Dialog zum Thema Freiheit, Gerechtigkeit und Fairness

Ein sehr aktiver Wegbegleiter meiner Reise des Verstehens, Sascha Meyer, hat mich vor geraumer Zeit zu einer Diskussion zum Thema Freiheit, Gerechtigkeit und Fairness eingeladen. Nachfolgend möchte ich Ihnen diesen anreichen.

S. Meyer

Hallo Herr Dethloff,

hatten Sie schon Zeit, den Video-Podcast sich anzusehen?

Mich würde sehr interessieren, wie Sie zu dem von Herrn Christian Lindner definierten Freiheits- und Gerechtigkeitsbegriff stehen? Um es vorweg zu nehmen: Für mich ist die Vertragsfreiheit (also die rechtliche Freiheit) nicht gleichzusetzen mit dem gesamten Freiheitsbegriff. Freiheit umfasst immer auch die moralische, soziale sowie die Wirklichkeit umfassende Komponente.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Freundliche Grüße,
Sascha Meyer

C. Dethloff

Hallo Herr Meyer,

ich habe mir das Video angeschaut. Es birgt auf jeden Fall Futter für reichlich Gesprächsstoff. Für eine Diskussion über Gerechtigkeit, Fairness und Freiheit ist es unerlässlich die Begriffe zu definieren und gegebenenfalls zu säubern. Im ersten Moment finde ich die Unterscheidung, die Christian Lindner trifft, passend.

Fair sein bedeutet, dass man sich an vorher ausgemachte Spielregeln hält. Sehr oft treffen wir den Begriff im Sport an. Im 100-Metersprint der Männer beispielsweise müssen alle Läufer 100 Meter laufen und nach einem Startschuss starten. Würde ein Sprinter 10 Meter vor der Startlinie starten dürfen oder würde ein Sprinter gedopt sein und dadurch künstlich seine Leistungsfähigkeit erhöhen, wäre das in meinen Augen nicht fair und man müsste einschreiten. Allerdings würde man Usain Bolt kurz vor dem Ziel nicht anhalten langsamer zu laufen, damit die anderen Sprinter ihn einholen. Das würde nicht unter Fairness fallen. Auch unter Einhaltung von Spielregeln und damit Fairness können also Ungleichheiten entstehen. Sport würde ja sonst keinen Sinn machen.

Wenn fair sein bedeutet sich an Spielregeln zu halten, was bedeutet dann Gerechtigkeit? Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Gesagten zustimmen kann, dass Gerechtigkeit etwas Absolutes in sich birgt und Fairness etwas Relatives. Das Relative bei Fairness wären die Spielregeln, die von Menschenhand und –kopf erschaffen wurden. Was heißt hier in diesem Zusammenhang absolut? Ist Gerechtigkeit an etwas ausgerichtet, dass nicht von Menschen erschaffen wurde? Das finde ich schwierig zu akzeptieren. Benötigen wir überhaupt diese Unterscheidung zwischen Gerechtigkeit und Fairness?

Übersetzt man beispielsweise das deutsche Wort “Gerechtigkeit” ins Englische erhält man unter anderem das Wort “Fairness”. Allerdings ist das Wort “Fairness” auch eingedeutscht worden. Hat das deutsche Wort “Fairness” eine andere Bedeutung als das englische Wort “Fairness”?

Bzgl. der Definition und Abgrenzung von Gerechtigkeit und Fairness interessiert mich Ihre Meinung. Wir benötigen aus meiner Sicht eine gemeinsame Basis für eine nachlaufende Diskussion. Anschließend können wir dann in den Dialog bzgl. Freiheit, Vertrag und Leistung gehen. Was meinen Sie?

S. Meyer

Sehr geehrter Herr Dethloff,

ich bin begeistert über Ihre Abgrenzung der Begriff Fairness und Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist für mich auch kein absoluter Begriff wie Freiheit. Sie stehen immer in Kontexten von gesellschaftlichen Bedingungen.

Ihr Beispiel mit dem 100m-Lauf finde ich wunderbar. Ich würde sogar noch schärfer formulieren, dass am Beispiel der Bildungspolitik in Deutschland (Stichwort PISA-Studien) erkennbar ist, dass bei drei Läufern an einem 100m-Lauf einer die Augen verbunden bekommt, einer die Beine und der dritte darf frei laufen. Wie könnte man anders erklären, dass bei gleichen Leistungen am Ende der 4. Grundschulklasse Kinder aus bildungsfernem Elternhaus überproportional eine Real- oder Hauptschulempfehlung erhalten, während Kinder aus Akademikerfamilien eine Empfehlung zum Gymnasium erhalten.

Nicht, dass ich die Haupt- und Realschulen abwerten möchten. Aber es ist doch de facto so, dass heutzutage selbst für Ausbildungen der dualen Berufsausbildung, in denen vor 10-20 Jahren noch die Realschule als Auswahlkriterium ausgereicht hatte, heutzutage eine allgemeine Hochschulreife Pflicht ist. Dabei entscheidet bei den dualen Berufsausbildungen der Markt. Und je stärker die Marktmacht der Ausbildungsnachfrager (Arbeitgeber), um so mehr wird sich die Orientierung an höheren Schulabschlüssen erfolgen. Dadurch werden die Real- und Hauptschulen abgewertet.

Es kommt dazu, dass Schüler, die einen Haupt- oder Realschulabschluss abgeschlossen haben, häufig aufgrund erfolgloser Bewerbungen auf dem Arbeitsmarkt gezwungen sind, weiter im Bildungsbetrieb über andere zweite Bildungswege einen Abschluss mit einer offiziell ähnlichen Qualifizierung einer allgemeinen Hochschulreife zu erhalten. Weitere Optionen sind das Berufsvorbereitungs- und Berufsgrundbildungsjahr. Diese Qualifizierungsmaßnahmen führen aber häufig in die “Bildungssackgasse”. Sie führen leider zu häufig nicht in eine Beschäftigung, sondern lösen eine Kaskade des ewigen Schülers aus, der nicht in die Arbeitswelt integriert wird.

Was hat dies mit Gerechtigkeit und Fairness sowie Freiheit zu tun? Ich bin davon überzeugt, dass das Prinzip “Fördern und Fordern” eine wichtige Grundvoraussetzung für ein Funktionieren des Staates und gleichzeitig für einen angemessenen Umgang mit freien, verantwortungsbewussten Bürgern ist. Wir müssen in einer freien Gesellschaft die Bürger zur Selbstverantwortung erziehen. Gleichzeitig müssen wir aber auch Voraussetzungen schaffen, damit die Verantwortlichkeit keine Einbahnstraße wird. Auch die Wirtschaft und Verantwortliche des öffentlichen Dienstes und die Beamten müssen sich ihrer Verantwortung in der Bildungsgesellschaft bewusst werden.

Denn ökonomisch ist Bildung ein öffentliches Gut, das heißt es gibt weder eine Rivalität/ Konkurrenz noch kann man Personen/ Institutionen, die nicht in Bildung investiert haben, vom Ertrag der Bildung ausschließen. Hier müssen wir die Wirtschaft mehr in die Pflicht nehmen. Korporatismus durch selbstverpflichtende Bestimmungen, zustande gekommen an runden Tischen zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und Vertretern des Bundes und der Länder reichen hier nicht mehr.

Ich glaube hier an die Regionalisierung von Bildungsprojekten, wie sie Prof. Dr. Gerald Hüther in Ermangelung des Zustandekommens der Umsetzung seiner Vorschläge im Zukunftsrat Bildung auf Bundesebene vorgestellt hat. Dabei kann das Zentralabitur, das jetzt vorgeschlagen und partiell umgesetzt wurde, keine Lösung sein. Es ist nur eine Scheinlösung, da es wie eine Prozessmodellierung in Unternehmen starre Strukturen vorgibt, die den Menschen und seine Bedürfnisse außen vorlassen.

Ich glaube an die Selbstbestimmung und Fähigkeit der Menschen zum freiheitlichen und verantwortungsbewussten Denken. Genauso wie dies meines Erachtens Mitarbeiter in Unternehmen auch können. Ein Paradigmenwechsel wäre angebracht.

Ich möchte an dieser Stelle den Bogen zum Thema Burnout spannen. Diesen sehe ich vor allem in der Schaffung von Bedingungen der Angst. Ich möchte dies kurz an eigenen Erfahrungen erläutern. In der Schule hatte ich nie Interesse an Naturwissenschaften und Mathematik. Meine Interessen gingen in den Bereich Geschichte und Philosophie. Später merkte ich, dass die Naturwissenschaften auch sehr interessant sein können. Die Wissenschaftsjournalisten Harald Lesch, Ranga Yogeswar und Gerd Scobel haben einen großen Anteil an meiner jetzigen Begeisterung für Themen der Physik, Biologie und Chemie (insbesondere Hirnforschung) sowie Astronomie.

Wie kann das sein? War ich immer zu blöde dafür? Ich glaube nicht. Eher, dass mein Interesse nicht geweckt wurde, weil zu wenig anschaulich von den Pädagogen gelehrt.

Ich habe immer noch Angst vor der Mathematik. Wenn ich mir ökonometrische Formelreihen ansehe, bekomme ich einen flauen Magen. Ich bin zwar mittlerweile in der Lage, mich damit auseinanderzusetzen, könnte aber nie wirklich beurteilen, wo der Haken an einer komplexen Formelreihe liegt.

Kleine Bemerkung am Rande: Mir hat Ihr Blog zur Einführung in die Welt der Zahlen (Abgrenzung reelle, natürliche Zahlen etc. sehr gefallen, da sehr anschaulich. Ich würde mich freuen, mehr davon zu erfahren.

Ist es die alleinige Verantwortung des Kindes, Interesse für alle relevanten Disziplinen aus sich heraus zu entwickeln? Wie stehen Sie dazu?

Freundliche Grüße
Sascha Meyer

C. Dethloff

Sehr geehrter Herr Meyer,

bevor ich auf Ihre Fragen zum Thema Bildung eingehe, möchte ich noch einmal die Themen Gerechtigkeit und Fairness in unserer Gesellschaft eingehen.

Wie ich in meiner vorigen Antwort angedeutet habe, ist aus meiner Sicht Gerechtigkeit als auch Fairness auf Relativität aufgebaut. Keines der beiden kann absoluten Ansprüchen genügen. Deshalb macht auch für mich eine begriffliche Unterscheidung keinen Sinn. Ich möchte also ab jetzt den Begriff Gerechtigkeit nutzen.

Christian Lindner sagt in dem Gespräch mit Richard David Precht, dass Gleichheit die Basis für Gerechtigkeit ist. Wenn Menschen beispielsweise den gleichen Zugang zur Bildung haben, sprechen wir in diesem Fall von Gerechtigkeit. Gleichheit in diesem Zusammenhang finde ich schwierig, denn Menschen sind nun einmal nicht gleich. Jeder Mensch ist für sich genommen einzigartig. Menschen haben beispielsweise unterschiedliche Voraussetzungen für die Bildung. Um dieser Unterschiedlichkeit Rechnung zu tragen, müssen wir also Menschen unterschiedlich behandeln, um einen gleichen Zugang zu gewährleisten. Um Gleichheit und Gleichberechtigung im Ergebnis herzustellen müssen wir also ungleichberechtigt handeln. Nehmen Sie ein anderes Beispiel. Stellen Sie sich vor ein Unternehmenslenker muss Menschen entlassen. In diesem Entlassungsprozess werden beispielsweise sozial benachteiligte Menschen, hier können mehrere Faktoren hineinspielen, gegenüber anderen Menschen bevorteilt. Oder nehmen Sie die Frauenquote beim Besetzen von Managementpositionen in Unternehmen. Es gibt viele weitere Beispiele, die den Fakt der Ungleichbehandlungen mit dem Ziel des Schaffens einer Gleichheit belegen. Details dazu habe ich unter anderem in meinem Post Diversity Management schafft Einfalt statt Vielfalt beleuchtet. Aus meiner Sicht ist also das Thema Gleichheit differenzierter zu betrachten und stellt eine Hürde beim Schaffen von Gerechtigkeit dar.

John Rawls stellt sich, dass wird auch in dem Gespräch erwähnt, einen Urzustand einer Gesellschaft von Menschen vor, in dem diese im Mantel eines Schleiers leben. Die Menschen wissen dementsprechend nicht um ihre Stärken, Schwächen und Interessen. Um daraus eine gerechte Gesellschaft zu erschaffen muss als erstes gegeben sein, dass gleiche Rechte für alle Menschen herrschen. Des Weiteren müssen alle Menschen die gleiche Möglichkeit des Zugriffs auf die Ressourcen haben. Im Laufe der Entwicklung entstehen nun Ungleichheiten aufgrund der Unterschiedlichkeit der Menschen, wie oben angedeutet. Diese Ungleichheiten sind zu tolerieren, solange die von der Ungleichheit Benachteiligten trotzdem in diesem Zustand besser leben, als wenn es diese Ungleichheit nicht geben würde. Das mutet natürlich sehr theoretisch an, da dieser Vergleich praktisch nicht durchführbar ist.

Lindner spricht in diesem Zusammenhang von gleichen Startchancen für alle Menschen. Was bedeutet das? Wann beginnt für Menschen der Start? Mit der Geburt? Oder schon vorher, da ein Mensch ja beispielsweise in eine Familie hineingeboren wird, die etwas ermöglicht oder eben nicht. Also beginnt der Start mit dem Geburt der Eltern oder der Großeltern usw. usf. In der heutigen Zeit unserer Gesellschaft, wo wir uns schon lange nicht mehr an der Startlinie befinden, ist das Diskutieren über gleiche Startchancen eine reine “Labordiskussion”. Es ist müßig über den Start zu reden, wenn wir diesen bereits verlassen haben und auch nicht mehr dahin zurückkehren können. Einen Supergau möchte ich ausschließen, da alle derzeit lebenden Menschen davon nichts hätten.

Ich möchte ganz ehrlich zu Ihnen sein. Derzeit fällt es mir schwer, ein Rezept für das Herstellen von Gerechtigkeit nur ansatzweise zu denken. Für mich ist Gerechtigkeit etwas Subjektives. Ich bewerte Gerechtigkeit aus meiner speziellen Situation, in der ich mich befinde, gegen meine speziellen Kriterien. Hier komme ich auf die Spielregeln zurück. Spielregeln sollten diese konsensgetragenen Kriterien eigentlich abbilden. Dafür müsste aber JEDER Beteiligte seinen Anteil an der Definition dieser Spielregeln unter Informationssymmetrie leisten können (Wir befinden uns nicht mehr an der Startlinie!!!). Ein Beispiel dafür ist unsere Ökonomie. Es wurde ebenfalls in dem Gespräch das Verteilungsproblem in unserer Gesellschaft angesprochen. Wir haben aber Spielregeln zwischen Finanz- und Realwirtschaft geschaffen, die alleine durch das Befolgen dieser diese “ungerechte” Verteilung schaffen und sogar noch befüttern. Details dazu habe ich in meinem Post Wir schaffen unsere Finanzkrisen durch das Zinsparadigma selber formuliert.

Jetzt möchte ich noch zwei Themen kurz anreißen, die ich aus dem Video extrahiert habe, und die ich wertvoll finde im Dialog weiter zu verfolgen.

Zum ersten Punkt. Precht merkt an, dass das Ideal der objektiven Bezahlung nach Leistung nicht gewollt sein kann. In diesem Fall kann Leistungsgerechtigkeit nicht erstrebenswert sein. Denn diese Gerechtigkeit lässt keine Ausreden der Menschen für ihren derzeitigen Lebensstandard zu. Für die jeweilig derzeitige Lebenssituation kann man dann nämlich nur noch Gründe anführen, die man selber direkt beeinflussen kann. Man ist dann also komplett verantwortlich. Um die Spielregeln wieder ins Spiel zu bringen. In diesem Fall kann man beispielsweise die missliche Situation, in der man sich vielleicht gerade befindet, nicht an Spielregeln abgeben, die man nicht beeinflussen kann, so wie ich das in der heutigen Zeit häufig beobachte. In diesem Punkt sind wir also froh, dass wir keine Gerechtigkeit haben? Das finde ich interessant. Sie auch?

Nun zum zweiten Punkt. Den Begriff Vertragsfreiheit finde ich paradox. Aus meiner Sicht ist mit dem Begriff das Folgende gemeint. Für den Akt des Schließens eines Vertrages bin ich frei. Ist dieser aber abgeschlossen bin ich nicht mehr frei. Jetzt muss ich mich an diesen halten. Der Vertrag spiegelt Spielregeln wieder. Halte ich mich nicht daran, handle ich in den Augen meiner Vertragspartner ungerecht. Also in dem Moment, wo ich mich gerecht verhalte, bin ich unfreier. Ich kann natürlich den Vertrag wieder kündigen, um freier zu sein. Dafür gibt es aber wieder Spielregeln, quasi Metaspielregeln. Aus diesem Kreislauf komme ich nicht raus. Ebenfalls interessant, oder?

Nun zu Ihren Fragen zum Thema Bildung.

Kinder kommen mit einem enormen Wissensdurst auf die Welt. Sie wollen Alles und Jedes erkunden. Spätestens mit dem Eintritt in die Schule wird ihnen dieser Wissensdurst genommen, weil ihnen die Freude und die Begeisterung für das Lernen genommen werden. Gründe dafür habe ich in meinem Post Verdummt noch mal! oder Was Kinder in der Schule wirklich lernen angeführt. Das beobachte ich derzeit leider ganz massiv bei meiner Tochter. Diese Erfahrung habe ich sicherlich nicht exklusiv. Zu Ihrer Frage. Kinder übernehmen Verantwortung für ihr Lernen. Das tun sie beispielsweise beim “Gehen lernen” oder “Sprechen lernen”. Eltern müssen dafür keinen Plan aufstellen. Ab dem Schulalter haben wir allerdings Spielregeln aufgestellt, die dazu beitragen, dass Kinder diese Verantwortung nicht mehr nehmen können, was dazu führt, dass wir glauben ihnen Verantwortungsbewusstsein durch eben diese Spielregeln einbimsen zu müssen. Wir befinden uns also in einer selbstverstärkenden Spirale. Das ist ein absolutes Verbrechen an unsere Kinder und damit an unsere Gesellschaft. Ich bin gespannt auf Ihre Gedanken dazu.

