Das Viable System Model als transklassisches Organisationsmodell

Auf Wunsch von Mark Lambertz, einem Begleiter auf meiner Reise des Verstehens, schreibe ich diesen Beitrag. Er hat mich gebeten, die Gemeinsamkeiten zwischen dem Viable System Model (VSM) von Stafford Beer und der Polykontexturallogik (PKL) von Gotthard Günther zu ergründen und zu beschreiben. Die Vermutung meinerseits auf einige Gemeinsamkeiten war durchaus vorhanden, da das VSM ein Modell für Lebendigkeit ist und die PKL eine formale Sprache zum Modellieren von Lebendigkeit darstellt.

Danke Mark, für diese Aufgabe. Durch diese habe ich das VSM noch einmal besser, vor allem aus einer anderen Sichtweise heraus, verstanden.

Im ersten Abschnitt möchte ich die Wichtigkeit der PKL beschreiben, vor allem auch im Kontext einiger prägnanter Probleme und Herausforderungen, denen wir uns in der heutigen Zeit ausgesetzt sehen. Die gewonnenen Erkenntnisse möchte ich dann im zweiten Abschnitt nutzen, um die Vorzüge des VSM zu erklären und dabei vor allem die Unterschiede zu den bekannten klassischen Organisationsmodellen anreißen. Abschließend werde ich dann mein Fazit für den weiteren Umgang und einen möglichen Einsatz des VSM ziehen.

PKL – Was ist das und warum ist diese so wichtig?

Die von Gotthard Günther entworfene PKL stellt eine formale Theorie dar, die es ermöglicht, komplexe, selbstreferentielle Prozesse, die charakteristisch für alle Lebensprozesse sind, nicht-reduktionistisch und logisch widerspruchsfrei zu modellieren. Es ist entscheidend, den Unterschied zu allen anderen Logiken (modale, mehrwertige, Fuzzy etc.), die alle auf der Zweiwertigen Logik von Aristoteles aufbauen, zu verstehen.

Zweiwertige Logik schließt Widersprüche und damit Lebendigkeit aus. Deshalb lässt sich auf Basis dieser Logik auch keine Handlungen von Menschen modellieren, oder eben nur mit ganz großer Vorsicht, da Menschen eben trivialisiert werden müssen, um die Zweiwertige Logik auf sie anwenden zu können. Diese Trivialisierung läuft oft unreflektiert ab, da im Rahmen der Zweiwertigen Logik, was diesen Fakt deshalb so gefährlich macht.

Die PKL schließt den Aussagenden mit ein, behandelt also nicht nur die Aussage an sich. Deshalb wird diese Logik auch oft mehrstellige oder standortabhängige Logik genannt. Bitte nicht verwechseln mit der mehrwertigen Logik. Oft wird statt “Stelle” auch “Standort” gesagt. Es wird also thematisiert, wo quasi Jemand steht, der eine Aussage tätigt. Dabei trifft Jeder Aussagende seine Aussage auf Basis der Zweiwertigen Logik. Nun kommt aber der Kniff. Diese Aussagen werden miteinander vermittelt. Das bedeutet, es wird innerhalb des Logikrahmens eine Quasi-Objektivierung zwischen verschiedenen Subjektivitäten hergestellt. Genau diesen Fakt macht sich das VSM bei der Vermittlung zwischen einzelnen lebensfähigen Systemen zu Nutze. Dazu kommen wir später noch detaillierter. Bei der Zweiwertigen Logik wird das Herstellen dieser Quasi-Objektivierung außerhalb des Logikrahmens hergestellt, weil dieser Rahmen keine Vermittlung kennt. Erst wenn diese Vermittlung getan ist, beispielsweise in Werten von “ja”, “nein”, “vielleicht”, …, kann die Logik angewendet werden. Vorher nicht.

Es geht in der PKL im Prinzip um die Auflösung einer Denkform, die in ihren Kategorien und in ihrer Logik von einer einzigen objektiven Welt, einer einzigen und objektiven Wahrheit ausgeht. Die Bedeutung dieser neuen Denkform möchte ich jetzt an bekannte Probleme der Wirtschaft spiegeln und dabei den Unterschied zwischen klassischen (Duales System, Matrix, Pfirsich, Holokratie etc. ) und transklassischen Organisationsmodellen (VSM) formulieren.

In der obigen Tabelle habe ich das Beispiel “Geld verdienen in Unternehmen” auf verschiedenen Reflexionsstufen abgebildet. “Geld verdienen” ist nach heutigen Spielregeln der Wirtschaft wie das Atmen beim Menschen: Lebensnotwendig. Es ist aber nicht der eigentliche Sinn des Daseins der Unternehmen. Auch könnten die Spielregeln ja anders sein, so dass Geld verdienen eben nicht mehr lebensnotwendig wäre. Heutige Unternehmen sind bis Stufe 1 modelliert, also nach klassischen Organisationsmodellen, die ich deshalb so nenne, weil sie eben auf der klassischen Zweiwertigen Logik von Aristoteles basieren. Fragen nach dem Sinn des “Geldverdienens” sind ausgeschlossen, und damit auch Fragen nach den Spielregeln der Wirtschaft.

