bildungseinrichtungen.

Kinder machen bis zum 6. Lebensjahr den wohl größten Wissenssprung ihres Lebens. Sie lernen Gehen, Reden etc. Und das ohne benotet zu werden. Kinder lernen in den Kitas vom 3. bis zum 6. Lebensjahr gruppenübergreifend und das sehr erfolgreich. Sie haben Lust und Spass am Lernen. Sie kooperieren gerne und mit großer Inbrunst. Welchem Irrsinn sind wir aufgesessen, Kinder in den Schulen benoten zu wollen und damit den Wettbewerb zu fördern? Haben wir uns mal gefragt, was passieren würde, wenn unsere Leber mit unserem Darm in Konkurrenz treten würde?

Das menschliche Wissen wird stetig mehr, was dazu führt, das dass bekannte Nichtwissen ebenfalls wächst. Wir allerdings reden davon, die Bildungszeit zu verkürzen. Sie muss verlängert werden. Werden aber die Kinder in den Bildungseinrichtungen weiterhin auf unser krankes System konditioniert, dann sollte sie eher verkürzt werden, was ich bereits in meinem Post Wir lernen bereits in der Pubertät mit dem Wandel falsch umzugehen ausgeführt habe. Die Industrialisierung unserer Gesellschaft hat einen vollen Einfluss auf unsere Bildung. Logisch, die Kinder müssen ja genau dafür herangezogen werden. Alles wird geteilt und separiert. Es werden Fachidioten und keine Generalisten ausgebildet. Alles muss messbar sein. Qualitäten spielen keine Rolle, da sie nicht messbar sind. Wir müssen weg kommen von den Leistungsprinzipien in der Bildung. Energie, Geschwindigkeit, Wachstum müssen ersetzt werden durch Flexibilität, Kooperation und Nachhaltigkeit. Emotion und Kognition oder auch Intuition und Rationalität müssen in der Bildung fusionieren, in dem die wissenschaftlichen und die kulturellen Fächer kooperieren und nicht wettstreiten. In den Schulen muss der Bezug zur Praxis gefördert werden. Jedes Kind muss selber erleben dürfen, damit Emotionen ermöglicht werden. Kooperation muss gefördert werden, in dem Klassenstufen zusammengelegt werden und die Schüler sich gegenseitig helfen und die Lehrer als Teil der Lerngruppe gesehen werden.

Derzeit sind die Schulen und Universitäten eher Lernverhinderer als dass sie Lernhilfen sind. Wir stehen mit der zunehmenden Komplexität unserer Gesellschaft und dem Bedarf diese zu handhaben, vor einem grundsätzlichen Problem. Optimierung innerhalb des Bestehenden ist nicht möglich. Es muss ein Sprung aus dem System erfolgen, die komplett neue Rahmenrichtlinien ermöglichen (Übergang in Phase 3). Sinnlichkeit und Wahrnehmung muss wieder mehr in den Vordergrund rücken. Dazu 2 Beispiele, die belegen, dass Kinder diese Fähigkeiten noch besitzen. Mein Sohn ist 4 Jahre alt. Ich habe ihn vor ca. 2 Wochen von der Kita abgeholt. Als wir zu Hause ankamen, hat er sofort bemerkt, dass vor unserer Haustür in Blumen versteckt ein Brief für uns hinterlegt war. Ich hätte diesen nie bemerkt. Ich war mit meinen Gedanken bereits wieder bei meinen anstehenden Aktivitäten, die einer intensiven Wahrnehmung meiner Umwelt im Wege standen. Ein weiteres Beispiel ist aus einem Vorschultest in den USA entnommen. In diesem werden Kinder gefragt, in welcher Richtung ein Bus fährt, der auf einem Bild dargestellt ist. Ein sehr großer Prozentsatz der Kinder findet die richtige Antwort. Bei Erwachsenen ist dies nicht der Fall. Den Test finden Sie hier.

Was können wir zusammenfassend mitnehmen?

Überzeugen mit Worten bringt keinen Erfolg, nur Frustration. So will ich mein Reisebuch auch verstanden wissen. Ich möchte einladen mich auf dieser Reise zu begleiten und animieren Erfahrungen zu durchleben. Ein Umdenkprozess kann nur von Jedermann selbst und von innen heraus eingeleitet werden. Allerdings muss die neue Denkform an die alte anschließen, um eine Basis zu haben. Hat man diese nicht denkt man aus und nicht um. Alle derzeitigen Denkformen sind in diesem vorhandenen System entstanden. Will man das System tiefgründig ändern, und das muss man um die Probleme an der Wurzel zu packen, müssen auch die Denkformen geändert werden. Dazu benötigt man Herz, denn ohne Herz bringt man den Mut nicht auf und natürlich Kopf, um es dann auch in die Tat umzusetzen. Und zum Schluss noch, weil ich sehr oft eine Resignation erlebe, da man anscheinend sowieso nichts machen kann. Es gibt keine Naturgesetze in Gesellschaft, Ökonomie und Wirtschaft. Alle Probleme, die wir derzeit sehen, haben wir erzeugt und können sie deshalb auch abschaffen.

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Projektmanagement ohne Herz und ohne Kopf

Der hauptsächliche Grund, der allem Scheitern von Projekten zu Grunde liegt, ist aus meiner Sicht im Titel dieses Posts verankert: Projektmanagement ohne Herz und ohne Kopf. Wenn Sie wissen möchten warum, folgen Sie mir auf dieser kurzen Reise. Bevor ich jedoch auf das Herz und auf den Kopf eingehe, möchte ich ein von mir immer wieder beobachtetes Phänomen schildern: Viele Projekte werden als Festpreis- und nicht als Zeit- und Materialprojekte durchgeführt. Das möchte ich näher beleuchten.

