Kulturelle Aspekte gewinnen im Projektmanagement im Zuge der Globalisierung immer mehr an Bedeutung, da immer häufiger internationale Teams zusammen arbeiten. Häufig wird propagiert, wie wichtig das Beachten kultureller Aspekte für den Projekterfolg ist. Nur leider bleibt es bei Lippenbekenntnissen. Aktionen bleiben aus. Ich möchte dies beispielhaft an der deutschen und der amerikanischen Kultur verdeutlichen. Bevor ich aber loslege, möchte ich kurz in meinen Worten ausführen, was ich unter Kultur verstehe.
Jeder Mensch wird in eine Gesellschaft hinein geboren. Im Laufe der Entwicklung des Menschen wird er massiv von den in der jeweiligen Gesellschaft vorherrschenden Sitten, Ritualen und Moralvorstellungen beeinflusst. Menschen, die dies nicht tun, werden als Outsider der Gesellschaft wahr genommen. Diese ungeschriebenen Regeln sind nicht zu vergleichen mit den Gesetzen, sondern diese beeinflussen diese. Die Sitten und Rituale bestimmen den Mindset der Menschen. Diese werden fast nie hinterfragt und validiert, da sie schon so sehr in die Identität der Menschen eingeflossen sind, dass die Menschen sich selber verleugnen müssten, um diese anzuzweifeln. Die Menschen bilden, meist unbewusst, einen Referenzrahmen auf, gegen den sie ihr Denken und Handeln validieren. Es ist also ungemein wichtig, diesen Referenzrahmen zu analysieren, um Gedankengänge und Argumentationen von anderen Personen nachvollziehen zu wollen.
Ich werde in meinem angeführten Beispiel auf die Loyalität eingehen, die sich abhängig von den Kulturkreisen, in denen die Menschen aufgewachsen sind, unterschiedlich ausbilden kann und damit zu Implikationen führt, die man beim Steuern und Handhaben von Projekten beachten muss, um dieses erfolgreich abzuschließen. Wenn ich Erfolg an dieser Stelle anspreche, möchte ich nicht vermeiden zu betonen, dass Erfolg immer relativ ist. Was für mich Erfolg bedeutet, kann für einen anderen Menschen einen glatten Misserfolg darstellen. Auch hier spielt der Referenzrahmen für die Bewertung eine gewichtige Rolle. Man muss sich dessen stets und gerade beim Projektmanagement bewusst sein. Aber kommen wir zum Beispiel.
In der deutschen Kultur ist es ganz normal und legitim, unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen offen auszudiskutieren. Das bezieht sich auch auf die erzielten Projektergebnisse. Hat man das gesteckte Ziel eines Projektes zu arg verfehlt, werden die Endbenutzer diesen Fehlschlag mit einer negativen und offen geäußerten Einstellung zum Projekt danken. Wir wissen glaube ich alle, dass der erste Eindruck, den man von einer neuen Sache gewinnt, extrem prägend für den zukünftigen Umgang mit dieser Sache ist. Das was am Anfang bzgl. der Reputation einer Lösung versäumt wird, ist später ganz schwer wieder einzuholen. Die Amerikaner bezeichnen sich in der Regel als loyaler im Gegensatz zu den Deutschen und meinen damit, dass sie öffentlich das propagieren, was das Management vorgibt oder was sie im Team in der Vergangenheit verabschiedet haben. Wird also ein Projekt oder eine Lösung von der Führung eines Unternehmens als gut befunden, tut das die Belegschaft auch. Das ist aus meiner Sicht nicht nur ein blindes Nachplappern, sondern es wird auch so von der Belegschaft gefühlt. Im deutschen Kulturraum bildet sich jeder Einzelne seine eigene Meinung zur Güte der Lösung und postuliert diese auch offen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen implizieren aber auch unterschiedliche Herangehensweisen in einem Projekt. Und hier wird es interessant. Im Rahmen eines amerikanisch geführten Projektes wird eher nach der Devise Designen und live setzen, danach optimieren gehandelt. Das funktioniert auch in der Regel, da man nicht Gefahr läuft, langfristig die Reputation des Projektes zu verspielen, da das Management die Güte der Lösung festlegt. In einem deutsch geführten Projekt ist diese Devise in der Regel nicht erfolgverspechend. Hier muss man eher nach dem Motto Designen und Optimieren, danach live setzen agieren. Das bedeutet, dass bei einem amerikanisch geführten Projekt der Fokus auf die Erledigung der Aufgaben liegt. Mögliche Optimierungen, die aber einen negativen zeitlichen Impact auf den Projektplan haben, werden erst gar nicht angedacht. In einem deutsch geführten Projekt liegt der Fokus mehr auf der Qualität der zu erledigenden Aufgaben- und Arbeitspakete, was den Deutschen auch den Ruf einbringt, sie seien zu detailverliebt und sehen Vieles zu negativ. Im Umkehrschluss sprechen die Deutschen den Amerikanern den langfristigen Blick für die Lösung und eine unzureichende Reflektion ihrer Arbeitsergebnisse ab. Es ist also eine Zwickmühle, der man nicht entfliehen kann, wenn man nicht eine Metabene höher steigt, sprich den Referenzrahmen, in dem man sich befindet, verlässt. Was meine ich damit?