Beispiele, wo uns diese Zweiwertigkeit zu schaffen macht, kann man in der Praxis zuhauf erkennen. Ich möchte hier das in letzter Zeit vielleicht prominenteste anbringen, das Manipulieren der Abgassoftware bei VW. Strukturen, wie eben unsere Organisationsmodelle, nach denen wir unsere Unternehmen aufbauen, konditionieren Menschen im Denken und Handeln. Bilden unsere Modelle aber eben nur maximal die Reflexionsstufe 1 ab, sollten wir uns nicht über solche Art von Handlungen von Menschen wundern, oder? Bitte nicht falsch verstehen. Ich möchte uns Menschen hier nicht aus der Verantwortung lassen, sondern Handlungen nur erklärbarer machen. Letztendlich sind wir Menschen ja verantwortlich für die Strukturen, nach denen wir unsere Unternehmen bauen. Die derzeitigen Strukturen sind ja kein Naturgesetz, wie etwa die Gravitation. Wir können sie ändern. Wir sind verantwortlich, aber eben nur auf einer anderen Stufe, nämlich schon beim Definieren unserer Unternehmensstrukturen, nicht erst beim Ausführen von Handlungen.

Ähnliche Phänomene erkennen wir nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in anderen Teilen der Gesellschaft, beispielsweise im Fußball beim Schinden von Elfmetern über Schwalben oder beim Erzielen von Toren mit der Hand. Die Spielregeln sind hier klar definiert, zweiwertig eben. Bricht ein Spieler mit diesen Regeln, erzielt also beispielsweise mit der Hand ein Tor, was der Schiedsrichter aber nicht wahrnimmt, wird es schwierig. Sollte der Spieler das Vergehen zugeben und damit vielleicht den Sieg riskieren aber als Ehrenmann dastehen? Oder sollte er das Vergehen verschweigen, um beispielsweise anschließend in der Presse angeprangert zu werden? Entweder der Spieler ist “gut” oder eben “böse”. Ein Drittes gibt es nicht. Auf dieses “Entweder-Oder-Denken” komme ich später noch zu sprechen. Es geht eben im Sport längst nicht mehr nur um das eigentliche Gewinnen eines Spiels. Die Spielregeln bilden diese Polykontexturalität aber nicht ab, was letztendlich auf dem Rücken der Spieler ausgetragen wird.

Wir Menschen sind im Stande, da wir lebendig sind, polykontextural zu agieren. Da wir aber im klassischen Sinne nicht fähig sind, diese Fähigkeit zu modellieren, sind unsere Unternehmen so eben nicht modelliert und aufgebaut. Dadurch stehen Menschen in zweiwertig aufgebauten Systemen immer “zwischen Baum und Borke”. Krankheiten werden so wahrscheinlich, da Menschen oft gegen ihr eigentliches Gewissen handeln müssen. Es ist also wichtig, unsere Unternehmen nach anderen Modellen zu modellieren und zu strukturieren, als die herkömmlichen klassischen es zulassen. Es werden allerdings in Arbeiten zu Organisationstheorien immer nur die klassischen Modelle thematisiert. Warum? Die oben angesprochene Reflexivität ab Stufe 2 erschwert aufgrund der Selbstbezüglichkeit das Verständnis über das klassische hinaus gehende Modelle, wie eben das VSM eines ist. Lineares Denken, wie wir es gewohnt sind, steht diesem Verständnis im Wege. Daher möchte ich nun am Beispiel des VSM einen Ansatzpunkt für mehr Klarheit liefern.

Das VSM als transklassisches Organisationsmodell

Ich zähle das VSM zu transklassischen Organisationsmodellen, da es eben auf der PKL als transklassische Logik basiert. Laut dem VSM lenkt ein System 1 eigenständige Operationen mit der Umwelt. Ein System 2 gleicht Oszillationen bei Anpassungsversuchen der Systeme 1 aus. Für die Ressourcenzuteilung und die interne Optimierung ist ein System 3 zuständig. Die Umweltinteraktion, Beobachtung und Simulation möglicher Zukünfte übernimmt ein System 4. System 5 ist die oberste Lenkungshierarchie, welche das Selbstverständnis entwickelt und Entscheidungen trifft, die die Identität und die DNA des Unternehmens bestimmen. Die folgende Abbildung stellt den Aufbau eines lebensfähigen Systems in diese 5 Systeme dar.

Jedes System 1, welches wiederum eigenständig lebensfähig ist, beinhaltet wiederum alle 5 Systeme des VSM, in dem gelenkt, abgestimmt und optimiert wird. Daran erkennt man sehr eindrucksvoll den fraktalen Aufbau des Modells, über welche die oben angesprochenen Reflexionsstufen (siehe Tabelle) im Unternehmen abgebildet werden. Diese Reflexionsstufen stellen den eigentlichen Charme des VSM dar. Der Clou und die Neuartigkeit des VSM sind also nicht die einzelnen Systeme 1 bis 5, sondern, der reflexive ineinander vermittelte Aufbau zwischen den einzelnen Systemen. Das System 1 besteht also wiederum aus Systemen 1 bis 5, die aber auf einem anderen Reflexionsniveau gedacht werden müssen. Das Spannende ist nun die Vermittlung zwischen diesen Niveaus, also den einzelnen Systemen, die alle lebensfähig sind, zu einem größeren gemeinschaftlichen lebensfähigen System. Diese Vermittlung lässt sich nur im PKL Denkrahmen formalisieren, was ich am Anfang des Beitrages über die Vermittlung der einzelner Subjektivität zu einer Quasi-Objektivität bereits angerissen habe.

Für diese Vermittlung kommt eine Operation, die Proemialrelation, ins Spiel, die es im Zweiwertigen Rahmen nicht gibt. Diese Proemialrelation erzeugt den wesentlichen Unterschied des VSM, als transklassisches Organisationsmodell, zu den klassischen Modellen. Diesen Fakt möchte ich an der unten stehenden Abbildung erklären.