Bei Festpreisprojekten erstellt der Dienstleister im Rahmen eines Angebotes eine Aufwandsschätzung, die er anschließend monetär belegt. Es ergibt sich damit ein Betrag, den der Kunde an den Dienstleister zahlt, wenn die Leistung seitens des Dienstleisters erbracht wurde. Bei Zeit- und Materialprojekten erstattet der Kunde dem Dienstleister den entstandenen Aufwand für die Erstellung der Leistungen. Es gibt noch weitere Unterarten und Differenzierungen, auf die ich hier aber nicht weiter eingehen möchte, denn bereits aus der Definition beider Projekte lassen sich einige Argumente gegenspiegeln, die ich sehr häufig höre

  • “Ich möchte ganz genau und heute wissen wieviel ich ausgeben muss, um diese Lösung zu bekommen.”
  • “Sie haben das doch schon häufig gemacht. Sie müssen doch wissen wie lange Sie dafür benötigen, oder?”
  • “Vielleicht bezahle ich den Dienstleister dafür, dass er nur seine Zeit absitzt.”
  • “Ich muss den Dienstleister ganz fest an die Kandare nehmen, damit er auch arbeitet.”

Startet man mit dieser Einstellung ein Projekt, erreicht man genau das Gegenteil von dem, was eigentlich gewollt ist, nämlich eine optimale Lösung bei minimalen Kosten. Ich möchte dies nun untermauern.

Der Umsatzausweis in Festpreisprojekten erfolgt nach PoC (Percentage of Completion), das bedeutet proportional zur Kostengenerierung und basierend auf dem geplanten Gewinn. Details zu PoC können Sie hier nachlesen. Ins Deutsche kann man PoC als Teilefertige Leistungen übersetzen. Ich möchte die Ausweisung des Umsatzes an einem Beispiel illustrieren.

Nehmen wir an sie haben für ein Projekt folgende Rahmendaten vorliegen. Der geplante Umsatz beträgt 2,4 Mio Euro und die geplanten Kosten 1,2 Mio Euro. Daraus ergibt sich ein geplanter Gewinn von 50%. Die Laufzeit beträgt 1 Jahr und Sie haben 4 Meilensteine definiert, an den Leistungen ihrerseits final erbracht werden sollen und an denen der Kunde dafür zahlt. Der Einfachheit halber also nach dem 3. Monat 600k Euro, nach dem 6. Monat wieder 600k Euro usw. Im Idealfall haben Sie dann nach dem 3. Monat auch genau 50% des Umsatzes an Kosten generiert, besser natürlich weniger. Aber halten wir es wie gesagt einfach. Ihre Istkosten betragen also 300k Euro, am Ende des 1. Monats also 100k Euro. Da der Kunde aber erst frühestens nach Ende des 3. Monats zahlt und das auch nur, wenn die Leistungen erbracht und abgenommen wurden, weisen Sie am Ende des 1. Monats bereits 200k Euro aus, obwohl Sie das Geld noch nicht erhalten haben. In einer idealtypischen Welt ist das auch noch alles okay. Aber finden wir idealtypische laborgerechte Umwelten vor, in denen wir die Projekte durchführen. Nein, natürlich nicht. Glauben Sie, beispielsweise dass Sie ein Projekt über eine Laufzeit von einem Jahr ganz genau durchplanen können? Oder glauben Sie, dass Sie die Anforderungen des Kunden so genau verstanden haben, dass Sie auf Anhieb die Meilensteine erreichen und diese auch noch in dem geplanten Kostenrahmen? Was passiert nämlich in diesem Fall, sprich in der “wirklichen” Welt?

Haben Sie beispielsweise im ersten Monat 300k Euro Istkosten, müssten Sie bereits 600k Umsatz ausweisen, um die Gewinnspanne von 50% zu erreichen. Liefe ab dann alles nach Plan, was eher nicht anzunehmen ist, haben Sie nach 10 Monaten, also 2 Monate vor geplantem Abschluss des Projektes, ihren ehemals geplanten Umsatz nach PoC erzielt. Sie dürften also keine Kosten mehr generieren, also nicht mehr für dieses Projekt arbeiten. Haben Sie aber auch die geplanten Leistungen erbracht und wurden diese seitens des Kunden abgenommen? Wohl eher nicht. Bereits ab Ende des 3. Monats ist offen ersichtlich, dass das Projekt in Trouble ist. Der erste Meilenstein ist erreicht. Bestenfalls ist der Meilenstein abgenommen und der Kunde zahlt. Allerdings sind die Kosten zu hoch. Es beginnen unsägliche Diskussionen. Der Projektmanager steht von 2 Seiten unter Beschuss, seitens seines Unternehmens, da der Gewinn kleiner ausfällt als geplant und seitens des Kunden, weil er diese zu hohen Kosten irgendwie beim Kunden abdecken muss. Er hat ab dann keine Zeit mehr für seine eigentlichen Aufgaben im Projekt. Die Lösung ist ab sofort aussen vor.

Eine genaue Planung und dicht beieinander liegende Meilensteine sind die Basis für ein frühzeitiges Gegensteuern bei Festpreisprojekten. Aber Planung ist hoffen, dass es klappt und wissen, dass es nicht klappt. Oder können Sie die Zukunft vorhersagen? Die folgende Graphik stellt die Thematik graphisch dar.

Spätestens ab dem 4. Monat ist die Sicherheit weg, die der Kunde eigentlich erzeugen wollte, in dem er ein Festpreisprojekt ausgeschrieben hat. Festpreise erzeugen finanziellen Wettbewerb zwischen Kunde und Dienstleister, aber nur durch eine Kooperation wird der Projekterfolg sichergestellt. Ich habe das Dilemma der Planung oben bereits angesprochen. Es wird zu sehr auf Planung vertraut, oder besser es muss auf Planung vertraut werden, damit die Regeln der finanziellen Bewertung eines Festpreisprojektes überhaupt greifen. Man sollte aber eher den Fokus auf das Ziel eines Projektes legen, also im Zeichen einer Vision agieren. Die innere Einstellung zum Erreichen dieses Ziels ist der Schlüssel. Der Projekterfolg muss eine Herzensangelegenheit eines jeden Mitarbeiters sein. Ist das Herz nicht dabei, wird es nichts. Ein detailliertes Planen von Aktivitäten stellt das Erreichen des Erfolgs nicht sicher. Zum Paradoxon der Planung können Sie einige meiner Posts besuchen.

