… sonst wären sie nämlich keine. Sie hätten sich quasi nicht bewährt, wären “von der Bildfläche” verschwunden und durch andere ersetzt worden. Das passt natürlich nicht zu den immer wieder kehrenden Diskussionen, ob Methoden gut oder schlecht wären. Deshalb spiegele ich in diesem Post dazu meine Sicht.
Dieser Artikel ist die Fortsetzung zu meinen End-to-End Beiträgen innerhalb von Prozessen in Unternehmen. Im ersten Post habe ich ein paar grundlegende Themen zum Thema End-to-End Prozessbetrachtung in Unternehmen vorgenommen, die ich dann im zweiten Post am Beispiel eines Handelsunternehmens konkretisiert habe.
Komme ich also nun, wie bereits angekündigt, auf Kennzahlen zu sprechen. Um hier aber einen Ankerpunkt zu setzen, möchte ich erst einmal darlegen, welche Grenzen uns in komplexen Umfeldern im Kontext Steuerung und Regelung auferlegt sind. Basis meiner Ausführung ist der Kategorienfehler, der immer wieder in Bezug auf Kompliziertheit und Komplexität vollführt wird. Deshalb möchte am Anfang einige Worte über Kompliziertheit und Komplexität verlieren und dabei vor allem auf die markanten Unterschiede eingehen.
Kompliziertheit und Komplexität – der Versuch einer Versöhnung
Erzählt mir doch tatsächlich Jemand, dass der Bau des Flughafens BER kompliziert und nicht komplex sei. Warum? Na, Flughäfen wurden ja schon so viele erbaut. Ach ja? Mit den komplett identischen Rahmenbedingungen und den komplett identischen Menschen? Wann begreifen wir endlich, dass, wann immer Menschen in einem Thema involviert sind, dieses von Komplexität durchzogen ist? Warum? Wir Menschen nehmen ausschließlich über Modelle wahr. Und diese werden durch ganz viele Einflüsse von außen beeinflusst. Diese können politischer, privater, beruflicher, zwischenmenschlicher etc. Natur sein. Ich würde also im Kontext von menschlicher Wahrnehmung niemals von “Das liegt doch klar auf dem Tisch, warum hast Du das denn nicht gesehen?” reden.
Wir sind nun mal keine Maschinen, die stets nur monokontextural die Welt erforschen. Wir agieren polykontextural. Genau das macht Lebendigkeit aus. Und da wären wir bei Komplexität und verlassen das Habitat der Kompliziertheit.
Ich benutze oft die Begriffe “tot” und “lebendig” im Kontext von Kompliziertheit und Komplexität. Themenstellungen in “lebendigen” Umgebungen können niemals kompliziert sein. Sie sind immer komplex. Themenstellungen in “toten” Umgebungen sind stets kompliziert. Das möchte ich am Beispiel eines Uhrmachers erläutern, um zu verdeutlichen, dass auch Menschen an “toten” Fragestellungen oder Aufgaben beteiligt sein können, obwohl sie selber lebendig sind. Deshalb die Begriffe “tot” und “lebendig” auch in Anführungszeichen.
Ein Uhrmacher baut eine Uhr zusammen. Dafür gibt es ein ganz klar vorgegebenes Rezept, welches vielleicht 300 Schritte beinhaltet, die in einer ganz bestimmten Reihenfolge abgearbeitet werden müssen. Werden diese Schritte befolgt, wird definitiv eine funktionierende Uhr heraus kommen. Ist der Uhrmacher geübt, sprich, hat er genügend praktisches Wissen, ist diese Aufgabe für ihn einfach. Für mich als Ungelernten wird diese Übung schwierig sein, niemals komplex, denn ich kann ja einen Plan befolgen. Mit Übung bin ich vielleicht irgendwann so weit, dass ich diese Uhr zusammen gesetzt bekomme. Der Bauplan ist fix und ändert sich auch nicht. Man spricht hier von Monokontexturalität. Solche Tätigkeiten könnte man auch von Maschinen ausführen lassen, da klar definierte Abfolgen von Schritten programmierbar sind.
