Wie wird Kultur in den derzeitigen PM-Methoden reflektiert?

Kulturelle Aspekte gewinnen im Projektmanagement im Zuge der Globalisierung immer mehr an Bedeutung, da immer häufiger internationale Teams zusammen arbeiten. Häufig wird propagiert, wie wichtig das Beachten kultureller Aspekte für den Projekterfolg ist. Nur leider bleibt es bei Lippenbekenntnissen. Aktionen bleiben aus. Ich möchte dies beispielhaft an der deutschen und der amerikanischen Kultur verdeutlichen. Bevor ich aber loslege, möchte ich kurz in meinen Worten ausführen, was ich unter Kultur verstehe.

Jeder Mensch wird in eine Gesellschaft hinein geboren. Im Laufe der Entwicklung des Menschen wird er massiv von den in der jeweiligen Gesellschaft vorherrschenden Sitten, Ritualen und Moralvorstellungen beeinflusst. Menschen, die dies nicht tun, werden als Outsider der Gesellschaft wahr genommen. Diese ungeschriebenen Regeln sind nicht zu vergleichen mit den Gesetzen, sondern diese beeinflussen diese. Die Sitten und Rituale bestimmen den Mindset der Menschen. Diese werden fast nie hinterfragt und validiert, da sie schon so sehr in die Identität der Menschen eingeflossen sind, dass die Menschen sich selber verleugnen müssten, um diese anzuzweifeln. Die Menschen bilden, meist unbewusst, einen Referenzrahmen auf, gegen den sie ihr Denken und Handeln validieren. Es ist also ungemein wichtig, diesen Referenzrahmen zu analysieren, um Gedankengänge und Argumentationen von anderen Personen nachvollziehen zu wollen.

Ich werde in meinem angeführten Beispiel auf die Loyalität eingehen, die sich abhängig von den Kulturkreisen, in denen die Menschen aufgewachsen sind, unterschiedlich ausbilden kann und damit zu Implikationen führt, die man beim Steuern und Handhaben von Projekten beachten muss, um dieses erfolgreich abzuschließen. Wenn ich Erfolg an dieser Stelle anspreche, möchte ich nicht vermeiden zu betonen, dass Erfolg immer relativ ist. Was für mich Erfolg bedeutet, kann für einen anderen Menschen einen glatten Misserfolg darstellen. Auch hier spielt der Referenzrahmen für die Bewertung eine gewichtige Rolle. Man muss sich dessen stets und gerade beim Projektmanagement bewusst sein. Aber kommen wir zum Beispiel.

In der deutschen Kultur ist es ganz normal und legitim, unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen offen auszudiskutieren. Das bezieht sich auch auf die erzielten Projektergebnisse. Hat man das gesteckte Ziel eines Projektes zu arg verfehlt, werden die Endbenutzer diesen Fehlschlag mit einer negativen und offen geäußerten Einstellung zum Projekt danken. Wir wissen glaube ich alle, dass der erste Eindruck, den man von einer neuen Sache gewinnt, extrem prägend für den zukünftigen Umgang mit dieser Sache ist. Das was am Anfang bzgl. der Reputation einer Lösung versäumt wird, ist später ganz schwer wieder einzuholen. Die Amerikaner bezeichnen sich in der Regel als loyaler im Gegensatz zu den Deutschen und meinen damit, dass sie öffentlich das propagieren, was das Management vorgibt oder was sie im Team in der Vergangenheit verabschiedet haben. Wird also ein Projekt oder eine Lösung von der Führung eines Unternehmens als gut befunden, tut das die Belegschaft auch. Das ist aus meiner Sicht nicht nur ein blindes Nachplappern, sondern es wird auch so von der Belegschaft gefühlt. Im deutschen Kulturraum bildet sich jeder Einzelne seine eigene Meinung zur Güte der Lösung und postuliert diese auch offen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen implizieren aber auch unterschiedliche Herangehensweisen in einem Projekt. Und hier wird es interessant. Im Rahmen eines amerikanisch geführten Projektes wird eher nach der Devise Designen und live setzen, danach optimieren gehandelt. Das funktioniert auch in der Regel, da man nicht Gefahr läuft, langfristig die Reputation des Projektes zu verspielen, da das Management die Güte der Lösung festlegt. In einem deutsch geführten Projekt ist diese Devise in der Regel nicht erfolgverspechend. Hier muss man eher nach dem Motto Designen und Optimieren, danach live setzen agieren. Das bedeutet, dass bei einem amerikanisch geführten Projekt der Fokus auf die Erledigung der Aufgaben liegt. Mögliche Optimierungen, die aber einen negativen zeitlichen Impact auf den Projektplan haben, werden erst gar nicht angedacht. In einem deutsch geführten Projekt liegt der Fokus mehr auf der Qualität der zu erledigenden Aufgaben- und Arbeitspakete, was den Deutschen auch den Ruf einbringt, sie seien zu detailverliebt und sehen Vieles zu negativ. Im Umkehrschluss sprechen die Deutschen den Amerikanern den langfristigen Blick für die Lösung und eine unzureichende Reflektion ihrer Arbeitsergebnisse ab. Es ist also eine Zwickmühle, der man nicht entfliehen kann, wenn man nicht eine Metabene höher steigt, sprich den Referenzrahmen, in dem man sich befindet, verlässt. Was meine ich damit?

Jeder Beteiligte hat vollkommen Recht und kann auf seinen Standpunkt beharren, wenn er ausschließlich die Thematik mit seiner Brille betrachtet, sich also ausschliesslich in seinem Referenzrahmen bewegt. Er hat sehr gute Gründe für seine Sichtweise, die hauptsächlich auf die jeweilige Kultur fußen. Das bringt beide Parteien in puncto Einigung aber um keinen Schritt voran. Jeder muss verstehen, warum der Andere so denkt und handelt. Dazu muss er seine Brille absetzen und die Brille des Anderen aufsetzen. Er muss sich in den Anderen hinein denken. Das lässt sich sehr leicht fordern, ist aber viel schwieriger in die Tat umzusetzen.

Konflikte dieser Art muss man tiefgründig an der Wurzel packen. Leider suggerieren alle mir bekannten Projektmanagementmethoden eine andere Sicht: Handle nach dieser Methode, nutze die zur Verfügung gestellten Vorlagen und Du wirst das Problem lösen. Was ist aber, wenn das Problem nicht von meinem Partner nicht als Problem gesehen wird? Dann wird man auch keinen Aktivitätenplan zur Behebung des Problems abstimmen können, denn dieser existiert es für mein Partner nicht. Einleuchtend, oder? Und was nun? Die mechanistischen Vorgehensweisen, die in den Projektmanagementmethoden angepriesen werden, führen nur dann zum Erfolg, wenn der Mensch mit einer trivialen Maschine gleich zu setzen wäre, bei der ein gleicher Input immer einen gleichen Output generiert, wenn also davon ausgegangen wird, dass alle Menschen einen gemeinsamen Referenzrahmen haben. Das diese Vorasussetzung aber nie erfüllbar ist, wissen wir wohl alle. Es ist immer wichtig, zu verstehen warum Jemand handelt wie er handelt. Sind die Anreize dafür kulturell bedingt, ist der Antrieb für diese Handlungen sehr tief verwurzelt und sehr schwer, ich will nicht sagen gar nicht, zu ändern. Diesen Fakt muss man sich bewußt machen und nach Lösungen suchen. Beispielsweise sind meines Erachtens, aufgrund der bedingungslosen Loyalität, amerikanisch geführte Projekte im höheren Maße abhängig von der Projektleitung als es deutsch geführte Projekte sind.