Würde der Projektmanager bereits nach dem 1. Monat rekalkulieren, was er müsste, würde er den ehemals geplanten Gewinn herabsetzen, denn die Kosten steigen gegenüber den vorher geplanten Kosten, jedoch bleibt der geplante Umsatz konstant, da nicht davon auszugehen ist, das der Kunde diese Kosten trägt. Wir wissen aber alle, dass in der Wirtschaft Kurz- vor Langfristsicht geht. Morgen ist erst einmal nicht so wichtig. Lasst uns heute ein gutes Ergebnis ausweisen. Vielleicht passiert ja ein Wunder und wir haben im nächsten Monat weniger Kosten als geplant. Dann hat sich alles ausgeglichen und wir haben umsonst die Pferde wild gemacht. Wenn ein System auf dieser Basis aufgebaut ist, ist etwas faul. Projekte sind immer etwas Einmaliges. Das sagt sogar PMI. Für etwas Einmaliges kann die Aufwandsschätzung also nicht valide sein. Damit sind also auch die geplanten Kosten nicht valide. Auf dieser Basis werden aber Umsätze ganz offiziell ausgewiesen.

Festpreisprojekte werden vom Kunden gewünscht, weil das Vertrauen zum Dienstleister fehlt. Vertrauen ist aber die Basis. Wenn das Vertrauen nicht da ist, sollte man das Projekt mit dem entsprechenden Dienstleister erst gar nicht beginnen. Allerdings ist in der Regel ein Vertrauensvorschuss von Nöten, den der Partner bestätigen muss. Empathie von beiden Seiten ist essentiell. Jeder muss sich in den anderen hineinversetzen können. Wettbewerb ist schädlich. Kunde und Dienstleister sind ein Team.

Festpreisprojekte generieren ab einem bestimmten Zeitpunkt viel Diskussion um den Vertrag. Die Lösung bleibt außen vor. Das kommt dem Kunden und dem Dienstleister dann teuer zu stehen. Der Grund, weshalb Festpreisprojekte initiiert werden, nämlich minimale Kosten bei optimaler Lösung, wird in der Regel verfehlt, eben weil man Festpreise ausgehandelt hat. Das soll nicht heißen, dass Zeit- und Materialverträge nach Aufwand immer erfolgreich sind. Beide Vetragsarten an sich geben keine Sicherheit, das ist ein Trugschluss. Was ist aber nun notwendig, um Erfolg zu haben? Sie ahnen es wahrscheinlich: Herz und Kopf.

Sie haben in ihrem privaten Umfeld mit Sicherheit schon Projekte durchgeführt, eine Party veranstaltet oder einen Umzug durchgeführt. Haben Sie dafür einen Vertrag mit ihren Partnern benötigt? Wahrscheinlich nicht. Sie hatten aber trotzdem Erfolg, denn sie wollten das Projekt unbedingt. Es war eine Herzensangelegenheit für Sie. Sie hatten Spass dabei. Ihr Herz hat geglüht.

Wollen Menschen ein Ziel erreichen, definieren sie einen Weg dieses Ziel zu erreichen. Bei der Definition des Weges berufen Sie sich oft auf Best Practice, denn was gestern geklappt hat, muss doch heute auch funktionieren. Stellen Sie fest, dass sie das Ziel nicht erreichen, stellen sie den Weg nicht in Frage, ist ja Best Practice, sondern nur wie sie diesen gehen müssen: “Immer mehr von dem Gleichen”. Es wird also bestenfalls nur evaluiert, ob die Dinge richtig, nicht ob überhaupt die richtigen Dinge getan werden. Wir müssen viel häufiger unsere Paradigmen in Frage stellen und validieren, eben auch das Paradigma eines Festpreises für eine Lösung, die einmalig ist, die sie stets ist. Der Kopf muss glühen.

Fazit: Engagieren Sie Mitarbeiter mit Herz und Kopf. Dann erledigt sich das Verlangen nach Festpreisprojekten von ganz alleine.

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Kooperation versus Wettbewerb: Unternehmensführung im Wettbüro?

Schon sehr früh in unserer Entwicklung hören wir Sätze wie:

  • “Du musst besser werden.”
  • “Deine Klassenkameraden Willi und Marie haben eine bessere Note als Du. Warum?”
  • “Um später einen guten Beruf zu bekommen, musst Du zu den Besten in der Klasse gehören.”

Die Liste könnte man wahrscheinlich noch sehr lange fortsetzen. Dieser aufgebaute Wettbewerb führt unter anderem dazu, dass die Kinder Lernen als Krampf und Last empfinden. Der Spaß geht verloren, den sie in der Vorschulzeit noch hatten. Wettbewerb steht an erster Stelle. Fortgeführt wird diese Einstellung dann später in der Wirtschaft unter anderem in dem Profitcenterdenken. Im Rahmen von Profitcentern eines Unternehmens denken und agieren die Menschen in erster Linie nur im Interesse der jeweiligen Profitcenter. Das übergeordnete Interesse, beispielsweise im Sinne des Unternehmens, ist ausgeblendet.

Wir leben in einer Ellenbogengesellschaft. Kooperation und Teamarbeit wird zwar immer angepriesen, ist aber aufgrund der Paradigmen unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems in vielen Fällen gar nicht umsetzbar. Diese Paradigmen werden wie oben kurz angeführt bereits in der Kindheit gelegt und mit den vorhandenen Leistungsmessmethoden fundiert. Kenntnisse aus der System- und Spieltheorie lassen allerdings das Wettbewerbsparadigma in einem zwielichtigen Licht erscheinen.