Nun stellen wir uns aber mal vor, dass eine Schraube fehlt. Ein Zahnrad kann nicht befestigt werden. Hier würde die Maschine einen Fehler melden, weil jetzt der Kontext verlassen wird. Das Fehlen der Schraube ist nicht Bestandteil des Kontextes, da es nicht Bestandteil des Planes und damit auch nicht Bestandteil des Programmcodes ist. Die Maschine weiß deshalb nicht, was zu tun ist. Der Uhrmacher ist in der Lage den Kontext zu wechseln. Er könnte nach anderen Möglichkeiten der Befestigung suchen oder theoretisch probieren, ob die Uhr auch ohne diesem Zahnrad funktioniert oder er könnte ganz einfach eine Schraube bestellen und später den Vorgang fortsetzen. Der Uhrmacher kann polykontextural denken und handeln. In diesem Fall wird dann der komplizierte Fall ein komplexer Fall. Der Bauplan ist nicht mehr gültig, denn Bestellung einer Schraube war in diesem nicht enthalten. Deshalb meldet die Maschine wie gesagt einen Fehler. Der Bestellvorgang müsste von einem Menschen in Form von Programmcode voraus gedacht werden, so das die Maschine diesen anstoßen könnte. Damit wäre diese Option wieder Bestandteil des monokontexturalen Bereiches, in dem die Maschine agieren kann.
Kommen wir in diesem Zusammenhang zum Messen und Wahrnehmen. Maschinen können messen. Messen passiert in monokontexturalen Umgebungen. Die Maschine kann messen, ob die Schraube festgezogen ist, die das Zahnrad hält. Das ist wieder monokontextural: Die Schraube ist “fest” oder “lose”. Im Falle des Fehlens der Schraube verlässt man hier die Ebene des Messens und geht in die Ebene der Wahrnehmung über. Die Maschine kann nicht wahrnehmen, der Uhrmacher schon. Beim Wahrnehmen muss man den Kontext erst einmal bestimmen, dieser ist nicht per Programmcode gegeben. “Die Schraube fehlt” setzt die Maschine in den Kontext “fest-lose” und dann ist Schluss. Die Maschine würde stetig zwischen “fest” und “lose” iterieren und niemals zum Ende gelangen. Eine endlose Schleife, die mit einem Fehler abgebrochen werden muss. Der Uhrmacher kann nach weiteren Möglichkeiten suchen, das ist gleichbedeutend mit dem Suchen nach einem weiteren Kontext. Er kann vielleicht eine neue Schraube suchen oder versuchen das Zahnrad irgendwie anders geartet zu befestigen.
In “toten” Umgebungen ist der Mensch mit der Umwelt eins geworden. Er ist trivialisiert. Das ist nicht despektierlich gemeint. Diese Trivialisierung ist ausreichend, da ein Rezept in Form einer Methode oder Algorithmus vorliegt, welches zielführend ist. Wahrnehmen ist also nicht notwendig, da kein Kontextwechsel vorgenommen werden muss. Messen reicht aus.
In einer komplexen und damit “lebendigen” Welt gilt das Motto “Sowohl-Als-Auch”, da hier stetig der Kontext gewechselt wird. Das bedeutet Widersprüchlichkeit handhaben zu müssen. Komplizierte Umgebungen kennen ausschließlich “Entweder-Oder”. Damit existieren in komplizierten Umgebungen auch keine Widersprüche. Komplizierte Sachverhalte können vollständig in Programmcode oder Algorithmen geschrieben und damit gemanaged werden. Bei komplexen Umgebungen funktioniert das nicht, da unsere Zweiwertige Logik, auf die jeder Programmcode basieren muss, Widersprüche und damit Polykontexturalität ausschließt. Komplexität ist also nicht steuer-, sondern bestenfalls handhabbar.
Eine Differenzierung zwischen Kompliziertheit und Komplexität habe ich auch in meinem Artikel Können Maschinen entscheiden auf der Plattform der Unternehmensdemokraten im Zusammenhang mit Lernen und Entscheiden vorgenommen. Dort habe ich ähnlich auf Basis der Monokontexturalität ausgeführt, dass Maschinen eben nur im Stande sind Lernen_1 Prozesse auszuführen. Warum? Weil die Lernen_2 Prozesse ausschließlich in komplexen Umgebungen von statten gehen können, da diese Kontextwechsel voraussetzen.