Exemplarisch ist ist hier ein Unternehmen (System 3) aus zwei anderen lebensfähigen Systemen aufgebaut, System 1 (Produktteams) und System 2 (Entwicklungsteams). Die 3 Systeme bestehen jeweils, wie oben nach dem Modell des VSM dargestellt, aus den 5 VSM Systemen, die ja in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenwirken Lebensfähigkeit erst herstellen. Das Unternehmen (System 1) verkauft Produkte am Markt, die über System 1 (Produktteams) ganzheitlich in ihrem Lebenszyklus gemanaged werden. System 1 (Produktteams) erstellt Neu- und Weiterentwicklungen der Produkte als Auftrag an System 2 (Entwicklungsteams). System 1 und 2 könnten, weil diese ja lebensfähig sind, innerhalb anderer Unternehmen ebenfalls integriert werden. Beispielsweise könnten sich die Entwicklungsteams am Markt als Entwickler dieser Produkte selbständig machen, also von anderen Unternehmen oder Produktteams beauftragt werden.

Es wird nun in allen klassischen Organisationsmodellen der Fakt ignoriert, wie man die zwei autonom agierenden Systeme 1 und 2, die sich zu einem gemeinsamen System 3 verbinden, denken soll. Warum? Weil hier die Reflexionsstufen fehlen. Damit meine ich Fragen wie: In wie weit sind diese Entwicklungsteam wirklich autonom? Was können sie eigenständig bestimmen und was nicht? Und wie passt das dann wieder zur Autonomie? Diese Diskussionen verfangen sich immer wieder in Dichotomien, wie beispielsweise “keine vordefinierten Strukturen” und “vordefinierte Strukturen”, flippen also hin und her zwischen zwei unvereinbaren Polen. Hier finden wir das “Entweder-Oder” Muster, was strukturgebend ist für Zweiwertigkeit.

Das VSM bietet durch die Reflexionsstufen eine Möglichkeit, wo man Beides gleichzeitig denken kann, “Struktur” und “keine Struktur”. Entscheidend dafür ist die bereits angesprochen Proemialrelation, als heterarchische Vermittlung zwischen den Systemen 1 bis 3, die man in klassischen Organisationsmodellen aufgrund ihrer Zweiwertigkeit nicht kennt. Diese Operation ist in der obigen Abbildung als Zusammenspiel dreier anderer Operationen, der Ordnungs-, Umtausch- und Kongruenzrelation, dargestellt. Über diese Operation, also innerhalb der Schnittstelle zwischen den drei Systemen, wird die Vermittlung zwischen Netzwerk und Hierarchie bestimmt. Also statt “Entweder-Oder” nun “Sowohl-Als-Auch”. Aus einem linear hierarchisch strukturierten Prozess auf Unternehmensebene (System 3) wird nun ein parallel ablaufendes, sich gegenseitig beeinflussendes netzwerkartiges Prozessgeflecht über die Systeme 1 und 2 hinweg verteilt. Über die Proemialrelation, also den Schnittstellen zwischen den einzelnen 3 lebensfähigen Systemen werden also nicht nur Informationen im eigentlichen Sinne weiter gegeben. Hier können Umdeutungen, Umschreibungen und Umfungierungen vonstatten gehen, was letztendlich dazu führt, dass keine Priorität zwischen den Zwecken und den Zielen der drei Systeme auszumachen ist. Also die Zwecke der 3 Systeme (Unternehmen, Produktteams und Entwicklungsteams) sind gleichrangig. Wäre das nicht der Fall, würde also der Zweck des Unternehmens (System 3) den Zweck der Produktteams (System 1) immer toppen, wären die Produktteams nicht eigenständig lebensfähig. An dieser Stelle ist wichtig zu verstehen, dass es innerhalb von Prozessen in lebensfähigen Systemen keine Vorgänger-Nachfolger-Beziehungen bei der Erledigung der Aufgaben und Übergabe zwischen den Systemen vorherrscht.

Es gibt keine Hierarchie und damit Rangfolge in der Vermittlung zwischen den drei Systemen. Jedes der drei Systeme verfügt über eine eigene Wahrheit. Durch das Zusammenwirken der Systeme zu einem größeren muss aber eine neue Wahrheit entstehen, die dem gesamtheitlichen System (Unternehmen) genügt. Durch diese neu geschaffene Proemialrelation ist es also ebenfalls möglich innerhalb eines Unternehmens verschiedene Umgebungen zu erzeugen, denn auch die beiden Systeme 1 (Produktteams) und 2 (Entwicklungsteams) benötigen einen “Markt” als eine Umwelt, also ihr “Außen”. Durch die Proemialrelation wird Selbstrückbezüglichkeit formalisierbar, die ab Stufe 2 der Reflexion wichtig wird.

Genau an dieser Stelle übrigens verfangen sich derzeit alle derzeitigen Bemühungen, Intelligenz maschinell abzubilden. Es wird nämlich nicht ausreichend differenziert genug zwischen Rekursivität und Selbstrückbezüglichkeit. Rekursivität lässt sich im Zweiwertigen Denkrahmen formalisieren, Selbstrückbezüglichkeit (oder Selbstreferentialität), was ausschlaggebend für Lebendigkeit ist, nicht. Das nur mal so nebenbei.

Für tiefergehende Ausführungen der Proemialrelation im Zusammenhang mit der PKL verweise ich gerne auf den Beitrag Vom Subjekt zum Projekt oder Vom Projekt zur Subjektivität von Eberhard von Goldammer.

