Die letzte Woche des MOOC Management 2.0 stand unter dem Motto „Kommunikation 2.0“. Das ist das für mich vielleicht spannendste Thema bislang im MOOC, da ich mich hier von Niklas Luhmann inspirieren lasse, der sinngemäß sagt, dass durch die Operation der Kommunikation überhaupt erst Organisationen von Menschen entstehen, also auch Unternehmen.
Ohne Kommunikation, keine Unternehmen!
Meine Gedanken und Ideen zu diesem Thema, wo ich natürlich wieder Diskussionen der Xing-Community einfließen lassen, möchte ich Ihnen in diesem Post anreichen. Unterteilen möchte ich meine Darlegung in drei Abschnitte.
Im ersten Teil möchte ich Ihnen transparent machen, dass Kommunikation eigentlich unwahrscheinlich ist, wir aber trotzdem nicht nicht kommunizieren können. Im zweiten Teil möchte ich darauf aufbauend thematisieren, dass Kommunikation je besser sie funktioniert desto nutzloser ist, da weniger Information bei den Beteiligten generiert wird. Die Erkenntnisse möchte ich dann im dritten Abschnitt nutzen, um ein Fazit für Kommunikation 2.0 in Unternehmen zu ziehen.
Kommunikation ist unwahrscheinlich trotzdem geht es nicht ohne
2 Zitate zweier großer Systemtheoretiker möchte ich hier anführen. Das erste stammt von Niklas Luhmann aus seinem Buch Aufsätze und Reden
Kommunikation ist unwahrscheinlich. Sie ist unwahrscheinlich, obwohl wir sie jeden Tag erleben, praktizieren und ohne sie nicht leben würden.
Und das zweite von Paul Watzlawick aus dem Buch Menschliche Kommunikation.
Man kann nicht nicht kommunizieren.
Beide Zitate scheinen, wenn man sie sich „auf der Zunge“ zergehen lässt, paradox, unwirklich und so ganz anders zu sein, als das was wir im Alltag eigentlich mit Kommunikation verbinden. Licht ins Dunkel dieser beiden Zitate bringt die folgende Seite des Netzwerkes consenser.org, welche einer meiner Weggefährten auf meiner Reise des Verstehens, Daniel Juling, ins Leben gerufen hat.
Was bedeutet also Kommunikation bzw. wie läuft sie ab?
Die in dem Link von consenser.org dargestellte Abfolge von Kommunikation möchte ich hier in meinen Worten darstellen und an einem praktischen Beispiel eines Projektstatusmeetings illustrieren.
Stellen Sie sich vor, sie sind Projektleiter eines Projektes, in dem ich Teilprojektleiter bin. In dem besagten Statusmeeting muss ich Ihnen den Status meiner zu verantwortenden Arbeitspakete darlegen. Wenn Sie nun beispielsweise verhindert wären und an dem Meeting gar nicht teilnehmen könnten, könnte auch keine Kommunikation bzgl. des Status zwischen uns zu Stande kommen. Grundlage einer Kommunikation ist also erst einmal die Wahrnehmung.
Ohne Wahrnehmung auch keine Kommunikation.
Reicht Wahrnehmung aber alleine aus, damit eine Kommunikation zu Stande kommen kann?
Nein. Stellen wir uns vor, dass dies bereits die 10-te Statusrunde ist, in der ich meinen Status darlege. Bislang habe ich stets „grün“ gemeldet. Nun melde ich wieder „grün“, meine Körperhaltung „sagt“ aber etwas Anderes. Ich bin nervös. Wenn Sie als Projektleiter diesen Umstand meiner Nervosität nicht erkennen, werden Sie auch nicht darauf reagieren. Sie nehmen mich wahr. Sie erkennen aber nicht, dass ich Ihnen gerade eine Information mitteile. In diesem Fall tritt also keine Kommunikation ein. Erkennen Sie meine Nervosität, dann nehmen Sie entsprechend den Unterschied zu den vorigen Statusmeetings wahr. Dieser Unterschied macht für Sie eine Information aus, die ich Ihnen mitteile. Aus Ihrer Sicht könnte die Nervosität darauf abzielen, dass ich mir nicht sicher bin ob des „grünen“ Status.
Es liegt also erst dann Kommunikation vor, wenn der Empfänger merkt, dass der Sender eine Information mitgeteilt hat.
Aber Vorsicht. Genau in diesem Punkt können Missverständnisse zu Tage treten. Denn was ist, wenn ich zwar nervös bin, allerdings nicht wegen des Projektstatus, sondern wegen einer sehr wichtigen Klausur, die meine Tochter in der Schule schreiben muss? Dann schreiben Sie meiner Mitteilung eine andere Information zu als ich für meine Mitteilung verwende. Wir verstehen uns nicht, wir missverstehen uns. Wenn ich allerdings wegen des Projektstatus nervös bin, ist in diesem Punkt ein Ankerpunkt für eine Fortsetzung der Kommunikation gesetzt. Sie als Projektleiter würden den Status hinterfragen und ich würde es vielleicht entsprechend interpretieren können, da es mir ja in diesem Kontext nicht um meine Tochter und der Klausur geht. Jetzt tauschen wir die Rollen. Sie sind Sender und ich bin Empfänger und das Spiel beginnt von Neuem.
Kommunikation liegt dann vor, wenn der Empfänger der Mitteilung die gleiche Information zuschreibt, wie der Sender für seine Mitteilung verwendet hat.