Beste Grüße, Conny Dethloff

S. Meyer

Sehr geehrter Herr Dethloff,

ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das Thema Gerechtigkeit (ich nehme hier die Freiheit und die Fairness bewusst mal raus, komme ich später zu) in Bezug zur Ungleichheit der Menschen setzen. Genau das sind die Annahmen von Prof. Dr. Gerald Hüther. Wir sind nicht gleich und sollen es meines Erachtens auch nicht werden. Das wäre “Kommunismus”. Den will ich nicht und den will die Mehrheit auch nicht. Im Gegensatz dazu steht die Maxime des Sozialismus in der Form von Marx und Engels “Jeder nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten.”

Ich möchte das Thema Gerechtigkeit, die genauso wie die Begriffe Fairness und Freiheit keinen Absolutheitsanspruch auf sich ziehen dürfen, mit dem Thema Burnout verknüpfen, weil ich, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wie Sie der Auffassung bin, dass die Ungleichheit der Menschen aus Ihrer Vielfalt heraus entsteht. Dabei hat jeder seine gesellschaftliche Funktion, diese sowohl ökonomisch (z.B. als Konsument) oder als Rollenträger (z.B. Familienvater, ehrenamtlicher Kassenwart etc.). Sir Ralf Dahrendorf hat zur Vielfalt in der Bildung in den 70-iger Jahren ein Memorandum geschrieben, dass die europäische Bildungspolitik heute noch prägt, das Prinzip der Subsidiarität.

Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht nur für die Ökonomie leben. Der Soziologe Pierre Bourdieu hat dies mit seiner Unterscheidung der Kapitalarten in ökonomisches, kulturelles (inkorporiertes u. objektiviertes) sowie soziales Kapital verdeutlicht. Dabei wird deutlich, dass Bildung als inkorporiertes Kapital nur mit einem Zeitaufwand und persönlichem Einsatz erwerbbar ist, während objektiviertes Kapital in Form von Theaterbesuchen, Erwerb von hochwertigen Bildern etc. auch mit ökonomischem Kapital, aber nicht begleitet sein muss vom Verständnis der kulturellen Werte. Das soziale Kapital ist nichts anders als die heutigen Netzwerke, die Beziehungen zu Menschen, die einen ähnlichen sozialen Status haben.

Während Bourdieu einen “Kampf im sozialen Feld” um diese Kapitalien sieht, in denen diejenigen, die aufgrund eines größeren ökonomischen Kapitals zwar nicht von vornherein bessere Startbedingungen haben, aber sehr wohl eine finanziell größere Unabhängigkeit. Dass die Möglichkeit der Beschaffung von Unterstützung bei Lernschwächen eher gegeben zu sein scheint, zeigt der Soziologe Ulrich Beck auf, sowie dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Risiken auf einen größeren Kreis der Gesellschaft verteilt wird. Als Beispiel nennt er globale Umweltprobleme, vor denen selbst reiche Menschen nicht verschont bleiben.

Als weiteres Beispiel nennt Beck das Aufbrechen alter familiärer Strukturen und Beziehungsmuster (Frauen erhalten mehr Rechte, die Gesellschaft wird heterogener, es gibt mehr Migranten). Dabei muss jeder einzelne mehr Risiken eingehen. Jeder Einzelne wird individualisiert. Die Unsicherheit des Lebensstils wächst und Familien sind kein dauerhaftes Lebensband mehr.

Ich möchte aus beiden Theorien meine Gedanken bilden. Ich bin davon überzeugt, dass Ungleichheit gut und wichtig ist. Wir brauchen unterschiedliche Begabungen in einer arbeitsteiligen Welt. Daher finde ich die Tendenz, dass beispielsweise der Abschluss der Realschule und der Hauptschule von Arbeitgebern derart gering geschätzt wird, nicht gut. Das halte ich für ungerechtfertigt. Für die Bewerbung zum Steuerfachangestellten brauchte man früher einen Realschulabschluss, heute das Abitur. Es wird so getan, als wenn sich die Anforderungen dieses Berufes enorm erweitert haben. Stimmt aber nicht. Man braucht weder die Integralrechnung noch Statistik oder Boolesche Algebra. Es reicht, wenn man den Dreisatz bilden kann, die Zinses-Zinsrechnung beherrscht und benötigt ein wenig Allgemeinbildung (aber nicht zu viel), um Small-Talk mit den Mandanten halten zu können. Was man meines Erachtens viel eher lernen sollte, ist der Umgang mit schwierigen Konfliktsituationen. Warum lernt man dies weder in der Schule noch in der Ausbildung?

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diversifizierte, modulartige Ausbildungsformen, wie es sie z.T. in neuen dualen Ausbildungsgängen zum Informatikkaufmann, -frau, Systemanalytiker etc. schon gibt, benötigen. Eine Grundausbildung von z.B. einem Jahr. Danach kann man sich spezialisieren, muss man aber nicht. Der Vertrag mit dem Arbeitgeber liefe dann so, dass man eine stufenweise Ausbildung ohne Zwang zum Abschluss der höchsten Stufe machen könnte. So bliebe nämlich die Freiheit, seinen Lebensweg stärker flexibilisieren zu können. Unsere Arbeitswelt ruft doch förmlich danach, oder?

Was den Ruf nach Fachkräften, vor allem Absolventen von Fachhochschul- und Universitätsstudiengängen angeht, stehe ich dieser Richtung kritisch gegenüber. Bei Ärzten, Juristen, Architekten und Ingenieuren sehe ich das ein. Dafür brauchen wir hochqualifizierte studierte Fachkräfte. Aber im Rechnungswesen verstehe ich das gar nicht. Mir hat mein im Studium erworbenes Wissen so ziemlich gar nicht geholfen, wenn es sich um die Lösung konkreter Aufgabenstellungen handelte. Eher mein kreativer und querdenkerischer Verstand. So habe ich auch manch älteren, erfahrenen Kollegen erlebt, der sich weder an Organigramme, vorgegebene Arbeitsabläufe oder sonstige Direktiven gehalten hat. So konnten wir z.B. die Kennzahl Forderungsumschlag in einem bestimmten Trade nicht bilden, da die Umsätze nicht monatsweise abgegrenzt wurden und die Forderungen eine Verrechnung mit Kostenbestandteilen enthielt. Aber die Herrschaften an der Front hatten natürlich einen Plan B. Die Umsätze aus Ihren Makros zu extrahieren und dann nur die Forderungen aus den Umsätzen entgegenzustellen, die noch außen stehend waren. Das klingt vielleicht nicht besonders spannend. Auf die Lösung sind wir aber erst gekommen, als ich mich als „Neuer auf dem Posten“ mich mit den operativen “Jungs” mal hingesetzt und gesprochen habe. Über Jahre hinweg wurde das vorher nicht getan. Soviel dazu, dass in einem Konzern alles richtig läuft.

Und so sieht es doch häufig im Leben aus. Wir lernen nicht nur theoretisch, sondern durch die Ergänzung von Theorie und Praxis. Insofern sollte man meines Erachtens die Grundausbildung in verschiedenen Berufen verkürzen und das Angebot des “Lebenslangen Lernens” erweitern, wie dies ja bereits durch zahlreiche Fernstudienangebote möglich ist. Dieses Modell entspricht dem Modell der kommunikativen Interaktionspädagogik von John Dewey.

Zum Begriff der Vertragsfreiheit wollte ich nur kurz anmerken. Ist ein Realschüler, der auf dem Markt eine Ausbildungsstelle z.B. zum Steuerfachangestellten sucht, wirklich so frei, wie Herr Lindner es postuliert? Oder sind hier nicht die Kräfte von Angebot und Nachfrage entscheidend, die mittlerweile ja stark durch globale Verzerrungen des Marktes eingeschränkt sind. Kann ein öffentliches Gut wie die Ausbildung rein vom Markt gesteuert werden.

Ich bin ganz ehrlich. Ich finde nicht, dass John Rawls mit seinem Schleier des Nichtwissens zu einer gerechteren Gesellschaft beiträgt. Ist es nicht eher so, dass wir die Ungleichheiten der Sozialisation als Chance nehmen müssen und diese gerade in die Beurteilung von Leistung mit einbeziehen müssen? Ich glaube in einer zukünftigen Gesellschaft wird es weniger um Status als um die Fähigkeit aus “alten Schuhen” Neues zu machen, gehen. Dies wird vor allem im Kleinen passieren, da die höheren Ebenen einer solch anpassungsfähigen Sichtweise schwer zugänglich zu sein scheinen.

Ich freue mich auf Ihre Gedanken.
Freundliche Grüße, Sascha Meyer

C. Dethloff

Sehr geehrter Herr Meyer,

ich kann Ihnen absolut beipflichten, wenn Sie sagen:

Ich möchte aus beiden Theorien meine Gedanken bilden. Ich bin davon überzeugt, dass Ungleichheit gut und wichtig ist. Wir brauchen unterschiedliche Begabungen in einer arbeitsteiligen Welt.

Dieses Ansinnen kann ich beispielsweise auch hinter den aufgesetzten Diversity-Programmen in Unternehmen erkennen. Allerdings wird diese Absicht aus meiner Sicht – ich glaube eher unbewusst – unterlaufen, da in diesen Initiativen dann wieder Gleichmacherei im Ergebnis betrieben wird. Um dieses Gleichmacher-Ergebnis zu erreichen, werden dann gewisse Parteien per Spielregel benachteiligt, andere bevorteilt.

Ich bin ebenfalls der Meinung, dass weiche Faktoren in der Schule mehr in den Vordergrund rücken müssen. Kinder müssen in der Schule eine Umgebung vorfinden, in der sie ein Verständnis für das Miteinander entwickeln können. Stattdessen wird eine Umgebung des Wettbewerbs geschaffen, wo es ausschließlich um quantitative harte Fakten geht (Zensuren). Es wird nach dem Motto agiert: “Immer mehr, immer besser, immer weiter, immer schneller”. Kooperation gerät in den Hintergrund. Aus der Spieltheorie weiß man aber, dass Wettbewerb ausschließlich bei Nullsummenspielen zuträglich ist. Unsere Gesellschaft ist aber kein Nullsummenspiel. Des Weiteren kann man beobachten, dass Wettbewerb die Spezialisierung fördert. In den Bereichen wo ich bereits gut bin, werde ich weiter in mich investieren, da ich kurzfristig einen Erfolg dafür erwarten kann. Wettbewerb erzeugt also Fachspezialisten, die sich schwer tun über den Tellerrand hinauszublicken. Kooperation hingegen erzeugt Fortschritt und Weiterentwicklung, da sie Ganzheitlichkeit im Denken und Agieren fördert. Für Spezialisierung sind Mangelerscheinungen eine zuträgliche Motivation, da der Bedarf ausgemacht werden kann diesen kurzfristig zu beseitigen. Fortschritt ist auf Mittel- bis Langfristigkeit und damit nicht auf Mangelbeseitigung ausgelegt.

Ich glaube auch dass unter anderem unser zu laxes Reflektieren und Benutzen der Wörter uns darin hindert, diesen Fakt zu akzeptieren. Das ist zumindest ein Grund, den ich hier kurz ausführen möchte. Ich habe eben bereits den Begriff “Nullsummenspiel” in den Ring geworfen. Ich möchte das Beispiel FC Bayern München bemühen. Ich höre gerade in dieser Saison sehr häufig, dass der Wettbewerb innerhalb der Mannschaft auf bestimmten Positionen durch den Kauf neuer Spieler dazu beigetragen hat, dass die Spieler, die in der vorigen Saison bereits an Bord waren, besser geworden sind. Das möchte ich so nicht stehenlassen. Hier muss Wettbewerb differenzierter betrachtet werden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Wettbewerb innerhalb einer Mannschaft zuträglich für das Anheben der Gesamtleistung der Mannschaft sein kann. Aus meiner Sicht darf man nicht Konkurrenz mit Wettbewerb in einen Topf werfen. Mehrere Spieler können um eine Position innerhalb der Mannschaft konkurrieren, dabei aber trotzdem kooperieren, weil sie sich gerne gegenseitig helfen. Und genau darauf kommt es an. Konkurrenz und Kooperation vertragen sich aus meiner Sicht; Wettbewerb und Kooperation nicht.

Hüther führt in vielen seiner Vorträge auch immer wieder in Bezug auf Wettbewerb aus, dass Menschen in unserer Gesellschaft leider von Beginn ihres Lebens auf den Wirtschaftskonsum vorbereitet werden, da dieser den Gedanken des Wettbewerbs befeuert. Eigentlich wurde aber das System Kapitalismus erfunden, um dem Menschen zu dienen. Mittlerweile wird der Kapitalismus als das Nonplusultra gesehen und die Schwierigkeiten, die derzeit bestehen, mit anderen Themen in Verbindung gebracht. Der Mensch ist Sklave des Systems und dient diesem nur noch.

Ihre Aussagen zu den Fachkräften möchte ich mit dem eben Ausgeführten aufgreifen und aus meiner Sicht konkretisieren. Wir benötigen mehr Generalisten, die das große Ganze im Blick haben und die Spezialisten der einzelnen Fachgebiete vernetzen helfen. Damit will ich natürlich nicht sagen, dass wir keine Spezialisten mehr benötigen. Der richtige Mix ist entscheidend. Der Kybernetiker Heinz von Förster umschreibt diesen Fakt sehr anschaulich in seiner Unterscheidung zwischen “Science” und “Systemics”. Science kommt aus dem Indoeuropäischen und bedeutet so viel wie “Scy”, also Trennen, wobei Systemics so viel bedeutet wie Zusammenführen. Details finden Sie in diesem Transkript mit HvF ab Seite 2. Dieses Verbinden, was HvF anspricht, beziehe ich ebenfalls auf die Verschmelzung von Theorie und Praxis, die Sie anmerken. Theorie und Praxis müssen sich zirkulär gegenseitig befruchten, was derzeit nicht beobachtbar ist.

Bei ihren Ausführungen zur Vertragsfreiheit kann ich Ihnen Recht geben. Das habe ich in meiner vorigen Antwort anzudeuten versucht. Es wird stets Spielregeln geben. Die muss es auch geben, sonst würde es niemals zu einer Einigung im Sinne eines Vertrages kommen können. Das impliziert aber eben auch das Relative in der Vertragsfreiheit. Dieses Relative führt auch dazu, dass Freiheit niemals unbedingt sein kann. Freiheit unterliegt stets Bedingungen. Kann man Freiheit in Anbetracht dieser Tatsache dann überhaupt noch Freiheit nennen? Aus meiner Sicht ja, denn würden wir die Unbedingtheit dem Begriff Freiheit immer noch anlasten wollen, hätten wir einen Begriff geschaffen, der ohne praktische Relevanz wäre. Das macht in meinen Augen keinen Sinn. Man muss nur die Bedeutung des Wortes Freiheit neu überdenken und umdefinieren.

Details zur Bedingtheit der Freiheit können Sie in meinem Post Kann ein freier Wille bedingt sein? einsehen.

Denkerische Grüße,
Conny Dethloff

S. Meyer

Sehr geehrter Herr Dethloff,

ich bin völlig d’accord mit Ihren Ausführungen zur Notwendigkeit, das Pendel bei der Auswahl von Fachkräften wieder mehr in Richtung Generalisten verschieben zu lassen. Dabei ist auf eine sinnvolle und ausgewogene Ergänzung von Spezialisten und Generalisten zu achten. Ich habe es in der Praxis immer wieder erlebt, dass eine Reihe von Spezialisten nicht in der Lage waren, große Projekte voranzutreiben, weil Sie sich in Details verloren haben, aber die Grundzüge übersehen haben.

Als Beispiel möchte ich einen großen Schifffahrtskonzern in Norddeutschland nennen, der unter Hinzunahme von Spezialisten der Lufthansa, Hapag-Lloyd und weiteren namhaften Beratungsgesellschaften es nicht geschafft hat, weder SAP noch ein anderes ERP-System nach sechs Jahren zur Testphase zu bringen. Und bei der Road Show zur Präsentierung des vorgesehenen ERP-Systems konnte man noch nicht einmal Funktionalitäten wie die Stammdatenkoordinierung im Zahlungsverkehr mit Konzernstrukturen, die als Beteiligungsgesellschaften auftreten, vorweisen. Im internationalen Verkehr mit Treibstoffgiganten ist das aber üblich. Und Firmennamen und –strukturen ändern sich ständig, sodass bei einer automatisierten Verbuchung der Bankzahlungen keine automatisierte Zuordnung von Bankzahlungen und Rechnungsbuchung hinsichtlich der Firmennamen erfolgen kann, weil die Zahlung an eine andere, den Oberkonzern betreffende Zahlung erfolgt, während die Rechnung unter dem Subkonzern erfolgt. Das sollte eine Stammdatenerfassung aber ermöglichen und ist auch nichts Besonderes.

Des Weiteren sehen wir in der Schifffahrt jetzt eine nachträgliche “Rache” des Marktes, da die großen Schifffahrtskonzerne in einer Welle der Begeisterung in der Hochkonjunktur massiv Schiffe und Konzerne aufgekauft haben und jetzt in der Rezession oder abflauenden Konjunktur die Kapazitäten nicht auslasten können.