Ich möchte noch einmal betonen, dass ich in dem angeführten Beispiel auf keinen Fall werten möchte. Es gibt aufgrund der unterschiedlichen Basis für die Bewertung, die kulturell bedingt ist, kein besser oder schlechter. Es gibt eher ein angepasst und nicht angepasst. Man sollte sich also sehr gut überlegen, ob man ein Produkt für einen deutschen Kunden in Amerika designen und umsetzen lässt und vice versa. Damit will ich nicht sagen, dass das nicht möglich ist. In diesem Zuge sollte man auch Global Delivery mehrdimensionaler und nicht nur aus Kostengesichtspunkten bewerten.

Zum Ende möchte ich die Frage aus dem Titel dieses Artikels aufgreifen. Derzeit werden kulturelle Aspekte in den Projektmanagementmethoden ignoriert. Ist das mit ein Grund, warum so viele Projekte scheitern?

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graphomate – Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Meine Erfahrung ist, dass die meisten BI Lösungen, egal mit welchem Frontend umgesetzt, viel zu wenig Wert auf die Qualität der Visualisierung legen. Dabei ist die Visualisierung der Ergebnisse in Reports, Dashboards oder Cockpits ein wichtiges Merkmal für die Nutzbarkeit einer BI-Lösung. Allzu oft sind die Graphiken zu bunt, zu unübersichtlich und beinhalten zu viele Daten, die keinen Kontext zueinander haben. Auswirkung ist, dass es schwer ist, aus den Daten Informationen zu generieren. Der Fokus auf das Wesentliche fehlt. Des Weiteren wird häufig vernachlässigt, dass bei Präsentationen auf einem Beamer Farben anders dargestellt werden als sie auf einem Bildschirm eines Computers wahrnehmbar sind. Das macht dann ein Unterscheiden der Farben während Präsentationen unmöglich. Im Endeffekt wird dadurch das eigentliche Ziel von Reports oder Dashboards aus den Augen verloren, nämlich die Erstellung einer nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlage.

Hichert+Partner haben Regeln entwickelt, die die Basis für professionelle Visualisierung darstellen. Diese Regeln wurden unter dem Namen SUCCESS zusammengefasst. Dabei steht jeder Buchstabe für eine Regel.

  • Say: Botschaften vermitteln
  • Unify: Bedeutung vereinheitlichen
  • Condense: Informationen verdichten
  • Check: Qualität sicherstellen
  • Enable: Konzept verwirklichen
  • Simplify: Kompliziertheit vermeiden
  • Structure: Inhalt gliedern

Details zu den Regeln finden Sie hier. Hichert+Partner zeigen eine Reihe von negativen Beispiele von Reports, Dashboards und Cockpits auf, die die SUCCESS Regeln auf brutalste Weise missachten. Was dabei herauskommt? Schauen Sie im Schreckenskeller vorbei.

Uwe Brück zeigt sehr anschaulich, wie man die SUCCESS Regeln anwendet, um von einer schlechten zu einer sehr guten Darstellung eines Berichtes zu kommen.

Hichert+Partner haben nicht nur Regeln für professionelle Visualisierungen definiert, sondern diese Regeln auch in Excel-Templates umgesetzt. Diese finden Sie in den so genannten HI-Charts abgebildet. Allerdings waren diese Templates bislang nicht in BI Werkzeugen integriert. Dieses Manko wurde nun von der graphomate GmBH behoben. Das Unternehmen aus Kiel hat ein zertifiziertes Addon für Xcelsius (neu: SAP Crystal Dashboard Design) erstellt, welches die SUCCESS-Regeln out-of-the-box abbilden kann. Details finden Sie hier oder auch hier.

Es bleibt noch zu betonen, dass Xcelsius inkl. des oben angesprochenen Addons nicht nur in Verbindung mit SAP BI nutzbar ist. Es kann beispielsweise auch Excel als Datenquelle angebunden werden, um in Powerpointpräsentationen Cockpits und Dashboards in Form von Flashanimationen zu generieren. Sind Sie beispielsweise wie ich der Meinung, dass die Graphikfunktionalitäten in Excel nicht ausreichen, um Daten in einfachen und übersichtlichen Graphiken darzustellen und so Informationen für Entscheidungen zu generieren, haben Sie mit Xcelsius inklusive des graphomate Addons ein sehr gutes Tool an der Hand.

Fazit: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, aber nur dann wenn das Bild auch sprechend ist.

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Vorbereitung des Osterfests 2011 – Arbeiten wie die Profis

Meine Frau kam vor einer Woche und meinte: “Dieses Jahr wird unser Ostern richtig geil. Wir müssen alles ganz genau durchplanen und -takten. Lass es uns doch so machen, wie es in der Wirtschaft gemacht wird. Dann muss doch alles ideal klappen.” Cool, dachte ich, endlich kann ich meiner Familie zeigen, was ich tagtäglich mache.

Es ging also los. Ich fragte meine Frau, wieviel Geld wir ausgeben werden? Sie meinte nur, dass sie das nicht beantworten kann ohne zu wissen, was wir überhaupt machen wollen und wen wir einladen. Ich sagte: “Egal. Sage mir eine Summe. Und. Pass ja auf. Nutzen wir die Summe nicht komplett, wird für das nächste Jahr Ostern weniger Geld zur Verfügung stehen.” Sie guckte mich schmal an. Wir legten uns auf eine Summe fest. Sehr gut. Arbeiten wie die Profis.

Dann fragte ich meine Frau, wer denn wohl entscheidet, wann unser Osterfest ein Erfolg ist. Ich glaube, Sie verstand nicht ganz, stiefelte trotzdem los und kam nach einer Stunde mit einer Liste zurück. Ich strich, so ca. die Hälfte der Personen von der Liste mit der Bemerkung, dass wir von denen nichts erwarten können, außer vielleicht ein Danke. Diese Personen würden beispielsweise nichts Ähnliches veranstalten. Ich merkte Unbehagen bei meiner Frau hochsteigen. Ich achtete nicht weiter darauf und meinte, dass wir ab sofort jeden Abend eine Telefonkonferenz einberufen, um ihre Erwartungen abzustimmen und über den Status der Vorbereitungen zu berichten. Wir müssen ihre Anforderungen kennen, damit wir diese auch erfüllen können. Wann soll es Mittag geben? Was gibt es zum Mittag? Wann ist die Eiersuche und wo? Im Haus oder im Garten? Meine Frau meinte, wo denn da die Überraschung bleibt. Ich schaute nur verständnislos. Überraschungen im Projektmanagement. Die werde ich zu verhindern wissen. Ich bin schließlich der Projektleiter. Ich sagte noch, dass sie von nun an bis zum Osterfest nicht mehr außerplanmäßig mit ihren Eltern telefonieren sollte, wenn dann nur in Ausnahmefällen, wo wir den Inhalt vorher ganz genau besprechen müssen und ich diesen auch genehmigen muss. Das Gesicht meiner Frau verfärbte sich ins Rötliche. Ich reagierte schlagfertig und meinte, dass ich auch ein paar Aufgaben übernehmen kann. Auch als Projektleiter sollte man sich für die niedere Arbeit nicht zu schade sein. Beispielsweise einen Fragebogen entwickeln, mit dem wir nach dem Osterfest die Zufriedenheit unserer Gäste abfragen können. Wir benötigen doch etwas Messbares an dem wir unseren Erfolg ablesen können. Arbeiten wie die Profis.