Was bedeutet das nun für Methoden?
Für diese Reflektion möchte ich auf das bekannte Cynefin-Modell verweisen und dieses aus meiner Sicht notwendigerweise erweitern, da es zu Kategorienfehler zwischen Kompliziertheit und Komplexität verleitet.
Nach diesem Modell werden die Kategorien “einfach”, kompliziert” und “komplex” auf eine Ebene platziert. Das ist aus meiner Sicht nicht passfähig. Die Einstufung “einfach” und damit auch “schwierig”, die es im ursprünglichen Modell nicht gibt, existiert eine Ebene höher in beiden Kategorien, “kompliziert” und “komplex”. “Einfach” ist also nicht gleich “einfach”.
“Einfach” in der Kategorie “kompliziert” bedeutet, dass das ausreichende Wissen, sowohl praktisch als auch theoretisch, gegeben ist, um eine komplizierte Fragestellung zu lösen. Grundsätzlich ist ein Lösungsweg vorhanden, den man theoretisch kennen und praktisch anwenden muss. Wird eine komplizierte Fragestellung als “schwierig” eingestuft, ist der vorliegende Lösungsweg nicht bekannt. Er muss erlernt werden, sowohl praktisch als auch theoretisch.
In der Kategorie “kompliziert” rede ich also von Methoden oder Algorithmen, die an den bekannten Lösungsweg angelehnt sind.
Für “komplexe” Fragestellungen kann per Definition kein Wissen existieren, welches in Form eines Rezeptes zu einem Lösungsweg geformt werden kann. Hier sind Erfahrung und Talent essentiell, die Agilität im jeweiligen Kontext erhöhen. Je größer oder kleiner Erfahrung und Talent sind, spreche ich dann von den Einwertungen “einfach”, schwierig” oder “chaotisch”. Da kein Rezept gegeben ist, kann man Lösungswege auch nicht vorweg in Form von Algorithmen programmieren. Hier sind Frameworks und Heuristiken angebracht, die genügend Freiraum für das eigene Denken lassen.
Die untere Abbildung stellt die Abhängigkeiten und damit die Erweiterung des Cynefin Modells dar.
Im Komplizierten rede ich also von Methoden, im Komplexen von Frameworks. Ein Vermischen beider ist verboten, da man sonst einem Kategorienfehler unterlegen ist.
Methoden müssen stets monokontextural sein. Das ist quasi ihre DNA, sonst wären sie keine Methoden. Klassische Projektmanagementmethoden beispielsweise sind unter dem Deckmantel entstanden, dass man Projekte zum Erfolg führen will, egal um welche Projekte es sich handelt. Dann hat man bestimmte Muster an Handlungen ausfindig machen können, die einem Projekterfolg eher zuträglich oder eben nicht zuträglich sind. Diese Muster wurden dann zu Rezepten verallgemeinert, ähnlich des Backens eines Kuchens oder des Zusammenbauens einer Uhr. Aber ist das zulässig? Nein. Deshalb ist auch der Bau des Flughafens BER nicht kompliziert, sondern komplex. Ganz egal, wie viel Flughäfen vorher bereits erbaut wurden.
Daher passt für mich auch der Name “Projektmanagementmethode” nicht. Projekte liegen stets im Komplexen, Methoden im Komplizierten. Projektframeworks passt für mich eher. Maschinen können ausschließlich in komplizierten Ungebungen agieren. Themen können die Kompliziertheit in Richting Komplexität verlassen, allerdings ausschließlich durch den Menschen initiiert. Bei dieser Transformation ist dann zu beachten, keinen Kategorienfehler zu begehen, da Algorithmen und Methoden im Reich der Komplexität nicht angewendet werden dürfen.