Also als kleines Fazit meinerseits: Ich stimme mit Ihren Ansichten völlig überein, vor allem zu Ihren Ausführungen zum Diversity Management. Aus Ungleichheit darf nicht Gleichmacherei gemacht werden. Wir brauchen eine völlige Neuorientierung unserer Wirtschaftsweise. Wie diese aussehen könnte, weiß ich noch nicht. Es dürfte aber deutlich werden, dass Konsum nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann und darf. Stattdessen sollte vielleicht mehr Bildung in den Vordergrund rücken. Und eine größere Orientierung des Einzelnen hin zu einer ökologisch und sozial nachhaltiger zustande gekommenen Nahrungsmittelprozesskette. Dadurch könnte vielleicht eine größere Kooperation im Umgang mit Wissen erreicht werden. Dabei sollte möglicher Weise in Form eines Kurssystems schon relativ früh Begabungen in Form der Frühförderung aktiviert werden und in Grundfächern wie z.B. “Glück” (Gibt es schon in Projektform in einigen Schulen), soziale Kompetenzen, aber auch Alltagskompetenzen (Wie organisiere ich meinen Alltagshaushalt? Wie komme ich mit Geld aus? Wie suche ich mir die richtigen Versicherungen aus? Wie bewerbe ich mich? Dabei sollten möglicher Weise auch Prospekte aus der Wirtschaft kritisch im allgemeinen Kreis beleuchtet werden. Auch über Themen wie Konsum und Lockangebote, Rauchen, PC-Spiele, ethisches Handeln in konkreten Situationen etc. sollte man meines Erachtens in einem übergeordneten Fach (und nicht in Spezialfächern wie Biologie, Erdkunde etc.) diskutieren. Kritische Bürger benötigen den frühen Dialog.

Eine andere Idee meinerseits ist z.B. auch ein Steuersystem, dass nachhaltig tätig werdende Unternehmen steuerlich gefördert werden. So könnte man Unternehmen des Mittelstandes, die eben im Gegensatz zu Lebensmittelketten wie Lidl etc. in Bangladesch zu Hungerlöhnen Schuhe produzieren lassen und dabei die Umwelt mit giftigen Gerbstoffen durch Abwasserverpestung mit einer Strafsteuer belegen, vielleicht auf den Import. Das wird natürlich Gegner der „freien Marktwirtschaft“ auf den Plan rufen. Aber der Handel mit Emissionsrechten, der das Prinzip der Nachhaltigkeit mit der Marktwirtschaft verbinden soll, wird unterlaufen durch mächtige Konzerne, die die Preise für die Zertifikate diktieren können und sich so schnell aus Ihrer Verantwortung stehlen können.

Ich bleibe in einem Punkt bei meiner Meinung: Öffentliche Güter wie Umwelt, Bildung, Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen dürfen nicht in marktwirtschaftliche Hände. Dafür ist meines Erachtens der Staat da.

Mit freundlichen Grüßen
Sascha Meyer

C. Dethloff

Sehr geehrter Herr Meyer,

Ihre Idee der aufgezählten Unterrichtsfächer finde ich absolut faszinierend. Da stimme ich voll mit ins Horn. Das ist immens wichtig. Nur leider hält uns wohl unsere immer noch gemeinschaftlich vorherrschende technokratische Sicht auf den Menschen von einer flächendeckenden Operationalisierung ab. Der Mensch wird nun mal als Maschine gesehen. Und wofür benötigt eine Maschine Glück?

Dem sonst ihrerseits Gesagten lassen sich von meiner Seite nur noch Daten zufügen, aus denen Sie wahrscheinlich, hier spekuliere ich mal, keine Information mehr generieren können, da nichts Neues mehr hinzukommt. Vorerst danke ich Ihnen für den spannenden und erkenntnisreichen Dialog, wohlwissend das dieses Thema noch längst nicht “erschlagen” ist.

Beste Grüße,
Conny Dethloff

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Dialog zum Thema Burnout

Ein sehr aktiver Wegbegleiter meiner Reise des Verstehens, Sascha Meyer, hat mich vor geraumer Zeit zu einer Diskussion zum Thema Burnout eingeladen. Nachfolgend möchte ich Ihnen diesen anreichen.

S. Meyer

Sehr geehrter Herr Dethloff,

bitte entschuldigen Sie, aber ich suche Sie auf, da ich einige Fragen bei der Lektüre einiger philosophischer Texte für mich habe. Sollten Sie ggf. Zeit und Lust haben, mir bei der Beantwortung dieser Fragen behilflich – im Sinne eines Gedankenspiels- zu sein, würde ich mich sehr freuen.

Ich habe im Philosophiemagazin 5/12 von dem Philosophen Byung-Chul Han gelesen, dass die neoliberale Leistungsethik ein wichtiger Faktor für das Phänomen “Burnout” sei. Dabei wirke diese Ethik dergestalt, dass es sich nicht wie bei Marx um Fremdausbeutung handele, sondern um Selbstausbeutung, die durch ein Ungleichgewicht zwischen Negativität und Positivität, zwischen Selbstliebe und der Liebe gegenüber Anderen, die zwangsläufig in einer Depression enden müsse, hervorgerufen werde. Die Negativität hieße hierbei auch Begrenzung entgegen einer Gesellschaft, in der “alles möglich ist” und “du kannst” als einiges Credo der Werbewirtschaft gelte.

Die digitale Vernetzung bedeute seiner Meinung nach eine Entgrenzung, eine “Temporalität der Transparenzgesellschaft”, in der Informationsstau nicht mehr geduldet werde. Aber Visionen brauchen Zeitstau, gelegentlich Stillstand und Innehalten.

Könnte dies vielleicht die Antwort auf die Frage darstellen, warum wir trotz der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, die wir zur Lösung unserer heutigen Fragen haben, nahezu hilflos vor den Fragen unserer Zeit stehen?

Vielen Dank und freundliche Grüße,
Sascha Meyer

C. Dethloff

Hallo Herr Meyer,

anbei meine Reflektion. Ich möchte erst einmal die Geschichte der Menschheit in Zeitraffer und auf 2 verschiedenen Ebenen aus meiner Sicht aufgreifen.

Makrolevel
Als erstes möchte ich auf die Makroebene eingehen. Gotthard Günther hat in Anlehnung an die Ausarbeitungen Oswald Spenglers in seinem berühmten Werk Der Untergang des Abendlandes darauf immer wieder Bezug genommen, beispielsweise auch in seiner Ausarbeitung Maschine, Seele und Weltgeschichte. Auf der Seite 15 dieses Dokumentes, beginnend mit den Worten “… An dieser Erfahrung entwickelt sich ein neuer Menschentyp. …”, können Sie die Ideen und Gedanken Günthers dazu nachlesen, die ich nachfolgend kurz in meinen Worten wiedergeben möchte.

  1. Die primitive Epoche
  2. Die Epoche der regionalen Hochkulturen
  3. Die Epoche der universellen planetaren Kultur

In der primitiven Epoche haben die Menschen Naturereignisse mit Magie und Zauberei erklärt. In dieser Zeit haben die Menschen die Vorgänge in der Natur noch nicht auf sich selbst reflektiert. Ausdruck dieser Magie waren unter anderem die Medizinmänner. Angst vor den Ereignissen in der Natur war unter den Menschen vorherrschend. Diese Epoche war damit 1-wertig. In der zweiten Epoche, die der regionalen Hochkulturen, wurden die Ursache-Wirkungsbeziehungen eingeführt. In dieser hat man versucht alle Ereignisse in der Natur rein rational zu erklären. Unsicherheiten wurden aus der Wahrnehmung gestrichen. In dieser Epoche hat man also den Gegenpol zur ersten Epoche betreten, von absoluter Unsicherheit hin zu absoluter Sicherheit. Diese Methode hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, allerdings nur für nichtlebende Vorgänge. Ihren Höhepunkt hatte diese Epoche wohl mit dem Irrglauben des französischen Mathematikers Laplace, der eine Formel erfinden wollte, mit der die Welt erklärbar ist. Es wurde die Angst vor der Natur abgestreift, weil alle Vorgänge scheinbar erklärbar waren. Diese Epoche war und ist damit 2-wertig. Aristoteles hat diese mit seiner Logik geprägt. Es wurde dann der Übergang in die dritte Epoche eingeleitet, die noch in den rudimentären Anfängen steckt. In dieser werden die Ursache-Wirkungsbeziehungen mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten unterlegt. Das bedeutet, es werden Subjektivitäten eingeführt und somit die Modellierung von Vorgängen lebender Organismen möglich gemacht. Komplexität bekommt jetzt eine besondere Bedeutung. Diese Epoche ist mehrwertig. Das bedeutet, die notwendige Logik ist standpunktabhängig und mit der bekannten Mathematik, die auf der 2-wertigen Logik beruht, nicht mehr formalisierbar.

Mikrolevel
Wenn man nun die Flughöhe ein wenig reduziert erkennt man auf kleineren Zeitscheiben einige Muster. Diese habe ich in meinem Post Muster der Gesellschaftskrisen thematisiert.

Reflektion auf Ihre Fragen
Bevor ich auf Ihre Fragen eingehen möchte, möchte ich etwas Allgemeines zu Burnout sagen.

Das Thema Burnout ist in der jetzigen Zeit ein sehr präsentes Thema. Ich finde allerdings schwierig, Burnout in die Vergangenheit zu projizieren und zu fragen, ob die Menschen erst in unserer heutigen Zeit damit konfrontiert werden. Auf der einen Seite kann man über ein Thema erst dann nachdenken und darüber diskutieren, wenn es ein Begriff für das Thema gibt. Ohne Begriff bleibt das Thema ein blinder Fleck. Des Weiteren hat die Sensibilität für den Faktor “Mensch” erst in den letzten Jahren so richtig Einzug gehalten, vor allem in der Wirtschaft. In diesem Zuge wurde dann auch der Begriff “Burnout” geschaffen. Vielleicht hatten die Menschen in der Vergangenheit auch Ermüdungs- und Ermattungserscheinungen. Diese wurden aber stets auf etwas Physisches zurück geführt. Ebenfalls haben Ärzte auch erst mit dem Kreieren des Themas “Burnout” die Möglichkeit in diese Richtung zu forschen und Menschen zu untersuchen. Dementsprechend bin ich vorsichtig damit zu behaupten, dass Burnout erst im Zuge unserer schnelllebigen Welt entstanden sein soll.

Wir befinden uns aus meiner Sicht in der Phase 5 (Gesetze/ Steuerlast – Unruhen). Unsere Volkswirtschaften haben die Sättigungsphase erreicht. Sie können nicht mehr so stark wachsen, wie sie eigentlich müssten um die Kosten des Zinses der Finanzwirtschaft zu decken. Das wird auch wahrgenommen, weshalb auch versucht wird regulatorisch einzugreifen. Allerdings passiert das mit Mitteln, die erst in die Krise geführt haben. Dann verfährt man nach dem Motto “Immer mehr von dem Gleichen” (vgl. Dietrich Dörner: Logik des Misslingens).

Aus der Phase 2 nehmen wir den Mindset mit, dass Menschen die Natur beherrschen können (“Alles ist möglich”, “Du kannst”). Wenn wir also etwas nicht schaffen, kann das nur an uns liegen. Ich würde hier nicht so sehr die Begriffe Fremd- und Selbstausbeutung bemühen. Grundsätzlich kann es aus meiner Sicht keine direkte Fremdausbeutung geben. Ich bin hier ein Anhänger des Konstruktivismus. Menschen reagieren auf Umweltbedingungen. Unsere Umweltbedingungen entstehen aus dem Umstand, dass wir den Gipfel der Pyramide erreicht haben (Sättigungsphase des Wachstums der Volkswirtschaften). Wir müssen uns neu erfinden, aber mit anderen Mitteln. Da diese Paradigmen nicht umgestoßen werden, erleben wir eine Ausweglosigkeit und reagieren gehetzt und scheinen keine Zeit mehr zum Verschnaufen zu haben. Hier finde ich das Sprichwort „Wenn Du in Eile bist gehe langsam angebracht.“ In dieser Art und Weise sehe ich auch die Unterscheidung in Positivität und Negativität. Derzeit gaukeln wir uns die unbegrenzten Möglichkeiten wegen der scheinbaren Berechenbarkeit der Natur (Phase 2 nach Gotthard Günther) nur vor. Wir erkennen diese Unbegrenztheit derzeit noch nicht. Vielleicht sperren wir uns auch, da diese Erkenntnis natürlich Unsicherheit und Angst erzeugen kann.

Wie ist Ihre Sicht?

Beste Grüße,
Conny Dethloff

S. Meyer

Sehr geehrter Herr Dethloff,

ich würde gerne die Kategorisierung in drei Epochen auf dem Makrolevel zurückkommen. Ich sehe die dort eingeführte Differenzierung, dass unsere Gesellschaft “rationaler” geworden ist als schwierig an, da dies meines Erachtens nur auf der Seite der “Eliten” und im begrenzen Rahmen der wissenschaftlichen Forschung sowie der unternehmerischen Umsetzung erfolgt ist. In der “normalen” Bevölkerung sehe ich eigentlich keine Weiterentwicklung. Wir reagieren immer noch relativ unrational, wenn es um neue, gesellschaftskritische wissenschaftliche Forschungsergebnisse handelt sowie im Umgang mit Minderheiten doch auch ziemlich irrational.

Beste Grüße,
Sascha Meyer

C. Dethloff

Hallo Herr Meyer,
lassen Sie mich den Begriff Rationalität näher erläutern und dann in Relation zur Emotionalität setzen.

Unter Rationalität verstehe ich die Fähigkeit Gründe anzugeben. Wenn wir Menschen also sagen: “Ich habe rational gehandelt.”, müssen wir in der Lage sein, diese Handlung über Ursache-Wirkungsbeziehungen zu begründen. Hier möchte ich ein bisschen weiter hinein bohren.

Als erstes bemühe ich den Wahrheitsbegriff. Über diesen habe ich in meinem Logbuch des Öfteren geschrieben, beispielsweise in meinem Post Lässt sich über Wahrheit wahr sprechen?. Wenn Sie also beurteilen müssen, ob ich zu einem bestimmten Kontext rational gehandelt habe, müssen wir zu diesem Kontext den gleichen Wahrheitsanspruch, denn einen absoluten gibt es nicht, und das gleiche Wissen um die Herleitung dieses Wahrheitsanspruches haben. Haben wir das nicht, sagen Sie wahrscheinlich mit Recht, dass ich nicht rational, also irrational, gehandelt habe. An dieser Stelle kann ich ihren Ausführungen folgen.

Nun kommt aber noch der Fakt hinzu, dass wir Menschen derzeit nicht alles rational erklären können, es aber gerne wollen, um unseren Herrschaftsanspruch gegenüber der Natur zu untermauern. Das ist dann der Antrieb unserer Wissenschaft. Diesem Antrieb schuldend, wird in der Wissenschaft auch gerne verschleiert und gemauert. Denn immer dann wenn wir Phänomene nicht über Ursache-Wirkungsbeziehungen erklären können stoßen wir ins Reich des Irrationalen vor und dieses wird gerne heraus reduziert. Dazu reiche ich Ihnen gerne einen Artikel namens Kritik der Systemtheorie, Systembiologie, Kybernetik, Chaostheorie, Spieltheorie. In diesem Fall stoßen wir also ebenfalls ins Reich des Irrationalen vor. Hier aber auf einer höheren Ebene als oben beschrieben. Denn dieses Reich des Irrationalen ist auf Konsens aufgebaut. Diese Ebene, so interpretiere ich es, meint Gotthard Günther, wenn er von der Phase 2 spricht.

An dieser Stelle macht es auch Sinn über das Verhältnis von Emotionalität und Rationalität nachzudenken. Hier stoßen wir auf die Frage, ob Gefühle auch Quelle rationaler Gewissheit sein können und wenn ja, auf welche Art und Weise? Dazu habe ich vor geraumer Zeit einen genialen Artikel im Netz gefunden.

Wie sind ihre Gedanken dazu?

Beste Grüße,
Conny Dethloff

S. Meyer

Sehr geehrter Herr Dethloff,

Vielen Dank für Ihre Erläuterungen zum Begriff der Rationalität. Ich stimme Ihren Erläuterungen dergestalt zu, dass diese einen großen und wichtigen Teil des Verhaltens von Menschen in der Gesellschaft ausmachen.

Sie haben den Begriff der Rationalität berechtigter Weise in den Kontext des Wahrheitsbegriffes gebracht. Interessanter Weise gibt es gerade auf dem Forum “Philosophie – wertvoller Grundstoff unseres Lebens” eine interessante Diskussion auf Xing unter Leitung von Frau Petra Deckart. Dabei ist die Wahrheit nie als absoluter Begriff zu sehen (ähnlich wie Begriffe wie Gerechtigkeit, Freiheit etc. obwohl diese Begriffe in der Philosophie häufig als absolute bezeichnet werden).

Rationalität steht immer im Kontext der Emotionalität. Schon die Hirnforschung hat nachgewiesen, dass es keine Reizverarbeitung nur über den Neokortex gibt. Die Reizverarbeitung verläuft je nach Art der Beanspruchung immer über mehrere Zentren. Dabei spielen unter anderem meistens das limbische System, mithin die Amygdala und der Hippocampus eine entscheidende Rolle. Der Hippocampus lenkt unsere Wahrnehmung dergestalt, dass wir Vorgänge vereinfachend in “gut” und “schlecht/ böse”, “angenehm/ unangenehm” etc. unterschieden. Dies hilft zum einen für schnelle Entscheidungssituationen. In der Steinzeit etc. mussten Jäger Situationen schnell einschätzen.