Im VSM ist also das Zusammenspiel von Hierarchie innerhalb der einzelnen 3 lebensfähigen Systemen (Zweiwertige Logik) und Heterarchie als gleichrangige Vermittlung zwischen diesen 3 Systemen abgebildet. Aber Vorsicht an dieser Stelle. In den Systemen 1 und 2, den Produkt- und Entwicklungsteams, gibt es ebenfalls wieder diese Vermittlung zwischen Hierarchie und Heterarchie, da ja auch diese Systeme lebensfähig sind und aus den VSM Systemen 1 bis 5 bestehen. Es muss also Netzwerk und Hierarchie gleichzeitig vermittelnd und gleichrangig gedacht werden. Das leisten klassische Organisationsmodelle (Duales System, Matrix, Pfirsich etc.) aber nicht. Sie bleiben bestenfalls beim Dualismus zwischen Hierarchie und Netzwerk hängen (siehe Reflexionsstufe 1 in der obigen Tabelle). Warum? Weil sie Selbstbezüglichkeit und Reflexivität ausschließen.

Je mehr Komplexität von einem System aber zu handhaben ist, desto mehr eigenständig lebensfähige (Teil-)Systeme müssen über die Proemialrelation zu diesem System miteinander vermittelt werden. Diesen Fakt nehmend wird auch schnell klar, warum in Organisationen, die nach klassischen Modelle strukturiert sind, Komplexität so schwer handhabbar ist und deshalb als Feind betrachtet wird.

Warum ist der Übergang von klassischen zu transklassischen Organisationsmodellen so schwierig?

Dieses eigentliche Problem hinter klassischen Modellen wird aber nicht wirklich gegriffen. Es bleibt bei den unauflösbaren Schattenkämpfen zwischen Dichotomien. Als Beispiel reiche ich Ihnen gerne diesen Artikel The problem with scaled Agile and SAFe an. In diesem Beitrag wird zwischen den dichotomen Polen “keine definierten Prozesse” und “definierte Prozesse” unversöhnlich hin und her geflippt. Ich habe das Phänomen der Schattenkämpfe, der Begriff stammt übrigens vom österreichischen Physiker und Philosophen Herbert Pietschmann, vor einiger Zeit an der Dichotomie “klassische vs. agile PM-Methoden” erörtert.

Es gibt übrigens weitere dichotome Wertepaare, die mir immer wieder in Diskussionen hoch kommen, und die vom eigentlichen Problem der klassischen Organisationsmodelle ablenken, die da wären.

  1. Spezialisten vs. Generalisten
  2. Funktionale vs. Prozessuale Organisation
  3. Optimierung des Bestehenden vs. Innovation
  4. Gegenwart vs. Zukunft
  5. Strategie vs. Operative
  6. Planbarkeit vs. Überraschung
  7. Fehler vs. Qualitätstreue

Ihnen fallen sicherlich weitere ein. Zwischen diesen aufgeführten Wertepaaren darf es keine Hierarchie und damit keine Priorität geben. Sie müssen gleichrangig behandelt werden, was aber in den klassischen Modellen nicht geht.

Allerdings werden die Vorteile des VSM im Zweiwertigen Denkrahmen entweder als bereits in klassischen Modellen umgesetzt und deshalb nicht mehrwertig angesehen oder eben als Scharlatanerie abgetan. Ein Drittes gibt es nicht: “Entweder-Oder”. Deshalb wird das VSM auch fast nie thematisiert, sondern stets nur die klassischen Modelle, wie Matrix, Pfirsich oder Holokratie etc. Man könnte also auch sagen, dass im Rahmen der klassischen Organisationsmodelle inhärent ein Muster aufgebaut wurde, dass es verhindert, diese in Gänze zu negieren. Sie sichern sich ihre Lebensfähigkeit in den Köpfen der Menschen.

Für mich ist das VSM ein transklassisches Organisationsmodell, übrigens das einzig mir bekannte, da es auf einer Erweiterung der Zweiwertigen Logik basiert. Damit ist es möglich, Rückbezüglichkeit und Reflexion, was Leben erst ermöglicht, widerspruchsfrei und nicht trivialisierend zu modellieren. Diese Rückbezüglichkeit ist aber eben auch verantwortlich für den schweren Zugang zum VSM und auch zur PKL, als Basis für das Verständnis des VSM. Widersprüchlichkeit lässt sich im Zweiwertigen Denkrahmen nicht denken.

Ich hoffe einen kleinen Impuls gesetzt zu haben, um zukünftig reflektierter über klassische Organisationsmodelle nachzudenken.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einige Quellen anreichen, über die Sie einen Zugang zu weiteren und tiefergehenden Informationen zum VSM und zur PKL.

Bücher zur PKL

Titel Link
Dimensionen des Denkens: Dreiwertige Logik erklärt auf der Basis von Gotthard Günther von Petra Sütterlin link
Idee und Grundriss einer nicht-Aristotelischen Logik von Gotthard Günther link
Technologische Zivilisation und transklassische Logik: Eine Einführung in die Technikphilosophie Gotthard Günthers” von Kurt Klagenfurt link
Das Bewusstsein der Maschinen: Eine Metaphysik der Kybernetik von Eberhard von Goldammer link

Links im Netz zur PKL

Titel Link
Blick ins Buch: Dreiwertige Logik erklärt auf der Basis von G. Günther link
Bibliographie von Gotthard Günther link

Bücher zum VSM

Titel Link
Freiheit und Verantwortung für intelligente Organisationen von Mark Lambertz link
Heart of Enterprise von Stafford Beer link
Brain of the Firm von Stafford Beer link
Diagnosing the System for Organizations von Stafford Beer link

Links im Netz zum VSM

Titel Link
Das deutschsprachige Buchprojekt zum Viable System Model von Mark Lambertz link
Mit dem Viable System Model Changeprojekten den Sinn nehmen von Conny Dethloff link
Steuerung und Regelung von Unternehmen mit dem Viable System Model von Conny Dethloff link
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13 Responses to Das Viable System Model als transklassisches Organisationsmodell

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  2. Stefan Hagen says:

    Vielen Dank für diesen Beitrag, lieber Conny!