Jeder Beteiligte hat vollkommen Recht und kann auf seinen Standpunkt beharren, wenn er ausschließlich die Thematik mit seiner Brille betrachtet, sich also ausschliesslich in seinem Referenzrahmen bewegt. Er hat sehr gute Gründe für seine Sichtweise, die hauptsächlich auf die jeweilige Kultur fußen. Das bringt beide Parteien in puncto Einigung aber um keinen Schritt voran. Jeder muss verstehen, warum der Andere so denkt und handelt. Dazu muss er seine Brille absetzen und die Brille des Anderen aufsetzen. Er muss sich in den Anderen hinein denken. Das lässt sich sehr leicht fordern, ist aber viel schwieriger in die Tat umzusetzen.
Konflikte dieser Art muss man tiefgründig an der Wurzel packen. Leider suggerieren alle mir bekannten Projektmanagementmethoden eine andere Sicht: Handle nach dieser Methode, nutze die zur Verfügung gestellten Vorlagen und Du wirst das Problem lösen. Was ist aber, wenn das Problem nicht von meinem Partner nicht als Problem gesehen wird? Dann wird man auch keinen Aktivitätenplan zur Behebung des Problems abstimmen können, denn dieser existiert es für mein Partner nicht. Einleuchtend, oder? Und was nun? Die mechanistischen Vorgehensweisen, die in den Projektmanagementmethoden angepriesen werden, führen nur dann zum Erfolg, wenn der Mensch mit einer trivialen Maschine gleich zu setzen wäre, bei der ein gleicher Input immer einen gleichen Output generiert, wenn also davon ausgegangen wird, dass alle Menschen einen gemeinsamen Referenzrahmen haben. Das diese Vorasussetzung aber nie erfüllbar ist, wissen wir wohl alle. Es ist immer wichtig, zu verstehen warum Jemand handelt wie er handelt. Sind die Anreize dafür kulturell bedingt, ist der Antrieb für diese Handlungen sehr tief verwurzelt und sehr schwer, ich will nicht sagen gar nicht, zu ändern. Diesen Fakt muss man sich bewußt machen und nach Lösungen suchen. Beispielsweise sind meines Erachtens, aufgrund der bedingungslosen Loyalität, amerikanisch geführte Projekte im höheren Maße abhängig von der Projektleitung als es deutsch geführte Projekte sind.
Ich möchte noch einmal betonen, dass ich in dem angeführten Beispiel auf keinen Fall werten möchte. Es gibt aufgrund der unterschiedlichen Basis für die Bewertung, die kulturell bedingt ist, kein besser oder schlechter. Es gibt eher ein angepasst und nicht angepasst. Man sollte sich also sehr gut überlegen, ob man ein Produkt für einen deutschen Kunden in Amerika designen und umsetzen lässt und vice versa. Damit will ich nicht sagen, dass das nicht möglich ist. In diesem Zuge sollte man auch Global Delivery mehrdimensionaler und nicht nur aus Kostengesichtspunkten bewerten.
Zum Ende möchte ich die Frage aus dem Titel dieses Artikels aufgreifen. Derzeit werden kulturelle Aspekte in den Projektmanagementmethoden ignoriert. Ist das mit ein Grund, warum so viele Projekte scheitern?