Die Kopernikanische Wende im Management von Unternehmen

Hat die Kopernikanische Wende irgendetwas mit Kopernikus zu tun? Ja. Aber was hat Kopernikus mit Management von Unternehmen zu tun? Nichts. Aha, warum dann der Titel? So in etwa (natürlich in verkürzter Form) lief vor geraumer Zeit ein Gespräch ab, welches ich im Rahmen einer Diskussion über Unternehmensführung führte. Meine Sichtweise zu den Fragen möchte ich an dieser Stelle gerne preisgeben.

Kopernikus hat im Jahre 1543 das Selbstwertgefühl der Menschen zu tiefst erschüttert, als er die Vermutung aufstellte, dass nicht die Erde sondern die Sonne Mittelpunkt unseres Universums ist und die Erde sich um die Sonne dreht anstatt vice versa. Immanuel Kant polierte dieses Selbstwertgefühl wieder ein wenig auf, in dem er der Erkenntnistheorie ein neues Antlitz verpasste. Im Jahre 1781 formulierte er nämlich die These, dass der Mensch sich seine Umwelt durch Wahrnehmung und Kognition konstruiert. Der Mensch rückte also wieder in den Mittelpunkt des Interesses, mit all den dazugehörigen Konsequenzen der Eigenverantwortung für Beobachtung und daraus ergebenen Handlungen. Diesen Aspekt habe ich ausführlich in meinem Artikel Kant für Manager beschrieben.

Soweit so gut. Aber was hat all das mit Management und Führung von Unternehmen zu tun? Beide Entdeckungen oder Erfindungen, wie die Konstruktivisten zu sagen pflegen, haben verwurzelte Paradigmen umgestoßen, die so tief mit der Identität der Menschen verbunden waren, dass das Negieren der Paradigmen gleichbedeutend mit einer Verleugnung der eigenen Identität darstellte. Das war auch der Grund, warum diese neuen Erkenntnisse argwöhnisch, und das ist noch gelinde ausgedrückt, von den Mitmenschen der jeweiligen Zeit betrachtet wurden. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass uns ein ähnlicher Umschwung im Management und Führen von Unternehmen bevorstehen muss. Das begründet den gewählten Titel.

Den folgenden Foliensatz habe ich im Rahmen einer Veranstaltung erstellt, in welcher es um Komplexität in der Wirtschaft ging. Auf diesen Folien gehe ich detailliert darauf ein, warum Komplexität nicht als Feind, sondern als Freund der Unternehmenslenker betrachtet werden muss. Denn wie würden Sie auf einen Arzt reagieren, der behauptet, dass Lebendigkeit das größte Problem der Medizin ist? Des Weiteren stelle ich unterschiedliche Facetten der Komplexität dar. Da gibt es zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkomplexität, wo es darum geht, das Gesetz der erforderlichen Varietät von William Ross Ashby auf das Management zu adaptieren. Das hat dann enorme Auswirkungen auf Simplifizierungsaktionen von Prozessen oder Produkten in und von Unternehmen. Komplexität lässt sich aber auch in bezahlte und nicht bezahlte Komplexität unterscheiden. Ein prominentes Praxisbeispiel fällt mir dazu ein: der Vergleich zwischen Nokia und Apple im Handy-Segment. Apple ist der Mix zwischen Komplexitätsreduktion und -produktion sehr gut gelungen, im Gegensatz zu Nokia. Apple hat genau ein Handy-Modell, welches einen rasenden Absatzmarkt gefunden hat. Nokia hat ganz viele Modelle, die sich sehr schleppend verkaufen lassen. Das bedeutet, dass Apple weniger für interne Prozesse aufwenden muss. Dadurch wird die Komplexität minimiert, die letztendlich der Kunde auch noch bezahlt. Nokia hat einen größeren Aufwand, um die Produktion und den Verkauf der vielen Modelle zu stemmen, die der Kunde aber nicht bezahlt.

Zieht man Erkenntnisse aus Systemtheorie und Kybernetik zu Rate und reflektiert diese auf das Führen von Unternehmen kommt man nicht umhin, die Notwendigkeit einer tiefgehenden Wende im Management zu erkennen. Allerdings benötigt man Mut und Beharrlichkeit sich gegen die Masse der Linear- und Kurzfristmanager zu behaupten, für die das direkte Steuern und Managen von Unternehmen durch Kontrolle noch immer das Nonplusultra ist und Unsicherheit bzw. Unvorhersagbarkeit ein Konstrukt darstellt, welches durch ausreichend komplizierte mathematische Algorithmen zu überlisten ist.

Ich wünsche uns eben genau diesen Mut und diese Beharrlichkeit.

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