Starten wir mit der Systemtheorie. Emergenz sagt aus, dass das Ganze, das aus dem Zusammenwirken der Teile eines Systems entsteht, stets mehr ist als die Summe dieser Teile. Das bedeutet auch, dass man die Wirkungen eines Systems nicht aus den Einzelwirkungen der Teile heraus erklären kann. Wir erkennen also, dass nicht jedes Teammitglied aus seiner egoistischen Sicht heraus Topleistungen bringen muss, um eine optimale Teamleistung sicherzustellen. Ganz im Gegenteil. Oft ist dies sogar aus einer übergeordneten Teamsicht schädlich.

Schwenken wir über zur Spieltheorie. Wettbewerb zieht nur bei Nullsummenspielen. Der Name Nullsummenspiel ergibt sich daher, dass in diesen Spielen die Auszahlungssumme über beide Spieler immer genau null beträgt: Man kann nur soviel gewinnen wie der Andere verliert. Prominente Beispiele sind Sportspiele oder Krieg. Die Wirtschaft zählt nicht zu diesen Beispielen. Trotz allem trifft man dort auf viele “Raubtiere”. Die Sprache im Management ist durchzogen von Kriegsvokabular, wie

  • Dem Rivalen den Ast absägen
  • Einen Kollegen unschädlich machen
  • Über Leichen gehen
  • Bei Konflikten in Deckung gehen
  • Der Konkurrenz den Kampf ansagen

Wolfgang Berger beschreibt im zweiten Kapitel (Integrität ist das einzige Tor zum Erfolg) seines Buches Business Reframing noch weitere anschauliche Beispiele.

In den Anfängen der Menschheitsgeschichte war die Evolution durch Kampf abgesichert. Aber heutzutage haben sich die Bedingungen geändert. Unsere Gesellschaft inklusive der Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel, denn Rohstoffe sind nicht unbegrenzt vorhanden und der Produktionsprozess hinterlässt Spuren, wie Umweltverschmutzung. Wettbewerb produziert in der Wirtschaft mittel- und langfristig gesehen ausschließlich Verlierer. Durch unsere immer stärker werdenden Vernetzungen ist der Besiegte Teil des Umfeldes des Siegers. Das bedeutet, der Sieger schwächt mit seinem Sieg seine Umwelt, was mittel- und langfristig auch für den Sieger negative Auswirkungen hat. Sehr häufig sind auch nicht nur unmittelbar Beteiligte des Kampfes negativ betroffen, sondern auch die Unbeteiligten (Ein politischer Konflikt zerstört den Absatzmarkt eines Unternehmens oder Streiks zerstören Ausbildungsplätze für Schulabgänger). Wie gesagt. Diese Auswirkungen erkennt man nur bei einer langfristig angelegten Analyse. Aber wer denkt in der Wirtschaft schon langfristig? Fragen Sie mal die Shareholder.

Detaillierte Informationen zur Spieltheorie findet man auf dieser Seite.

Einen sehr spannenden Film, den ich empfehlen kann ist A beautiful mind. In diesem Film wird das Leben des Mathematikers John Nash, dem Erfinder der Spieltheorie, dargestellt. Nash hat mit seiner Dissertation die Spieltheorie erfunden und über die Grenzen der Mathematik hinweg in der Praxis salonfähig gemacht. Er hat in seinen Arbeiten den logischen Fehler aufgedeckt, der Adam Smith’s Hypothese nicht immer korrekt werden lässt, dass nämlich der Egoismus des Einzelnen zum Vorteil für alle führt. Damit stellte Nash durchaus die Wirtschaftswissenschaften auf den Kopf, was heutzutage noch relativ uninteressant für viele Ökonomen und Wirtschaftswissenschaftler scheint.

Ich möchte eine Anregung geben, warum die Spieltheorie unbedingt in das Wissen um die Unternehmensführung einfließen sollte. Für die Fragestellung, ob in neue Marktsegmente oder in neue Produkte oder Projekte seitens eines Unternehmens investiert werden sollte, könnten die Mitarbeiter des Unternehmens befragt werden. Sie sitzen sehr oft viel näher an der Basis und haben Insiderwissen aufgebaut. Man institutionalisiert Wettbüros. Die Mitarbeiter wetten auf Erfolg oder Misserfolg. Diese Methode ist besser als herkömmliche Evaluierungsmethoden, in denen sehr häufig mit Zahlen hantiert wird, die relativ wenig mit den Umweltbedingungen korrelieren. Man erkennt den Bezug zur oben angesprochenen Emergenz: Das Wissen der Vielen nutzen.

Eine weitere verheerende Missinterpretation des Wettbewerbs ist die Verteilung der Leistungen der Mitarbeiter eines Teams nach der Gaußschen Normalverteilung. Ganz wenige sind sehr gut beziehungsweise sehr schlecht. Die meisten Mitarbeiter bewegen sich bzgl. ihrer Leistungen im Mittelfeld. Durch dieses Raster wird per Definition negativer Wettbewerb konstruiert. Warum sollte es nicht Teams geben, wo alle Mitarbeiter sehr gut sind? Mitarbeiter sollten stets auf Basis ihrer Leistungen zur Erreichung eines übergeordnet gestellten Zieles bewertet werden. Des Weiteren gilt die Gaußverteilung ausschließlich bei natürlichen Phänomenen. Unternehmen und Organisationen sind aber nicht natürlich, sie sind von Menschenhand geschaffen. Auch funktioniert die Gaußverteilung nur bei unabhängigen Ereignissen. Wollen wir aber etwa behaupten, dass die Leistung eines Teammitglieds komplett unabhängig von dem Agieren der anderen Teammitglieder ist? Auch hier wird wieder einmal, wie so oft, von linearen Wirkungsverhältnissen ausgegangen. Eine unzureichend in die Praxis übertragene Mathematik weckt eine scheinbare Sicherheit, trübt aber dadurch die Wachheit für die Wahrnehmung der Ereignisse.