Nach dem Anfertigen der Frageliste machte ich mich an die Definition des Scopes. Wichtig ist natürlich, dass wir die Ziele nicht zu hoch stecken. Sie sollen ja erreichbar sein. Was wollen wir also am Osterfest machen? Zu wann laden wir eigentlich wen ein? Karfreitag oder doch erst ab Samstag? Bis wann gilt unsere Einladung? Bis Ostersonntag oder gar bis Ostermontag? Ich muss den Scope ja sowieso noch mit den eingeholten Erwartungshaltungen der potentiellen Gäste abgleichen. Ich frage meine Frau, wie weit Sie damit ist. Sie korrigierte in der Zwischenzeit gerade eine Klausur und reagierte ein wenig gereizt auf meine Frage. Vielleicht muss ich ihr beim Priorisieren der Aktivitäten ein bisschen behilflich sein. Multitasking ist schädlich. Stakeholder wollen eben gemanaged werden. Altobelli, das funzt. Arbeiten wie die Profis.

Zurück zur Scopeliste. Spaziergang am Sonntag Nachmittag mit der gesamten Familie? Ich stockte. Was ist, wenn Jemand bis dahin krank wird? Das ist ein Risiko, denn wir wollen schließlich in Familie den Spaziergang erledigen. Ich bereite schnell die Risikomanagementliste auf und trage das erste Risiko ein. Wie mitigiere ich dieses Risiko? Da fällt mir ein, mein Sohn ist am kommenden Wochenende zum Geburtstag seines besten Freundes eingeladen. Da sind bestimmt so einige Kinder, was hohe Ansteckungsgefahr impliziert. Alles klar. Er geht dort nicht hin. Die erste Aktion für die Mitigation dieses Risikos ist definiert. Genial. Ich denke wirklich an alles. Meine Familie wird stolz auf mich sein. Arbeiten wie die Profis.

Ich bin gerade so gut in Fahrt und definiere gleich die Arbeitspakete inklusive der Aufwandsschätzung zum Erreichen des Scopes. Mist, das Budget reicht nicht. Ich muss den Scope minimieren. Geschenk für meine Frau ist gestrichen. Mein Geschenk kann bleiben, ist ja schließlich billiger. In der Zwischenzeit ist meine Frau auch endlich mit dem Korrigieren der Klausur fertig und steht hinter mir. Ich diskutiere kurz mit Ihr den Vorschlag. Diskutieren kann man das eigentlich nicht nennen. Es gab eine kurze knappe Ansage. Dann muss eben etwas anderes gestrichen werden. Wir feiern nur bis Samstag Nachmittag bei uns und ab Sonntag sind wir bei ihren Eltern zu Gast. Ich kalkuliere kurz. Da fällt ja ein ganze Menge weg. Alles was wir für Sonntag und Montag geplant hatten, muss nun nicht mehr finanziert werden. Ich meinte zu ihr: “Das Budget für nächstes Jahr Ostern ist schon mal gekappt. Das wird natürlich relativ schwierig, wenn wir dann Ostersonntag und -montag bei uns feiern. Aber egal, darüber machen wir uns das nächste Jahr Gedanken.” Meine Frau fragte verständnislos nach der Kausalität meiner Aussage. Will meine Frau mir etwa die Spielregeln der Budgetplanung erklären? Erkläre ich ihr etwa wie sie ihre Schüler unterrichten soll? Endlich der Scope ist fixiert. Arbeitspakete inkl. Aufwandsschätzung und detaillierter Projektplan ist definiert. Arbeiten wie die Profis.

Abends, wir sitzen beim Abendbrot, fragt meine Tochter, ob ihre Freundin am Ostersamstag zum Kaffee kommen kann. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Ich werde wahnsinnig. Jetzt haben wir den Scope festgezurrt und nun soll dieser schon wieder geändert werden? Nö. Ich nehme schnell unser Change Request Formular zur Hand. Das Template habe ich zum Glück schon vorbereitet. Ich überlege, was ist denn hier der Benefit und gibt es dafür überhaupt einen Business Case? Ich frage meine Tochter, natürlich übersetzt in die Sprache einer 7-Jährigen. Man muss immer die Sprache seines Gegenüber sprechen und sich vor allem in ihn hineinversetzen können. Meine Tochter hat seit kurzem die Eigenart ihren Gemütszustand in Bildern auszudrücken. Sie lernt zwar erst in der 1. Klasse, nichtsdestrotz strotzen ihre Bilder nur so von Ausdrucksstärke und Unmissverständlichkeit. Auch diesmal wieder muss ich nicht groß überlegen, was sie wohl meint, als sie mir das Bild auf den Abendbrotstisch knallt. Mein Frau meinte daraufhin zu mir, wohin ich meine Emotionen verbannt habe. Emotionen? Faselei. Gibt es etwa bei PMI eine Disziplin, die da heißt Emotionmanagement? Ich kenne Change-, Scope-, Risk-, Issuemanagement etc. Ich entgegnete nur, dass wir einen Plan haben, der knallhart durchgezogen wird. Wir wollen ja wohl ein erfolgreiches Osterfest feiern, oder? Sie konnte daraufhin nicht groß etwas erwidern, da das Telefon klingelte. Meine Schwägerin. Ich flüstere ihr noch ins Ohr: “Kein Wort über Ostern und was wir machen.” Die Kommunikationswege müssen schon eingehalten werden. Nachher kommen mein Bruder und seine Frau noch auf die Idee meine Eltern ebenfalls einzuladen. Bei begrenzten Ressourcen, muss man den Anderen etwas wegnehmen, um zu wachsen. Arbeiten wie die Profis.

Mein Sohn fragte mich dann, wo er den Wunschzettel für Ostern hinlegen kann. Nervosität stieg in mir auf. Als Projektleiter muss man jederzeit in der Lage sein, Issues zu erkennen und zu validieren. Hier hatten wir eines. Wer weiss, was da alles auf dem Wunschzettel steht und wie das in das Budget passt. Ich überflog kurz und stellte fest, dass das Budget nicht ausreichen würde. Als meine Kinder im Bett waren, besprach ich das Thema mit meiner Frau. Ich kam leider nicht dazu ihr den Unterschied zwischen Issue und Risk nahe zu bringen, denn das Gesicht meiner Frau nahm die Farbe an, die ich auf unserem Statusbericht für Aufgaben vorgesehen habe, die definitiv nicht mehr zum Osterfest zu schaffen sind. Sie meinte: “Projektabbruch, ohne Diskussion.” Noch ehe ich etwas erwidern konnte, schlug sie die Wohnzimmertür hinter sich zu und ging ins Bett. Da saß ich nun. Was mache ich nun? Na klar. Lessons Learned. Warum hat es nicht geklappt? Ich weiss. Viel zu wenig Zeit für das Projekt. Ich beginne schon mal mit dem Aufsetzen des Scopes für Weihnachten. Arbeiten wie die Profis.

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Das Affenmärchen

Gebhard Borck stellt ein Novum auf. Er veröffentlicht sein Buch Das Affenmärchen – Arbeit frei von Lack und Leder in Blogform. Seine Gedanken und Ideen zu Themen der Unternehmensführung sollen frei zugänglich sein.

Vergleicht man die Heeresform, wie sie zu Zeiten des Römischen Reiches vorherrschten, mit den Unternehmensformen der heutigen Zeit, stellt man kaum Unterschiede fest. Macht das Sinn? Vergleichen wir die beiden Zeiten miteinander, kommt man wohl nicht umhin, unterschiede über Unterschiede aufzudecken. Es hat sich quasi alles in der Lebensform und -art der Menschen verändert, nur eben nicht die Ansicht wie wir wirtschaften und gemeinsam agieren sollten. Warum ist das so? Warum haben sich in diesem Bereich keine Änderungen oder Fortschritte eingestellt, und das wo wir doch alle die Auswirkungen der immer noch andauernden Weltwirtschaftskrise noch sehr gut im Gedächtnis haben müssten. Vielleicht bringen wir die veralteten Mechanismen der Unternehmensführung ja auch gar nicht mit den Krisen in Verbindung. Mag sein. Für mich ist jedenfalls klar. Diese verknöcherten alten Sichtweisen darauf, wie man Unternehmen führen sollte, ist Kern des Übels, welches es auszumerzen gilt. Deshalb habe ich in meinem Artikel Die Kopernikanische Wende im Management von Unternehmen dies auch so konstatiert.

