Projektmanagement ohne Herz und ohne Kopf

Der hauptsächliche Grund, der allem Scheitern von Projekten zu Grunde liegt, ist aus meiner Sicht im Titel dieses Posts verankert: Projektmanagement ohne Herz und ohne Kopf. Wenn Sie wissen möchten warum, folgen Sie mir auf dieser kurzen Reise. Bevor ich jedoch auf das Herz und auf den Kopf eingehe, möchte ich ein von mir immer wieder beobachtetes Phänomen schildern: Viele Projekte werden als Festpreis- und nicht als Zeit- und Materialprojekte durchgeführt. Das möchte ich näher beleuchten.

Bei Festpreisprojekten erstellt der Dienstleister im Rahmen eines Angebotes eine Aufwandsschätzung, die er anschließend monetär belegt. Es ergibt sich damit ein Betrag, den der Kunde an den Dienstleister zahlt, wenn die Leistung seitens des Dienstleisters erbracht wurde. Bei Zeit- und Materialprojekten erstattet der Kunde dem Dienstleister den entstandenen Aufwand für die Erstellung der Leistungen. Es gibt noch weitere Unterarten und Differenzierungen, auf die ich hier aber nicht weiter eingehen möchte, denn bereits aus der Definition beider Projekte lassen sich einige Argumente gegenspiegeln, die ich sehr häufig höre

  • “Ich möchte ganz genau und heute wissen wieviel ich ausgeben muss, um diese Lösung zu bekommen.”
  • “Sie haben das doch schon häufig gemacht. Sie müssen doch wissen wie lange Sie dafür benötigen, oder?”
  • “Vielleicht bezahle ich den Dienstleister dafür, dass er nur seine Zeit absitzt.”
  • “Ich muss den Dienstleister ganz fest an die Kandare nehmen, damit er auch arbeitet.”

Startet man mit dieser Einstellung ein Projekt, erreicht man genau das Gegenteil von dem, was eigentlich gewollt ist, nämlich eine optimale Lösung bei minimalen Kosten. Ich möchte dies nun untermauern.

Der Umsatzausweis in Festpreisprojekten erfolgt nach PoC (Percentage of Completion), das bedeutet proportional zur Kostengenerierung und basierend auf dem geplanten Gewinn. Details zu PoC können Sie hier nachlesen. Ins Deutsche kann man PoC als Teilefertige Leistungen übersetzen. Ich möchte die Ausweisung des Umsatzes an einem Beispiel illustrieren.

Nehmen wir an sie haben für ein Projekt folgende Rahmendaten vorliegen. Der geplante Umsatz beträgt 2,4 Mio Euro und die geplanten Kosten 1,2 Mio Euro. Daraus ergibt sich ein geplanter Gewinn von 50%. Die Laufzeit beträgt 1 Jahr und Sie haben 4 Meilensteine definiert, an den Leistungen ihrerseits final erbracht werden sollen und an denen der Kunde dafür zahlt. Der Einfachheit halber also nach dem 3. Monat 600k Euro, nach dem 6. Monat wieder 600k Euro usw. Im Idealfall haben Sie dann nach dem 3. Monat auch genau 50% des Umsatzes an Kosten generiert, besser natürlich weniger. Aber halten wir es wie gesagt einfach. Ihre Istkosten betragen also 300k Euro, am Ende des 1. Monats also 100k Euro. Da der Kunde aber erst frühestens nach Ende des 3. Monats zahlt und das auch nur, wenn die Leistungen erbracht und abgenommen wurden, weisen Sie am Ende des 1. Monats bereits 200k Euro aus, obwohl Sie das Geld noch nicht erhalten haben. In einer idealtypischen Welt ist das auch noch alles okay. Aber finden wir idealtypische laborgerechte Umwelten vor, in denen wir die Projekte durchführen. Nein, natürlich nicht. Glauben Sie, beispielsweise dass Sie ein Projekt über eine Laufzeit von einem Jahr ganz genau durchplanen können? Oder glauben Sie, dass Sie die Anforderungen des Kunden so genau verstanden haben, dass Sie auf Anhieb die Meilensteine erreichen und diese auch noch in dem geplanten Kostenrahmen? Was passiert nämlich in diesem Fall, sprich in der “wirklichen” Welt?

Haben Sie beispielsweise im ersten Monat 300k Euro Istkosten, müssten Sie bereits 600k Umsatz ausweisen, um die Gewinnspanne von 50% zu erreichen. Liefe ab dann alles nach Plan, was eher nicht anzunehmen ist, haben Sie nach 10 Monaten, also 2 Monate vor geplantem Abschluss des Projektes, ihren ehemals geplanten Umsatz nach PoC erzielt. Sie dürften also keine Kosten mehr generieren, also nicht mehr für dieses Projekt arbeiten. Haben Sie aber auch die geplanten Leistungen erbracht und wurden diese seitens des Kunden abgenommen? Wohl eher nicht. Bereits ab Ende des 3. Monats ist offen ersichtlich, dass das Projekt in Trouble ist. Der erste Meilenstein ist erreicht. Bestenfalls ist der Meilenstein abgenommen und der Kunde zahlt. Allerdings sind die Kosten zu hoch. Es beginnen unsägliche Diskussionen. Der Projektmanager steht von 2 Seiten unter Beschuss, seitens seines Unternehmens, da der Gewinn kleiner ausfällt als geplant und seitens des Kunden, weil er diese zu hohen Kosten irgendwie beim Kunden abdecken muss. Er hat ab dann keine Zeit mehr für seine eigentlichen Aufgaben im Projekt. Die Lösung ist ab sofort aussen vor.