    Ich muss mich mit PKL zuerst etwas näher beschäftigen, um über alle Aspekte Deines Beitrags nachdenken zu können.

    Für mich lautet eine der wichtigsten Fragen: Wie kann die Anwendung / Integration transklassischer Organisationsmodelle in bestehenden oder neu zu gründenden Unternehmen gelingen?

    Denn die verschiedenen Theorien hinter den Organisationsmodellen sind für sich gesehen intellektuell schon anspruchsvoll. Und wenn dann der Fakt dazu kommt, die Organisationen auf der Grundlage dieser Theorien zu entwickeln und zu gestalten, steigen in meiner Wahrnehmung die meisten Führungskräfte aus.

    Umso mehr müssen wir versuchen, die Anschlussfähigkeit der relevanten Organisations- und Systemtheorien sicher zu stellen. Es braucht Kommunikations- und Vermittlungstalente, die diese Übersetzungsfunktion leisten.

    Denn reife, gut funktionierende Organisationen sind unablässig, um im vernetzten Zeitalter lebensfähig zu bleiben.

    Viele Grüße aus Österreich,

    Stefan

    • Hi Stefan,

      da bin ich bei Dir. Es geht auf der einen Seite um das Erkennen der Notwendigkeit eines neuen Denkrahmens im Kontext des Führens von Unternehmen in komplexen Umwelten, auf der anderen Seite dann um das Definieren dieses neuen Denkrahmens. Beides kann man wohl nur mit der dafür notwendig passfähigen Geisteshaltung bewerkstelligen. Ich wollte mit diesem Beitrag einen ersten Impuls setzen.

      In der Quintessenz lässt sich aber eines wohl definitiv sagen. Führen von komplexen Systemen bedeutet das Managen von Kontexten, nicht das Managen von Ergebnissen. Es geht also um ein indirektes Eingreifen in diese Systeme, wo sich dann Ergebnisse nachgelagert einstellen oder eben nicht. Führen ist Kunst.

      BG, Conny

      • Ich bin (noch) viel zu wenig in der Materie drinnen, um behaupten zu können, dass ich sie so einigermaßen verstanden habe.

        Aber den Gedanken von Stefan hatte ich beim Lesen in ähnlicher Form auch: wie bringt man die konzeptionellen Erkenntnisse (wenn sie gelten, wovon ich aber an dieser Stelle mal ausgehe) in die berufliche Praxis. Geht das überhaupt, oder übersteigt das unsere (der meisten oder aller) Kompetenzen?

        Ich neige zu letzterem. Die neue Komplexität der Organisationen würde neue Muster benötigen. Der Mensch in seiner aktuellen – evolutionsgeschichtlich über 1000nde Generationen geprägten – Konstitution scheint mir dazu nicht in der Lage.

        Bei “Führen von komplexen Systemen” habe ich auch ein Fragezeichen. Sollte es nicht eher Moderieren, Probieren etc. heißen. Wir greifen an einer Stelle ein und schauen nach was an anderen nach passiert. Vielleicht brauchen wir auch insgesamt andere Begrifflichkeiten.

        Mir hat sich folgendes Bild eingeprägt: Wir treiben wie auf einem antriebslosen (Hightech-)Floss im Meer. Im Mikrokosmos oben auf diesem Boot sind wir hektisch-betriebsam und mitunter durchaus erfolgreich. Wohin wir aber letztlich insgesamt treiben, bestimmt der Wind.

        Walter

        • Guten Morgen Walter,

          danke für Deine Replik. Ich stimme Dir vollkommen zu. Das Ablegen der alten und Verinnerlichen der neuen Denkmodelle ist nicht einfach. Ich reiche noch einmal eine weitere Sicht an, um diese Notwendigkeit heraus zu stellen.

          Komplexe Probleme sind formal-logisch im Zweiwertigen Denkrahmen nicht beschreibbar, da Komplexität Widersprüchlichkeit impliziert und unser Denkrahmen diesen aussperrt. Unsere klassischen Organisationsmodelle basieren nun mal auf Zweiwertigkeit, wie im Beitrag beschrieben. Würden diese Modelle widersprüchlich sein, würden wir diese negieren, da wir ihren Mehrwert nicht sehen. Um also Organisationsmodelle als Lösung heran ziehen zu können, müssen wir komplexe Problem in komplizierte Probleme transformieren. Diese Transformation ist für uns so normal geworden, dass wir darüber schon gar nicht mehr reflektieren. Die gefundene Lösung dann, die ja auf das transformierte komplizierte Problem beruht, wenden wir dann auf das komplexe Problem an. Dabei begehen wir einen Kategorienfehler.

          Mit Begehen dieses nicht wahrgenommenen Kategorienfehlers sind wir einem Teufelskreis aufgesessen. Teufelskreis deshalb, weil wir es hier mit einer sich selbst verstärkenden Schleife zu tun haben.