Leider werden die Menschen von den Unternehmenslenkern noch viel zu häufig als triviale Produktionsmaschinen gesehen. Kein Manager würde bestreiten, dass beispielsweise die Motivation der Mitarbeiter ein entscheidender Faktor für Erfolg ist. Aber warum machen Sie nichts dafür? Die Identifikation der Mitarbeiter kann man nicht von außen definieren oder festlegen, da die Menschen eben keine trivialen Maschinen sind. Die Identifikation bauen die Mitarbeiter in sich selber auf. Unternehmenslenker können darauf nur indirekten Einfluss nehmen, das machen sie auch, um genau zu sein, ob sie wollen oder nicht, meistens aber in einem negativen Kontext. Was die Sache dabei so schwierig macht ist, dass sie in negativer Hinsicht scheinbar einen direkten Einfluss nehmen. Die Scheinbarkeit resultiert aus dem kurzfristigen Effekt zwischen Ursache und Wirkung. Es dauert aber relativ lange bis Mitarbeiter eine Identifikation zum Unternehmen aufbauen. Diese kann dann sehr schnell durch Aktionen der Unternehmenslenker eingerissen und zu Nichte gemacht werden.

Dazu möchte ich ein Gleichnis anführen, wissend das dieser, wie alle Gleichnisse ein Stück weit hinkt. Stellen Sie sich eine Badewanne gefüllt mit Wasser vor. Der Wasserstand stellt die Motivation der Mitarbeiter dar, sich für ihr Unternehmen zu engagieren. Lässt man die Badewanne einfach unberührt, wird das Wasser mit der Zeit, aus der Badewanne entwichen sein, denn der Propfen schließt nicht zu 100% die Badewanne ab. Zieht man den Propfen, dann entweicht das Wasser sehr schnell. Beides kann man damit vergleichen, dass die Manager und Führungskräfte von Unternehmen ihren Mitarbeitern keinen großen Wert beimessen und deshalb nicht bewusst in ihrem Sinne agieren. Bestenfalls reagieren sie in diesem Fall bloß. Da die Mitarbeiter, wie oben bereits angemerkt, keine trivialen Maschinen sind, lässt sich der Wasserstand nicht erhöhen, in dem man einfach den Wasserhahn aufdreht. Die Aktionen zum Erhöhen des Wasserstandes müssen von den Mitarbeitern durchgeführt werden. Dazu werden sie von den Managern und Führungskräften durch proaktives Handeln indirekt animiert. Sie stellen quasi lediglich die Gießkanne zum Füllen der Badewanne bereit. Dieses Wörtchen “lediglich” bedeutet aber nicht, dass es weniger notwendig ist, ganz im Gegenteil.

Ich zitiere aus dem Buch.

Affenmärchen zeigt die Lösung: Setzen Sie doch Ihre Mitarbeiter frei! Wenn Unternehmen auf abhängige Beschäftigung verzichten und stattdessen eine Sinnfläche bieten, an die sich Mitarbeiter freiwillig koppeln, dann können Unternehmen aus sich heraus gleichermaßen sinnvoll, nachhaltig und erfolgreich agieren.

Lesen Sie selbst und vor allem verteilen Sie die Ideen, auf dass es viele Menschen gibt, die diese Vorstellungen in die Tat umsetzen. Es ist absolut notwendig. Viel Spaß, Mut und Durchhaltekraft.

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Kann ein freier Wille bedingt sein?

In seinem Buch Das Handwerk der Freiheit interpretiert Peter Bieri den freien Willen erfrischend neu. Er legt sehr spannend und ohne Philosophie-Kauderwelsch seine Gedanken und Ideen dar. Ich finde besonders beachtlich wie Bieri die Dinge extrem tiefgründig betrachtet und einfach ausformuliert.

Im ersten Teil befasst Bieri sich mit der bedingten Freiheit. Dabei geht er auf die Themen Wunsch, Willen und Handeln ein. Zäumen wir die Kette mal von hinten auf. Der Mensch tut etwas, wenn er etwas will und das Wollen hängt wiederum von einem zuvor in dem Menschen entstandenen Wunsch ab. Man erkennt also die Bedingtheit, die beim Wunsch beginnt. Das Ergebnis dieser Bedingtheit wird durch das Denken der Menschen bestimmt. Bieri geht ebenfalls darauf ein, dass das Denken der Menschen beeinflusst werden kann, was dann natürlich letztendlich einen Einfluss auf die Handlungen hat. Denken Sie beispielsweise an Hypnotisierte, an Zwanghafte oder an Menschen, die einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass man nur dann von Freiheit sprechen kann, wenn diese bedingt ist. Würde man keine Bedingtheit zwischen Handlung und Wollen ausmachen können, würde die Freiheit des Willens an Sinn verlieren, denn der Wille wäre komplett zufällig und somit nicht dem Menschen zugehörig.

Wir Menschen benötigen Bedingtheit in Form von Kausalität, um Phänomene erklären zu können. Wäre allerdings unsere Welt komplett von Kausalität durchzogen, würde der freie Wille ebenfalls an Sinn verlieren, weil dann schon von Geburt an vorherbestimmt wäre, wie sich ein Mensch entwickelt. Er muss sich dann gar nicht mehr entscheiden, oder besser gesagt, er kann es gar nicht mehr.

Im zweiten Teil des Buches beleuchtet der Autor die Frage bzgl. der unbedingten Freiheit näher und stellt die Begriffe Bedingtheit vs. Unbedingtheit und Freiheit gegenüber. Bedingte Freiheit bedeutet, es gibt gänzlich keine Verantwortung für das Handeln. Das Denken ist quasi kein “unbewegter Beweger”. Setzt man Freiheit ausschließlich mit bedingter Freiheit gleich, kann Niemand für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen werden. Wir würden keine Gefühle wie Scham, Reue, Wut etc. kennen, da alle Menschen das machen, was sie machen müssen. Es ist ja vorherbestimmt. Bedingte Freiheit bedeutet per Defintion nicht absolute Freiheit. Das drückt das Wort “bedingt” schon aus. Unbedingte Freiheit bedeutet, dass Menschen nicht mehr entscheiden können. Denn dann hat das Wollen und das Wünschen eines Menschen rein garnichts mehr mit dem Menschen an sich zu tun. Es ist komplett abgekoppelt, da es keine Wechselwirkung zu der Historie und auch nicht zum Denken des Menschen gibt. Das Entscheiden ist in diesem Fall ein “unbewegter Beweger”. Auch unbedingte Freiheit ist keine Freiheit im Sinne wie wir es wahrscheinlich gerne sehen würden. Wenn ich also nicht entscheiden kann, oder anders ausgedrückt, meine Gedanken überhaupt keinen Einfluss auf meine Entscheidungen haben, kann ich mich nicht als Mensch bezeichnen, der einen freien Willen besitzt und daraufhin agiert. Die Entscheidungen sind mir quasi fremd.

