Ich durfte am heutigen 08. April 2020 im Rahmen der talent-talks-webinare der Mandarin Medien GmbH einen Impuls zum Thema Kommunikation zur Diskussion stellen.
Das Event fand über Zoom statt und ist aufgezeichnet worden.
Ich nutze mit diesem Beitrag die Chance, meine Worte noch einmal zu verschriftlichen, wobei ich weiter aushole, um die Wichtigkeit von Kommunikation hervorzuheben.
Eine wichtige Bitte gleich am Anfang. Verstehen Sie meine Werkzeuge bitte nicht als Best Practice. Sie funktionieren für mich in bestimmten Kontexten von Kommunikation, was nicht unbedingt für andere Menschen ebenso der Fall sein muss. Die Wahrscheinlichkeit für ein Funktionieren schätze ich allerdings für Menschen, die im gleichen Kulturraum wie ich sozialisiert sind, als nicht gering ein. Verstehen Sie die kommenden Sätze also nicht als Rezept, sondern eher als “Beißholz” zum Denken, Fühlen und Ausprobieren im Kontext Kommunikation.
Warum ist Kommunikation so wichtig?
Wie meine FORMWELT-Kollegin Gitta Peyn so schön sagt, ist nicht Digitalisierung DAS NEUE Phänomen, welches uns Menschen beim Problemlösen so unglaublich heraus fordert.
Digitalisierung funktioniert für mich als Überwindung menschlicher Grenzen durch Technisierung, erst im physischen Phänomenbereich (z.B. Faustkeil, Kran, Dampfmaschine etc.), dann später immer mehr im psychischen Phänomenbereich (z.B. Taschenrechner, Mustererkennung im Rahmen der Künstlichen Intelligenz etc.). Mit Digitalisierung haben wir es in meiner Beobachtung bereits seit einigen Jahrhunderten zu tun.
Was ist denn nun neu und einzigartig für unsere heutige Zeit? Wir haben es mit vielen parallel ablaufenden wirklichkeitsemulierten Systemen zu tun, die deshalb entstehen, weil wir unsere Technologie stets und ständig weiter entwickeln. Die folgende Abbildung stellt die Wirkungen dar.
Wir emulieren Wirklichkeit schon lange, doch noch nie zuvor haben wir das in diesem Ausmaß und in Symbiose mit Maschinen gemacht. Die Menge non-lokal über uns hinwegschwappender Wirklichkeitsemulationen erschwert uns massiv, noch zwischen emulierten und Wirklichkeiten vor Ort unterscheiden zu können.
An dieser Stelle verweise ich wiederum gerne auf Gitta Peyn, wenn sie meint.
Im schlimmsten Fall bricht Wirklichkeit vor Ort als Krise über uns herein, da wir in unseren Emulationen Krisen bis zur Unkenntlichkeit so eingepreist haben, dass sie ihre Funktionen verlieren, uns auf sie einzustellen und vorzubereiten.
Dieses Phänomen ist uns sicher noch von der Finanzkrise 2008 im Gedächtnis. Oder?
Was sind denn nun Beispiele für wirklichkeitsemulierte Systeme? Da wären Börse, Medienberichterstattungen, Visionen, Kennzahlen, Strategien, Google Maps, Navigationssystem im Auto und viele weitere mehr zu nennen, die uns eine passfähige Orientierung erschweren.
Durch Kommunikation emulieren wir ebenfalls Systeme, in denen wir denken, fühlen und handeln. Je näher diese emulierten Wirklichkeiten an den realen Wirklichkeiten vor Ort sind, desto passfähiger sind unsere Handlungen. Kommunikation ist damit in meinen Augen eines unserer wichtigsten Werkzeuge, gemeinsam Lösungen zu finden.