          Wir bemerken nicht, dass die gefundenen Lösungen sehr häufig nicht die Probleme lösen. Logisch. sie haben ja aufgrund der vorgenommenen Transformation nichts miteinander zu tun. Das befeuert in uns die Unsicherheit, die wir ja eigentlich mit Operationalisieren unserer Modelle überwinden wollen. Also wird unser Verlangen nach noch mehr Methodik und noch mehr Standards immer größer. Diese liefern unsere klassischen Organisationsmodelle zu Hauf. Wie gesagt beruhen diese aber auf Zweiwertigkeit und grenzen damit immer weiter die Lebendigkeit aus. Dabei werden aber Probleme nicht gelöst, sondern noch verschärft.

          Die folgende Abbildung stellt diesen Teufelskreis schematisch dar.

          BG, Conny

  3. Walter Haselsteiner says:

    Ich habe noch mal über folgende grundsätzliche Aussage eingangs des Blogs nachgedacht: „Die … PKL stellt eine … Theorie dar, die es ermöglicht, … Prozesse, die charakteristisch für alle Lebensprozesse sind, … widerspruchsfrei zu modellieren. … Zweiwertige Logik schließt Widersprüche und damit Lebendigkeit aus.“

    Implizit habe ich daraus geschlossen, dass PKL Widersprüche einschließt. Aber da bin ich wohl einem Irrtum unterlegen. Auch die PKL schließt in sich gesehen ebenfalls Widersprüche aus. Aber sie bringt eine neue Ebene ein, welche in der Lage ist, Widersprüche aus der 2-wertigen Logik aufzulösen. Diese entstehen, wenn man den Standort (= die Reflektion, Rückkoppelung) mit einbezieht. In Organisationen ist dies immanenter Bestandteil. Insofern stellt PKL eine Möglichkeit dar, auch diese formal widerspruchsfrei zu beschreiben.

    Aber es existieren, so meine Vermutung, auch in der PKL auf der jeweiligen Reflexionsstufe (z.B. R2) Widersprüche, die auf dieser nicht aufgelöst werden. Diese können nur auf einer nächst höheren Stufe (R3) aufgelöst werden. Ich vermute auch, dass das formal ein Prozess ad infinitum (Ro … Rn) ist. Wobei spätestens ab R4 schwer zu begreifen ist, was darunter zu verstehen ist. Wir sind da also in einem formalen, abstrakten, logisch-mathematischen Kontext gelangen (So ähnlich wie 5-oder mehrdimensionale Räume in der Physik). Dem stehen äquivalent im VSM die Systeme S1…S5…Sn gegenüber.

    Natürlich ist es schon ein Gewinn, wenn wir selbstreferenzielle Aspekte mit den Stufen R2 und R3 besser erfassen können, als rein auf R1 (der aristotelischen Logik) zu bleiben und diese inadäquat und irrtümlich auf R2, R3 anzuwenden versuchen (und damit Widersprüche generieren). Aber rein prinzipiell ist auch die PKL immer auch begrenzt. Oder? (Das war jetzt der Versuch, mit anderen Worten darzustellen, was ich verstanden habe. Ich hoffe ich liege richtig).

    Daran schließen sich nun folgende eigene Gedanken an: Diese grundlegende „Mechanik“ ist, soweit für mich erfassbar, zumindest in der Philosophie und Naturwissenschaft nicht neu. In der Philosophie denke ich an Hegels Dialektik mit These, Antithese und Synthese. Wahrscheinlich passt auch Wittgensteins (spätere) Sprachphilosophie dazu. Er zeigt ja auf, dass Begriffe niemals eindeutig sind, sondern immer erst in ihrem Kontext (der Verwendung und Anwendung) pragmatisch verstanden werden.

    In der Naturwissenschaft denke ich u.a. an das (für uns heute) einfache Beispiel in der Astronomie (z.B. Bewegungen von Himmelskörpern konnten erklärt werden, in dem die Sonne (R2) und nicht die Erde (R1) als Mittelpunkt angenommen wurde). Aber auch die Ablösung der Newton‘schen Theorien (wäre hier R1) durch Einsteins Relativitätstheorie (R2) folgt diesem Prinzip. Erstere haben Jahrhunderte lang hervorragend funktioniert, bis durch neue Beobachtungsmethoden Widersprüche entstanden sind, die erst durch Einführung einer „höheren Ebene“ von Einstein aufgelöst wurden. Vergleichbar scheint mir dies mit dem im Blog angeführten erforderlichen Übergang von klassischen in transklassische Organisationsmodelle.

    Interessant ist, dass in den modernen Naturwissenschaften mit und nach Einstein durch die Entwicklung der Quantentheorie zwei konkurrierende Modelle vorhanden sind, die zueinander hinsichtlich der Theorie des Lichts als Welle bzw. Teilchen widersprüchlich sind (also R2R – für Relativitätstheorie- und R2Q für Quantentheorie) und die mit derzeitigen Mitteln nicht aufgelöst werden können. Es müsste also eine übergeordnet Theorie R3 gefunden werden, mit denen die Phänomene darstellbar sind. (War/ist die String Theorie ein Versuch dazu?)

    Dennoch ist die Naturwissenschaft recht pragmatisch damit umgegangen und hat in den letzten hundert Jahren phänomenale Ergebnisse erzielt, ohne die unser heutiges Leben nicht vorstellbar wäre.

    In den Sozialwissenschaften ist man da anscheinend weit zurück. Zumindest in der Psychologie ist mir vom Studium (Ende 80-er Jahre) noch gut in Erinnerung, dass es ideologische Gräben zwischen geistes- und naturwissenschaftlicher Psychologie gab. Ich vermute, dass diese noch nicht überwunden ist, also kein Common Sense über ein R2 existiert. (Ich bin da schon zu lange weg, und lasse mich gegebenenfalls gerne vom Gegenteil überzeugen.)