Vielleicht verstehen Sie jetzt auch die von mir vertretene These, dass Kommunikation unwahrscheinlich ist, aber trotzdem stets passiert. In einer Interaktion geht es nicht ohne Kommunikation. Unser Gegenüber muss gar nichts sagen. Alleine unsere Beobachtung, die wir von ihm anstellen, reicht aus, dass wir in uns Information über diese Beobachtung generieren, die wir einer Wertung unterziehen. Diese Wertung führt bei uns dann zu Reaktionen, die auch wiederum nicht in gesprochene Sätze ausgedrückt werden müssen. Unser Gegenüber schreibt dann diesen Reaktionen wiederum gewisse Informationen zu und reagiert abermals. Dabei kann es auch sein, dass weder ich noch mein Gegenüber mit den Reaktionen den jeweils Anderen meinen. Entscheidend ist und bleibt, welche Zuschreibung der jeweilige „Empfänger“ anstellt. Auch die Rolle des Empfängers schreibt man sich selber zu.
Bei Kommunikation bestimmt der Empfänger die Nachricht, nicht der Sender.
Kommunikation funktioniert desto besser je weniger Mehrwert sie stiftet.
Und damit kommen wir zum zweiten Teil. An dieser Stelle möchte ich gerne auf einen Beitrag über starke und schwache Verbindungen hinweisen, in dem es um die These, dass paradoxerweise die emotional und existentiell schwachen Bindungen des Menschen die informationstheoretisch starken Bindungen sind.
Was bedeutet das?
Mit Menschen, mit denen man sich häufig und oft umgibt, bildet man auf einer Metaebene einen größeren Konsens aus, als mit Menschen, mit denen man nicht so häufig verkehrt. Man redet einfach öfter mit ihnen und kennt ihre Meinungen und Gedanken aus Gesprächen, jedenfalls das was man in dem Gesagten der Menschen in für einen selbst verwertbare Information umwandelt (siehe Teil 1). Informationen sind aber eben nur dann Informationen, wenn sie einen Unterschied machen, also etwas Neues darstellen. Sonst bleiben es einfach nur Daten. Man generiert also pro Kommunikationsvorgang mit Menschen, die man selten sieht, eher Information aus Daten als von denen, die man häufiger sieht.
Mit Menschen, die man kennt, lässt sich am gelungensten kommunizieren, da die Chance größer ist, dass der Empfänger der Mitteilung die gleiche Information zuschreibt, wie der Sender für seine Mitteilung verwendet hat. Der Nebeneffekt ist aber, dass mit dem Größerwerden dieser Wahrscheinlichkeit in der Regel der Grad an Neuem schwindet. Dementsprechend wird dann auch weniger Information generiert. Aber ist nicht Sinn und Zweck von Kommunikation Neues zu vermitteln und zu erfahren?
Es lässt sich also festhalten, dass je gelungener Kommunikation von statten geht, desto weniger Information wird generiert und umgekehrt.
Fazit
Im ersten Abschnitt habe ich erörtert, dass Menschen je besser miteinander kommunizieren können desto größeren Konsens sie auf der Ebene der Syntax erlangt haben. Dann nutzen Sie nämlich gleiche Symboliken und können diesen auch gleichen Informationen zuordnen. Sie nähern sich damit auch auf der Ebene der Semantik an. Im zweiten Abschnitt allerdings habe ich herausgefunden, dass genau in diesem Fall, wenn Menschen sich nämlich sehr gut kennen, der Informationsgehalt einer Kommunikation relativ gering ist. Der eigentliche Mehrwert einer Kommunikation, nämlich Informationsgewinnung, geht verloren.
Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für Kommunikation 2.0 in Unternehmen?
Den entscheidenden Sprung von Kommunikation 1.0 zu 2.0 vollzieht man aus meiner Sicht, in dem man oben gezogene Wirkzusammenhänge auf sich wirken lässt und entsprechende Demut gegenüber Kommunikation an sich zeigt. „GESAGT“ ist nicht gleichbedeutend mit „GEHÖRT und schon gar nicht mit „VERSTANDEN“. Kommunikation ist Glückssache.
Das bedeutet nun aber nicht es dem Vogel Strauß gleich zu tun und den Kopf in den Sand zu stecken und in Bezug auf Kommunikation nur zu hoffen. Man kann dem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Und ich glaube an ein grundsätzliches Gelingen von Kommunikation. Würde ich es nicht tun, wäre ich nicht solch ein begeisterter Blogger. J
Es lassen sich gewisse Rahmen und Strukturen setzen, die die Wahrscheinlichkeit des Gelingens von Kommunikation erhöhen, wobei man niemals bei 100% landen wird. Aber das haben wir ja bereits erörtert.
Kommunikation 2.0 bedeutet ebenfalls Strukturen zu schaffen, die einen Konsens auf Ebene der Syntax und Semantik herstellen. In diesem Zusammenhang sollten Manager und Führungskräfte, nein eigentlich alle Mitarbeiter eines Unternehmens, da ja alle Mitarbeiter in Kommunikation eingebunden sind, klar, deutlich und einfach ihre Gedanken und Ideen formulieren. Sarkasmus und Zynismus sind beispielsweise unangebracht. Menschen sollten im Rahmen von Kommunikation authentisch und transparent sein. Sie sollten keine „Hidden Aganda“ verfolgen. Kurze und knappe Sätze sollten verwendet werden. Gleiche Symbolik sollte man stets mit der gleichen Bedeutung belegen.
Kommunikation 2.0 bedeutet des Weiteren, und das ist wohl die größte Kunst, das Schaffen eines Konsenses auf Ebene der Syntax und Semantik nicht zulasten des Generierens von Informationen zu gestalten. Kommunikation sollte immer noch einen Mehrwert generieren. Menschen sollten im Rahmen von Kommunikation stets etwas Neues erfahren. An dieser Stelle sehe ich das größte Potential für gelungene Kommunikation. Ein Rezept dieses zu erreichen gibt es aus meiner Sicht nicht, allerdings bilden die hier angesprochenen Punkte Prämissen, die man beachten sollte.
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