Aber was denn nun? Bedingte als auch unbedingte Freiheit sind Konstrukte, die keine absolute Freiheit ausmachen. Wir haben zwei Pole ausgelotet. Bei der absolut bedingten Freiheit sind wir für unser Handeln und Tun nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Wir konnten ja nicht anders, da alles vorherbestimmt war. Bei der absolut unbedingten Freiheit nutzt Überlegen und Denken rein gar nichts, da es sowieso keinen Einfluss auf unser Handeln und Tun hat. Beides will ich mir nicht vorstellen, oder anders Beides kann es gar nicht geben. Es gibt aber einen signifikanten Unterschied zwischen absolut bedingter und absolut unbedingter Freiheit. Eine absolut unbedingte Freiheit kann niemals in Richtung Freiheit, wie wir es verstehen, wandern. Ein absolut unbedingter Wille beruht auf nichts, was wir von der Umwelt wahrnehmen. Dementsprechend kann sich dieser auch niemals aufgrund gemachter Erfahrungen ändern. Er ändert sich, oder auch nicht, ausschließlich komplett losgelöst von den Menschen. Das Geflecht zwischen Unbedingtheit und Freiheit ist also ein reines Wortkonstrukt, welches es nicht gibt. Bedingtheit ist Freiheit oder Unfreiheit immer als Basis vorangestellt.

Bieri deckt ein Paradigma auf, welchem wir unterlegen sind, wenn wir von bedingter Freiheit im Willens- und Entscheidungsprozess reden. Es geht um die Ohnmacht unserem Willen gegenüber. Auch wenn unser Denken und Handeln von unserer Historie (Erlebnisse, Erziehung, Freunde etc.) bestimmt und damit bedingt ist, stehen wir unserem Willen nicht ohnmächtig gegenüber. Dieser Wille passiert nicht einfach mit uns. Der Wille kann noch immer von uns beeinflussbar sein. Er spricht von “kann”, denn ein Hypnotisierter oder ein Zwanghafter kann das sicher nicht von seinem Willen behaupten. Peter Bieri zeigt damit auch eindrucksvoll, dass wir viel zu nachlässig und nicht tiefgründig genug mit unserer Sprache umgehen. Wir haben, und ich schließe mich da ein, Freiheit stets mit Unbedingtheit gleichgesetzt. Erst wenn mein Wollen und Handeln von nichts bedingt ist, fühle ich mich frei. Das ist aber ein Trugschluss, weil es das nicht geben kann.

Der Autor kommt ohne Anspielung auf Experimente aus, in denen Zeitpunkte bzgl. des Fließens von Gehirnströmen und des Entscheidens gegenüber gestellt werden. Das ist wichtig, denn schon durch den Experimentieraufbau verfälscht man die zu untersuchende Situation, in dem man eine Umgebung herstellt, die hierarchisch aufgebaut ist, wo also das Transitivitätsgesetz gilt. Dinge laufen streng nacheinander ab. Das ist aber beim Denkprozess nicht der Fall, wie ich im Artikel Ist der freie Wille Illusion bereits ausgeführt habe. Bieri benutzt seinen reinen Verstand und denkt das Thema tiefgründig zu Ende.

Fazit: Das Buch ist unbedingt lesenswert, weil die Freiheit bedingungslos in all ihren Facetten dargestellt und reflektiert wird. Für Jeden, der sich bereits mit dem freien Willen beschäftigt hat, ist dieses Buch eine absolute Pflichtlektüre. Den absolut freien Willen gibt es deshalb nicht weil er immer bedingt ist und der freie Wille kann nicht nur bedingt sein, er muss es sogar sein.

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Die Kopernikanische Wende im Management von Unternehmen

Hat die Kopernikanische Wende irgendetwas mit Kopernikus zu tun? Ja. Aber was hat Kopernikus mit Management von Unternehmen zu tun? Nichts. Aha, warum dann der Titel? So in etwa (natürlich in verkürzter Form) lief vor geraumer Zeit ein Gespräch ab, welches ich im Rahmen einer Diskussion über Unternehmensführung führte. Meine Sichtweise zu den Fragen möchte ich an dieser Stelle gerne preisgeben.

Kopernikus hat im Jahre 1543 das Selbstwertgefühl der Menschen zu tiefst erschüttert, als er die Vermutung aufstellte, dass nicht die Erde sondern die Sonne Mittelpunkt unseres Universums ist und die Erde sich um die Sonne dreht anstatt vice versa. Immanuel Kant polierte dieses Selbstwertgefühl wieder ein wenig auf, in dem er der Erkenntnistheorie ein neues Antlitz verpasste. Im Jahre 1781 formulierte er nämlich die These, dass der Mensch sich seine Umwelt durch Wahrnehmung und Kognition konstruiert. Der Mensch rückte also wieder in den Mittelpunkt des Interesses, mit all den dazugehörigen Konsequenzen der Eigenverantwortung für Beobachtung und daraus ergebenen Handlungen. Diesen Aspekt habe ich ausführlich in meinem Artikel Kant für Manager beschrieben.

Soweit so gut. Aber was hat all das mit Management und Führung von Unternehmen zu tun? Beide Entdeckungen oder Erfindungen, wie die Konstruktivisten zu sagen pflegen, haben verwurzelte Paradigmen umgestoßen, die so tief mit der Identität der Menschen verbunden waren, dass das Negieren der Paradigmen gleichbedeutend mit einer Verleugnung der eigenen Identität darstellte. Das war auch der Grund, warum diese neuen Erkenntnisse argwöhnisch, und das ist noch gelinde ausgedrückt, von den Mitmenschen der jeweiligen Zeit betrachtet wurden. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass uns ein ähnlicher Umschwung im Management und Führen von Unternehmen bevorstehen muss. Das begründet den gewählten Titel.

Den folgenden Foliensatz habe ich im Rahmen einer Veranstaltung erstellt, in welcher es um Komplexität in der Wirtschaft ging. Auf diesen Folien gehe ich detailliert darauf ein, warum Komplexität nicht als Feind, sondern als Freund der Unternehmenslenker betrachtet werden muss. Denn wie würden Sie auf einen Arzt reagieren, der behauptet, dass Lebendigkeit das größte Problem der Medizin ist? Des Weiteren stelle ich unterschiedliche Facetten der Komplexität dar. Da gibt es zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkomplexität, wo es darum geht, das Gesetz der erforderlichen Varietät von William Ross Ashby auf das Management zu adaptieren. Das hat dann enorme Auswirkungen auf Simplifizierungsaktionen von Prozessen oder Produkten in und von Unternehmen. Komplexität lässt sich aber auch in bezahlte und nicht bezahlte Komplexität unterscheiden. Ein prominentes Praxisbeispiel fällt mir dazu ein: der Vergleich zwischen Nokia und Apple im Handy-Segment. Apple ist der Mix zwischen Komplexitätsreduktion und -produktion sehr gut gelungen, im Gegensatz zu Nokia. Apple hat genau ein Handy-Modell, welches einen rasenden Absatzmarkt gefunden hat. Nokia hat ganz viele Modelle, die sich sehr schleppend verkaufen lassen. Das bedeutet, dass Apple weniger für interne Prozesse aufwenden muss. Dadurch wird die Komplexität minimiert, die letztendlich der Kunde auch noch bezahlt. Nokia hat einen größeren Aufwand, um die Produktion und den Verkauf der vielen Modelle zu stemmen, die der Kunde aber nicht bezahlt.

Zieht man Erkenntnisse aus Systemtheorie und Kybernetik zu Rate und reflektiert diese auf das Führen von Unternehmen kommt man nicht umhin, die Notwendigkeit einer tiefgehenden Wende im Management zu erkennen. Allerdings benötigt man Mut und Beharrlichkeit sich gegen die Masse der Linear- und Kurzfristmanager zu behaupten, für die das direkte Steuern und Managen von Unternehmen durch Kontrolle noch immer das Nonplusultra ist und Unsicherheit bzw. Unvorhersagbarkeit ein Konstrukt darstellt, welches durch ausreichend komplizierte mathematische Algorithmen zu überlisten ist.