Die Versöhnung
In komplexen Umgebungen gibt es für Herausforderungen und Probleme kein Rezept. Diese gibt es nur in komplizierten Umgebungen, wo der Mensch entweder nicht stattfindet oder so weit trivialisiert wurde, dass er mit der Umwelt eins geworden ist. Dieses Suchen nach Rezepten kann einfach oder schwierig sein, je nach Wissensstand des Beobachters. Damit will ich also ebenfalls sagen, dass nicht alle komplizierten Themen von jedem Menschen bewältigt werden können. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob ich jemals eine Uhr zusammen bauen kann, auch wenn das Rezept dafür vorliegt. Mag sein, dass mir dafür praktisches Wissen fehlt, was ich mir niemals aneignen kann.
Damit ist auch meine Eingangsthese belegt. Methoden passen immer, denn diese gelten nur in komplizierten Umgebungen und sind damit ganz klar gegen ein Soll validierbar. In komplexen Umgebungen bekommt der Mensch mit seinen Skills und Erfahrungen eine besondere Rolle zugeschrieben. Wissen alleine reicht hier nicht aus, um komplexe Themen zu handhaben, denn nur das ist im Idealfall möglich. Beherrschen von Komplexität ist eine Illusion. Dieses Handhaben kann dann je nach Erfahrung einfach, schwierig oder eben chaotisch sein.
Dieser Fakt legt auch nahe, dass wir mit viel mehr Demut bezüglich des Umgangs mit unserer Natur zu Werke gehen sollten, denn sie ist von uns nicht beherrschbar, egal wie weit auch den Fortschritt unserer komplizierten Technologie vorantreiben.
Unternehmen agieren in Umfeld von Komplexität. Wir haben nun festgestellt, dass komplexe Umgebungen nicht gesteuert, sondern bestenfalls gehandhabt werden können. Im kommenden Beitrag im Rahmen dieser Serie werden wir mit dieser Erkenntnis im Kopf habend, vorherrschende Analytics und Data Science im Umfeld von Big Data beleuchten.
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Den Beitrag lese ich doch als Versuch, Linearität in Komplexität “hineinzuschauen”, anstatt zu sagen: Ich nehme Komplexität als das was sie ist – zu Recht gesagt: als unsteuerbar. Ich kann sie aber _als solche_ in Gebrauch nehmen – über den “Zeitpfeil” hinweg. Siehe dazu die Ausführungen von G. Wohland.
Denn was heißt “Erkennen”? Der Begriff ist rückwirkend generisch, vgl. den aktuellen Forschungsstand der Hirnforschung.
Den Begriff “Versöhnung” würde ich nicht bemühen. Das verlagert die bloße Denk-Unterscheidung “kompliziert-komplex” auf unzulässige Weise ins Moralische. Da gibt es keine “Konflikte” – denn ein Konflikt ist sich selbst ein (komplexes) System…
Interessant. Ich wollte nicht beabsichtigen Komplexität als irgendwie linear zu beschreiben. Aber wie gesagt. Der Empfänger bestimmt die Nachricht.
Ich würde jetzt nach gut 1,5 Jahren auch einige Themen noch genauer versuchen zu beschreiben. Beispielsweise würde ich noch klarer herausstellen, dass es in der Praxis wohl keine 100% komplizierten oder 100% komplexen Problemstellungen gibt, sondern, dass jede Aufgabe oder jedes Problem stets beide Anteile, komplizierte “tote” und komplexe “lebendige”, in sich beherbergt. Hier dazu ein geniales Interview mit Gerhard Wohland.
Des Weiteren wurde mir am vergangenen Wochenende ein weiterer interessanter Denkrahmen in diesem Kontext gesendet. Er geht um the universal protocol to approach acting under Uncertainty (up2U)
“Niemand hat die Absicht einen Flughafen zu errichten!” steht auf manchen T-Shirts.
Und das ist der Punkt.
Das Erfolgsbild eines gemeinsame Vorhabens – die Vision – das wird im roten Pfad erarbeitet.
Die Absicht, dieses Bild in die Tat umzusetzen markiert den Übergang in den blauen Pfad.
Die Entscheidung, es Umzusetzen reduziert dann Komplexität (temporär) zu Kompliziertheit.
Der blaue Pfad ist dann die Umsetzung des Vorhabens.