Es ist aber nicht so, dass die Spieltheorie noch gar keinen Einzug in die Praxis gefunden hat. Dazu möchte ich gerne ein Beispiel nennen. Als ich gestern Abend das Finale der Fussball-Euroleague zwischen FC Porto und Sporting Braga geschaut habe, wurden auf die Frage wer portugiesischer Meister in diesem Jahr wurde, 2 Optionen eingeblendet, FC Porto oder SC Versandkostenfrei. Nun kann man natürlich am Verstand der Redakteure von SAT1 zweifeln, die diese Optionen anboten. Zieht man allerdings die Spieltheorie zu Rate, ist es sinnvoll, unsinnige Optionen anzubieten, denn der Preis, der für dieses Gewinnspiel ausgelobt wurde, muss irgendwie finanziert werden, nicht nur dass, Gewinn wäre auch nicht schlecht. Deshalb wird die Frage inklusive der Optionen sehr einfach gewählt, so dass sehr viele Menschen anrufen, in dem Gefühl die Antwort sicher zu kennen und mit einem bisschen Glück zu gewinnen. Man zahlt ja nur die Gebühren für den Anruf, die für eine Person noch relativ gering sind, kumuliert auf sehr viele Personen jedoch einen gehörigen Betrag ausmachen.

Falls Sie Ihr Haus verkaufen möchten, verlosen Sie es doch im Internet. Wenn Sie die Lose für 100 Euro anbieten und 10.000 Personen mitmachen, besteht eine Chance von 1:10.000 für die Teilnehmer das Haus für 100 Euro zu erwerben. Sie würden dann 1 Mio Euro einnehmen. Wenn Sie auf der anderen Seite solch ein Angebot entdecken und ob der geringen Gewinnchance zögern teilzunehmen, sollten Sie sich diese beim Lotto anschauen. Bei dem Spiel 6 aus 49 inklusive Superzahl besteht die Gewinnchance 1:139.838.160.

Weitere sehr spannende und anregende Beispiele, in denen die Spieltheorie in der Praxis angewendet wurde finden Sie hier.

Was ich sehr häufig beobachte ist, dass in Krisen- oder Gefahrensituation Menschen, die das gleiche Leid teilen, zusammenrücken und sich gegenseitig helfen. In solchen Situationen kooperieren die Menschen wie von Geisterhand gesteuert, ohne sich großartig darüber Gedanken zu machen. Zur Zeit des Jahrhunderthochwassers 2002 in Dresden haben sich die Menschen beispielsweise gegenseitig geholfen und unterstützt. Der Gegner war das Hochwasser und menschlicher Egoismus wurde intuitiv ausgeschlossen. Geteiltes Leid ist eben halbes Leid.

Bleibt schlussendlich die Frage offen, warum wir kooperieren, wenn es uns schlecht geht oder uns einer Gefahr ausgesetzt sehen und wettbewerben, wenn es uns gut geht. Ich glaube nicht, dass das Wissen über die negativen Folgen nicht bekannt ist, sondern, und hier möchte ich Wolfgang Berger aus seinem zweiten Kapitel seines oben bereits erwähnten Buches “Business Reframing” zitieren, denn besser kann man das Paradigma nicht beschreiben.

Unsere besten Köpfe werden mit den größten Auszeichnungen dazu motiviert, die kleinsten Details zu erforschen. Unsere besten Unternehmer werden mit den höchsten Gewinnen dazu motiviert, die niedrigsten Bedürfnisse zu befriedigen. Unsere besten Politiker werden mit den eindrucksvollsten Wahlergebnissen dazu motiviert, die kurzfristigsten Partikularinteressen durchzusetzen.

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Behindert unser unzureichendes Zahlenverständnis unser Problemlösen?

Eine der größten Errungenschaften der Mathematik ist sicherlich, dass Zahlen erfunden wurden, die als Basis für eine Sprache dienten, mit Hilfe derer man in der Lage war, Situationen und Thematiken so darzustellen und zu beschreiben, dass sie länder- und kulturübergeifend verständlich waren. Die mathematische Sprache hat also abstrahiert um zu vereinheitlichen. Diese Abstraktion, die ohne Frage wichtig ist, birgt allerdings auch Fallen, denen man sich bewusst sein muss, um nicht in diese zu tappen. Eine Falle besteht in dem Ignorieren von Qualitäten beim Verwenden von Zahlen im herkömmlichen Sinne. Bewusst ist mir dieser Fakt wieder geworden, als ich mit meiner Tochter, die derzeit die erste Klasse besucht, Rechnen geübt habe. Wenn wir den Kindern den Gedankengang beim Rechnen von Aufgaben wie 13+5 erklären wollen, benutzen wir häufig Objekte wie Stäbchen oder Murmeln (13 Murmeln und 5 Murmeln sind gleich 18 Murmeln). Das Wort gleich drückt aber eine Form der Qualität aus, denn es hängt davon ab von welchem Standpunkt diese Aussage getätigt wird. Diesen Fakt unterdrücken wir komplett, denn wir setzen alle Murmeln als gleich an. Durch die Einführung und Nutzung der Zahlen in der Mathematik, sind wir es also gewohnt exklusiv quantitativ zu denken.

Dieser Fakt ist aus meiner Sicht auch dafür verantwortlich, warum ganz häufig unangemessen mit komplexen Situationen in der Praxis umgegangen wird. Komplexe Situationen werden nämlich zu sehr trivialisiert, in dem Sie durch Algorithmen und den dazugehörigen Zahlen zu arg abstrahiert werden, so dass am Ende ein Modell entsteht, welches nicht mehr mit der wahrgenommenen Situation der Umwelt übereinstimmt. Damit werden dann auch alle Ergebnisse dieses Modells unbrauchbar. Um diese These zu belegen, möchte ich einen kleinen Exkurs in die Entstehung der Zahlen und ihre Kategorisierung wagen, bevor ich eine Gegenüberstellung von Zahlen mit Problemsituationen darlege. Mit dieser Gegenüberstellung möchte ich aufzeigen, warum komplexe Situationen, die uns heutzutage so viel Kopfzerbrechen bereiten, mit den herkömmlichen in allen Bildungseinrichtungen gelehrten Zahlen nicht handhabbar und dementsprechend auch nicht modellier- und lösbar sind.

