Machen Sie auch häufig die Erfahrung, dass es schwierig ist, innerhalb einer Gruppe von Menschen Themen und Sachverhalte zielgerichtet zu besprechen und Lösungswege einzuschlagen? Ich ja. Sicherlich gibt es dafür eine Reihe an verschiedenen Gründen.
Ich möchte heute mit diesem Post auf einen methodischen Grund eingehen. Auch wenn ich kein “Methodenreiter” bin, was Sie sicherlich in einigen meiner Artikel wahrnehmen, möchte ich nicht grundsätzlich gegen Methoden und Prozessvorschriften wettern. Sie dürfen halt nur nicht so eng und dogmatisch gesteckt sein, dass sie Innovationen verhindern, was leider sehr häufig der Fall ist.
Na dann. Lassen Sie uns starten.
Das gemeinsame Besprechen und Durcharbeiten von Themen, ganz gleich welcher Art, fußt aus meiner Sicht auf 3 Säulen.
- Goal: Welchen Zustand möchten wir in der Zukunft durch unser Handeln erreichen?
- Reality: In welchem Zustand befinden wir uns im Ist und welche Vorteile erhoffen wir uns vom Zielzustand, die der derzeitige Zustand nicht bietet?
- Options / Way Forward: Welche Mittel stehen uns zur Verfügung, um unseren heutigen Zustand zu verlassen und den angestrebten Zielzustand erreichen zu können?
Sie sehen sicherlich, warum diese Methode mit GROW bezeichnet wird, die übrigens ursprünglich für das Coaching erfunden wurde. Ich bin mir aber sicher, dass sie nicht nur darauf eingeschränkt erfolgreich einsetzbar ist. Ich nutze sie seit Längerem intensiv. Im folgendem kleinen Video stelle ich die Methode vor, um nachgelagert noch einmal intensiver auf spezifische Aspekte der 3 Schritte einzugehen.
Goal
Ich gebe Ihnen eine Auswahl möglicher Fragen, die man sich im Kontext der Bestimmung des Zielzustandes stellen könnte.
- Welche fachlichen und nichtfachlichen Anforderungen soll die Datenintegration erfüllen?
- Welche Diskussionen sind in diesem Kontext bereits geführt worden?
- Welche Stakeholder sind einzubinden?
- Welche Standards müssen wir im Zielzustand einhalten?
- Wo haben wir diesbezüglich Freiheitsgrade?
- Welche Themenstellungen sind nicht im Scope des Zielzustandes?
Im Rahmen dieser Diskussionen ist es essentiell zwischen primären und sekundären Ziele zu unterscheiden, man könnte auch sagen zwischen Zweck und Nebeneffekt. Diesen Aspekt möchte ich hier gar nicht groß ausführen, sondern auf meinen Post Pfadabhängigkeit bei Veränderungen durch Vertauschen von Zweck und Nebeneffekte verweisen.
Ich möchte des Weiteren nicht in eine detaillierte Diskussionen über die eigentliche Sinnhaftigkeit von Zielen an dieser Stelle abdriften, einige Zeilen dazu aber trotzdem nicht unterschlagen. Wenn Sie Lust auf detailliertere Ausführungen haben, lesen Sie gerne in meinem Logbuch nach.
Grundsätzlich benötigen wir Ziele, um überhaupt einen Anschub für Handlungen zu haben. Wie könnte ich beispielsweise nicht an Ziele glaubend diesen Post verfassen? Welchen Sinn würde dieses Verfassen in mir entfalten? Warum sollte ich das tun? Ich benötige ein Motiv dafür. Das verbinde ich beispielsweise mit Zielen. Andererseits dürfen Ziele nicht einengen. Ich setze mir beispielsweise kein Ziel über die quantitative Reichweite dieses Posts, da ich sonst wohl zu sehr an meinem “erfolgreichsten” Post hängen würde und meine Kreativität für diesen Post damit einengen. Wenn Ziele definiert werden, schöpfen wir aus Erfahrungen der Vergangenheit. Lassen wir das uneingeschränkt zu, engen Ziele unsere Handlungsoptionen ein. Neues kann so nie entstehen.
Ziele sind also nützlich. Sie können aber auch ins Gegenteil schwingen. Sie können nicht nützlich oder nicht sinnvoll werden. Das ist jeweils abhängig von der Definition, wie eben bzgl. meines Post kurz angedeutet. Ähnlich wie ich oben davon gesprochen habe, dass Methoden nicht so eng und starr definiert werden dürfen, dass sie Innovationen verhindern, verhält es sich auch mit Zielen. Ziele können also nützlich sein und gleichzeitig eben nicht. Ist das ein Widerspruch? Aus Sicht der zweiwertigen Logik, ja. Aus Sicht der Lebendigkeit, für die die zweiwertige Logik unzureichend ist, nein. Ziele sind übrigens alleine schon deshalb nützlich, um ihre mögliche Unsinnigkeit überhaupt zu diskutieren und auszudrücken.