Das Umsetzungsergebnis wird daran gemessen, ob man sich dem verabredeten Zielbild genähert hat.
Methodisch korrekt umgesetzt?
Dann ist es der neue Status quo.
Der rote Pfad bestimmt die Richtung, der blaue die Geschwindigkeit. Zusammen entfaltet sich Wirkung.
Methodisch korrekt, aber inhaltlich daneben >> dann zurück auf den roten Pfad.
Die Bestimmung des polygonalen Lösungsraums (Haus) oder die Bestimmung des MVP (Dreieck) wurde unpräzise vorgenommen.
Irrelevante Daten (“grünes Auto”) zur Grundlage genommen?
Nicht zugehört?
Daten unterschlagen?
Fehlinterpretation?
Der neue Status quo passt (“Richtung stimmt”), aber es bleiben noch Bedürfnisse offen?
Dann an den neuen Status quo ein weiteres Dreieck
anfügen ODER das bestehende vergrößern und damit die Umsetzung inhaltlich vergrößern bis man den polygonalen Lösungsraum (Eulerweg; Symbol “das Haus vom Nikolaus”) zufriedenstellen ODER vollständig ausfüllt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_vom_Nikolaus
Die Kanten des Dreiecks sind dabei die Dimensionen der Anforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Dimensionen können sein:
– Funktionalität
– Usability (Nutzbarkeit)
– Preis
– Convenience
– Kosten
– Betreibbarkeit
– Compliance
usw.
Den Begriff “Komplexität” als “lebendig” zu verstehen, teile ich dabei sofort. Kompliziertheit als “tot” oder “trivial” anzusehen mag ich nicht teilen.
Ich sehe es eher als “spezifizierbar”, “messbar”, “beschreibbar” und damit letztlich “automatisierbar”, sofern dafür ein Bedürfnis besteht bspw. weil die Umsetzung gleichförmig, qualitativ stabil und in einer, die Automatisierung rechtfertigenden Stückzahl nachgefragt wird.
Ob die Nachfrage aus der Organisation selbst herrührt, um damit Kapazitäten freizusetzen oder aus dem Markt heraus, das ist dann wieder eine Frage, die es auf dem roten Pfad zu ergründen gilt.
Everything will be OK in the end. If it is not OK, it is not the end …
Moin Moin, erst einmal herzlichen Dank für die Response.
Zielsetzung als “rot”, also komplex, und die Umsetzung als “blau”, also als kompliziert, zu bezeichnen, würde ich nicht mitgehen. Genau diese Dichotomie würde ich ja gerne aufgebrochen sehen. Jede Tätigkeit beinhaltet komplizierte und komplexe Bestandteile. Also in jeder Tätigkeit gibt es Teile, die über Routine lösbar sind, und Teile, die über kreatives Denken lösbar sind. Ähnlich verhält es sich mit Richtung und Geschwindigkeit. Statt Richtung könnte man auch Effektivität sagen, also “die richtigen Dinge umsetzen”. Statt Geschwindigkeit dann Effizienz, also “die Dinge richtig umsetzen”. Beides muss stets zusammen gedacht werden, auch wieder in jeder Tätigkeit.
Die Bezeichnungen “tot” und “lebendig” stelle ich mit Absicht in Ausrufezeichen. “Tot” soll hier nur bedeuten, dass eine Aufgabe komplett über Methodik, also ohne Denken und Entscheiden von Menschen, lösbar ist. Denn das Denken und Entscheiden wurde vorher bereits angewendet und eine klar definierten Prozessabfolge bestimmt, über die diese Aufgabe nun gelöst wird. Das dies wohl ein idealisierter Zustand ist, ist uns wohl alle klar. Allerdings handeln wir oft nicht danach, so jedenfalls meine Wahrnehmung, dann nämlich, wenn wir streng nach Prozessen handeln und damit dann unser Denken und Fühlen ausknipsen.
BG, Conny
Hallo Conny,
wenn wir das fühlen ausschalten. Sehr schön. Gefühle haben häufig im Geschäftskontext nichts zu sehen. Um jedoch auf die Intuition zu hören brauchen wir sie. Dann kann man sogar die richtigen Entscheidungen treffen, ohne zu wissen warum.