Angefangen hat alles mit den natürlichen Zahlen. Kleinere Zahlen wie 1, 2, 3, … waren noch relativ einfach auszudrücken, in dem man Gegenstände dafür legte oder seine Finger benutzte. Problematischer wurde es dann bei größeren natürlichen Zahlen. Für das Ausdrücken wurden die großen natürlichen Zahlen zu Gruppen zusammengefasst, beispielsweise waren dies Zwölfer- und Sechzigereinheiten. Relikte aus dieser Zeit erkennen wir noch heute an den Zeit- und Winkelmessungen. Allerdings war das Rechnen mit diesen großen natürlichen Zahlen auch in diesen Gruppierungen schier unmöglich. Dafür wurden dann die Stellenwertsysteme erfunden. Gut bekannt ist das System zur Basis 10 (Dezimalsystem), mit welchem bereits die Kinder ab der ersten Klasse aufwachsen. Es gibt aber auch noch die Systeme zur Basis 2 (Dualsystem) und zur Basis 16 (Hexadezimalsystem). Bleiben wir kurz bei dem Dezimalsystem. Die Zahl 2145 in Dezimalschreibweise lautet 2*10^3+1*10^2+4*10^1+5*10^0. Der große Vorteil eines Stellenwertsystems ist, dass selbst die kompliziertesten Zahlenrechnungen auf das kleine Einmaleins zurückgeführt werden können, was dadurch dann selbst für die Schüler der unteren Schulklassen relativ schnell anwendbar wird. Wie wir allerdings wissen, sind nicht alle praktischen Probleme mithilfe natürlicher Zahlen beschreib- und lösbar. Die natürlichen Zahlen müssen also erweitert werden, in erster Instanz durch negative Zahlen, um beispielsweise die Gleichung 8+x=1 zu lösen. Es brauchte allerdings relativ lange, bis negative Zahlen Anerkennung fanden. Im 17. Jahrhundert waren sie teilweise noch verpöhnt. Diese Anerkennung wurde allerdings durch die fortschreitende Anwendung der Mathematik in der Finanzwirtschaft (Schulden) forciert. Die natürlichen zusammen mit den negativen Zahlen machen die ganzen Zahlen aus. Wann immer man Gleichungen der Art a+x=b zu lösen hat, in denen a und b exklusiv ganze Zahlen sind, muss man den Raum der ganzen Zahlen nicht verlassen. Anders sieht es bei den Punktoperationen aus. Nicht alle Gleichungen der Art a*x=b sind ausschließlich im Raum der ganzen Zahlen darstellbar, auch wenn a und b ganze Zahlen sind. Beispiele finden Sie sicherlich recht schnell. So kommen wir also zur nächsten Zahlenklasse, den rationalen Zahlen, die man auch als Brüche darstellen kann. Wenn wir ein bisschen mit den zu lösenden Gleichungen herumspielen, erkennen wir sehr schnell, dass auch die Brüche nicht ausreichen, um alle Gleichungen nur bis einschließlich den rationalen Zahlen darzustellen. Die Gleichung x*x=2 ist beispielsweise im Raum der rationalen Zahlen nicht lösbar. So gelangen wir zu den irrationalen Zahlen. Rationale und irrationale Zahlen spannen zusammen den Raum der reellen Zahlen auf.

Halten wir kurz inne und verbleiben bei den reellen Zahlen. Die derzeit angeführten Zahlenklassen werden in dieser Reihenfolge wie ich sie kurz eingeführt habe, auch in den Schulen den Kindern beigebracht. Das hat einen guten Grund, nämlich der Schwierigkeitsgrad. Natürliche Zahlen sind einfacher als ganze Zahlen, diese sind einfacher als rationale und diese wiederum einfacher als irrationale. Bei den irrationalen Zahlen unterscheidet man aber ebenfalls noch nach dem Schwierigkeitsgrad. Es gibt also einfache und schwierige irrationale Zahlen. Um den Schwierigkeitsgrad von Zahlen zu evaluieren, kann man ein kleines Rechenspiel durchführen: Spieler 1 nennt seinem Gegenspieler 2 eine Zahl x. Der Gegenspieler 2 muss aus dem x und unter Verwendung natürlicher Zahlen und der Operationen +, – und * eine Null erzeugen. Eine Zahl x heißt algebraisch, wenn dem Spieler 2 dies gelingt und transzendent, wenn dies nicht gelingt. Die Wurzel aus 3 ist irrational und algebraisch, denn x*x-3=0. Für die Kreiszahl Pi, die ebenfalls irrational ist, lässt sich dieses Spiel beispielsweise nicht gewinnen. Deshalb ist Pi transzendent und schwieriger als die Wurzel aus 3.

Reichen nun die reellen Zahlen aus, um alle praktischen Probleme zu lösen? Noch aus der Schulzeit wissend kennen wir die Antwort. Nein. Mit den reellen Zahlen kann man beispielsweise die Gleichung x*x=-1 nicht darstellen. Wir kommen also zu den komplexen Zahlen. Komplexe Zahlen entstehen, wenn man zu den reellen Zahlen die Wurzel aus -1 zufügt. Schaut man sich aber die reellen Zahlen auf einer Linie aufgespannt an, dann erkennt man keine Lücke. Zwischen zwei beliebigen reellen Zahlen existieren wieder reelle Zahlen. Die komplexen Zahlen haben also auf dieser Linie keinen Platz mehr. Carl Friedrich Gauß war Anfang des 19. Jahrhunderts der erste, der die Frage formulierte, warum denn alle Zahlen auf einer Linie aufgereiht sein müssen. In einem zweidimensionalen Koordinatensystem bedeutet dies, dass die x-Achse alle reellen Zahlen darstellt und durch Zunahme der y-Achse, die den imaginären Bereich darstellt, die komplexen Zahlen gebildet werden. Auf der y-Achse wird also der eingebildete Teil dargestellt, mit i als Imaginärteil. Wird hier vielleicht die Integration zwischen Geist und Materie dargestellt? Ich habe dazu nichts in der Literatur gefunden, kann es mir aber gut vorstellen.