Ich wünsche uns eben genau diesen Mut und diese Beharrlichkeit.

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Die Spielregeln der Budgetplanung

Warum müssen wir überhaupt vernetzt denken? Ist vernetztes Denken notwendig? Und wenn ja, sind wir dazu fähig? Es gibt doch Bildungseinrichtungen, die uns das Denken beibringen, oder?

Am Beispiel der derzeit praktizierten Budgetplanung möchte ich aufzeigen, was passieren kann, wenn das vernetzte Denken auf der Auswechselbank versauert und statt dessen das lineare Denken den Platz auf dem Spielfeld übernimmt.

Als erstes möchte ich ausführen, was vernetztes Denken auszeichnet und charakterisiert. Unter vernetztem Denken wird eine Art von übergreifendem Denken verstanden. Es ist eine Weise zu denken, bei der der Denkende keine oder wenn dann nur bewusst auferlegte Grenzen kennt. Grundgedanke beim vernetzten Denken ist, dass alles was existiert miteinander verbunden ist. Daraus folgert sich, dass wir alles miteinander in Beziehung setzen können. Wenn wir vernetzt denken können wir also aus sehr vielen verschiedenen Bereichen Zusammenhänge finden und diese zu einem gewählten Thema zusammenführen. Um das Ergebnis des vernetzten Denkens dann schriftlich zu fixieren, reicht ein Text in der Regel nicht aus, da dieser rein linear und nicht ganzheitlich verknüpfend abgelegt werden kann. Eine Möglichkeit des Dokumentierens der Ergebnisse ist das Modellieren, egal ob qualitativ oder quantitativ, mit dem CONSIDEO MODELER. Man erhält ein Modell, welches bildhaft abgespeichert wird und damit die Vorteile gegenüber einem Text aufzeigt. Die wesentlichen Eigenschaften des vernetzten Denkens sind.

  • großräumig, sowie fächer- und themenübergreifend
  • verbindendend und zirkulär
  • offen und Zusammenhänge verknüpfend
  • grenzenlos und regelfrei
  • langfristig

Genau diese Denkweise wird im Rahmen der Erziehung und Bildung eben nicht gefördert. Das erkennt man alleine schon daran, dass in unseren Bildungseinrichtungen der Hang zum “Siloismus” vorherrscht. Unterrichtsfächer werden in Schulen weitestgehend unabhängig voneinander geplant und durchgeführt. Ähnlich verhält es sich mit den Fakultäten an Universitäten.

Die Notwendigkeit des vernetzten Denkens möchte ich an einem Beispiel erklären, bevor ich anschliessend aus meiner Sicht erklären möchte, warum wir uns schwer tun, diese Notwendigkeit anzuerkennen. Nehmen Sie das Beispiel der Budgetplanung. Beleuchten wir die Budgetplanung aus einer vernetzten Denkperspektive, können wir folgende Spielregeln aufstellen.

  • Verhandle stets die niedrigsten Ziele und der höchsten Auszeichnungen!
  • Erreiche stets den Bonus, was immer es auch bedeutet!
  • Stelle Kundenzufriedenheit niemals über die Verkäufe!
  • Teile keine Ressourcen oder Wissen mit anderen Teams! Sie sind der Feind.
  • Frage stets nach mehr Ressourcen als Du benötigst, da sie sowieso herunter gekürzt werden!
  • Schöpfe stets das gesamte Budgets aus!
  • Erstelle niemals akkurate Forecasts!
  • Gehe niemals Risiken ein!

Schaue ich mir die Spielregeln an, wird mir die Absurdität der Budgetplanung bewusst. Ich hoffe Ihnen geht es ähnlich. Warum wird sie aber trotzdem angewendet?

Dazu habe ich folgende Gedanken und Ideen. Nach dem zweiten Weltkrieg lag die Wirtschaft in Europa völlig am Boden. Man stand wieder vollkommen am Anfang. In solchen Zeiten ist es relativ einfach zu wachsen. Es ist ja nichts da. Viele Massnahmen unterschiedlichster Art, auch die die auf lineares Denken beruhten, führten zum Erfolg. Ein weiterer Punkt ist, dass Menschen im Rahmen der Evolution die Fähigkeit entwickelt haben, aus einer instabilen Umwelt stabile und konsistente Muster der Wahrnehmung zu erzeugen. Das ist die Basis unserer Wahrnehmungsfähigeit in einer sich verändernden Welt. Dieser positive Effekt kann aber ins Negative umschlagen, wenn es um den Wandel geht. Menschen führen nämlich Handlungen, die in der Vergangenheit zum Erfolg führten, immer wieder aufs Neue aus, ohne zu reflektieren, ob diese Handlungen heute immer noch zum Erfolg führen. Dadurch verbauen wir uns sehr oft die Sicht auf die Notwendigkeit eines Wandels. Wir setzen uns Grenzen, über die wir nicht hinwegschauen und denken wollen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Rahmenbedingungen der Welt sich aufgrund des immer höher werdenden Vernetzungsgrades im Rahmen der Globalisierung immer schneller verändern. Es mag also vielleicht sein, dass die Budgetplanung irgendwann einmal ihre Berechtigung hatte. Ich hoffe es zumindest, denn sonst würde ich erst Recht nicht verstehen, warum diese eingeführt wurde. Fakt ist jedenfalls, dass sie heute ihre Daseinsberechtigung verloren hat. Das ist jedenfalls meine Meinung, wenn ich mir die oben aufgeführten Spielregeln anschaue.

Wo und wie kann man das vernetzte Denken erlernen? Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Ich möchte hier auf eine eingehen. Frederic Vester, der Vater des Vernetzten Denkens hat ein Spiel erfunden: Ecopolicy. Dieses Spiel stellt die Basis her, sich spielerisch im Umgang mit Komplexität einzuarbeiten, sich auf Basis des Vernetzten Denkens mit komplexen Systemen und der mit Vernetzung verbundenen hohen Dynamik auseinanderzusetzen und an Lösungen für eine tragfähige Zukunft zu arbeiten. Jährlich findet ein Wettbewerb, die Ecopolicyade, statt, in welchem sich Schüler und Schülerinnen im Umgang mit Komplexität messen können.

Ein Spiegeln der Situation auf den Fussball möchte ich mir am Schluss nicht verkneifen. In der Bundesliga erkennt man mehr und mehr das Auflodern einer neuen Trainergeneration. Diese ist geprägt vom vernetzten Denken, ohne dass diese das vielleicht bewusst vollführt. Nehmen Sie das Beispiel Thomas Tuchel, dem Trainer vom FSV Mainz 05. Tuchel lässt relativ häufig Lewis Holtby oder Andre Schürrle auf der Bank und wechselt sie wenn überhaupt später ins Spiel ein. Viele Aussenstehende können das nicht nachvollziehen, da beide Spieler an ihren individuellen Fähigkeiten gemessen sicherlich in die Stammelf gehören. Tuchel denkt an dieser Stelle aber ganzheitlich. Erinnern Sie sich an Emergenz: Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile. Es reicht also nicht aus, 11 individuell starke Fussballer auf dem Platz zu haben. Die besten Fussballer auf allen Positionen machen noch lange nicht die beste Mannschaft aus.

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Eine Änderung der geistigen Haltung zur Planung ist unabdingbar

Häufig beobachte ich, dass Pläne, egal welcher Art (Projektpläne, Businesspläne, …), mit falschen Prämissen erstellt und verfolgt werden. Es werden teilweise sehr detaillierte Aktivitätenpläne erstellt, die dann über ein Mikro-Management gesteuert werden. Damit nimmt man sich die Flexibilität der Anpassung, wenn sich Rahmenbedingungen geändert haben. Sehr häufig geht bei diesem Prozess aber auch das Commitment der Beteiligten verloren, die meist frühzeitig Diskrepanzen bzgl. soll und Ist erkennen, da sie an der Basis agieren, aber nicht erhört werden.