Andererseits verbauen wir uns über diese auf unbewusste, automatisierte Reaktionsmuster ausgerichteten Abläufe eine tiefere Auseinandersetzung mit komplexeren Entscheidungssituationen. Beispiel: Auf einem Wochenmarkt rechnen wir überschlägig durch vergleichende Berechnungen, welche Produkte an welchem Stand am günstigsten sind. Bei einer komplexeren Forschungsarbeit ist hingegen zu berechnen, welche Entscheidungsmodelle (z.B. zur Einführung eines neuen Verkehrsleitsystems) unter ökonometrischer Sicht am sinnvollsten sind. (Schreibe ich hier am effektivsten = Outputsteuerung oder am effizientesten = Inputsteuerung?). Im letztgenannten Fall ist ein genaueres, das bewusste Denken umfassendes, Reflektieren erforderlich. U.a. hat diese Unterscheidung der Wirtschaftsnobelpreisträger und Psychologe Daniel Kahnemann in seinem Buch Langsam Denken-Schnell Denken beschrieben. Er zeigt an anschaulichen Beispielen, dass unbewusstes automatisiertes Denken das bewusste Denken beeinflusst, aber auch über bewusste Reflektion entstandene neue Sichtweisen in unbewusste Reaktionsmuster übernommen werden können.

Als weiteres Beispiel möchte ich das Priming bei IATs (Implicit Assosiation Tests) nennen. Hier wird versucht, den Probanden z.B. Bilder wie mit dunkelhäutigen Menschen mit einem “e” für “böse” und hellhäutige Menschen mit “i” für “gut” zu prägen. Diese geschieht in einer schnellen (Millisekunden) Abfolge von Bildern, in denen die bewusste Aufnahme von Bildern nicht erfolgen kann. Die Forschungsergebnisse konnten zeigen, dass viele Personen sich von dem Priming in der Folge in der Beurteilung von anderen Bildern beeinflussen ließen. Diese Methoden werden u.a. im Neuromarketing eingesetzt.

Was hat dies mit dem Thema Rationalität zu tun? Ich glaube, dass wir in der Tat nur aus der Erkenntnis von Emotionalität rationales Denken entstehen lassen können. Wir müssen aber uns unserer Beeinflussbarkeit durch äußere Einflüsse bewusst sein. Der Ökonom Tomas Sedlacek hat in seinem Buch Die Ökonomie von Gut und Böse den Zusammenhang von ökonomischen Grundannahmen wie den der unsichtbaren Hand (Gott), dem Homo Oeconomicus (Mensch) und den Lebensgeistern (animal spirits) beschrieben. Ohne den Verfasser auf eine dogmatische Sichtweise zu reduzieren, möchte ich kurz den von dem Verfasser dargelegten Zusammenhang zwischen ökonomischen Gesetzen, die auf rationalen Gedanken zu basieren scheinen, und religiösen Grundannahmen (eher von der Emotion geleitet), die in der heutigen Gesellschaftsordnung dazu führt, dass wir nicht von diesen in sich verändernden Konstellationen von Gesellschaft abweichen können. Die ökonomischen Grundannahmen haben nach Ansicht des Verfassers (dem ich mich partiell anschließe), die Konstruktion von religiösen Annahmen, die nicht hinterfragt werden, angenommen.

Ich möchte nun zu meiner Ausgangsthese zum Burnout unserer Gesellschaft zurückkommen. In der Lehre des Strategischen Managements habe ich in der Ausbildung zum Rating Advisor in einem Lehrheft gelesen, dass es eine Unterscheidung zwischen der Subkultur eines Unternehmens und der proklamierten öffentlichen Kultur (ausgedrückt im Strategiepapier und in den Leitlinien sowie in der Unternehmensphilosophie) gibt. Wenn die Subkultur (die eigentlichen Machtträger des Unternehmens) und die offiziellen Entscheidungsträger zu unterschiedliche Werte leben, Informationen sich gegenseitig vorenthalten (Moral Hazard), dann kann ein Unternehmen nicht effizient arbeiten. Es entstehen Auseinandersetzungen. Man sucht nach “Schuldigen”. Die findet man meistens in den unteren Angestelltenebenen, die schnell “abbaubar” sind.

Meine These ist, dass man dieses Bild auf die “Staatsebene” übertragen kann, da es meines Erachtens viele Beispiele in der Geschichte gibt, die dies zu rechtfertigen scheinen. Als ein Beispiel möchte ich die “Kriegszitterer” aus dem 1. Weltkrieg nennen, die als “Simulanten” und “Kriegsverweigerer” bezeichnet wurden, nennen.

Ich stimme Ihnen voll zu, dass der Begriff Burnout neu ist, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es in der Geschichte viele Beispiele für Burnouts gegeben hat. Franz Kafkas “Bericht an eine Akademie” und Joseph Roths “Radetzkymarsch” sowie Dostojewskis “Schuld und Sühne” haben in ihren Büchern wunderbar über Ausgrenzung von Menschen, Suche von Schuldigen (meistens bei den Schwächeren) und über Anpassung an gesellschaftliche Verhältnisse, die zum Schaden aller ist, geschrieben.

Ich finde Ihre Definition von Rationalität völlig überzeugend und erstrebenswert, glaube aber, dass es noch viel Überzeugungsarbeit benötigt, um diesen wirklich in der Gesellschaft (Was immer das ist?) einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Freundliche Grüße
Sascha Meyer

C. Dethloff

Hallo Herr Meyer,

Ihre Ausführungen zum Beziehungsgeflecht zwischen Rationalität und Emotionalität kann ich voll nachvollziehen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Können Sie Ihre Beispiele (Franz Kafkas “Bericht an eine Akademie”, Joseph Roths “Radetzkymarsch” und Dostojewskis “Schuld und Sühne”) zum Thema Burnout noch einmal näher erläutern und dabei den Zusammenhang von Burnout und Ausgrenzung von Menschen sowie Suche von Schuldigen genauer herstellen?

Ich möchte Ihnen zwei meiner Gedankengänge zum Thema Burnout anreichen.

Zum einen fühlen sich Menschen unter Stress, wenn ihre eigen gestellten Erwartungen an eine bestimmte Situation und ihre Wahrnehmung von dieser Situation sehr weit auseinander liegen. Für beide Seiten, Erwartung und Wahrnehmung, ist direkt der Mensch alleine verantwortlich. Sie merken sicherlich, dass es in die gleiche Richtung geht, die ich in meiner ersten Antwort bereits formuliert habe. Stress ist also etwas rein Subjektives. Dieser Stress führt dann dazu, dass der Mensch Energie aufbringt, diese Kluft zwischen Erwartung und Wahrnehmung zu schließen. Der menschliche Körper befindet sich in solchen Phasen quasi in einem Alarmzustand. Nun ist natürlich die Frage in wie weit der Mensch trotz dieser Alarmbereitschaft die Kluft schließen kann. Das hängt natürlich in hohem Maße von den Rahmenbedingungen ab, in denen der Mensch sich bewegt. Hat er zu wenig Freiraum, um aktiv zu gestalten und damit seine Erwartungen zu treffen, die sich dann in der Wahrnehmung niederschlagen, wird der menschliche Körper eine Art Notfallprogramm starten, die da heißen Flucht, Angriff oder Starre. Dieses Notfallprogramm sichert das kurzfristige Überleben. Da Flucht und Angriff in einer Gesellschaft meistens nicht zielführend sind, ist Starre das Ergebnis, was wir als Burnout bezeichnen. In Phasen des Burnouts ist der Körper also in Alarmbereitschaft, aber handlungsunfähig, ähnlich wie wenn man in einem Auto sitzt und gleichzeitig Vollgas gibt und auf die Bremse tritt.

Jetzt habe ich eben bereits eine Maßnahme gegen Burnout genannt. Menschen benötigen Freiraum zum Gestalten. Sie müssen diesen Freiraum aber auch an- und wahrnehmen. Das bedeutet, hier kommen wieder Grundzüge des Konstruktivismus zum Tragen. Menschen müssen ihre Rolle in ihrer Umgebung richtig einschätzen lernen. Sie müssen die Fähigkeit besitzen, zu erkennen, was es wert ist erreichen zu wollen und auch zu können. Sie müssen also in bestimmten Situationen auch mal loslassen können.

Diese Darlegung bestätigt mich in der These, dass es auch früher schon Burnout gegeben hat, wir nur jetzt in der heutigen Zeit einen Begriff für dieses Phänomen gefunden haben.

Ich möchte das Thema Leistung ins Spiel bringen und damit ein bisschen provokant werden. Im Dialog zwischen Richard David Precht und Christian Lindner zum Thema Gerechtigkeit, Fairness und Freiheit spricht Precht davon, dass das Ideal der Leistungsgerechtigkeit nicht erstrebenswert sein darf, unabhängig davon ob dies praktisch möglich wäre oder nicht. Denn dies würde voraussetzen, dass Leistung objektiv messbar wäre, was es nicht ist. Aber ich möchte dieses Gedankenexperiment fortsetzen. Gäbe es Leistungsgerechtigkeit würde man den Menschen die Ausreden für ihre, wenn es denn so wäre, missliche Lebenslage nehmen. In diesem Fall sind sie komplett verantwortlich für die Lage, in der sie sich befinden. Gäbe es diese Leistungsgerechtigkeit nicht, und das nehme ich in unserer Gesellschaft so wahr, können Menschen ihre Misslichkeit anderen Gründen, die sie scheinbar nicht ändern können “unterjubeln”. Damit entledigen sie sich der Verantwortung, auch wenn dies nur konstruiert ist, aber es beruhigt das Gewissen. Wenn sie diese Rolle, die sie sich zuschreiben, dann auch noch richtig in ihre Umgebung einordnen, können sie sich ebenfalls gegen Burnout schützen. Durch diesen Schutz mindert man aber auch seine Erwartungen an sein eigenes Leben.

Bedeutet das also, und nun komme ich zu meiner Provokation, dass Gerechtigkeit das Risiko Burnout zu bekommen steigert?

Beste Grüße,
Conny Dethloff

Sascha Meyer

Ich kann Ihre Gedankengänge zum Burnout, der Stressentstehung und dem Zusammenhang zum Konstruktivismus voll nachvollziehen und diesem voll zustimmen. Ich habe hierzu mein erstes Buch, das ich über Burnout gelesen habe (Bevor der Job krank macht von Prof. Unger aus der psychiatrischen Abteilung der Asklepios Klinik Hamburg-Harburg), wunderbar nachvollziehbar schon einmal durchdenken können. Der Zusammenhang zwischen Eustress (positiv empfundener Stress) und Distress (negativ empfundener Stress) wurde dort anschaulich an Beispielen beschrieben. So hat dort ein Beamter von seiner persönlich als schwer belastende Situation gesprochen, da sein Chef ihm ständig Aufgaben übertrage, die ihn unterforderten und bei Entscheidungen ihn regelrecht “sitzen lasse” und nach außen hin der “Prügelknabe” der Bürger sei, die die mangelnde Entscheidungsfreudigkeit dem “armen” Sachbearbeiter anlasteten. In diesem Fall war der Burnout vorprogrammiert, da der Betroffene sich nicht mehr als “Herr der Lage” sah, die Widersprüchlichkeiten nach außen aber immer wieder abfedern musste. Hingegen war in einem anderen Fall von einem Manager die Rede, der nicht nur acht Stunden (wie der Beamte) arbeitete, sondern 10 bis 12 Stunden (mit Erreichbarkeit im Privatleben), dies aber als Erfüllung ansah, da er einen zumindest gefühlten Einfluss auf den Erfolg seiner Tätigkeit hatte.

Hierin sehe ich den entscheidenden Unterschied. Natürlich ist das Leben vielfältig und dies sind nur zwei sehr konträre Konstellationen. Die Vereinfachung soll nur modellartig zeigen, dass es sich um persönlich empfundenen Stress handelt, der sich einerseits aus den äußeren Einflüssen, andererseits aus der persönlichen, individuellen Konstitution des Betroffenen zusammensetzt. Die persönliche Konstitution ist wiederum zum großen Teil entstanden aus dem Umgang mit äußeren Einflüssen, der Interaktion mit Menschen, Institutionen etc. Dies nennen wir Sozialisation. Die Sozialisation ist gleichzeitig Begrenzung als auch die Möglichkeit der Freiheit des Willens. Warum Begrenzung? Weil wir uns einen Habitus aneignen, der sich daraus ergibt, dass die Interaktion mit unserem Umfeld uns prägt. Sprache, Ausdrucksformen (z.B. Kiezdeutsch vs. Gehobene Bildungssprache) bringt Ungleichheiten in den Startbedingungen unserer Bildungsgesellschaft. Freiheit des Willens durch Sozialisation entsteht nach Kant vor allem durch Bildung, da die Möglichkeiten der möglichen Gedanken potenziert werden. Rousseau setzt dem entgegen, dass Vernunft und Sinnlichkeit (heute heißt das Emotion) zusammengehören und dass wir im Prinzip schon als Kind alles in uns tragen. Durch Erfahrungen im Umgang mit anderen Menschen werden diese Ideen nur geweckt und bewusst gemacht.

Ich möchte an dieser Stelle Habermas ins Spiel bringen. Wir waren uns ja einig, dass Habermas kein Ethiker im eigentlichen Sinne ist. Nichtsdestotrotz hat er ja vertreten, dass ein Diskurs (wenn kein verständigungsorientiertes Handeln zwischen den Diskutanten zustande kommt) auf dem besseren Argument und symmetrischen Kommunikationsanteilen beruhe. Dies waren die Voraussetzungen einer idealen Sprechsituation. Diese Anteile seiner Theorie machen ihn für mich partiell zum Ethiker, weil er meines Erachtens hiermit “Diffamierung und Ausgrenzung” als Methoden des “Rechtbehaltens” im Diskurs ablehnt. Die Realität sieht aber anders aus. Der Mächtige setzt sich meistens eher durch als derjenige mit dem rational besseren Argument. Hier wird der Konstruktivismus, der uns zum Menschen macht, meines Erachtens ad absurdum geführt.

Ich möchte gerne zum Schluss in aller Kürze den Zusammenhang zu den drei von mir genannten Schriftstellern benennen. “Der Bericht an eine Akademie” v. Franz Kafka beschreibt einen Affen (fiktiv), der zum Menschen dressiert wurde. Dieser Affe beschreibt seinen Werdegang vom “Eingefangen werden” in Afrika über seine Lehrjahre der Domestizierung hin zu seiner Karriere als Professor. Diese Geschichte ist eine Metapher auf unsere Gesellschaft, wie scheinbar tierisches Verhalten, von dem Affen als kreativ-intuitiv beschrieben, uns Menschen nach und nach “abgewöhnt” werden und wir zu “Sklaven” der gesellschaftlichen Zwänge, Kultur und Ordnungen werden. Es steht nicht nur Kritik hinter dieser Geschichte, sondern es wird auch eine gewisse Notwendigkeit der “Erziehung” gesehen. Der Autor behält es dem Leser vor, weiter über die Notwendigkeit der Kultivierung zu reflektieren.

Der Umfang des “Radetzkymarsches” würde hier den Rahmen sprengen. Joseph Roth hat sich vor allem mit der KuK-Monarchie der Habsburger Monarchie ausgelassen. Er galt als “linker Revolutionär”, da er die starre Gesellschaft der auf Krieg und Ehre ausgerichteten Gesellschaft kritisierte. Seine Beschreibungen der frühen Jahre widmen sich vor allem den Kriegsgeschädigten, den Menschen, die z.B. im Krieg ihre Arme und Beine verloren hatten und dafür keine ausreichende Entschädigung vom Staat erhielten. Es spricht aber auch viel Enthusiasmus aus den Büchern Roths. Vor allem Ehre und der Wille sich am Wohl und Erfolg der Gesellschaft zu beteiligen, dies aber auch nicht angemessen gewürdigt werde.

“Schuld und Sühne” von Dostojewski ist ein sehr langes Werk, das sehr vielschichtig ist. Ich möchte hier nicht auf die spezielle Geschichte Russlands eingehen, sondern die Themen extrahieren, die für mich zum Thema passen. Es geht um einen Mord. Ein Mord, der aus einem moralischen Dilemma entsteht. Der Student Raskolnikow hat kein Geld, um seine Wohnung zu bezahlen. Der Student wendet sich an eine Pfandleiherin. Er hält die Pfandleiherin für eine “Halsabschneiderin”, da er in Erfahrung bringen konnte, dass diese viele andere Menschen ins Elend getrieben hat. Raskolnikow ist ein sehr intelligenter Mensch, der sich sehr wohl viele Gedanken um Moral, Anstand, Ehre macht. Dabei ist er besessen, aus seiner Armut, der Armut der Mutter und seiner Schwester, herauszukommen. Sein Anspruch, etwas Besonderes zu leisten und etwas Besonderes zu werden, verschaffen ihm gleichzeitig Schuldgefühle aufgrund seiner eigenen schwierigen Lebenssituation und gleichzeitig ein Gefühl, sich erheben zu dürfen gegen das aus seiner Sicht unmoralische Verhalten der Pfandleiherin. Aus dieser Konstellation entsteht ein Mordgedanke, der von einem Menschen mit einem umfangreichen moralischen Anspruch, dass ein solches Verhalten eigentlich ablehnen müsste, tatsächlich vollzogen wird.

