Ich habe im Rahmen meines Vortrages zum Modeler Camp in Berlin bereits die Problematik angerissen, das Wissen in komplexen Systemen nicht dazu führen kann, komplexe Systeme zu beherrschen. Wissen ist für komplizierte Systeme, wie eine Uhr oder eine Heizung notwendig, um dieses zu beherrschen. Komplexe Systeme lassen sich nicht beherrschen, bestenfalls handhaben. Für dieses Handhaben ist nicht Wissen, sondern Können und Talent entscheidend.
Daniel Juling, ein Wegbegleiter auf meiner Reise des Verstehens, hat dieser Thematik mit der Perspektive des Nichtwissens eine weitere Perspektive geschenkt. Diese Perspektive reicht er uns in einem Vortrag, den er in München gehalten hat, an.
Wissen ist also nicht erfolgskritisch für das Handhaben von komplexen Systemen. Wie sieht es dann beispielsweise mit Produkten aus, die in Unternehmen auf Basis von Wissen entstehen? Können diese Produkte langfristig erfolgreich sein?
Daniel gibt im Rahmen seines Vortrages, den Sie sich oben anschauen können, praktische Beispiele, die genau diese Frage mit „Nein“ beantworten lassen. Ein Beispiel möchte ich aus seiner Präsentation heraus greifen.
Apple hat ohne Frage für eine gewisse Zeit den Markt der Smartphones bestimmt. Apple hat diesen Markt überhaupt erst erfunden, nämlich in der Zeit, in der kein Mensch den Wunsch nach einem Smartphone hatte. Apple hat den Menschen diesen Wunsch erst generieren lassen, hat also einen Rahmen für diesen Wunsch geschaffen.
Diesen Rahmen hat Apple aber mit dem Schaffen des iphones verlassen. An dieser Stelle sind sie dann relativ restriktiv vorgegangen. Diese Restriktion hat beispielsweise Google abgeschafft. Auch Google hat ein Smartphone auf den Markt gebracht, welches aber eher bescheidenen Erfolg hatte. Doch mit dem Betriebssystem Android hat Google Handyhersteller ermöglicht Smartphones herzustellen, mit den Nebeneffekt, die Reichweite der Google Service zu erweitern. Durch den Andockpunkt zu mehreren Handyherstellern hat Google im Gegensatz zu Apple die Optionsvielfalt erhöht und damit die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg erhöht. Man erkennt jetzt schon, dass Apple im Segment der Smartphones immer mehr Boden an einige Wettbewerber einbüßt.
Das Muster, welches in diesem Beispiel Apple zugeschrieben wird, ist extrem häufig in Unternehmen zu erkennen. In Unternehmen werden Produkte nach strikten Annahmen über das zukünftige Käuferverhalten konzipiert. Da hier die Optionsvielfalt sehr gering ist, sind diese Produkte auf Wissen aufgebaut, was keines ist, denn die Zukunft ist ja wie wir alle wissen nicht vorhersagbar. Es ist halt nur scheinbares Wissen, was sich sehr häufig als falsch heraus stellt.
In dem Moment, wo in Unternehmen das Nichtwissen über das zukünftige Käuferverhalten eingeräumt wird, kann auch damit gearbeitet werden. Mit dieser Perspektive aus dem Nichtwissen heraus wird für die Konzeption der Produkte die Weisheit der Vielen genutzt und damit die Optionsvielfalt erhöht. Es sind also Produkte, die auf Nichtwissen beruhen. Im oberen Beispiel ist es das Muster, welches Google anwendet.
Vielen Dank für diesen Denkanstoß. Die These des aktiven Bejahens von Nichtwissen in Unternehmen als Basis für Erfolg unterschreibe ich sofort. Doch die Aussage “Je mehr #Komplexität desto wichtiger wird #Nichtwissen scheint mir zu plakativ und fragwürdig. Im Umgang mit Komplexität ist für mich #Nichtwissen keine lösungsrelevante Ressource. Auch #Wissen nicht, stattdessen – wie gesagt – Talent und Können (Wohland/Wiemeyer). Ich denke, Talent und Können haben aber einen Kern von Wissen. Eine Art Metawissen, implizites Wissen, Intuition. Wenn wir diese Form von Wissen nicht hätten, würden wir gar nicht ins Handeln kommen.