    Jetzt komme ich zum Diskussionsstrang oben, hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit, zurück:

    Vielleicht sind es diese eben genannten Gräben, die eine entsprechende wissenschaftliche Aufarbeitung der Organisationsstrukturen (die ja wohl Thema der Sozialwissenschaften ist) bislang verhindert haben. Dies wäre aber Voraussetzung für praktischen Einsatz (Wie die Quantentheorie für den Computer). Gräben also, welche von den Naturwissenschaftlern schon lange zugeschüttet worden sind.
    Wie könnte man Vorgehen?

    Ich denke, es ist sinnvoll, mit einfachen Beispielen auf der Stufe R2 zu beginnen. (Die Beschreibung der Relation Produktteam-Entwicklungsteam-Unternehmen oben ist wohl so ein Versuch). Ich habe den Verdacht, dass das, wenn die Komplexität niedrig gehalten wird, sogar recht unkompliziert bleibt. Das wäre dann wie das Üben des kleinen 1×1 in der Grundschule, bis man an anspruchsvollere Beispiele herangeführt wird. Wenn das verinnerlicht ist, kann man dann auf die Stufe R3 übergehen. Vielleicht gelingt es dann damit, unsere Organisationstrukturen an die Anforderungen anzupassen. Aber wie starten? Mir fehlt dazu zugegebener Maßen komplett der Plan!

    Zum Schluss möchte ich noch auf das Beispiel vom Floss oben in meinem ersten Kommentar bezugnehmen und dieses erweitern (welches mich nun auch etwas an Platons Höhlengleichnis erinnert): Wir Menschen auf dem Floß müssten (z.B., weil wir eine Vorrichtung gebaut haben), draufkommen, dass wir auf diesem treibenden Teil im Meer sitzen. Daraus schließen wir, dass wir das Treiben durch eine entsprechende Vorrichtung (einen Antrieb) unter dem Floß, beeinflussen können.
    Natürlich versuchen wir diese zu entwickeln, was uns aufgrund des technischen Knowhows oben auf dem Floß wohl auch gelingt. (Das wäre R2). Wohin wir aber dann steuern, wäre damit noch nicht definiert, wir wüssten auch nicht welche Richtung Sinn macht. Das könnten erst neue Erkenntnisse auf einer Ebene R3 bewirken. Und die Erkenntnis, warum wir das dann machen sollten wäre wohl auf R4 zu bewältigen.

    Irgendwie scheint mir mit Blick auf Platon, dass diese Gedankensysteme alle schon vorhanden waren und sind, und dass wir in gewissen Sinn immer noch am Anfang stehen. Skepsis bleibt also angesagt, ob wir damit weiterkommen. Einen Versuch ist es aber wohl wert.

    • Hallo Walter,

      Du hast meine Ideen und Gedanken im Zusammenhang mit PKL und VSM anders aber cool in Deinen Worten nachvollzogen. Danke dafür. 🙂

      Zum Thema „Widerspruch“. In meinen Augen können im Rahmen der PKL Widersprüche aufgrund des Einbeziehens verschiedener Standpunkte formalisiert werden. Deshalb werden Widersprüche nicht, wie bei der Zweiwertigen Logik, ausgeschlossen, sondern behandelt. Damit lösen sich Widersprüche im Rahmen der PKL natürlich auf.

      Zum Thema „Infiniter Prozess bei den Reflektionen“. Ja, das sehe ich auch so. Der Prozess ist infinit reflexiv und deshalb auch so wahnsinnig schwer zu verinnerlichen. Allerdings glaube ich, dass diese infinite Iteration auf R“ von statten geht und auf R3 wird dann auf diesen infiniten Prozess reflektiert. Da bin ich aber auch noch am Überlegen.

      Zum Thema „Bezug zu Hegel“. Ja, soweit ich weiß hat sich Gotthard Günther als Ausgangspunkt seiner Überlegungen von Hegel inspirieren lassen. Er wollte die Gedanken von Hegel, was ihm selber noch nicht gelungen ist, mathematisch-logisch formalisieren.
      Und ja, ich gebe Dir Recht. Es ist ein steiniger Weg, weil man sich hier Überlegungen machen muss, die nicht in unseren derzeitigen Denkrahmen passen. Wichtig ist er trotzdem oder wahrscheinlich gerade deswegen.

      BG, Conny

  4. Hallo zusammen,
    erstmal herzlichen Dank an Conny für die Hinweise auf das VSM in letzter Zeit und auf die Darstellung hier! Danke auch an die Kommentatoren, maßgeblich Walter.
    Walters Beispiele haben mir sehr geholfen, zumindest das Prinzip noch besser zu erfassen. Mir wird nachvollziehbar, warum ich mich mit der Diskussion von kategorischem Entweder-Oder immer sehr unwohl fühle. Ich selbst suche immer nach einem Sowohl-als-Auch, ganz pragmatisch mit dem Primat der Nützlichkeit für eine konkrete Organisation.
    Was mich nach diesem Artikel nochmal mehr beschäftigt ist, wie wir diese Gedanken “Management-geeignet” kommunizierbar machen können. Vermutlich geht das am besten über einen narrativen Ansatz…
    BG Birgit

    • Hallo Birgit,

      ganz lieben Dank für Deine Response. Ja, ich gebe Dir Recht. Das “In-die-Welt-hinein-Tragen” dieser Ideen wird die herausfordernde und spannende Aufgabe der kommenden Zeit. Lass’ uns damit heute noch starten. 😉