Leider erkenne ich diese Bedeutung zu wenig im Rahmen unserer Bildung, wo der Fokus eher auf Grammatik und Rechtschreibung gelegt wird. Kommunikation ist aber viel mehr. Ob ich beispielsweise „mich“ und „mir“ verwechsele, führt nicht unbedingt dazu, dass andere Menschen besser oder schlechter begreifen was ich meine. Damit möchte ich natürlich nicht behaupten, Grammatik und Rechtschreibung wäre nicht wichtig.
Auszug aus meinem Werkzeugkasten
Starten möchte ich mit einem Zitat von Gotthard Günther, einem meiner größten Impulsgeber auf meiner Reise des Verstehens.
Wenn ein Problem wieder und wieder auftaucht und keine Lösung gefunden werden kann, dann sollte man nicht danach fragen, was die Vertreter gegensätzlicher Standpunkte voneinander unterscheidet, sondern was sie gemeinsam haben. Das ist der Punkt, wo die Quelle des Missverständnisses liegen muss.
Was lese ich aus dem Zitat? Nicht dort, wo wir uns sicher sind, uns misszuverstehen, liegt unser Problem, sondern dort, wo wir glauben, ja fast sicher sind, uns zu verstehen. Denn das ist häufig nicht der Fall, wird aber zu wenig hinterfragt. Nehmen wir den Begriff “Krise”. Funktioniert der Begriff für alle Menschen gleich? Das glaube ich nicht. Trotzdem tun wir so, wenn wir den Begriff benutzen. Wenn also “Krise” für mich anders funktioniert, als für meinen Gesprächspartner, wir aber den gleichen Begriff nutzen und unreflektiert davon ausgehen, das Gleiche darunter zu begreifen, ist das nicht förderlich für ein gegenseitiges Begreifen.
Ein zweites Zitat möchte ich anreichen. Es stammt von Ludwig Wittgenstein.
Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.
Nun habe ich hoffentlich klar genug herausgestellt, warum Kommunikation für mich eines der wichtigsten Werkzeuge beim Problemlösen darstellt. Komme ich nun zu einigen meiner Werkzeuge diesbezüglich.
1. Klares Denken = klare Kommunikation
Ich nutze nur Begriffe, die in der Bedeutung für alle meiner Gesprächspartner klar zu sein scheinen. Wichtige Botschaften schreibe ich vorher Wort für Wort auf. Beim Schreiben vermeide ich, aufgrund meiner angestrebten Energieeffizienz und dem damit einhergehenden Verlangen nicht so viel schreiben zu müssen, zu labern und schwammig zu sein.
Ich verwende Umgangssprache und verstecke mich nicht hinter Fachbegriffen. Vor Präsentationen hole ich mir beispielsweise meine Erdung, ob ich in meinen Worten begriffen werde, oft zu Hause. Denn meine Frau und meine Kids sind nicht in der gleichen beruflichen Domäne wie ich unterwegs, müssen aber trotzdem, so jedenfalls mein Anspruch, mich begreifen.
2. Nachfragen erwünscht!
Ich gehe nicht vom FALSCHEN oder SCHLECHTEN in den Meinungen anderer Menschen aus. Oft haben Menschen nur nicht begriffen, was ich meine. Dann liegt es an mir und der Verwendung meiner Begriffe.
Ich mache anderen Menschen einfach klar, wie Begriffe für mich funktionieren. Ich versuche einfach zu sprechen ohne Verwendung von Buzzwords. Umgangssprache ist für mich die bevorzugte Sprache. Ich kokettiere nicht mit Fachbegriffen. Der Satz “Den Begriff kannst Du ja nicht kennen. Du bist ja kein Experte in diesem Gebiet.” ist mir fremd.
3. Jeder hat seine eigene Wahrheit
Unterschiedliche Perspektiven helfen mir zu lernen. Ich kann daraus lernen. Menschen, die mich immer nur bestätigen, irritieren mich nicht zum Lernen. Ich funktioniere als Radikaler Konstruktivist. Ich kann Menschen mögen, auch wenn sie meine “Wahrheit” nicht teilen.
Mein Motto lautet: Ich kommuniziere, wie ich in Welt funktioniere, nicht wie die Welt ist.