In der Vergangenheit habe ich mir sehr häufig Gedanken rund um das oben beschriebene Phänomen gemacht. Unweigerlich kam ich da zu folgenden Fragen, die mir halfen, die Thematik tiefgründiger zu beleuchten und somit bestehende Paradigmen abzustreifen.

  • Welchen Mehrwert soll Planung liefern?
  • Welche Bedeutung legen wir in die Planung hinein?

Zur Beleuchtung dieser Fragen möchte ich auf zwei unterschiedliche Mentalitäten eingehen, um letztendlich eine der Beiden für die Planung zu favorisieren.

Die erste besagt, dass die Zukunft vorhersagbar, also determiniert ist. Das würde bedeuten, dass alle Menschen bei Geburt bereits eine bestimmte nicht durch sie selbst beeinflussbare Lebensbahn “aufgedrückt bekommen”. Man stellt sich die Frage: “Was passiert zum Zeitpunkt x in der Zukunft? Dabei wird vorausgesetzt, dass es nur genau eine Zukunft geben kann. Diese Haltung ist meines Erachtens bei den heute vorzufindenden Planungsprozessen vorherrschend. Allerdings ignoriert man dabei folgendes Planungsparadigma:

  • Je genauer voraussagbar die Zukunft ist – je stärker sie determiniert ist – desto besser funktioniert Planung.
  • Je stärker die Zukunft determiniert ist, desto weniger hat ein Unternehmen Einfluss auf sie, das heisst desto sinnloser ist die Planung.

Das bedeutet, führt man Planung mit der geistigen Haltung der Zukunftsvorhersage durch, kann man sie sich definitiv sparen, da sie keinen Mehrwert liefert.

Bei der Analyse der zweiten Mentalität hat mich Peter Bieri mit seinem Werk Das Handwerk der Freiheit: Über die Entdeckung des eigenen Willens inspiriert. Bieri validiert den freien Willen unter anderem anhand erkenntnistheoretischer Ausprägungen wie Wünschen, Wollen und Handeln. Die drei Ausprägungen bedingen sich gegenseitig. Um zu handeln, muss ich erst wollen und um zu wollen muss ich mir vorher etwas gewünscht haben. Ein Mensch kann viele Wünsche haben. Auf Basis seiner Fähigkeiten und seines Wissens, aber auch auf Basis gegebener äußerer Rahmenbedingungen, validert er seine Wünsche auf Umsetzbarkeit. Nur Wünsche, die umsetzbar sind, können sinnvoll auch gewollt werden. An dieser Stelle wird unsere Sprache zu leichtfertig eingesetzt. Ich tätige sehr häufig den Spruch: “Ich will, dass der FC Bayern München dieses Spiel gewinnt.” Allerdings kann ich das garnicht wollen können, sondern es mir allerhöchstens wünschen. Ich habe nämlich keinen Einfluss darauf. Natürlich kommt es auch vor, dass man seine Fähigkeiten und die externen Rahmenbedingungen über- oder unterschätzt und damit zu einer falschen Validierung seiner Wünsche kommt. Das merkt man dann im Rahmen der Handlungen, so dass man während dieser das Wollen und die Handlungen anpassen muss. Denn, das was man will, will man auch umsetzen. Bei diesem Mindset geht man von vielen möglichen Zukünften aus. Man stellt sich die Frage: “Was will ich zu einem bestimmten Zeitpunkt x in der Zukunft erreicht haben?”

Welche Auswirkungen hat der zweite Mindset für das Führen von Unternehmen? Als Basis für den Unternehmenserfolg muss erst einmal sichergestellt werden, dass jeder Mitarbeiter eines Unternehmens die selbe Sprache spricht und die gleichen Ziele verfolgt. Dafür ist ein Plan auch unerlässlich. Nur muss auch sichergestellt sein, das jeder Mitarbeiter sich mit diesen Zielen auch identifizieren kann, sich diese quasi wünscht, als Basis dafür das er diese will. Denn nur wenn man will, wird man auch in diesem Sinne handeln. Sonst handelt man nicht und das hat einen negativen Einfluss auf das zu erreichende Ziel. Viele Managementmethoden vernachlässigen aber eben genau diesen Fakt. Des Weiteren müssen Strategien, Visionen und Pläne angepasst werden, wenn man in den regelmäßigen Validerungsprozessen seine Erkenntnisse über die eigenen Fertigkeiten und Skills sowie über die externen Rahmenbedingungen, wie Kunde oder Markt revidiert und damit auch das “Wollen” und damit die Handlungen anpassen muss. Es müssen also entsprechende Reflektionsmechanismen und -prozesse im Unternehmen etabliert sein.

Man muss aus meiner Sicht die Planung im Rahmen der Unternehmensführung eher aus der “Ich will …” Perspektive betrachten und sich dafür Aktivitätenpläne anfertigen, um diesen Willen zu befriedigen. Nur leider werden Pläne noch zu häufig als eine Vorhersage der Zukunft angesehen.

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Scilab: Mathematisches Softwarepaket für numerische Berechnungen

Generell lassen sich die mathematischen Softwarepakete in zwei Gruppen einteilen:

  • stark in symbolischer Berechnung (Mathematica, Mupad, Maple)
  • stark in numerischen Berechnungen (Matlab, Octave, Scilab)

Die Mächtigkeit dieser Softwareprodukte beschränkt sich allerdings nicht auf symbolisches Rechnen und Lineare Algebra. Sie können damit beispielsweise auch Funktionen plotten oder programmieren. Ich habe im Rahmen meines Studiums sehr viel mit Matlab gearbeitet und war deshalb um so glücklicher, jetzt eine kostenlose ähnliche Variante gefunden zu haben: Scilab.

Was ist und was kann Scilab? Die Funktionalitäten sind ähnlich zu Matlab, allerdings sind die Unterschiede in der Syntax merklich, aber alles in allem egal. Haben Sie bereits erfolgreich mit Matlab gearbeitet und ist Ihnen das Toolset mittlerweile zu teuer oder aus anderen Gründen für Sie nicht mehr verwendbar, ist Scilab eine unbedingte Alternative. Scilab ist ein frei verfügbarer Pseudo–Klon, der am I.N.R.I.A. (Institut National de Recherche en Informatique et Automatique) entwickelt wurde. Scilab ist ein komfortables System für numerische Berechnungen, in dem man auf viele bewährte Methoden dieser Disziplin zurückgreifen kann. Das wären zum Beispiel:

  • Lösungen linearer Gleichungssysteme
  • Berechnung von Eigenwerten und Eigenvektoren
  • Singulärwertzerlegung
  • schnelle Fourier–Transformation
  • mehrere Methoden zur Lösung von Differentialgleichungen
  • mehrere Optimierungsverfahren
  • Lösung nichtlinearer Gleichungssysteme
  • mehrere Methoden der linearen Algebra für optimale Steuerungen

Auf der anderen Seite stellt Scilab ein ganzes Arsenal von Graphikbefehlen zur Verfügung. Das sind elementare Funktionalitäten, wie das Zeichnen von Polygonen, aber auch komplexere zum Visualisieren von Kurven und Flächen. Scilab stellt des Weiteren eine einfache, mächtige und komfortable Programmiersprache zur Verfügung, die Matrizen und Vektoren als Basis benutzt. Diese Sprache ist ähnlich wie bei Matlab nur ein Interpreter und kein Compiler. Das macht sich ganz besonders bei rechenintensiven Programmen bemerkbar.