      BG, Conny

  5. Hallo Conny,

    da finde ich momentan noch nicht ganz den Zugang. Ich sehe, dass das VSM genau die Realität vieler Unternehmen beschreibt. Und zwar nicht nur den theoretischen Ansatz “Accelerate!” von John Kotter, sondern ganz pragmatische Lösungen in der Praxis, bspw. wenn agile Organisation und Prozessorganisation in einem Unternehmen in verschiedenen Bereichen nebeneinander bestehen, wenn mit SAFe gestartet wird und ein Unternehmen im Lauf der Zeit flexibel sein eigenes Ding daraus entwickelt. Oder wenn innerhalb einer eigentlich holakratischen Organisation ein Lead Link beschließt, seinen Kreis und Unterkreise als klassische Hierarchie zu organisieren. Oder wenn innerhalb der Soziokratie zwar der “Konsent regiert”, das in der Praxis eben auch heißt, dass mit Konsent beschlossen werden kann eine konkrete Entscheidung mit demokratischer Mehrheit oder Konsens zu treffen oder in der operativen Ausführung mit autokratischer Entscheidung zu arbeiten, wenn das dem Kreis für die Art der Arbeit nützlich erscheint. Usw. Also überall da, wo Prinzipien anwendet und zugleich sowohl methodische Beliebigkeit als auch Dogmatismus vermieden werden.
    Fehlt “nur” die Lücke, ein solches Vorgehen mit ein paar leicht nachvollziehbaren “einfachen” Sätzen über das VSM zu begründen 🙂

    BG, Birgit

    • Hallo Birgit,

      zwecks Zugang zum VSM mal ein Versuch von mir.

      Wir führen bei OTTO einige Aspekte des VSMs ein ohne auch nur ansatzweise den Namen “VSM” in den Mund zu nehmen. Ich bin ein großer Freund davon, sich mit eigenen Gedankengängen einem erstrebenswerten Ziel zu nähern, ohne sich dabei auf eine Gedankenstütze in Form von Modellen, und sei es auch das VSM, als Krücke zu behelfen. Warum? Diese Modelle verkommen dann nämlich schnell zum Selbstzweck.

      Ich habe diesen Weg in diesen beiden Beiträgen mal aufgezeichnet.

      http://blog-conny-dethloff.de/?p=3304
      http://blog-conny-dethloff.de/?p=3341

      Und das Coole dabei? Dadurch habe ich letztendlich das VSM besser verstanden. 🙂

      BG, Conny

      • Eines möchte ich noch anmerken. Natürlich sollte man auch in dem Kontext der Methoden nicht in die Dichotomie verfallen: “Methoden anwenden” vs. “Keine Methoden anwenden”. Auch hier zählt statt “Entweder-Oder” “Sowohl-Als-Auch”. Methoden oder Modelle sind kontextlos betrachtet weder gut noch schlecht.

        Die japanische Philosophie gibt hier Aufschluss darüber, liegen aber im blinden Fleck unseres Zweiwertigen Denkrahmens. Die dortige Kampfkunst kennt drei Stufen des Lernens (Shu-Ha-Ri), die ein Schüler von den Anfängen bis zur Meisterschaft seiner Kunst durchläuft.

        1. „Shu“, als erste Stufe des Lernens bezeichnet, bedeutet so viel wie „erhalten oder gehorchen“. Man lernt, indem man stur gegebenen Regeln folgt. Ich spreche hier auch gerne von einem kontextlosen Befolgen von Prozessen.
        2. „Ha“, die zweite Stufe, lässt sich übersetzen mit „(auf)brechen, frei werden, abschweifen“. Hier geht es darum, die kontextlosen Regeln und Standards zu interpretieren und auf den Kontext abgestimmt zu variieren. Dazu gehört also, den Sinn und Zweck der einzusetzenden Methoden zu verstehen, um so über das reine Befolgen dieser hinaus zu kommen.
        3. „Ri“, als dritte und höchste Stufe, schließlich bedeutet „verlassen, trennen, abschneiden“. Hier wird gemeint, die gegebenen Muster hinter sich zu lassen um, von eigenen Impulsen gesteuert, eigene Wege zu gehen. Die Erfahrung und das Beherrschen der Regeln ist dabei die Voraussetzung, um sich als Mensch im jeweiligen befindlichen Kontext unabhängig von Methoden zu machen.

        Unternehmen der westlichen Gesellschaft bleiben häufig auf der ersten Stufe „Shu“ stehen, da der Übergang von der ersten Stufe zur zweiten mit einem Kategorienübergang von „kompliziert“ zu „komplex“ verbunden ist und deshalb nicht angegangen wird. Erkannte Missstände werden exklusiv auf der ersten Stufe behoben, in dem Methoden und Modelle durch neue Methoden und Modelle abgelöst werden. Dadurch wird aber der Weg des Lernens versperrt.

        BG, Conny

        • Walter Haselsteiner says:

          Nachtrag: Vor einigen Tagen fiel mir auf, dass die Begrenzheit der 2-wertigen Logik (bzw. des daraus resultierenden Denkmusters) auch in einem völlig anderen Kontext sehr deutlich zum Ausdruck kommt. Ich dachte da an die “Schulmedizin” und ihre Schwierigkeit die komplexen psycho-physischen Wechselwirkungen im menschlichen Organismus zu verstehen und damit zu behandeln. Ich glaube, sie steht bei einer Vielzahl von Krankheitsbildern vor einem ähnlichen Problem und hat nicht die prinzipiellen Werkzeuge dieses zu lösen. (Womit ich nicht gesagt haben möchte, dass andere “nicht-schulmedizinische” Verfahren vorzuziehen wären. Da kenne ich mir gar nicht aus.)

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