Immer wieder höre ich in Führungskräfteschulungen Fragen wie „Welche Eigenschaften sollte eine gute Führungskraft mitbringen?“ oder „Wie muss eine gute Führungskraft sein?“ Genau zu diesem Thema habe ich jetzt ein sehr schönes kleines Büchlein von Andreas Drosdek gelesen: Platon für Manager.
Man mag es kaum glauben, aber eine gute Antwort auf die Fragen kann man der Tugendlehre Platons, die zusammen mit der Ideenlehre in dem Buch thematisiert wird, entnehmen.
Die folgende Abbildung stellt schematisch die Tugenden einer guten Führungskraft dar.
Diese 4 oben dargestellten Tugenden (Weisheit, Besonnenheit, Mut und innere Gerechtigkeit) stehen alle miteinander in Beziehung und beeinflussen sich gegenseitig. Die vierte der Tugenden, die innere Gerechtigkeit, sorgt für eine Ausgewogenheit der anderen 3 Tugenden.
Was die einzelnen Tugenden besagen und wie die Ausgewogenheit dieser, die eine gute Führungskraft ausmacht, ausschauen, möchte ich nun thematisieren.
Weisheit
Als gute Führungskraft muss man die Frage der eigenen Identität und der des zu verantwortenden Bereiches beantworten können. Das klingt wahrscheinlich auf dem ersten Blick banal, ist es aber laut meiner Erfahrungen keineswegs. Fragen wie
- Was ist meine ureigenste Aufgabe hier im Unternehmen?
- Wofür stehe ich und wofür stehe ich nicht?
- Würden die restlichen Mitarbeiter des Unternehmens weinen, würde es mich und meinen Bereich nicht mehr geben?
- Wie zahlen meine Arbeit und die meines von mir zu verantwortenden Bereiches in die Mission und Vision des Unternehmens ein?
- Kenne ich die Mission und Vision meines Unternehmens überhaupt und kann ich diese uneingeschränkt teilen und danach leben?
- Würde es das Unternehmen, für das ich arbeite nicht geben, was wären triftige Gründe dieses zu gründen?
können von ganz wenigen Managern und Führungskräften beantwortet werden. Testen Sie es gerne aus. Die Antworten sollten natürlich so konkret wie nur irgend möglich ausfallen.
Können Sie diese Fragen nicht beantworten, sollten Sie Alles stehen und liegen lassen und sich an das Finden der Antworten machen. Egal welche Aufgaben und Aktivitäten Sie derzeit in Beschlag nehmen, ohne die Antworten können Sie diese nur unzureichend erledigen.
Um obige Fragen zu beantworten ist es natürlich unerlässlich, dass die Führungskraft sich als Person grundsätzlich eine Vision und Ziele zuschreibt und sich diesen stets bewusst wird und eigene Handlungen dahingehend reflektiert. Ein kritisches Nachdenken, Reflektieren und Justieren über die eigenen Zielvorstellungen und dem Status Quo ist also gefragt.
Das sollte dann auch auf die Ebene des Unternehmens übertragen werden. Fast jedes Unternehmen hat heute nieder geschriebene Visionen und Missionen. Nur gehen diese sehr häufig nicht mit der realen Unternehmenskultur konform. Mitarbeiter merken das natürlich sehr schnell und die Authentizität der Führungskraft geht damit verloren.
Mut
Ist sich eine Führungskraft um seiner eigenen Identität und die seines zu verantwortenden Bereiches bewusst, ist es nicht immer einfach diese auch authentisch in Handlungen einfließen zu lassen. Viele Menschen in einem Unternehmen bedeuten unter Umständen auch viele Meinungen und Eigeninteressen, die nicht immer mit den Interessen des Unternehmens übereinstimmen müssen. Will man seine eigene Identität nicht verleugnen, braucht man in erster Linie Mut, auch mal „gegen den Strom zu schwimmen“ und nicht stets zu Allem „Ja und Amen“ zu sagen. Merken Mitarbeiter, das die eigene Führungskraft wie ein Fähnchen im Wind heute „A“ und morgen „B“ je nach Großwetterlage sagt, geht die Verbundenheit zu und die Glaubwürdigkeit gegenüber den ausgelobten Visionen, Missionen und Zielen verloren.
In der Praxis kann man sehen, dass Manager und Führungskräfte die nachhaltigen Erfolg vorweisen können und konnten, gradlinige Menschen waren, die stets offen und ehrlich für ihre Sache eingestanden haben, auch wenn sie die einsamen Rufer in der Wüste waren.
Weise ist eine Führungskraft, wenn sie stetig eigene Handlungen und Ergebnisse reflektiert und bewertet. Das bedeutet aber auch eigene Stärken und Schwächen anzuerkennen. Ohne Mut funktioniert das nicht. Denn das Anerkennen eigener Schwächen kann manchmal weh tun, denn man muss sich eingestehen, gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten, von denen man glaubte sie zu haben, doch nicht zu haben. Und dann darf man die Mühen nicht scheuen, diese Lücke zu schließen.