“Jede Tätigkeit beinhaltet komplizierte und komplexe Bestandteile.”
Das ist vielleicht nicht sofort im Text erkennbar von Alexander, es steht jedoch mit drin:
“Methodisch korrekt, aber inhaltlich daneben >> dann zurück auf den roten Pfad.”
Im Bild ist es dann die Schleife zurück, oder auch das Bild das ich am Wochenende gepostet hatte.
Das Problem was mir gerade beim Schreiben in den Sinn kommt, dass auch mein Bild mit der Abfoolge und den Schleifen für den Geist zu langsam ist. Mit dem gesprochen Wort und als Video sicherlich besser.
“[…]“Tot” soll hier nur bedeuten, dass eine Aufgabe komplett über Methodik, also ohne Denken und Entscheiden von Menschen, lösbar ist.”
Mich hat des tot auch immer gestört in der Literatur und sehe es genauso in “”.
Prozesse und Methoden funktionieren im komplizierten. Der Mensch, der es ausführt muss auch dabei denken und entscheiden. Somit lebendig. Die Denk- und Entscheidungsquantität ist eine andere als im komplexen. Dort überwiegt denken, entscheiden, machen, messen, denken usw.
Im komplizierten geht das alles schneller. Somit ist die Dichotomie aufgelöst.
Der Gag in meinen Augen: Alle wissen es, alle machen es anders, kaum einer sagt es.
HG
Björn
Hi Björn, ich sehe wir sind ganz dicht beisammen. Ich kann und mag dem deshalb nichts hinzufügen. Lasst und gerne weiterhin im Austausch bleiben. 🙂 BG, Conny
Moinsen!
Ich habe den Eindruck, wir sind im Verständnis beieinander, kabbeln uns nur noch ein wenig an der Begrifflichkeit.
“Effektivität” verwende ich ebenfalls als Zuschreibung zum roten Pfad.
Apropos Begriffe. Was Du als “Tätigkeit” bezeichnest, nenne ich “Situation” und erinnere daran, dass sie komplexe und komplizierte Anteile hat.
Der Kern des Protokolls besagt: erst das komplexe, dann das komplizierte. Erst rot dann blau.
Zu allererst gilt es, die Situation als das, was sie ist wahrzunehmen, um aus dieser (gemeinsam erarbeiteten) Wahrnehmung Handlungen (Tätigkeiten) abzuleiten.
Die Situation ist der Kontext, in dem eine Handlung geboten erscheint und sich in der Umsetzung als mehr oder weniger zielführend herausstellt.
Woran die “alte Arbeitswelt” krankt ist das unreflektierte Ausführen von Tätigkeiten ohne ihren Kontext zu berücksichtigen.
“Ham’ wir immer schon so gemacht.”
Kann funktionieren, tut es aber zunehmend seltener.
Nach meiner Ansicht gibt es auch einen entscheidenden Unterschied zwischen Mathematik und Juristerei.
In der Mathematik ist ein Ergebnis unter den Bedingungen der Definition und des Lösungswegs richtig oder falsch.
In der Juristerei kann es eine Mehrzahl von Handlungen (Lösungswegen) geben, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, die alle rechtskonform sind ODER im Widerspruch zur Rechtslage stehen.
Das Recht gestaltet damit die Außengrenzen des rechtskonformen Lösungsraums.
Der Hebel ist in beiden Fällen die Definition (als die begriffliche Grenzsetzung). Sie entscheidet über das, was sein soll und was als ausgeschlossen angenommen wird.
Wahrheit im Boolschen Sinne ist daher nichts absolutes, sondern etwas von Menschen gesetztes.
Dieses Verständnis muss man zunächst (hart) erarbeiten. Heutzutage sind sehr viele Menschen unreflektiert effizienzgetrieben.
Sie wollen ständig wissen, ob sie etwas richtig oder falsch tun, gut oder böse handeln.
In Ihrer Gehetztheit gestatten sie sich kein Zeitbudget, um zunächst das Richtige zu bestimmen. Dabei liegt dort der Schlüssel zur erzielbaren Wirkung.