Man muss zu diesem Werk sagen, dass es hauptsächlich um die Beschreibung des Zustandekommens eines solchen Mordes geht, vor allem unter den Voraussetzungen der sehr feudalisierten, ungerechten Gesellschaft im Zarenreich Russland. Im Prinzip ist dieses Werk ein Standardwerk für jeden angehenden Juristen, da es in dezidierter Weise Schuld, Schuldfähigkeit, Motivbeschreibung und -entstehung vereint und gleichzeitig die menschliche Seele vermisst. Die Beschreibungen des Autors passen auch sehr gut zu neuesten Forschungsergebnissen der Hirnforschung (Beispiel: Die Insular im Gehirn ist bei Gewaltverbrechern häufig nicht aktiv, dasselbe passiert bei Menschen mit geringem Schmerzempfinden.). Letztgenanntes hat nur bedingt etwas mit Burnout zu tun. Ich habe das Buch als Beispiel genommen, da es die “gefühlte Moral” ist, die “gefühlten Stress” auslöst und uns in eine Position des “Entweder oder” bringen kann. Reflektion und Konstruktivismus sieht aber anders aus. Somit kann das Buch ein Lehrbeispiel dafür sein, einen moralischen Anspruch auf sich zu beziehen und kreative andere Wege zu gehen.

Freundliche Grüße,
Sascha Meyer

C. Dethloff

Hallo Herr Meyer,

vielen Dank für die Anreichung Ihrer Gedanken und Ideen.

Dem gibt es aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt nichts hinzuzufügen außer einer Empfehlung eines Buches von Peter Bieri namens Das Handwerk der Freiheit. In diesem Buch diskutiert der Autor das Thema Willensfreiheit am Beispiel des Werkes von Dostojewski “Schuld und Sühne” sehr detailliert und umfassend. Meine Gedanken dazu habe ich in meinem Post Kann ein freier Wille bedingt sein? reflektiert.

Beste Grüße,
Conny Dethloff

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Die Finanzkrise verstehen: Zurück an den Startblock

Am Sonntag dem 18. November um 20.30 Uhr war es wieder so weit. Axel Schröder und ich diskutierten und modellierten in der 2. Session unserer Reihe “Die Finanzkrise verstehen”. Die Impressionen von Axel finden Sie hier. Bisherige Ausführungen meinerseits zu diesem Vorhaben möchte ich Ihnen ebenfalls in Erinnerung rufen.

  1. Die Ankündigung
  2. Die 1. Session

Wie Axel in seinem Post zur zweiten Session angedeutet hat, hatten wir im Anschluss unserer ersten Session ein wenig Bauchgrummeln. Wir haben die Komplexität des Themas gefühlt, haben uns in unserer Diskussion dem Thema auch angenähert, haben dabei aber zu wenig die Vorzüge des Einsatzes des CONSIDEO MODELERs gepaart mit einer adäquaten Vorgehensweise genutzt. Das mussten wir natürlich schnellstens ändern. Wir waren uns dementsprechend auch nicht zu schade, in die Startblöcke zurück zukehren. Das bringt die Beschäftigung mit solch komplexen Themen eben mit sich, dass man auch ab und zu eine Kehrtwende macht und bereits dokumentierte Inhalte verwirft. Wir haben ja trotzdem an Erkenntnis gewonnen, die wir in dieser Session in die Diskussion und die Dokumentation im Modell eingebracht haben.

Sie können gerne unsere zweite Session in dem nachfolgenden Screencast verfolgen.

Den derzeitigen Stand unseres Modells finden Sie hier: https://www.imodeler.info/ro?key=ANj20xoaFsmmRZZUCEbwlKg

Ich habe eben bereits die Methodik angeführt, entlang derer wir unsere Diskussion strukturiert haben. Wie können Sie sich diese vorstellen? Als erstes haben wir das Modell komplett bereinigt und sind vom Faktor “Finanzmärkte sind effizient”, das war ja der erste unserer 10 Fehlbehauptungen, die wir nach und nach als Ankerpunkt für unsere Diskussion nutzen wollen, ausgegangen.

Dann stellten wir uns auf der einen Seite der Fragestellung, was verstärkend bzw. abschwächend auf den Faktor “Finanzmärkte sind effizient” wirkt und sind damit zu den Faktoren “Rationales Kaufverhalten der Marktteilnehmer” (verstärkend), “Emotionales Kaufverhalten der Marktteilnehmer” (abschwächend), “Informationssymmetrie herrscht vor” (verstärkend) und “Markträumungspreis nach Angebot und Nachfrage” (verstärkend) gekommen.

Ich möchte Ihnen dieses Wirkverhältnis für einen Faktor gerne in einem Satz formulieren, damit Sie dieses besser nachvollziehen können.

Eine Erhöhung des rationalen Kaufverhaltens der Marktteilnehmer führt dazu das die Finanzmärkte effizienter werden, als wenn die Rationalität des Kaufverhaltens der Marktteilnehmer gleich bliebe.

Details zu den Wirkverhältnissen können Sie in der Stolperfalle 1 meines Posts Drei Stolperfallen der qualitativen Modellierung nachlesen.

Auf der anderen Seite mussten wir dann eruieren welche Wirkungen von dem Faktor “Finanzmärkte sind effizient” ausgehen, auch hier wiederum in den Wirkrichtungen verstärkend und abschwächend, und sind zu den Faktoren “Begrenzung von Übergewinnen2 (verstärkend) und “Informationen zu Produkten sind vollständig in Kursen abgebildet” (verstärkend) gelangt.

Dieses Vorgehen wird dann für jedes der erhaltenen 5 Faktoren wiederum durchgeführt. Es wird also gefragt: “Was wirkt auf diesen Faktor?” und “Worauf wirkt dieser Faktor?” So bildet sich nach und nach das qualitative Ursache-Wirkungsnetz aus. Bei diesem Vorgehen ist der CONSIDEO MODELER eine große Unterstützung, da man bei der Behandlung der einzelnen Faktoren den jeweiligen Faktor stets in das Zentrum (Klick auf den Faktor und dann Klick auf den Button rechts neben dem Faktor) setzen kann und bereits vorhandene Wirkverhältnisse im Zusammenhang mit diesem Faktor direkt angezeigt werden.

Die folgende Abbildung zeigt das derzeitig vollständige Ursache-Wirkungsnetz mit dem Faktor “Finanzmärkte sind effizient” im Zentrum. Die Argumente für die einzelnen Wirkverhältnisse zwischen den Faktoren entnehmen Sie am besten aus dem oben dargestellten Screencast.

Falls Sie mit den Denkprozessen der Theory of Constrains (ToC) vertraut sind, können Sie dieses Vorgehen auch mit dem Aufzeigen des Gegenwartsbaumes vergleichen. Wir sind jetzt also noch nicht auf der Lösungssuche, sondern wir beleuchten die derzeit von uns in der Gegenwart wahrgenommenen Wirkverhältnisse, um über die Symptome (unerwünschte Effekte) die Ursachen (Kernprobleme) aufzudecken. Den Blick in den Lösungsraum werden wir später wagen. Nach ToC ist dies dann das Aufstellen des Zukunftsbaumes, in welchem nach Optionen für das Abstellen der Ursachen gesucht wird. Prof. Frederic Vester, zieht in seiner Sensitivitätsanalyse, falls Sie eher in Richtung dieser Methodik tendieren, diese Unterscheidung übrigens anhand der Einflussmatrix (gegenwärtige Standortbestimmung) und dem Wirkungsgefüge (Möglichkeitsraum für zukünftige Handlungen).

Nun aber genug der Methodik. Es war jedoch wichtig, diese Vorgehensweise noch einmal herauszustellen. Unsere erste Session hat uns das gelehrt.
Kommen wir nun zu den von mir postulierten offenen Punkten aus der ersten Session.

1. Die Effizienztheorie muss in ihre beobachtbaren Eigenschaften der Akteure zerlegt werden und diese müssen auf ihre Wirkungen und Ursachen im ökonomischen Kreislauf hin in das Modell einfließen.

Wir haben derzeit keine Unterscheidung entlang der einzelnen Akteure (Staat, private Haushalte, Unternehmen etc.) vorgenommen. Ob wir das irgendwann benötigen werden wir sehen. Das wird die fortlaufende Diskussion zeigen. Wie Axel in seinen Ausführungen auch anmerkt sind wir alleine mit der Analyse der ersten Fehlbehauptung „Finanzmärkte sind effizient“ nicht lange nicht fertig.

2. Wir müssen das rationale und emotionale Handeln in der Finanzwirtschaft tiefgründiger beleuchten und Ursache und Wirkungen beider Stränge in das Modell einbauen.

Diese Analyse haben wir vorgenommen. In dem Modell können Sie das Ergebnis dieser Analysen erkennen, wenn Sie jeweils eine der Faktoren „Rationales Kaufverhalten der Marktteilnehmer“ oder „Emotionales Kaufverhalten der Marktteilnehmer“ ins Zentrum rücken. Ob die Analyse abgeschlossen ist, können wir jetzt noch nicht sagen, da sich bei den Analysen der bereits existierenden oder zukünftigen Faktoren noch Wirkverhältnisse zu oder von diesen beiden Faktoren auftun können.

3. Die Rollen von Finanz- und Realwirtschaft müssen detailliert werden und in das Modell einfließen.

Diese dedizierte Unterscheidung haben wir derzeit noch nicht vorgenommen. Wir werden aber sicherlich in der weiteren Analyse unweigerlich auf diese kommen.
Nun möchte ich abschließend eine Hypothese mit den von uns dokumentierten Ergebnissen anstellen. Ich möchte schauen, welche Einflüsse derzeit dazu führen, dass spekulative Kursgewinne gemacht werden können. Dazu möchte ich die Erkenntnismatrix nutzen (Klick auf den Faktor “Spekulative Kursgewinne” und dann Klick auf den Button “i” links neben dem Faktor, im Menü dann auf den Button “Matrix” klicken). Dazu möchte ich Ihnen Folgendes zur Erkenntnismatrix anreichen.

  1. Im grünen Bereich rechts oben sind alle Faktoren platziert, die einen verstärkenden Einfluss auf spekulative Kursgewinne haben und dieser verstärkende Einfluss wird mit der Zeit immer größer.
  2. Im gelben Bereich rechts unten sind alle Faktoren platziert, die einen verstärkenden Einfluss auf spekulative Kursgewinne haben, wobei dieser verstärkende Einfluss mit der Zeit immer kleiner und damit vernachlässigbarer wird.
  3. Im blauen Bereich links oben sind alle Faktoren platziert, die einen abschwächenden Einfluss auf spekulative Kursgewinne haben, wobei dieser abschwächende Einfluss mit der Zeit immer kleiner und damit vernachlässigbarer wird.
  4. Im roten Bereich links unten sind alle Faktoren platziert, die einen abschwächenden Einfluss auf spekulative Kursgewinne haben und dieser abschwächende Einfluss wird mit der Zeit immer größer.

Wir erkennen beispielsweise, dass das emotionale Kaufverhalten (liegt im grünen Bereich) die Menge an spekulativen Kursgewinnen anheben lässt und diese Verstärkung mit der Zeit aufgrund von Rückkopplungseffekten sogar noch stärker wird. Emotionales Handeln beschreibt ein Agieren, was man nicht auf etwas Nachvollziehbarem zurückführen kann. Es gibt dafür keine Handlungsanweisungen, die über klare Ursache-Wirkungsbeziehungen dargestellt werden können. Derzeit erkennen wir, dass dann die spekulativen Gewinne zunehmen. Bedeutet dieser Fakt, dass ein „Verzocken“ auf ganzheitlicher Ebene ausgeschlossen werden kann? Tickt hier der Finanzmarkt anders als beispielsweise ein Kasino oder ähnlich? Oder handelt es sich hier nur um eine Umverteilung des Geldes, dass beispielsweise Wenige davon profitieren und immer reicher werden? Diese Fragestellungen können wir noch nicht beantworten. Das muss weiter analysiert werden.

Auf der anderen Seite erkennen, wir dass, wenn alle Informationen zu Produkten vollständig in Kursen dieser gespiegelt werden (liegt im roten Bereich) würden, sich dies abschwächend auf spekulative Kursgewinne niederschlagen würde. Diese Abschwächung würde mit der Zeit sogar zunehmen. Da ja alle Informationen vorliegen macht auch ein Spekulieren keinen Sinn. Wenn ein Spekulieren keinen Sinn macht, wird dies auch weniger getan, was sich dann natürlich in weniger spekulativem Gewinn niederschlägt. Scheinbar habe ich hier eine gute Erklärung für diesen Effekt. Aber stimmt dieser auch in Gänze. Dies werden wir ebenfalls weiterhin eruieren.

In Anbetracht der Länge dieses Posts (Ich musste heute eine bisschen mehr Sätze über die Methodik verlieren) möchte ich es heute bei dieser einen Hypothese belassen. Ich werde in den nächsten Beiträgen mit Sicherheit mehr auf unsere inhaltlichen Diskussionen eingehen und diese reflektieren.

Ich bin in freudiger Erwartung auf unsere nächste Session.

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Geld tötet Motivation

Gehaltserhöhungen bringen nur einen kurzfristigen positiven Effekt für die Motivation der Mitarbeiter für ihre Arbeit. Diese These habe ich in vielen Diskussionen von vielen Menschen gehört. Ich würde sogar noch weiter gehen.

Geld tötet die Motivation der Mitarbeiter.

Dazu habe ich am Wochenende von einem Freund eine kleine Geschichte, die er im Rahmen einer Führungskräfteschulung gehört hat, angereicht bekommen, die ich Ihnen jetzt weiterreichen möchte.

Es war einmal ein Angler, der jeden Tag am Teich saß und seiner Lieblingsbeschäftigung nachging. Eines Tages kamen Kinder und beschmissen den Mann mit kleinen Kieselsteinen. Er fand das natürlich gar nicht lustig und ermahnte sie aufzuhören. Es half nichts. Das ging einige Tage so. Der Mann überlegte sich dann eines schönen Tages, den Kindern für das Schmeißen der Kieselsteine 10 Euro zu geben. Die Kinder freuten sich natürlich und schmissen mit voller Inbrunst. Am nächsten bekamen die Kinder nur noch 5 Euro für das Schmeißen der Steine. Sie nahmen das Geld und schmissen. Als die Kinder am nächsten wieder am Teich angelangt waren und der Angler ihnen nur noch 2 Euro gab, murrten sie ein bisschen, schmissen aber trotzdem die Steine. Am darauffolgenden Tag, als der Angler ihnen nur noch 1 Euro für das Schmeißen der Steine geben wollte, “zeigten sie ihm einen Vogel” und meinten, dass sich das ja wohl nicht lohnen würde und zogen von dannen. Von diesem Tage an hatte der Angler endlich wieder seine Ruhe.

Auch wenn diese kurze Geschichte mit einer negativ-ethischen Motivation belegt ist, zeigt sie doch sehr schön meine oben postulierte These.

Ähnliches erkennt man bei unserem Notensystem in der Schule. Auch hier wird die intrinsisch qualitativ belegte Motivation der Kinder, die sie noch bis zum 6. Lebensjahr in der Kita haben, durch quantitative Faktoren, in diesem Fall den Noten, extrinsisch versucht zu stimulieren. Und dann wundern wir uns, wenn die Kinder im Laufe der Zeit keine Lust, keine Freude und keine Begeisterung mehr für das Lernen verspüren.

Und das Groteske an der Situation ist, dass wir um diesen Fakt wissen, es aber trotzdem anders machen. Welch ein Irrsinn. Finden Sie nicht auch?

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Change Management bedeutet eine Umgebung der Begeisterung erzeugen

Wandel in Unternehmen wird man nicht mit Macht durchboxen können, sondern nur in dem man für die involvierten Menschen eine Umgebung schafft, in der sie sich begeistern können.

Glauben Sie daran? Ich ja und diesen Glauben möchte ich in meinem heutigen Post untermauern. Ich möchte dieses Thema deshalb behandeln, weil noch viel zu wenig Menschen an diese These glauben und das aus meiner Sicht eines der Hauptfaktoren ist, weshalb Unternehmen in der Regel im Wandel nicht das erreichen, was sie erreichen könnten. Viel zu häufig herrscht in den oberen Managementetagen der Unternehmen noch das Paradigma vor, welches in dem Buch Machtfrage Change: Warum Veränderungsprojekte meist auf Führungsebene scheitern und wie Sie es besser machen postuliert wird.

Veränderung braucht Macht.

Jetzt müssen sich beide aufgeführten Zitate, das erste, an das ich glaube, und das zweite aus dem Buch, nicht grundsätzlich diametral gegenüber stehen. Nur leider ist es zu häufig so, dass Manager und Führungskräfte ihre Macht, die sie qua Hierarchie haben, dafür “missbrauchen”, Druck auf die Mitarbeiter auszuüben. Und spätestens dann zieren beide Zitate nicht mehr ein und dieselbe Seite einer Medaille. Diese Sicht habe ich kurz nach Erscheinen des Buches als Rezension bei amazon hinterlegt. Ich möchte mich jetzt nicht auf dieses eine Buch einschießen. Es ist nur ein Beleg für die herkömmliche Sicht auf das Thema Change, welche von vielen anderen Büchern auch geteilt wird und aus meiner Sicht nicht zu empfehlen ist.

Bevor ich weitere zusätzliche Gedankengänge anführe, die den Erfolgsfaktor Begeisterung für Change Initiativen in Unternehmen untermauern, möchte ich noch einen Fakt anreißen, der ebenso wichtig ist. Wie erkennt man, dass ein Wandel in einem Unternehmen zu initiieren ist? Hier sitzen quasi Change-Engelchen und Change-Teufelchen auf den Schultern eines Managers.

Das Change-Teufelchen sagt:

Ignoriere die Änderungen der Umwelt. Du benötigst diese zum Wahrnehmen Deiner Umwelt.