Aber auch das Anerkennen eigener Stärken geht nicht ohne Mut. Denn tut man dies, sollte man sich auch in die Lage versetzen können, mehr Verantwortung zu übernehmen. Warum hat das mit Mut zu tun? Mehr Verantwortung bedeutet mehr Aktionsraum und damit steigt die Gefahr Fehler zu machen. Diesen Fehlern muss man offen gegenüber stehen, denn sonst nimmt man sich selbst das Potential der Weiterentwicklung. Das Eingestehen eigener Fehler geht wiederum nicht ohne Mut.
Besonnenheit
Mit dieser Tugend geht einher, dass man anderen das Recht überlässt, ihre eigenen Sichten und Meinungen auf Themen und Sachverhalte zu haben. Diese müssen nicht immer mit den eigenen übereinstimmen. Objektivität gibt es nicht und schon gar nicht die absolute Wahrheit.
Ich betone es in meinem Logbuch immer wieder, dass ich nach Menschen mit anderen Sichtweisen und Meinungen zu von mir dargelegten Themen suche. Denn diese ermöglichen mir einen Zugang zu anderen Ideen und Gedankengängen und stellen so die Basis für meinen Lernprozess dar. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich diese Sichtweisen dann sofort übernehme. Entweder ich kann mit den neuen Gedankengängen meine Sichtweise mit weiteren Argumenten erhärten oder ich kann meine Sichtweise revidieren. In beiden Fällen lerne ich. Lasse ich dies gar nicht erst zu, nehme ich mir die Chance zu lernen.
Des Weiteren bedeutet besonnen zu sein, auch in brenzligen Situationen nicht in Aktionismus zu verfallen. Ein Agieren und Handeln der „3 Lassens“ ist angesagt: Zulassen – Weglassen – Loslassen. Das bedeutet natürlich nicht leidenschaftslos zu agieren, ganz im Gegenteil. Gegenüber seinen eigenen Visionen und Zielen und denen des Unternehmens muss man mit Leidenschaft bei der Sache sein. Merkt man diese Leidenschaft nicht mehr, sollte man entweder die gesteckten Ziele überdenken oder eben das Unternehmen wechseln. Auch das ist eine Möglichkeit.
Diskussionen über verschiedene Sichtweisen können nur dann eine Basis für das Lernen sein, wenn sie inhaltsgeleitet geführt werden. Machtkämpfe haben hier nichts zu suchen. Nicht immer der Ranghöhere in der Hierarchie hat Recht.
Will man andere Menschen von seinen Visionen und Zielen überzeugen, kann das nur über Selbstbeherrschung, Mäßigung, Gelassenheit und Unaufgeregtheit von statten gehen. Verhält man sich wie „die Axt im Walde“ verstärkt man den Widerstand nur noch.
Innere Gerechtigkeit
Die innere Gerechtigkeit ist laut Platon verantwortlich für ein gesundes Gleichgewicht in unserem Inneren. E s reicht beispielsweise nicht aus nur gute Ideen zu haben, diese dann aber nicht umsetzen zu wollen. Es reicht ebenfalls nicht aus, etwas umsetzen zu wollen, ohne sich ausreichend Gedanken darüber gemacht zu haben, wie diese Ergebnisse langfristig in die ausgelobten Visionen einzahlen.
Wie in der obigen Abbildung dargestellt lokalisiert Platon die Weisheit im Kopf, den Mut im Herzen und die Besonnenheit im Bauch. Allein dadurch wird eine Ganzheitlichkeit und Vernetztheit im Denken und Agieren symbolisiert. Entscheidungen sollten also weder nur aus dem Bauch heraus geschehen, noch sollte man für eine anstehende Entscheidung nach immer mehr Daten suchen und so niemals zu einer Entscheidung kommen. Ebenfalls sollte man sich bei Entscheidungen nicht zu schnell von seinen Emotionen leiten lassen, wenn einem beispielsweise ein Wutgefühl bei Nichteintreten bestimmter gewünschter Ereignisse überkommt.
Der Satz: „Lieber noch einmal eine Nacht darüber schlafen und sacken lassen.“ Kommt Ihnen wahrscheinlich bekannt vor. Bei Entscheidungen befinden wir uns also zwischen den Polen von Rationalität und Emotionalität.
Fazit
Auch wenn Platon seine Tugendlehre ca. 400 v. Chr. Entwickelt hat, hat sie meines Erachtens nichts an Bedeutung für das „richtige“ Denken und Agieren von Managern und Führungskräften in unserer heutige Zeit verloren. Die Erkenntnisse Platons muss man natürlich auf die Bedingungen unserer heutigen Zeit anpassen.
Vielleicht haben Sie das Gefühl, ich habe es jedenfalls, dass die hier beschriebenen Eigenschaften einer guten Führungskraft nichts Bahnbrechendes darstellen. Man ist geneigt zu sagen: „Logisch, so sollte eine gute Führungskraft. Warum dafür einen Post spendieren?“ Es scheint zwar logisch, dass eine gute Führungskraft so sein sollte. Aber warum kann ich diese Eigenschaften denn so selten beobachten? Das ist der Grund für diesen Post.
Und natürlich lassen sich diese Eigenschaften auch grundsätzlich auf Menschen übertragen. Ein „guter“ Mensch sollte so sein. Klar, denn warum sollten sich Wirtschaft und Leben so großartig voneinander unterscheiden?
Ich hoffe ich habe Ihnen einen Impuls geben können, sich dieses kleine Büchlein mal zu Gemüte zu führen und diese Reflektion für sich vorzunehmen.