Bevor ich den Zusammenhang zwischen komplexen Zahlen und komplexen Sachverhalten aus meiner Sicht noch weiter ausführe, möchte ich ganz kurz auf Komplexität eingehen. Die Einteilung von Systemen nach ihren Charakteristika und den abgeleiteten Handlungsmotiven erkennen Sie in der folgenden Graphik.

Dave Snowden, von dem dieses so genannte Cynefin-Modell stammt, hat eine wie ich finde sehr geniale Einteilung der Systeme abgeleitet, die es uns erlaubt, verschiedene Typen von Systemen zu unterscheiden und dafür passende Entscheidungen für das Agieren in ihnen zu treffen. Details und weiteren Ausführungen finden Sie hier.

Komplexe Zahlen spannen also eine zweidimensionale Ebene auf. Die Menschen geben ihre Wahrnehmungen von der Umwelt ebenfalls zweidimensional wieder, in dem Sie Bilder malen. Erst mit den komplexen Zahlen ist es also überhaupt möglich, Begriffe mit Zahlen auszudrücken. Allein schon bei der begrifflichen Übereinstimmung von komplexen Zahlen und komplexen Problemen erkennt man die Überzeugung, denen die Menschen immer noch aufgesessen sind, das man mit Zahlen, die auf die klassische Aristotelische Logik fußen, komplexe Probleme handhaben kann, in dem man auf diese direkt einwirken, sie direkt steuern und managen kann. Das ist aber nicht der Fall, was wir wohl alle ganz deutlich an der Weltwirtschaftskrise gespürt haben. Denn was passiert auch bei den komplexen Zahlen nicht? Diese Zahlen bilden nur Quantitäten ab, keine Qualitäten. Subjektivitäten der einzelnen Beobachter und Beurteiler eines komplexen Sachverhalts können über komplexe Zahlen nicht abgebildet werden. Um dieses zu tun, muss man sich auf Gotthard Guenther berufen, der die qualitativen Zahlen erfunden hat inlusive der dazugehörigen Polykontexturalen Logik. Bemühen wir noch einmal die Metapher des Malen eines Bildes, um ein Problem zu beschreiben. Mehrere Beobachter einer Situation malen in der Regel verschiedene Bilder. Diese verschiedenen Bilder müssen aber eben auch in Zahlen darstellbar sein. Die komplexen Zahlen können das nicht. Das ist auch der Grund, warum in den Naturwissenschaften Subjektivitäten komplett ausgeschlossen sind. Oder haben Sie schon einmal von einem Experiment in der Physik oder Chemie gehört, in welchem die Subjektivtät des Experimentators Einklang gefunden hat? Es geht stets um objektive Erkenntnis von Subjekten.

Es werden in allen Bildungseinrichtungen die Zahlen immer nur bis zu den komplexen behandelt. Das gekoppelt mit dem Anspruch, alle Sachverhalte der Natur und Gesellschaft mechanistisch beherrschen zu wollen, lässt den Irrglauben der Menschen sich etablieren, dass die komplexen Zahlen ausreichend sind, um komplexe Sachverhalte zu beschreiben. Wir stehen also noch vor der gleichen Fragestellung vor der Plato seiner Zeit stand. Er war als Erster der Meinung, dass man Gegenstände und Objekte in Zahlen ausdrücken können müsste. Er kannte aber damals die komplexen Zahlen noch nicht und scheiterte daran. Das war der Grund, weshalb die komplexen Zahlen erfunden wurden. Wir sind aber trotzdem noch nicht viel weiter als Plato damals. Denn, die Zahlen, die eine subjektive Beschreibung komplexer Sachverhalte erlauben würden, nämlich die qualitativen Zahlen, werden von dem Maintream der Wissenschaften totgeschwiegen und Gotthard Guenthers Arbeiten als Scharlatanerie abgetan. Eine sehr gute Einführung zu den qualitativen Zahlen finden Sie in der Geschichte Morgen und Morgen von Claus Baldus.

Fazit: Die im Titel gestellte Frage ist aus meiner Sicht mit ja zu beantworten, obwohl ich betonen möchte, dass zwischen Zahlenverständnis und Problemhandhabung keine eineindeutige Beziehung besteht, was bedeutet, dass auch wenn wir die qualitativen Zahlen in unsere Mathematik einfließen lassen, so wie Gotthard Guenther es propagiert, es noch keine Garantie für das Handhaben von komplexen und chaotischen Problemen gibt. Es ist lediglich die Basis dafür.

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Sintflutalgorithmus: Stetes Wachstum funktioniert nicht

Gleich zu Beginn möchte ich Wachstum noch ein wenig spezifischer betrachten. Ich möchte nämlich zwischen quantitativem und qualitativem Wachstum unterscheiden. Sehr häufig wird in der Praxis Wachstum exklusiv mit quantitativem Wachstum gleich gesetzt. Da geht es dann beispielsweise in der Wirtschaft, um jährliche Steigerung des Gewinns oder jährliche Erhöhung der Verkaufszahlen eines Produktes. Das quantitative Wachstum zielt dabei eher auf die weichen, jedoch nicht minder wichtigen Faktoren ab. Es geht um Weiterentwicklung und um Fortschritt. Beispiele wären die Modernisierung von Taktstraßen in Fertigungsbetrieben, die Weiterentwicklung von Produkten oder auch der Wissensaufbau der Mitarbeiter durch Schulungsmassnahmen. Das qualitative Wachstum stellt die Basis für quantitatives Wachstum dar. Man kann also qualitativ wachsen, auch wenn man nicht quantitativ wächst, muss es sogar manchmal. Ein stetes qualitatives Wachstum muss man anstreben und das ist auch umsetzbar. Details zu den Wachstumsarten finden Sie auch in meinem Artikel Kybernetisches Changemanagement.