Eine genaue Planung und dicht beieinander liegende Meilensteine sind die Basis für ein frühzeitiges Gegensteuern bei Festpreisprojekten. Aber Planung ist hoffen, dass es klappt und wissen, dass es nicht klappt. Oder können Sie die Zukunft vorhersagen? Die folgende Graphik stellt die Thematik graphisch dar.

Spätestens ab dem 4. Monat ist die Sicherheit weg, die der Kunde eigentlich erzeugen wollte, in dem er ein Festpreisprojekt ausgeschrieben hat. Festpreise erzeugen finanziellen Wettbewerb zwischen Kunde und Dienstleister, aber nur durch eine Kooperation wird der Projekterfolg sichergestellt. Ich habe das Dilemma der Planung oben bereits angesprochen. Es wird zu sehr auf Planung vertraut, oder besser es muss auf Planung vertraut werden, damit die Regeln der finanziellen Bewertung eines Festpreisprojektes überhaupt greifen. Man sollte aber eher den Fokus auf das Ziel eines Projektes legen, also im Zeichen einer Vision agieren. Die innere Einstellung zum Erreichen dieses Ziels ist der Schlüssel. Der Projekterfolg muss eine Herzensangelegenheit eines jeden Mitarbeiters sein. Ist das Herz nicht dabei, wird es nichts. Ein detailliertes Planen von Aktivitäten stellt das Erreichen des Erfolgs nicht sicher. Zum Paradoxon der Planung können Sie einige meiner Posts besuchen.

Würde der Projektmanager bereits nach dem 1. Monat rekalkulieren, was er müsste, würde er den ehemals geplanten Gewinn herabsetzen, denn die Kosten steigen gegenüber den vorher geplanten Kosten, jedoch bleibt der geplante Umsatz konstant, da nicht davon auszugehen ist, das der Kunde diese Kosten trägt. Wir wissen aber alle, dass in der Wirtschaft Kurz- vor Langfristsicht geht. Morgen ist erst einmal nicht so wichtig. Lasst uns heute ein gutes Ergebnis ausweisen. Vielleicht passiert ja ein Wunder und wir haben im nächsten Monat weniger Kosten als geplant. Dann hat sich alles ausgeglichen und wir haben umsonst die Pferde wild gemacht. Wenn ein System auf dieser Basis aufgebaut ist, ist etwas faul. Projekte sind immer etwas Einmaliges. Das sagt sogar PMI. Für etwas Einmaliges kann die Aufwandsschätzung also nicht valide sein. Damit sind also auch die geplanten Kosten nicht valide. Auf dieser Basis werden aber Umsätze ganz offiziell ausgewiesen.

Festpreisprojekte werden vom Kunden gewünscht, weil das Vertrauen zum Dienstleister fehlt. Vertrauen ist aber die Basis. Wenn das Vertrauen nicht da ist, sollte man das Projekt mit dem entsprechenden Dienstleister erst gar nicht beginnen. Allerdings ist in der Regel ein Vertrauensvorschuss von Nöten, den der Partner bestätigen muss. Empathie von beiden Seiten ist essentiell. Jeder muss sich in den anderen hineinversetzen können. Wettbewerb ist schädlich. Kunde und Dienstleister sind ein Team.

Festpreisprojekte generieren ab einem bestimmten Zeitpunkt viel Diskussion um den Vertrag. Die Lösung bleibt außen vor. Das kommt dem Kunden und dem Dienstleister dann teuer zu stehen. Der Grund, weshalb Festpreisprojekte initiiert werden, nämlich minimale Kosten bei optimaler Lösung, wird in der Regel verfehlt, eben weil man Festpreise ausgehandelt hat. Das soll nicht heißen, dass Zeit- und Materialverträge nach Aufwand immer erfolgreich sind. Beide Vetragsarten an sich geben keine Sicherheit, das ist ein Trugschluss. Was ist aber nun notwendig, um Erfolg zu haben? Sie ahnen es wahrscheinlich: Herz und Kopf.

Sie haben in ihrem privaten Umfeld mit Sicherheit schon Projekte durchgeführt, eine Party veranstaltet oder einen Umzug durchgeführt. Haben Sie dafür einen Vertrag mit ihren Partnern benötigt? Wahrscheinlich nicht. Sie hatten aber trotzdem Erfolg, denn sie wollten das Projekt unbedingt. Es war eine Herzensangelegenheit für Sie. Sie hatten Spass dabei. Ihr Herz hat geglüht.

Wollen Menschen ein Ziel erreichen, definieren sie einen Weg dieses Ziel zu erreichen. Bei der Definition des Weges berufen Sie sich oft auf Best Practice, denn was gestern geklappt hat, muss doch heute auch funktionieren. Stellen Sie fest, dass sie das Ziel nicht erreichen, stellen sie den Weg nicht in Frage, ist ja Best Practice, sondern nur wie sie diesen gehen müssen: “Immer mehr von dem Gleichen”. Es wird also bestenfalls nur evaluiert, ob die Dinge richtig, nicht ob überhaupt die richtigen Dinge getan werden. Wir müssen viel häufiger unsere Paradigmen in Frage stellen und validieren, eben auch das Paradigma eines Festpreises für eine Lösung, die einmalig ist, die sie stets ist. Der Kopf muss glühen.

Fazit: Engagieren Sie Mitarbeiter mit Herz und Kopf. Dann erledigt sich das Verlangen nach Festpreisprojekten von ganz alleine.

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2 Responses to Projektmanagement ohne Herz und ohne Kopf

  1. Ferdi says:

    Toll, das ist endlich mal ein gut geschriebener Artikel, besten Dank. Muss man sich nochmal in Ruhe durchlesen. Generell finde ich den Blog leicht zu verstehen und bequem zu lesen.

  2. Pingback: Change Management bedeutet eine Umgebung der Begeisterung erzeugen | Initiative Wirtschaftsdemokratie

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