Denn nach der radikal-konstruktivistischen Auffassung ist es die Aufgabe unseres Nervensystems, eine mehr oder weniger stabile Realität zu errechnen. Diese Aussage wird auch Postulat der epistemischen Homöostase genannt. Weniger elaboriert ausgedrückt geht es also um ein erkennendes Gleichgewicht, für welches Änderungen der Umwelt geglättet werden. Das Neuronetz eines Menschen enthält etwa 100 Mrd. bis 1 Billion Neuronen, von denen weniger als 1% Sensoren an der Oberfläche sind, damit ist also unsere Realität zu mehr als 99% von Signalen unserer Innenwelt bestimmt.

Nun kommt aber das Change-Engelchen und sagt:

Beachte die Änderungen der Umwelt. Sie könnten Anzeichen eines notwendigen Wandels in Deinem Unternehmen sein.

Menschen haben Schwierigkeiten, bewusst auf Änderungen der Umwelt adäquat zu reagieren. Von der Hysterese kennen wir das Phänomen, dass die Menschen Änderungen noch nicht einmal wahrnehmen. In einer neuen Situation tun Menschen in der Regel genau das, was sie in einer früheren ähnlichen Situation getan haben, obwohl die neue Situation sich gegenüber der früheren wesentlich geändert hat. Menschen sind “Gewohnheitstiere”. Erschwerend kommt hinzu, dass der Erfolg von heute gestern gesät wurde und dass das was wir heute tun erst morgen in seinen Auswirkungen erkenn- und wahrnehmbar ist.

Beides ist also notwendig. Auf Veränderungen der Umwelt zu reagieren und dies nicht zu tun, dann aber bewusst. Es werden also Sensoren benötigt, die Änderungen wahrnehmen und diese Änderungen auf Bedrohung für das Unternehmen zu validieren. Je nach Ergebnis der Validierung müssen Aktionen gestartet werden oder eben nicht. Details habe ich in meinem Artikel Kybernetisches Change Management dargelegt.

Nun möchte ich aber zur Begeisterung kommen.

Dafür stütze ich mich auf einen Vortrag von Prof. Dr. Gerald Hüther, den er auf der Konferenz “Muster überwinden – Potenziale entfalten” im Herbst 2011 in Zürich gehalten hat. Hüther erläutert, dass Change immer “Neues” bedeutet. Logisch, sonst wäre es ja kein Change. Um dieses Neue aber zu begreifen, müssen wir lernen. Und nun führt er das Paradigma aus, dem wir in unserer Gesellschaft bis in die Grundfeste aufgesessen sind.

Wir glauben nämlich, und nach diesem Muster sind unsere Bildungseinrichtungen auch noch größtenteils ausgerichtet, dass wir ähnlich lernen können, wie wir beispielsweise unseren Körper in einem Fitnessstudio stählern können. Immer mehr von demselben und immer härter, rein mechanistisch. Daher kommt auch das Synonym für lernen, das Wort “pauken”. Die Hirnforschung hat aber längst nachgewiesen, dass das Herstellen neuer Verbindungen im menschlichen Gehirn, nichts Anderes soll durch Lernen nämlich erreicht werden, nur gelingen kann, wenn bestimmte Botenstoffe, Hüther nennt diese Dünger, im Gehirn produziert werden. Diese Botenstoffe werden aber nur produziert, wenn der Mensch sich für eine Sache begeistert und sich an einer Sache erfreut, wenn er also quasi mit Herzblut bei der Sache ist.

Das Unglaubliche an der Sache ist, dass wir das wissen. Wir wissen, dass wir nur lernen können, wenn wir uns für das zu Erlernende begeistern. Das erkennen wir beispielsweise an der Ausübung unserer Hobbies. Ich möchte Ihnen eine Episode anreichen, die meine Frau und ich mit meiner Tochter, die mittlerweile in der dritten Klasse lernt, erlebt haben. Meine Tochter sollte an einem Wochenende vor ca. 2 Monaten die kleine Malfolge bis zur Zahl 10 lernen. Am darauffolgenden Montag musste sie eine Arbeit schreiben. Sie hatte keine Lust die Rechenaufgaben, die wir auf einem Zettel geschrieben haben, zu lösen. Dann kam meiner Frau eine fantastische Idee. Wir haben im Netz den “Malfolgen Rap” gefunden. Das sind Lieder, von Kindern für Kinder gesungen, die spielend und musikalisch das Erlernen der Malfolgen erleichtern. Meine Tochter ist den ganzen Nachmittag mit Kopfhörern umhergelaufen, hat mitgesungen und die Malfolgen mit Leichtigkeit, weil mit Freude und Begeisterung, gelernt.

Ja ja, ich kann mir jetzt vorstellen, was viele Leser mir am liebsten ins Gesicht schmettern würden. Lernen kann nicht immer Spaß machen. Wir sollten aber auch bedenken, dass wenn es das nicht tut, Lernen unmöglich ist.

Weitere Anregungen zu dem Thema finden Sie in Gerald Hüther im Gespräch mit einem Geschäftsführer. Lassen Sie sich inspirieren und BEGEISTERN.

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Einbeziehung subjektiver qualitativer Werte in Messmetriken

Vor geraumer Zeit habe ich mich mit einem meiner Begleiter auf meiner Reise des Verstehens, Peter Bretscher, zum im Titel dieses Posts genannten Thema unterhalten. Peter hat auf seiner Homepage sehr eindrucksvoll und anschaulich dargestellt, warum es längst überfällig ist, qualitative Werte mit in die Bewertung von ökonomischen Zusammenhängen zu integrieren. Einige seiner Beispiele zur Darstellung in Excelform finden Sie hier. Da ich ihm an dieser Stelle uneingeschränkt Recht gebe, habe ich ihm eine Nachricht gesendet, woraus sich ein wie ich finde spannender Dialog entwickelt hat.

Bevor ich Ihnen diesen Dialog hier anreichen werde, möchte ich noch einmal kurz auf subjektive qualitative Werte eingehen und erklären, was wir damit meinen. Auf die Anfrage an Peter ob der Veröffentlichung unseres Dialogs hat sich dieser kurze Exkurs ergeben. Peter hat am Beispiel der Wettervorhersage dargelegt, dass

… dass auch die Wetterfrösche mit einer realen und mit einer „gefühlt wie“ Skala arbeiten. Auch die ordnen einem gefühlten Eindruck eine quantitative Zahl auf einer erfundenen Metrikskala zu. Ich denke schon, dass es auch im ökonomischen Bereich wichtig ist, einfach mal ne Werteskala für subjektive Werte zu postulieren.

Daraufhin habe ich folgendes erwidert.

Das Wetterbeispiel ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen wo wir noch unterschiedliche Sichtweisen haben, was aus meiner Sicht gar nicht schlimm ist, ganz im Gegenteil. Jeder kann für sich auf diese Art und Weise neue Erkenntnis generieren. Für Dich, so verstehe ich Dich, ist es ein Beleg dafür, wie man Qualitäten in Form von subjektiven Gefühlen oder subjektiven Eindrücken in eine Messskala integrieren kann. Für mich bleiben es quantitative Größen, nun aber verkleidet in qualitativen Gewändern. Ganz oft erlebe ich nämlich, dass meine Frau sagt: “Ich friere”. Ich tue es aber nicht. Das bedeutet wir haben unterschiedliche Eindrücke von der Temperatur. Würde man diese darstellen, wären wir vollkommen auf der Ebene der subjektiven Qualitäten. Bei dem Wetterbeispiel frage ich mich, welches der “Ort” dieser gefühlten Temperatur sein soll, ich, meine Frau oder ein idealisierter Mensch? Im dritten Fall, was es ja nur sein kann in diesem Beispiel, hätte man der Subjektivität wieder einmal die Tür vor die Nase zugeschlagen.

Aber nun zu unserem Dialog.

C. Dethloff

Sehr geehrter Herr Bretscher,
mit enorm großem Interesse lese ich gerade Ihre Ausarbeitungen zur Darstellung von KPIs und Kennzahlen über Vektorprofile, speziell das Dokument Advanced tools for Visualizing, Measuring and Managing Intangibles. In der Abbildung 5 dieses Dokumentes erklären Sie das subjektive Werte über die komplexe Ebene der Zahlen abgebildet werden können. Hier habe ich einige Fragezeichen, zu denen ich gleich kommen werde. Vielleicht können Sie mir da helfen, diese aufzulösen.

Grundsätzlich finde ich die Darstellung über Vektoren faszinierend. Ich bin derzeit mit meiner Abteilung dabei, eine BI Lösung für den OTTO-Konzern zu designen und zu implementieren. Dazu gehört auch das Frontend, sprich, wie stellt man Kennzahlen und KPIs dar, dass Sie bestmöglich von den Nutzern wahrgenommen und interpretiert werden können. Vielleicht werde ich diesbezüglich noch einmal gesondert auf Sie zukommen.

Nun aber zu der Frage. Ich habe mir vor geraumer Zeit ebenfalls Gedanken dazu gemacht (Details finden Sie in diesem Post: http://blog-conny-dethloff.de/?p=467), wie Qualitäten in Zahlen dargestellt werden können und bin zu dem Schluss gekommen, dass selbst komplexe Zahlen dafür nicht ausreichen. Man benötigt dafür so genannte qualitative Zahlen. Mit dieser Schlussfolgerung bin ich dann auch der Meinung, dass Subjektivitäten nicht über komplexe Zahlen abgebildet werden können, da stets nur eine Dimension verfügbar ist, nämlich die imaginäre. Diese eine Dimension kann dann nur eine subjektive Sicht auf eine Thematik abbilden. Was mache ich aber, wenn ich n subjektive Sichten habe. Wie bilde ich diese ab?

Ich finde es extrem spannend, dass Sie die subjektiven Sichten in die Darstellung von Kennzahlen einbeziehen, da dies, so ist meine Wahrnehmung, derzeit noch nicht einmal als relevant erkannt wird, geschweige denn eine Lösung danach gesucht wird. Über einen Austausch würde ich mich freuen.

Beste Grüße,
Conny Dethloff

P. Bretscher

Guten Tag Herr Dethloff,
über Ihre Mail habe ich mich gefreut. Man hat zu diesen Themen nicht so viele Diskussionspartner. Speziell auch über Ihre Frage, wie man die Zahlen selbst noch mit qualitativen Informationen “impfen” könnte. Ich muss gestehen – darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Aber ich bin daran, Ihre Gedanken (auch von Baldus und Günther) in dem Post und den Reaktionen nachzuvollziehen.

Qualitative Zahlen haben schon irgendwie ihren Reiz. Aber bis jetzt sind in meinem Weltbild die “qualitativen Eigenschaften” subjektive Einschätzungen (eine von mehreren Eigenschaftsdimensionen), die direkt am Objekt “angedockt” sind. Diese Eigenschaftsdimensionen haben alle ihre subjektive oder objektive (Mass-)Einheit. Aus dieser Perspektive erhalten Zahlen ihre Bedeutung aus der Verbindung mit einer Einheit. Die Beschreibung eines Objektes ist dann ein mehrdimensionaler Vektor – mit genau so vielen Achsen, wie es Metriken gibt die man berücksichtigen will.

Dass man dabei auch “subjektive Metriken” zulässt, ist vielleicht in den Wissenschaften heute nicht so üblich. Aber auch Volta hat für die Beschreibung seiner Versuche zuerst eine “subjektive Zwickskala” eingeführt. Den Spannungsmesser (Voltmeter) gab’s zuerst noch nicht. So steht (aus meiner Perspektive) eben mehr die Entwicklung der Metriken im Vordergrund für eine Lösung.

Für die Berücksichtigung von “n subjektiven Sichten” würde ich aus heutiger Sicht eher zum AHP-System tendieren. Wir haben das AHP-System mal gebraucht, um über das Web Kundensichtweisen abzuholen und mit Kennzahlen aus dem BAB zu kombinieren. Ja – auch diese subjektiven Priorisierungen kann man mit Vektoren visualisieren. Wegen den Fragestellungen im AHP sind es nicht “Priorisierungsachsen” sondern „Priorisierungsebenen“.

Aber vielleicht sollte ich besser das Mail jetzt abschicken und die Variante “Zahlen mit Bedeutung” in Betracht ziehen.

Beste Grüsse
Peter
PS: Können wir zum „Vornamensystem“ wechseln – ist weniger formell

C. Dethloff

Guten Morgen Peter,
gerne wechseln wir zum Vornamen. Ich finde Deine Überlegungen und Ausarbeitungen, mehrere Dimensionen auf einen Blick zu einem “Objekt” darzustellen, extrem spannend. Da werde ich sicherlich einige Anwendungsgebiete finden. Danke für die Anregung.

Ich komme noch einmal zu den Qualitäten zurück. Ich beziehe mich gerne auf das letzte Beispiel in Deinem Dokument. Der intrinsische Wert “use value” ist aus meiner Sicht scheinsubjektiv. Denn bei gleichem Buchwert und unterschiedlichen Kaufpreisen erhält man stets unterschiedliche intrinsische Nutzwerte. Das bedeutet, die Mächtigkeit zwischen objektiven und subjektiven Werten ist gleich. Das kann aber nicht sein. Der Nutzwert wäre nur dann subjektiv, wenn man bei gleichen Buchwerten und gleichen Kaufpreisen auch unterschiedliche Nutzwerte erhalten kann; oder gleiche Nutzwerte erhalten kann, obwohl beispielsweise die Buchwerte oder auch die Kaufpreise unterschiedlich sind. Des Weiteren wird der subjektive Wert auf der Basis von Pythagoras errechnet. Hier übertragen wir Erkenntnisse aus der “materiellen Welt” 1:1 in die “sinnliche Welt”. Da bin ich eher skeptisch.

Gotthard Günther liefert mit seiner Polykontexturalitätstheorie einen Ansatz für die Darstellung von Qualitäten. Dafür erweitert er allerdings den Ansatz der Aristotelischen zweiwertigen Logik. Er macht quasi aus einer monkontexturalen eine polykontexturale Logik, um Subjektivitäten abbilden zu können. Unsere gesamte Wissenschaft ist aber auf der monokontexturalen Logik von Aristoteles aufgebaut und damit unsere gesamte Technik, auch Computer. Derzeit werden die Arbeiten von Günther verschmäht, zumindest in der Abendländischen Welt. Leider.

Details dazu findest Du in meinem Blog unter diesen Tag. Eine sehr gute verständliche Einführung gibt es auch hier. Es freut mich immer wieder Menschen zu finden, mit denen man über diese Thematik diskutieren kann. Sie sind rar gesät. Leider.

Beste Grüße,
Conny

P. Bretscher

Hallo Conny
Bin dabei, den Inhalt Deiner Links auszuloten und zu verstehen. Mit Gotthard Günther habe ich mich bisher noch nicht auseinandergesetzt. Seine Logik der Polykontexturalität – soweit ich sie bisher nachvollziehen kann – kann aus der Sicht “eines Logikers/ Kybernetikers” möglicherweise Sinn machen. Auch an die Grenzen einer “zweiwertigen Logik” bin ich schon mehrmals gestossen. Mir scheint, dass es eigentlich rational wäre, auch das Nicht-Rationale in die logischen Überlegungen einzubeziehen. Aber vielleicht ist es von den Rationalisten halt zu viel verlangt, dass ausserhalb ihrer Erklärungsmodelle auch noch andere Logiken denkbar (und ebenso richtig wie unvollständig) sind.

Zur Beantwortung Deiner Fragen musste ich mich wieder in “meinen Zustand” zurückversetzen, der herrschte, als mir “die Lösung erschien”, das “Werte” sowohl eine objektive als auch eine subjektive Dimension haben. Aktuell bin ich noch nicht so weit, dass ich die Antworten “niet- und nagelfest” niederschreiben kann, ohne dass Missverständnisse auftreten. Worte werden nun mal anders gelesen als sie geschrieben wurden. Ich komme mit den Antworten, sobald ich mit meiner Formulierung zufrieden bin.

Jedenfalls: Einen der Knackpunkte sehe ich in der Bedeutung des Begriffs “Wert” im Bereich der Ökonomie. In meinem Weltbild hat ein Objekt (Ferrari) primär keinen Wert. Nur ein Mensch (als Bewerter) gibt in seinen Kopf dem Objekt (Ferrari) einen (subjektiven, nicht-monetären) Wert. Nur ein Bewerter gibt dem Ferrari seinen Wert. Der Entscheid, dieses Auto zu kaufen, hängt dann von einer ebenfalls subjektiven Bewertung ab, ob dem potenziellen Käfer die Geldmenge oder das Auto mehr wert sei. Der Wert ist also im Kopf des Bewerters und nicht im Objekt. Die Grösse des Wertes im Kopf hat irgendeine “imaginäre” – jedenfalls nicht eine monetäre Einheit, weil diese ja für die ökonomischen Indikatoren wie “Kosten” oder “Preise” bereits verwendet werden. Wenn man also zwei unterschiedliche Einheiten gemeinsam aufzeigen soll, kommt man als Ingenieur aus ganz praktischen Gründen automatisch zu einer “Werteebene” mit einem Vektor. Die Überlegungen zu den Themen Polykontextur, 2D-Logik, Gewichtung der Zahlen können auf dieser Ebene (noch) vernachlässigt werden.

Ich melde mich wieder.

Beste Grüsse
Peter
PS: Chapeau für Deine Wesite

C. Dethloff

Hallo Peter,
danke für das Feedback zu meiner Webseite und zu den Fragen. Ich verbleibe gespannt.
Beste Grüße,
Conny

P. Bretscher

Hallo Conny
Anbei eine hoffentlich lesbare Form

  1. Über Begriffe, Ausgangslage der Entstehung und
  2. Antworten auf Deine Fragen.