Einen kostenlosen Download des Programms können Sie hier ziehen.

Ich nutze dieses Programm sehr gerne für das Programmieren von Fraktalen. Als Beispiel habe ich den Lorenz-Attraktor programmiert, welches die folgende Graphik generiert. Den Quellcode finden Sie hier.

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Wir lernen bereits in der Pubertät mit dem Wandel falsch umzugehen

Die These im Titel hört sich vielleicht für einige Leser etwas eigenartig an. Ich möchte in den folgenden Zeilen diese These belegen. Dabei möchte ich mich zuerst auf das Nichtwissen und dessen steigende Bedeutung in der heute immer flexibler und schneller werdenden Welt stürzen, um mit diesen Erkenntnissen den Dreh zur Pubertät der Menschen und den Auswirkungen auf das Change Management in Unternehmen, aber nicht nur dort, zu bekommen.

Nichtwissen muss in unserer heutigen Welt kultiviert werden. Es wird derzeit viel zu negativ gesehen und Wissen wird überbewertet. Das resultiert aus der Vergangenheit, wo Wissen noch eine hohe Halbwertszeit hatte. Die Welt ändert sich immer schneller. Was gestern richtig war ist heute schon komplett überaltert. Das bedeutet, Wissen verliert an Bedeutung. Fritz B. Simon sagt sogar, das Wissen ein Ausdruck für Lernbehinderung ist. Nichtwissen muss als Chance gesehen werden, Neues auszuprobieren um Neues zu entdecken und den Fortschritt anzukurbeln. Wir dürfen also keine Methodenreiter sein. Ich habe diese Ideen in einem Aufsatz in der Ausgabe 02/2010 SEM Radar ausgeführt. Diesen Aufsatz finden Sie hier.

Ich höre sehr häufig den Ausspruch: “Das geht nicht, weil …” Hinter dem “weil” stehen dann Paradigmen. Legt man allerdings diese Paradigmen ab, ist die Begründung obsolet. Und genau darum geht es, ein Entlernen, quasi das Wegschmeißen von Paradigmen, damit man frei und offen für neue Ideen ist. Nur leider sind viele Paradigmen den Menschen schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass diese bereits ihre Identität ausmachen. Begründen kann man dies wohl unter anderem mit den Auswirkungen der längeren Lebenserwartung der Menschen in den hoch entwickelten Kulturen auf die Pubertät dieser. Stützen möchte ich mich dabei auf die Erkenntnisse von Prof. Dr. Ralph Dawirs und Prof. Dr. Gunther Moll, die sie in ihrem Buch Endlich in der Pubertät!: Vom Sinn der wilden Jahre ausführen.

Bevor ich aber auf diese Thematik überleite, möchte ich vorher noch auf ein Buch eines von mir sehr geschätzten Denkers, Dr. Andreas Zeuch, verweisen, der das Nichtwissen in seinem Buch Management von Nichtwissen in Unternehmen thematisiert.

Weiterentwickeln bedeutet Risiken einzugehen. Denn nur dann kann das menschliche Gehirn sich entwickeln, in dem es Verknüpfungen generiert. Wir zerstören die Kreativität unserer Kinder durch dogmatische und paradigmatische Bildungseinrichtungen. Kinder werden trivialisiert. Kinder, die anders sind, werden als komisch oder gar als krank angesehen, die man behandeln, also trivialisieren, muss. Kinder lernen spielerisch. Das muss man Ihnen auch lassen, damit sie die Lust am Lernen nicht verlieren. Sie müssen ihre Neugier ausleben, die von Natur aus da ist. Unsere Bildungseinrichtungen, egal ob Schule oder Universitäten, schaffen es derzeit vorzüglich diese Lust auszulöschen.

Prof. Dr. Ralph Dawirs und Prof. Dr. Gunther Moll werfen in ihrem oben bereits angeführten Buch sehr interessante Ideen und Erkenntnisse zum Umgang mit Kindern und Judendlichen in den Raum. Damit rütteln sie an bestehende Paradigmen. Das wären zum Beispiel:

  • Jugendliche sollten ab dem 14. Lebensjahr wahlberechtigt sein. Welcher Grund besteht, Demokratiefähigkeit am Alter fest zu machen? Ist denn jeder Erwachsene demokratiefähig?
  • Allgemeine Bildungseinrichtungen sollten nur noch bis zum 14. Lebensjahr ausgestaltet sein. Danach sollte jeder Jugendliche seinen Interessen nachgehen, entweder einen Beruf lernen oder studieren. Es sollte auch die Hemmnis genommen werden, sich zu einem späteren Zeitpunkt noch umorientieren zu wollen.
  • Jugendlichen sollte bereits sehr früh die Möglichkeit eröffnet werden, sich in der Politik zu engagieren. Auf der einen Seite werden Themen in der Politik behandelt, die vorrangig Auswirkungen auf die heutigen Kinder und Jugendliche haben, wie zum Beispiel der Umweltschutz. Des Weiteren leben die Kinder und Jugendliche an der Basis und bekommen so beispielsweise die zunehmende Armut mit.

Des Weiteren formulieren die beiden Autoren, dass der Mensch ab dem 7. Lebenjahr geschlechtsreif ist. Das Gehirn hemmt diese Reife jedoch, da Menschen noch Freiraum benötigen, um zu lernen. Der Mensch muss nämlich kulturfähig werden. Die Erwachsenen stülpen den pubertierenden Jugendlichen aber ihre Sichten und Gedanken über. Sie hemmen damit das Lernen und das eigene Erleben. Die Jugendlichen werden trivialisiert, also gleichartig gemacht. Sie werden genormt. Die Risikobereitschaft, etwas Neues zu probieren, wird behindert. Jugendliche müssen wie Gleichberechtigte behandelt werden. Die Älteren haben nicht immer Recht. Warum auch, nur weil sie älter sind? Hier muss man natürlich einlenken. Was bedeutet “Recht haben”? Jeder kann für sich den Standpunkt einnehmen, Recht zu haben, da die Aussage rein subjektiv ist. Nur machen das die Erwachsenen und Älteren auch? Verstärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass die Alten immer älter werden und so Parallelgenerationen aufgebaut werden. Dadurch kommen die Jugendlichen nicht in den Genuss, ihre Ideen auszuleben. Nicht falsch verstehen. Ich plädiere natürlich nicht dafür, dass die älteren Menschen früher sterben sollten. Sie müssten sich halt nur viel früher aus wichtigen Ämtern der Wirtschaft und Politik fern halten und den jungen Menschen das Ruder und das Steuerrad überlassen.

Details zu den Gedanken und Thesen von Dawirs und Moll kann man auch in diesem Interview nachlesen. Des Weiteren waren beide Professoren vor kurzem in einer Sendung des ZDF zu sehen, bei Pelzig hält sich. Ab der 41. Minute dieser Sendung kann man ihren Ideen lauschen.

Fazit: Die Evolution der Menschen hat die so genannte Lernphase dieser verlängert, in dem die Pubertät eingeführt wurde. In dieser sollte der Mensch ausprobieren und experimentieren. Unsere dogmatischen und paradigmatischen Regularien und Gesetze verhindern allerdings diese Risikobereitschaft, was wir gerade in der Wirtschaft heutzutage sehen. Viele Unternehmen verpassen den Wandel, da die Führungskräfte die nötige Risikobereitschaft vermissen lassen und lieber der Beharrermentalität weiter frönen. Der Mut, Neues zu probieren wird also behindert. Diesen Mut haben wir quasi verlernt, oder anders ausgedrückt, die Eigenschaft an Bestehendem unbedingt festzuhalten haben wir gelernt. Lernen ist also nicht immer etwas Gutes.

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