Im Titel spreche ich also genauer über das quantitative Wachstum. Stetes quantitatives Wachstum funktioniert nicht. Man erreicht sogar noch mehr das glatte Gegenteil, wenn man danach strebt. Erläutern möchte ich diese Aussage mithilfe des Sintflutalgorithmus.

Der Sintflutalgorithmus ist ein mathematisches Verfahren zur Optimierung, welches von Gunter Dueck und Tobias Scheuer im Jahre 1993 bei der IBM Deutschland erfunden wurde. Der Algorithmus basiert auf dem Paradigma, dass man sich lokal häufig verschlechtern muss, um die Grundlage für eine globale Verbesserung zu schaffen. Wie kann man diese These verdeutlichen? Stellen Sie sich vor, sie sind in den Alpen und möchten den höchsten Berg erklimmen.

Gehen Sie nach den vielen Optimierungsverfahren vor, die die Mathematik so kennt, verfahren Sie nach der folgenden Regel: Immer höher steigen. Sie bilden die erste Ableitung der zu optimierenden Funktion. In diesem Fall stellt die Oberfläche des Gebirges die Funktion dar. Dann gehen Sie in die Richtung, in der die erste Ableitung größer ist als Null. Dadurch lassen Sie ihren Blick automatisch nur in der unmittelbaren Umgebung schweifen. Das verlangen die Verfahren ja auch nur. Sie erreichen also stets einen Berg, wo es nach einiger Zeit nicht mehr steiler nach oben geht. Die erste Ableitung ist Null. Sie stoppen, denn laut der Regel, die Sie befolgen, sind Sie am Ziel. Wie Sie im obigen Bild aber auch erkennen können, haben Sie lediglich ein lokales Optimum, in diesem Beispiel aufgrund der Zielsetzung ein lokales Maximum, erreicht. Dieses lokale Maximum ist aber nicht das globale Maximum, was ein Verfehlen des Ziels bedeutet. Würden Sie den höchsten Berg nach der Regel des Sintflutalgorithmus suchen, hätten Sie auch die Möglichkeit, bergab zu gehen. Sie lassen das Gebirge von unten mit Wasser fluten, daher auch der Name des Algorithmus. Sie verfolgen nun die Regel: Ich darf keine nassen Füsse bekommen. Der Wasserspiegel steigt dabei von Schritt zu Schritt, den Sie tätigen. Diese Regel verbietet ihnen also nicht, ihren Blick weiter als nur in der unmittelbaren Umgebung schweifen zu lassen. Sie agieren globaler. Weitere ausführende Informationen zu dem Verfahren inklusive praktischer Einsatzgebiete und Simulationen finden Sie hier.

Wollen wir dieses Beispiel auf die Wirtschaft übertragen. Die meisten Unternehmen geben Jahr für Jahr eine Gewinnmaximierung als Ziel aus. Wir erkennen, dass damit eine Regel ausgegeben wird, die zu einem lokalen Optimum führt. Warum? Es wird sich exklusiv auf das quantitative Wachstum konzentriert: Immer nur bergauf. Ausbildungsmassnahmen der Mitarbeiter beispielsweise stehen dem quantitativen Wachstumsvorhaben konträr gegenüber. Das ist eine zu kurzfristige Sicht, denn wenn die Unternehmen ihre Qualität nicht stetig erhöhen, werden sie mittelfristig auch nicht quantitativ wachsen können. Die Mitarbeiter haben dann einfach kein ausreichendes Wissen mehr. Misserfolg muss also einkalkuliert, ja sogar gefordert werden. Es gibt auch positive Beispiele in der Wirtschaft, die beispielsweise jährlich, den größten begangenen Fehler, begangen von Mitarbeitern, prämieren. Die Mitarbeiter werden so zur Kreativität animiert. Wie gesagt, man muss auch mal bergab gehen wollen, um höher zu kommen.

Auf der anderen Seite stelle ich mir sehr häufig die Frage, warum wir im privaten Umfeld, anders als in der Wirtschaft, öfter unseren gesunden Menschenverstand einsetzen und beispielsweise nach dem Sintflutalgorithmus agieren. Angenommen, Sie sind mit ihrer Familie im Urlaub in den Alpen und machen eine Wanderung. Würden Sie bei dem kleinsten Hügel, von dem es nicht mehr unmittelbar bergauf geht, stoppen mit der Begründung, sie hätten die höchsten Berg der Alpen erklommen? Nehmen wir ein weiteres Beispiel aus dem Sport. Als der schwedische Skispringer Jan Bokloev Ende der 80-er Jahre den V-Stil erfunden hat und mit diesem größere Weiten erzielt hat als die Skispringer mit dem herkömmlichen Parallelstil, haben nach einer gewissen Zeit die damaligen Weltklassespringer, wie Jens Weißflog oder Matti Nykänen, ebenfalls auf den V-Stil umgestellt. Sie wussten natürlich, dass sie einige Zeit benötigen, um wieder ganz vorne mitzuspringen, wenn überhaupt. Aber sie taten es trotzdem, denn sie wussten Sie müssen qualitativ wachsen, um die Basis für quantitatives Wachstum zu legen.

Fazit: Weg mit dem Kurzfristdenken und -agieren, welches stetes quantitatives Wachstum propagiert, was allerdings nie erreichbar ist. Her mit dem gesunden Menschenverstand, den wir im privaten Umfeld häufig mit Erfolg einsetzen.

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