Es ist relativ aufwendig, “neue” Sichtweisen möglichst “nachvollziehbar” zu beschreiben. Viele Worte sind ja schon “mit einem Inhalt versehen” und werden aus anderer Perspektive anders verstanden. Auch hat man auf diesem Gebiet nicht gerade viele kompetente Gesprächspartner. Und so hoffe ich, dass ich meine Sicht in diesem pdf-Dokument etwas aufzeigen kann.

Aber vielleicht wäre ein Gespräch besser geeignet, die Sichtweise und die Perspektiven zu beleuchten.

Beste Grüsse
Peter


C. Dethloff

Hallo Peter,
ich stimme mit vielen Deiner Gedanken und Ideen überein, vor allem auch darin, dass wir bei der Bewertungen innerhalb der Wirtschaft endlich Qualitäten oder Subjektivitäten einbringen müssen. Genau an dieser Stelle hänge ich aber noch: Wie errechnet man qualitative Werte?

Bei dieser Berechnung können wir nicht davon ausgehen, dass wir einfach Formeln unserer rationalen Welt in die emotionale Welt transformieren können. Denn wie Du auch schreibst sind die Werte im Kopf des Beurteilers. Wir haben aber bzgl. einer zu beurteilenden Situation tendenziell viele Beurteiler, also auch viele Werte (Wert eines Produktes) bzgl. einer objektiv dargelegten Zahl (Kaufpreis eines Artikels). Wenn wir hier dann beispielsweise über Pythagoras einen Wert ermitteln, bekommen wir nur genau einen subjektiven/ qualitativen Wert zu einem objektiven/ quantitativen Wert. Das passt ja dann nicht. Bei mir bleibt also die große Frage hängen, wie wir von einem quantitativen auf einen qualitativen Wert schließen können. Nutzen wir Formeln aus unserer quantitativen Welt, bekommen wir als Ergebnis auch nur einen quantitativen Wert.

Bzgl. der Darstellung von Fakten werde ich Deine Gedanken und Ideen in Zukunft gut anwenden können, da es in vielen Fällen sicherlich bei der Mustererkennung in Richtung Trendbrüche behilflich sein kann. Es bleiben aber aus meiner Sicht rein quantitative Fakten, die ich darstelle.

Ich hoffe, ich konnte meinen “Hänger in den Gedankengängen” genau genug ausführen. Was denkst Du dazu?

Beste Grüße,
Conny

P. Bretscher

Hallo Conny,
bin auf dem Sprung für eine Woche in die Ferien und wollte noch schnell die Antwort in pdf-Form an Dich schicken. Ist darum etwas kurz geworden – vielleicht zu kurz?

Eine etwas ausführlichere Erklärung habe ich mit Jürgen Daum für eine Veranstaltung in Edinburgh gemacht. Das PPT für die Präsentation damals findest Du hier.

Hoffe, dass diese Antwort nicht den gleichen “Hänger” verursacht. Ach ja – danke für die Fragen. Tut gut, wenn man auf der Suche nach Antworten die grauen Zellen wieder abstauben muss.

Beste Grüsse und eine schöne Woche.
Peter


C. Dethloff

Hallo Peter
Ich wünsche Dir einen erholsamen Urlaub. Vielleicht liest Du die Mail ja auch erst, wenn Du diesen hoffentlich gehabt hast. Jetzt verstehe ich Dich, wenn Du schreibst:

Irgendwann bin ich dann halt darauf gekommen, dass man einfach etwas postulieren muss – wenn es noch nichts G’scheites bereits gibt. Der Gesamtpreis entspricht dann per Postulat der Hypothenuse. Und die hypothetischen Kosten für das Material (oder einen anderen Referenzpreis) der Länge der Kathete auf der Geldachse.

Allerdings lässt mich genau dieser Gedanke davon abhalten, das Ergebnis dann als etwas Qualitatives zu deuten. Ich gebe Dir Recht. Wir haben derzeit keine andere Möglichkeit, weil unsere rationalen Verfahren und unsere Zahlen nichts Anderes zulassen. Aber dann ist das eben so. Bestärkt hat mich in diesen Gedanken Karl-Heinz Brodbeck in seinem Artikel Geld und Sprache – Der innere Widerstreit in der Modernisierung.

Trotzdem will ich nicht umhin, das Deine Gedanken und Ideen mich bereichert haben. Danke dafür.

Beste Grüße,
Conny Dethloff

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Das quantenmechanische Phänomen des Messens

Unser gesamtes Leben ist unter anderem geprägt vom Messen. In der Schule werden die Leistungen der Schüler durch Benotungen honoriert. In der Wirtschaft schaffen Kennzahlensysteme eine Transparenz über den Stand des Unternehmens am Markt. Sicherlich finden Sie noch viele weitere Beispiele für das Messen.

Welche Motivation liegt aber dem Messen zu Grunde? Warum messen wir Menschen eigentlich? Menschen haben sich in vielen Bereichen eine Kultur des Wettbewerbs geschaffen. Es muss immer höher, immer schneller, immer weiter gehen. Das impliziert dann aber auch das Gefühl des Vergleichen Müssens. Wir schaffen uns Kriterien gegen die die erbrachten Leistungen, egal welcher Art, vergleichen müssen, um dieses Höher, Schneller und Weiter zu eruieren. Ich werde jetzt gar nicht auf die Schwierigkeit des Quantifizierens qualitativer eingehen. Das habe ich unter anderem in meinem Post Behindert unser unzureichendes Zahlenverständnis unser Problemlösen? getan.

Ich möchte heute eher die Thematik beleuchten, dass wir uns bewusst sein müssen, dass wir mit dem Akt des Messens vielleicht die Umwelt und damit die Ergebnisse des Messens beeinflussen. Die Sendung “Der Stoff aus dem der Kosmos ist”, welche in 4 Teilen und erstmalig am 1. November 2012 auf Arte ausgestrahlt wurde, gibt nicht nur einen sehr anschaulichen und relativ leicht verständlichen Einblick in die Quantenmechanik, sondern geht auch auf das Phänomen des Messens ein.

https://www.youtube.com/watch?v=CpeSF8Asy2E

Unter anderem wird ein Meinungsstreit der beiden Physiker Albert Einstein und Niels Bohr nachgezeichnet, der sich um das Messen drehte. Für Bohr war offensichtlich, dass der Akt des Messens Alles verändert. Bevor etwas gemessen wird, sind die Eigenschaften eines Teilchens unbestimmt. Der Messvorgang des Menschen zwingt also das Teilchen dazu, aus einem Möglichkeitsraum von Orten wo es sich befinden könnte, genau einen zu wählen, wo es sich tatsächlich befindet. Diesen messen wir dann. Einstein konnte diesen Gedankengängen nicht folgen. Für ihn war klar, dass Teilchen an genau einem bestimmten Ort sind und nicht nur dann wenn wir Menschen diesen messen. Dieser Streit wurde zu Gunsten von Bohr in späteren Jahren experimentell aufgelöst. Der Werdegang dieser Auflösung ist Bestandteil dieser Sendung.

Dieser Meinungsstreit bzgl. des Messens fokussiert auf Teilchen, also auf die Mikrowelt. Können wir diese Phänomene ganz einfach auf unsere Makrowelt transferieren? Derzeit forschen Wissenschaftler in genau diesem Bereich und thematisieren dabei so futuristische Themen wir das Beamen, welches Sie sicherlich aus der TV-Serie “Raumschiff Enterprise” kennen. Diese Forschungsarbeiten werden ebenfalls in dem Video reflektiert.

Würde sich Bohrs These auch in der Makrowelt bestätigen, bedeutete dies, dass wir beispielsweise durch die Messung des Umsatzes oder durch die Messung von Abverkäufen und die anschließende Darstellung der Ergebnisse in Form von KPIs den eigentlichen Verkauf von Produkten beeinflussen. Vor dem Akt des Messens wäre dieser unbestimmt. Dieser Fakt nimmt auch eine andere Dimension ein, als ich in meinem Post Diversity Management schafft Einfalt statt Vielfalt beschrieben habe, in dem ich beschreibe, das das Normative und das Deskriptive sich in einem selbstverstärkenden Kreislauf befinden. Dieser Umstand hätte im Bereich der Unternehmensführung einen nie dagewesenen Einfluss.

Alleine darüber nachzudenken fühlt sich skurril an, oder?

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Der Zauber des MIA-SAN-MIA Gefühls

Am Geschehen im Profifußball kann man aus meiner Sicht hervorragend Lehren für das Führen und Managen von Unternehmen extrahieren. Warum? Auf einer gewissen Abstraktionsstufe kann man Fußballvereine der oberen Ligen mit Unternehmen aus der Wirtschaft gleich setzen. Des Weiteren erkennt man bei genügender Reflektion Zusammenhänge zwischen dem Handeln und Agieren von Verantwortlichen der Fußballvereine und den Ergebnissen dieser, was bei Unternehmen der Wirtschaft nicht so gegeben ist, da sie für die Öffentlichkeit nicht so transparent aufgestellt sind.

Vielleicht haben Sie sich auch schon des Öfteren gefragt, was das Geheimnis des mittlerweile 40 Jahre währenden Erfolgs des FC Bayern München ist. Denn dass das so ist, muss wohl Jeder zugeben, auch wenn er nicht wie ich Fan dieses Vereins ist. Ich möchte diesen Umstand mal an einem Faktor beleuchten, auch wenn mir natürlich klar ist, dass nicht nur ein Faktor dafür verantwortlich sein kann, und diesen Faktor dann auf die Wirtschaft spiegeln. Es ist nämlich ein Faktor, den man bei allen anderen deutschen Vereinen vergeblich sucht. Es ist das oft gepriesene, wohl auch von Nicht-Bayernfans oft verhasste, MIA-SAN-MIA Gefühl.

Wofür steht dieses MIA-SAN-MIA Gefühl? Es steht für ein Selbstverständnis für den Erfolg. Der FC Bayern München geht in jede Saison als selbsterklärter Favorit auf den Titel, ganz egal wie die letzte Saison verlaufen ist. Genau dieses Gefühl versprühen die Vereinsoberen auch nach außen. Es ist also nicht nur ein Sagen, sondern auch ein Handeln und Agieren dahinter zu erkennen. Alles andere als der Sieg ist nicht akzeptabel. Der zweite Platz ist der erste Verliererplatz. Das MIA-SAN-MIA Gefühl bedeutet aber auch ein bedingungsloses verantwortlich sein für den Erfolg aber auch für den Misserfolg. Dieses MIA-SAN-MIA Gefühl drückt sich in Herzblut der Verantwortlichen für den Erfolg aus. Beim FC Bayern brennen die Vereinsoberen lichterloh für den Erfolg. Dieses Gefühl kommt also von tief innen und ist so normal in die Denk- und Handelsweise jedes Einzelnen im Verein integriert wie es Hunger und Durst auch sind.

In den letzten 40 Jahren gab es einige Mannschaften, die über einen kurzen Zeitraum dem FC Bayern München Paroli bieten konnten. In den 70-er Jahren war es die Mannschaft von Borussia Mönchengladbach, in den 80-er Jahren war es Werder Bremen und in den späten 90-ern war es Borussia Dortmund. Jüngstes Beispiel ist wiederum Borussia Dortmund, die in den letzten beiden Spielzeiten die Bundesliga beherrscht haben, das muss ich unumwunden, auch als Bayernfan, zugeben. Sie haben in 5 Spielen nacheinander den FC Bayern besiegt und im letzten dieser 5 Spiele, im DFB Pokalfinale, den FC Bayern gar an die Wand gespielt. Trotzdem gehen die Vereinsoberen der Borussia vor Beginn dieser Saison in die Defensive und wollen nichts vom Meistertitel wissen. Aus ihrer Sicht ist der FC Bayern klarer Favorit, was sie auch immer wieder in den Medien betonen. Das ist aus meiner Sicht in keinster Weise zu verstehen. Wie kann ich den aktuellen Fußballer des Jahres, Marco Reus, verpflichten und kein Meister werden wollen? Wie kann ich den FC Bayern in den letzten beiden Jahren dominieren und jetzt kein Meister werden wollen? Das geht nicht. Damit hole ich mir den Nichterfolg von ganz alleine ins Haus. Die Geister, die ich rief. Das wirkt nicht authentisch und man muss sich dann am Ende nicht wundern, wenn man kein Meister wird.

Genau dieses Phänomen des Tiefstapelns habe ich in den letzten Jahren auch bei anderen Vereinen, die kurzzeitig oben waren wahrgenommen. Sie sind nicht offensiv mit Zielsetzungen umgegangen und haben sich so ganz im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung die faulen Eier selbst ins Nest gelegt. Natürlich müssen Zielsetzungen realistisch sein. Sie müssen aber auch herausfordernd sein, da man sonst in seinen Leistungen stagniert. Würde der SC Freiburg mit der Marschroute Meister werden zu wollen in eine Saison gehen, würde man dies sicher belächeln, aber nicht bei Dortmund vor Beginn dieser Saison. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass Borussia Dortmund jetzt Tabellenerster wäre, wenn Watzke und Klopp vor der Saison die Meisterschaft als Ziel ausgelobt hätten. Da spielen dann auch schon andere Faktoren eine Rolle. Bayern wird ja auch nicht jedes Jahr Meister, nur weil sie dieses als Ziel ausloben. Sie werden es aber häufiger als alle anderen Mannschaften. Und genau auf diese Nachhaltigkeit kommt es letztendlich an.

Die Vereinsoberen von Borussia Dortmund haben in den letzten Jahren viele Dinge richtig gemacht und damit den Weg des Erfolges eingeschlagen, den sie nun aber nicht mehr konsequent weiterverfolgen. Vielleicht haben sie ja die Meisterschaft intern als Ziel festgelegt. Wenn ich das aber nicht nach außen verkörpere reicht das nicht. In gewissen Momenten gibt man den Spielern dann nämlich ein Alibi: “Wir wollten ja gar kein Meister werden.” Können Sie sich vorstellen, dass Matthias Sammer, angenommen er wäre vor der Saison zu Dortmund gegangen, dieses öffentliche “Nicht-Meister-werden-wollen” mitgetragen hätte? Ich glaube auf gar keinen Fall. Sammer steht für unbändigen Siegeswillen, weshalb er auch so wahnsinnig gut zum FC Bayern München passt. Er bringt dieses MIA-SAN-MIA Gefühl schon mit.

Natürlich lehnt man sich mit solch einer Art des Denkens und Handelns sehr weit aus dem Fenster. Denn in der Öffentlichkeit wird man an seinen Zielen gemessen. Das erkennt man auch am Beispiel des FC Bayern. Werden sie in einer Saison kein Meister, müssen sie sehr viel Häme einstecken, denn sie wollten es ja werden. Werden andere Vereine kein Meister, ist das normal. Sie wollten es gar nicht werden. Als Vereinsoberer eines solchen Vereins wie der FC Bayern benötigt man also sehr viel Persönlichkeit und Rückgrat. Übrigens nicht nur die Vereinsoberen, sondern auch die Spieler. Man hört es immer wieder, dass Spieler beim FC Bayern von einer gewissen Atmosphäre im Verein sprechen, die sie enorm reifen lassen, weil sie mit wahnsinnig viel Druck umgehen lernen müssen. Ist es ein Zufall, dass enorm viele ehemalige Spieler des FC Bayern nach ihrer aktiven Spielzeit als Moderatoren oder Experten bei Fernsehsendern engagiert werden?

Mir ist natürlich bewusst, dass genau dieses MIA-SAN-MIA Gefühl des FC Bayern gerade bei Nichtfans als arrogant gewertet wird. Das kann ich nachvollziehen. Es ist aber nur konsequent. Im Sport geht es nun einmal um Gewinnen oder Verlieren. Sportliche Wettkämpfe sind Nullsummenspiele. Und beim FC Bayern möchte man immer gewinnen. Genau nach diesem Motto tritt man nach außen authentisch auf. Den Spielern wird genau diese Maxime quasi eingeimpft. In der Regel ist es nun aber so, dass Ziele, im Sinne des Erreichens dieser, gerne nach unten korrigiert werden. Damit gelangt man in einen abwärts gerichteten Leistungsstrudel. Detaillierter habe ich dieses Phänomen in meinem Post Verhaltensmuster im Projektmanagement Teil 1: Zielanpassungen analysiert. Das MIA-SAN-MIA Gefühl wirkt diesem Abwärtstrend entgegen, da Ziele niemals nach unten korrigiert werden. Es wird stets das maximal Erreichbare und Sinnvolle angestrebt.

Ich möchte eine Prognose wagen. Borussia Dortmund war sicherlich seit langer Zeit wieder einmal so nah wie kein anderer Verein auf dem Level des FC Bayern. Wird dieser jetzt eingeschlagene Weg weiter verfolgt, wird Borussia Dortmund sehr bald nicht mehr auf Augenhöhe mit dem FC Bayern sein. Sie haben dann eine große Chance verpasst und benötigen wieder viele Jahre, wenn überhaupt, um in diese Regionen vorzupreschen. Und das nur weil aus meiner Sicht der Mut fehlte “richtig” anzugreifen. Unzählige Beispiele, wie die oben Angesprochenen, belegen diese These.

Damit andere Vereine also über einen längeren Zeitraum mit dem FC Bayern ernsthaft konkurrieren können, benötigen sie ebenfalls dieses Selbstverständnis des Siegenwollens. Das ist allerdings nicht so einfach auszuloben oder aufzuoktroyieren. Dieses Gefühl muss von ganz Oben authentisch vorgelebt werden, damit jede Person dieses Vereins dieses Gefühl verinnerlichen kann. Zu diesem Vorleben gehört aber auch Niederlagen einzustecken und damit offen und mit breiter Brust umzugehen. Für die Entstehung diese MIA-SAN-MIA Gefühls gibt es auch keine Erklärung ähnlich eines Rezeptes, da dieser emergent ist. Es gibt keine Handlungsvorschriften, die helfen, dieses Gefühl den Menschen eines Vereines einzupflanzen. Aber genau dieser Faktor ist es, der den FC Bayern ganz besonders von allen anderen deutschen Vereinen unterscheidet und der letztendlich für den langfristigen Erfolg steht.