“If You want to have it great, go slow!”
Moinsen zurück und ja, einig. 🙂 BG, Conny
Pingback: Ist die Farbe „Blau“ schön? - Lean Knowledge Base
Sehr cool mit dem Lösungsraum und Mathematik versus Juristerei. In der formalen Struktur, allseits bekannt als Organigramm, sind wir in der Juristerei. Dieses denken wenden die Menschen auf “mathematische” Probleme im Sinne von kompliziert, komplex, chaotisch, ungeordnet an und wundern sich, dass es nichtt funktioniert.
Dazu habe ich mal einen Artikel geschrieben: Gibt es ein oben und ein unten in menschlicher Interaktion: https://www.linkedin.com/pulse/es-gibt-kein-oben-und-unten-menschlicher-interaktion-bj%C3%B6rn-czybik
“Kabbeln” find ich gut :-). Das sehe ich genauso, jeder von uns nutzt nur andere Worte. Es fällt mir jedoch auf, dass man nicht per se sagen kann, erst rot dann blau.
Wenn mann von vorne beginnt ein Produkt zu entwickeln oder eine Funktion zu entwickeln, dann ist das wohl so.
Wenn man jedoch bereist im blauen (kompliziert) Bereich ist, dann kann es sein, dass man mal in rot wechseln muss. Wenn wir nun wiederum davon ausgehen, dass nun der Startpunkt des Protokolls kommt, nämlich Problem erkannt, dann geht es ab nach rot. Auch da wiederum gibt es blaue Anteile. So geht das hin und her. Wie bei einer Sinuskurve, ein Rhythmus quasi – Wiederholung. Die Quantität der einzelnen Bereiche kann dann in jeder Wiederholung anders sein.
HG
Björn
Moin Björn,
Formale Strukturen, wie Prozesse, Rollen oder Organigramme verbindest Du mir der Juristerei? Für mich gehört das eher in die Kategorie der Mathematik. Denn wir gehen die Hypothese ein, dass diese formale Strukturen uns in ein “richtig” im Kontext der Problemlösung führen, sonst würden wir sie nicht definieren oder eben ändern. Nur können uns diese formalen Strukturen uns eben nur bedingt bis gar nicht dabei helfen Komplexität zu handhaben. Mathematisch gesehen können wir Komplexität nicht fassen, denn unsere Mathematik ist auf der Zweiwertigen Logik aufgebaut, die beispielsweise Widersprüche aussperrt und damit auch Komplexität. Dazu habe ich hier mehr geschrieben. In diesem Beitrag beziehe ich mich zwar noch auf Cynefin. Aber sei`s d`rum. Meine Reise des Verstehens hört ja nie auf. 😉
Einig bin ich mit Dir, dass man niemals sagen kann “Erst rot, dann blau”. Auch der Vergleich mit der Sinuskurve gefällt mir ausgesprochen gut. 🙂
BG, Conny
Vielen, vielen Dank, Conny!
Das war das zündende Mißverständnis, um diejenigen abzuholen, die Juristerei noch nicht in vollem Umfang verstanden haben.
Zielrichtung in der Juristerei ist es, möglichst große Freiheitsräume aufzuspannen. Die Definition setzt die maximal erwünschte Außengrenze. Innerhalb des Raumes gibt es dann true-false-NULL (unknown; Schrödinger und seine Katze or what-so-ever).
Die Beziehungen untereinander werden innerhalb dieses Lösungsraums über Verträge hergestellt. Das kann bspw. eine Organisationsstruktur erzeugen, eine Kunden-Lieferanten-Beziehung beschreiben oder aber eine Staatsbürgerschaft begründen.
Zur Erinnerung:
N. Luhmann war Jurist.
Das Kernkonzept einer Blockchain sind Smart Contracts
Erst eine bestimmte Absicht führt Parteien zusammen. Bspw. wenn man Flughäfen bauen möchte. Oder eben nicht.
Dank` Dir. Ich wusste gar nicht, das Luhmann Jurist war. Die Reise geht immer weiter. 🙂
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