Ich versuche eher andere Menschen zu verstehen, als meine eigene Sicht immer wieder zu bestätigen. Ich nehme am Kommunikation teil, um Menschen meine Sicht auf ein Thema zu begründen, nicht ihre Sichten zu widerlegen. Ich weiß, dass es immer mehrere passfähige Blickwinkel auf ein Thema geben kann, nicht nur meine.
4. In ich-Form sprechen
Ich begründe meine Meinung durch meine eigene Sichtweise, nachvollziehbar. Wenn ich “Ich” sage, übernehme ich Verantwortung, für das was ich sage oder schreibe. Ich verwende eher “Das funktioniert für mich so.” statt “Das IST so.”.
Verantwortungsabgebende Stellvertreterbezeichnungen ersetze ich durch verantwortungsübernehmende. Beispiel: “Man weiß.” überführe ich in “Ich weiß”.
5. Keine Manipulationsversuche
Ich manipuliere nicht selbst bekräftigend. Beispiel: “Ich als Manager denke, dass …” überführe ich in “In meiner täglichen Arbeit habe ich erfahren, dass …”.
Ich verallgemeinere Sichten meines Gesprächspartners nicht, um Lücken in diesen zu offenbaren. Dieses Phänomen beobachte ich häufig. Sätze von Menschen werden umgeschrieben und so verallgemeinert, dass auf der einen Seite der Inhalt verfälscht wird und dieser dann auch noch offensichtlich falsch ist. Das soll dann initial Gesagte ad absurdum führen.
Ich sollte ebenfalls offen und unmissverständlich in der Lage sein, klar zuzugeben, wenn ich mich in meiner Sicht geirrt habe und anderen Menschen danken, wenn sie mir dabei geholfen haben, statt sie zu “bekämpfen”.
6. Substantive wo möglich in Verben überführen
Ich führe Bewegung und Selbstbezug in Kommunikation ein. Ich vermeide Statik und “Festgemeißeltes” in meinen Sätzen, um die Mystik rund um allgemein gültiger Wahrheit gar nicht erst aufkommen zu lassen. Beispiel: Statt “die Überprüfung hat ergeben …” sage ich eher “Ich habe überprüft und …”.
Einführungsseminar Komplexitätsorganisation
Ich möchte nicht verpassen, auf unser Seminar Einführung in Komplexitätsorganisation hinzuweisen. Wir tauchen in 2 Tagen in Themen wie Komplexität und Kommunikation ein, was als gute Basis genutzt werden kann, sich seinen eigenen Werkzeugkasten für Kommunikation anzulegen und diesen stetig zu validieren.
Melden Sie sich bei Interesse gerne über obigen Link an.
Ich bin auf die Analysen der Kommunikation im Zuge der Corona-Krise gespannt. Gerade auch untern den von dir genannten Aspekten. Wo werden diese eingehalten, wo nicht, wo vielleicht bewusst umgangen, weil nicht gewünscht.
Das wird ein Fest für Sozial- inkl. Kommunikationswissenschafter (und wohl auch Psychologen, Entscheidungstheoretikern…)
Oh ja, das wird sehr spannend sein zu beobachten.
Ich habe gestern ein wunderbares Beispiel für die öffentliche Kommunikation (Punkt 5 – Manipulation) gehört. (Nachrichten in Ö3 – dem mit Abstand wichtigsten Radio Medium in Österreich – öffentlich-rechtlich natürlich).
Sinngemäß: Ein zurückgewiesener Ex-Freund droht seiner Ex und deren Angehörigen mit dem Umbringen und dass er Sie auch mit dem Coronavirus anstecken werde.
Richtig, genau in der Reihenfolge!! Für mich klingt das wie: nicht nur mit dem Umbringen sondern sogar mit dem Anstecken – was offensichtlich noch dramatischer ist.
Er hat dann später noch einen Polizisten angespuckt. Ein Test ergab aber, dass er nicht infiziert ist.
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