Wie oben schon angedeutet, möchte ich die Ursachen des langfristigen Erfolges des FC Bayern nicht trivialisieren. Viele Faktoren gehören sicher dazu, wie die Kompetenzen der einzelnen Akteure, das vorhandene Geld, die aufgebauten internen Strukturen etc. Allerdings glaube ich ganz fest daran, dass Alleine das Fehlen dieses MIA-SAN-MIA Gefühls den langfristigen Erfolg nicht realisierbar gemacht hätte, wenn alle anderen Faktoren. Dieser ist quasi der Schlüsselfaktor, der genau diese Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ermöglicht.

Was bedeutet das eben Reflektierte nun für die Wirtschaft? Auch wenn die Wirtschaft wie der Sport kein Nullsummenspiel ist, kann man, wie am Anfang angedeutet, Lehren ziehen. Viele Themen habe ich bereits beschrieben, die übertragbar sind. Da wären zum einen das Herzblut und das Brennen für den Erfolg eines Vorhabens, oder das unbedingte Übernehmen von Verantwortung. Es ist wichtig, für eine Sache mit “Haut und Haaren” einzustehen, wenn man daran glaubt, und diesen Glauben auszustrahlen. Im Erfolgsfall ist das natürlich immer einfach, denn der Erfolg hat viele Eltern, nur der Misserfolg ist ein Stiefkind. Hierfür muss eine Fehlerkultur im Unternehmen etabliert sein. Gerade für einen Misserfolgsfall, der immer eintreffen kann, ist Mut wichtig, Ziele nicht herunter zu loben, denn man wird stets an diesen Zielen gemessen.

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Die Finanzkrise verstehen: Aller Anfang ist schwer aber spannend

Ich habe in meinem Post Die Finanzkrise verstehen: Aufruf zum kollaborativen Modellieren mit dem iMODELER auf das Vorhaben hingewiesen, in dem wir mithilfe des CONSIDEO iMODELERs und der Methode des qualitativen Modellierens die Finanzkrise verstehen wollen.

Am Montag, den 15. Oktober um 20.30 Uhr war es nun soweit. Axel Schröder und ich haben die erste Session abgehalten. Und das vorweg. Es war extrem spannend und hat Lust auf mehr gemacht. Warum? Weil, und das habe ich des Öfteren bereits in meinem Logbuch formuliert, für mich nach der Session einige Thematiken zu hinterfragen und zu beleuchten sind, die vor der Session für mich selbstverständlich schienen. Aber dazu gleich mehr.

Vorweg möchte ich Sie aber noch auf zwei Dinge aufmerksam machen.

Zum einen möchte ich auf den Post von Axel Schröder Finanzkrise verstehen mit dem iModler: Die Effizienzmarkthypothese – und alles kam anders verweisen, der seine Gedanken und Ideen zu dieser Session ebenfalls verschriftlicht hat. Das ist aus meiner Sicht ein spannender Nebeneffekt. Axel und ich (und hoffentlich noch viele weitere Mitstreiter in der Zukunft) gehen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Vorwissen in diese Sessions, was letztendlich zu spannenden Diskussionen aber auch zu unterschiedlichen Einsichten und Erkenntnissen nach den Sessions führen. Dieses Momentum wollen wir für die fortführenden Diskussionen nutzen und damit den entscheidenden Unterschied zu bisherigen Diskussionen zur Finanzkrise setzen, die doch sehr häufig von Eigennutz der Beteiligten geleitet waren.

Zum anderen ist es für Sie wohl nicht minder wichtig zu wissen, wo Sie den derzeitigen Diskussionsstand abgreifen können. Unter https://www.imodeler.info/ro?key=ANj20xoaFsmmRZZUCEbwlKg können Sie stets den aktuellen Ergebnisstand unserer Diskussion, die Axel dankenswerterweise aufgezeichnet hat, nachverfolgen.

Die roten Faktoren in diesem Modell sind Anmerkungen von mir und die gelben Faktoren sind Anmerkungen von Axel, die aus Überlegungen nach den jeweiligen Sessions resultiert sind, und die in nachfolgenden Sessions einer Überarbeitung bedürfen. Des Weiteren werde ich nicht müde zu betonen, dass das Modell noch nicht fertig ist, ja wohl niemals fertig sein kann, da immer wieder neue Erkenntnisse generiert werden, die neu in dem Modell reflektiert werden müssen.

Aber nun zu unserer Session am Montag. Als Ankerpunkt für unsere These haben wir die These Finanzmärkte sind effizient bemüht. Um zu verstehen, was der eigentliche Inhalt hinter diese These ist, haben wir uns angeschaut, was die Effizienzmarkthypothese der Finanzmärkte eigentlich aussagt. Wikipedia “sagt” dazu Folgendes.

Die fundamental geprägte Effizienzmarkthypothese (engl. Efficient Market Hypothesis, kurz EMH) wurde 1970 von Eugene Fama als mathematisch-statistische Theorie der Volkswirtschaftslehre zusammengefasst. Sie besagt, dass die Finanzmärkte in dem Sinne effizient sind, dass vorhandene Informationen bereits eingepreist sind und somit niemand in der Lage zu dauerhaft überdurchschnittlichen Gewinnen ist.

Daraus haben wir geschlussfolgert, dass auf dieser Basis alle Akteure (Staaten, private Haushalte, Unternehmen der Realwirtschaft, Banken, Finanzinstitute und Ratingagenturen) vollständig rational auf Basis gleicher und vollständiger Daten, die auf objektive Methoden basierend zu gleichen Informationen transformiert, agieren müssen. Diese Erkenntnis haben wir dann auch in Faktoren und ihren Wirkungen zueinander verarbeitet.

Danach kamen wir ins Stocken. Ich hatte bereits im Rahmen der Diskussion mit Axel das Bauchgefühl, dass die oben beschriebene Situation niemals eintreten kann. Es geht gar nicht, dass alle Akteure gleichermaßen Zugang zu allen Daten haben und diese dann auch noch in gleicher Art und Weise zu Information transformieren. Noch schlimmer. In dieser Hypothese wird noch nicht einmal zwischen Daten und Information unterschieden. Objektivität, die hier postuliert wird, kann niemals gegeben sein. Mir fiel es nur in der Diskussion schwer dieses Bauchgefühl in dem Modell zu verarbeiten. Ich empfinde diesen Fakt aber keineswegs als negativ, ganz im Gegenteil. Es spornt mich an, diese Gedanken und Ideen für die nächste Session tiefgründig zu durchdenken und dann zur Diskussion zu stellen.

Wahrscheinlich war dieses Stocken in der Diskussion auch der Grund für meinen Shortcut, den Axel in seinem Post als mein starkes Postulat beschrieben hat. Finanz- und Realwirtschaft nehmen unterschiedliche Rollen im gesamtvolkswirtschaftlichen Kreislauf ein, weshalb auch die mögliche (Die Richtigkeit muss aus meiner Sicht auch für die Realwirtschaft evaluiert werden, das aber nicht Bestandteil unserer Betrachtung sein soll) Richtigkeit der Effizienzmarkthypothese für die Realwirtschaft nicht auf die Finanzwirtschaft zu übertragen ist. Alle meine Beispiele

  1. In der Finanzwirtschaft wird mit Produkten, nämlich Geld, operiert, die nicht an Wert verlieren, ganz im Gegenteil durch den Zinseszins sogar gewinnen.
  2. Die Finanzwirtschaft hat die eigentliche Funktion die Realwirtschaft in Bezug auf Investitionen zu unterstützen und nicht aus sich selbst heraus zu agieren.
  3. Die Werte, die sich in der Realwirtschaft in Form von Preise der Produkte bilden, müssen mehrfach aufgrund des Zinseszins von der Realwirtschaft wieder erwirtschaftet werden, weshalb die Realwirtschaft sich nicht aus dem Schwitzkasten der Finanzwirtschaft befreien kann

wurden von Axel immer wieder mit guten Argumenten entkräftet. Auch das sehe ich als Erfolg dieser Session an, da ich noch tiefgründiger die Thematik bei der Wurzel packen muss, was bis zur nächsten Session auf jeden Fall geschehen wird.

Es bleiben also folgende Themen offen, die ich bis zur nächsten Session durchdenken werde.

  1. Die Effizienztheorie muss in ihre beobachtbaren Eigenschaften der Akteure zerlegt werden und diese müssen auf ihre Wirkungen und Ursachen im ökonomischen Kreislauf hin in das Modell einfließen.
  2. Wir müssen das rationale und emotionale Handeln in der Finanzwirtschaft tiefgründiger beleuchten und Ursache und Wirkungen beider Stränge in das Modell einbauen.
  3. Die Rollen von Finanz- und Realwirtschaft müssen detailliert werden und in das Modell einfließen.

Ich hoffe, ähnlich wie Axel auch, dass wir die von uns angesprochenen Themen und Fragestellungen in der nächsten Session mit weiteren interessierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern diskutieren und modellieren können. Wie sie dem Screencast sicherlich entnehmen können, sind wir offen gegenüber jeder Idee und jedem Gedanken in diesem Zusammenhang, da wir nach dem Motto agieren, dass wir nur gewinnen können, da wir Erkenntnis generieren. Ich finde es absolut erfrischend, dass ich mit Axel einen Begleiter meiner Reise des Verstehens gefunden habe, der dieses Motto ebenso schätzt.

Ich freue mich bereits auf die nächste Session. HAPPY MODELING.

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Diversity Management schafft Einfalt statt Vielfalt

Ich habe viele Diskussionen, Vorträge und Schulungsveranstaltungen zum Thema Diversity erlebt. Diversity bedeutet auf Deutsch Vielfalt. Unternehmenslenker möchten in ihren Unternehmen die soziale Vielfalt der Menschen konstruktiv nutzen. Aus diesem Grund heraus wurde auch eine Managementdisziplin namens Diversity Management aufgesetzt, die wohl inzwischen in jedem Unternehmen, was etwas auf sich hält, etabliert ist. Zur Definition von Diversity Management verweise ich gerne auf Wikipedia.

Diversity Management (auch Managing Diversity) bzw. Vielfaltsmanagement wird meist im Sinne von “soziale Vielfalt konstruktiv nutzen” verwendet. Diversity Management toleriert nicht nur die individuelle Verschiedenheit (engl.: diversity) der Mitarbeiter, sondern hebt diese im Sinne einer positiven Wertschätzung besonders hervor und versucht sie für den Unternehmenserfolg nutzbar zu machen. Die Ziele von Diversity Management sind es, eine produktive Gesamtatmosphäre im Unternehmen zu erreichen, soziale Diskriminierungen von Minderheiten zu verhindern und die Chancengleichheit zu verbessern. Dabei steht aber nicht die Minderheit selbst im Fokus, sondern die Gesamtheit der Mitarbeiter in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Bei den Unterschieden handelt es sich zum einen um die äußerlich wahrnehmbaren Unterschiede, von denen die wichtigsten Geschlecht, Ethnie, Alter und Behinderung sind, zum anderen um subjektive Unterschiede wie die sexuelle Orientierung, Religion und Lebensstil.

Ich möchte Ihnen heute mit diesem Post eine differenzierte Sicht zum Diversity Management anreichen. Diversity Management, wie es derzeit in Unternehmen aufgesetzt ist, schafft nämlich Einfalt statt Vielfalt. Die Ziele, die in obiger Definition dargelegt sind, sind aus meiner Sicht total sinnvoll und erstrebenswert. Die Aktionen, die allerdings aufgesetzt werden, sind diesen Zielen nicht zuträglich, ganz im Gegenteil. Das möchte ich Ihnen am Beispiel der Unterscheidung Mann und Frau darlegen. In allgemeinerer Form habe ich diese Thematik in meinem Post Gleichberechtigung ist die Erfindung eines Machthabers gespiegelt.

Es gibt Forschungsrichtungen, die sich mit dem unterschiedlichen Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen beschäftigen. Die amerikanische Soziolinguistin Deborah Tannen hat beispielsweise ein Modell aufgestellt, welches das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen reflektieren soll und eine Unterscheidung in hierarchisch, was den Männern, und kooperativ, was den Frauen zugeschrieben wird, eingeführt. Einige tiefergehende Informationen kann man hier finden.

Kommunikation ist natürlich in unserer Gesellschaft unumgänglich. Sprache ist ein Vergesellschaftungsfaktor. Wir erkennen aber auch immer wieder dass Missverständnisse in der Kommunikation zu Problemen im Umgang miteinander führen. Der Mensch ist aber aus meiner Sicht zu komplex, als dass man einfach eine Unterscheidung in männlich und weiblich durchführen sollte, dann den Männern eine hierarchische Kommunikationsform, den Frauen eine kooperative Kommunikationsform, wie Tannen es macht, zuschreibt und dann damit Kommunikationsprobleme zu lösen versucht. Tut man dies kann man sich auch den Zusatz, dass diese Zuordnung nicht auf alle Männer und Frauen zutrifft, sparen.

Denn genau dieses Verharren auf dieses einfache Modell der Kommunikationsunterschiede erzeugt eine Hürde für die Frauen auf ihrem Karriereweg, welche man im Rahmen des Diversity Managements ja eigentlich einreißen möchte. Fatal ist aber, dass diese Hürde sogar noch erhöht wird. Denn der Glaube an dieses Modell zieht eine selbsterfüllende Prophezeiung nach sich. Es bildet sich eine Norm heraus, die die Kommunikations- und damit die Führungsform von Männern und Frauen klar aufzeigt. Verhalten sich Frauen oder Männer in Führungspositionen nicht nach dieser Norm, laufen sie Gefahr ausgegrenzt zu werden. Frauen, die sehr hierarchisch kommunizieren und damit führen, werden häufig als Mannsweiber dargestellt, Männer, die sich dem Modell “widersetzen” als Weicheier. Also verhalten sich die Menschen in der Regel entsprechend. Und genau dieses Verhalten wird dann logischerweise in Untersuchungen auch “gemessen”. Wir befinden uns hier also in einem selbstverstärkenden Kreislauf. Das Normative verstärkt das Deskriptive und das Deskriptive verstärkt wieder das Normative. Oft wird mir entgegnet, wenn ich diese einfachen Klassifizierungen kritisiere, dass man wenigstens für diese Unterschiede sensibel sein muss, damit diese auch erkannt werden können. Genau das ist nicht mein Verständnis. Denn diese Sensibilität erhöht auch die Wahrnehmungsfähigkeit in Richtung dieses Modells, was den selbstverstärkenden Effekt eben erhöht.

Menschen, die in diesem Forschungsrichtungen tätig sind, bestätigen die Bedeutung ihrer Forschungsrichtung immer wieder aufs Neue. Schön für Sie. Schlecht für die Frauen, die Karriere machen möchten. Denn Unternehmen sind nun einmal in der Regel hierarchisch aufgebaut. Da ist es also auch nicht verwunderlich, dass in Unternehmen den Menschen mit einem hierarchischen Kommunikations- und Führungsstil eher die Rolle einer Führungskraft zugeschrieben wird. Das sind aber nun mal die Männer. Das Modell sagt es ja aus und wir glauben ja alle an das Modell, weil die Forschung dieses ja immer wieder aufs Neue bestätigt. Auch in den Assessment Centern, wo die Fähigkeit der Menschen auf Führungsqualität untersucht werden soll, wird auf diese Form der Führung Wert gelegt. Es wird also nach Gleichförmigkeit gesucht, da viele Assessoren, die hierarchisch kommunizieren und führen, sich selber aussuchen. Würden sie nicht nach Qualitäten suchen und auswählen, die sie sich selber zuschreiben, würden sie sich ja als Führungskraft negieren. Ein Hoch auf die Vielfalt.

Ich denke es ist sinnvoller nicht nach diesen einfachen Modellen zu denken und zu handeln. Grundsätzlich gibt es sicherlich verschiedene Kommunikationsformen (oder besser Kommunikationseigenschaften oder -merkmale), wahrscheinlich sogar noch viel mehr als nur die beiden, hierarchisch und kooperativ. Es gibt viele Menschen und viele Eigenschaften, die man Kommunikation zuschreiben kann. Je nach Situation und auch Gefühlslage kommunizieren die Menschen. Ich lasse mich beispielsweise nicht in eine der beiden beschriebenen Kommunikationsformen einordnen. Aber genau das lässt das Aufstellen eines Rezeptes für Kommunikation unmöglich werden. Ja genau und das ist auch richtig so. Es gibt nämlich kein Rezept.

Möchte man seine Fähigkeiten und Fertigkeiten bzgl. Umgang und Kommunikation mit Menschen verbessern, was ohne Zweifel für eine gute Führungskraft unumgänglich ist, sollte man aus meiner Sicht erst einmal beginnen jeden Menschen als einzigartig wahrzunehmen. Dann sollte man sich in zweiter Instanz tiefgehend mit Kommunikation auseinander setzen. Ich empfehle dafür die beiden Bücher Form und Formen der Kommunikation von Dirk Baecker und Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien von Paul Watzlawick. Der dargereichte Inhalt in diesen Büchern ist natürlich kognitiv viel schwieriger zu verarbeiten als das Modell von Tannen beispielsweise. Aber das passt ja. Der Mensch an sich ist ja auch nicht einfach.

Möchte man also Vielfalt in Unternehmen, sollte man dieses Thema nicht zum Thema machen.

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