Es bleibt also festzuhalten, dass zwischen primären und sekundären Zielen unterschieden werden muss und die Definition der primären Ziele nicht zu starr und einengend geschehen darf. Dazu ein kleines Beispiel aus meinem Joballtag.
Ich bin in meiner Rolle als Abteilungsleiter unter anderem verantwortlich für das Datenmanagement im BI Kontext. Ziel ist es, dass die Qualität der Daten niemals ein Hemmnis für Analysen und Auswertungen darstellt. Das bedeutet, wann immer Jemand Daten benötigt, muss er diese in der erforderlichen Qualität, Geschwindigkeit und am rechten Ort vorfinden und Zugriff darauf haben. Das ist das primäre Ziel. Wird dieses verfehlt, muss er einen Ansprechpartner kennen, der ihm die Daten schnell zur Verfügung stellen kann. Denn es kann ja sein, dass man für neue Auswertungen Daten benötigt, die so in der Form noch nicht vorgehalten werden. Um dieses primäre Ziel zu erreichen, müssen mehrere Maßnahmen angestoßen werden. Eine ist einen Datenmanager für die wichtigen Datendomänen (Kunde, Artikel, Lieferant) ernannt zu haben. Das Benötigen dieses Datenmanagers ist aber nicht eines der primären Ziele des Datenmanagements. Denn würden qualitativ hochwertige Daten “vom Himmel fallen”, man also keinen Aufwand zum Herstellen einer guten Datenqualität hätte, würde man die Rolle des Datenmanagers auch nicht besetzen.
Reality
In diesem Kontext könnte man sich die folgenden Fragen stellen.
- Welche Vorteile, die wir heute haben müssen auf jeden Fall in den Zielzustand übernommen werden?
- Auf welche Vorteile kann man verzichten, da diese wahrscheinlich obsolete werden?
- Wo sind gravierende Mängel in Bezug zum Zielzustand zu finden?
- Ist das definierte Ziel wirklich wert zu erreichen?
Options/ Way Forward
Mögliche Fragen könnten hier die Folgenden sein.
- Wo stehen wir heute im Kontext der technischen Umsetzung?
- Welche Umsetzungsmöglichkeiten bestehen grundsätzlich, um vom Status Quo zum Zielbild zu gelangen?
- Welche Kriterien ziehen wir für eine Bewertung der Optionen heran?
- Wie bewerten wir diese Umsetzungsmöglichkeiten?
- Welche der Optionen ist auf Basis der Bewertung die für OTTO beste Lösungsoption?
Fazit
Viel zu schnell und voreilig wird aus meiner Sicht in Problemsituationen über mögliche Lösungsoptionen gesprochen. Es ist immens wichtig, sich ausreichend Zeit zu nehmen, darüber zu diskutieren wo man eigentlich hin möchte und wo man derzeit steht. Besteht darüber kein Konsens, kann es auch keinen mehrwertgenerierenden Konsens über einzuschlagende Lösungswege und Mittel geben. Hier verhält es sich ähnlich einem Navigationssystem in einem Auto. Uns ist vollkommen klar, dass wir für die Bestimmung einer Route Start- und Zielpunkt eingeben müssen, um mögliche Routen nach bestimmten Kriterien vorgeschlagen zu bekommen. Nur im Kontext gemeinschaftlicher Bearbeitung von Themen und Sachverhalten scheinen wir das immer wieder zu vergessen.
Wie ich bereits geschrieben habe nutze ich diese Methode für viele verschiedene Kontexte, beispielsweise für das Anfertigen von Statusberichten zu Projekten. Ist- und Zielzustände könnten beispielsweise Meilensteine des Projektes sein. Aber auch wenn ich dedizierte Diskussionsgegenstände aufarbeiten muss, um dann mögliche Lösungsszenarien gegenüberzustellen, wende ich diese Methode an. Ein weiterer Anwendungszweck ist das Anfertigen von Präsentationen für Vorträge. Ich habe den Anspruch, dass jeder Vortrag, den ich halte, etwas bei meinen Zuhörern bewirkt. Das bedeutet, der Zustand der Zuhörer vor meinem Vortrag muss ein anderer sein als der nach meinem Vortrag. Und nicht nur das, denn das ist leicht, da automatisch gegeben (frei nach Heraklit: “Alles fließt”). Die Änderung muss eben auch nachhaltig und mehrwertgenerierend für jeden Einzelnen sein. Das Befassen mit den beiden möglichen Zuständen (vor und nach dem Vortrag) meiner Zuhörer ist die Basis für den Aufbau und den Inhalt meines Vortrages.
Zu guter Letzt nutze ich GROW auch für das Verfassen meiner Posts dieses Logbuchs. Nur dann, wenn ich überzeugt bin, dass ein Post bei den Lesern, ähnlich wie bei meinen Vorträgen, eine nachhaltige und mehrwertgenerierende Zustandsänderung zur Folge hat, macht das Veröffentlichen aus meiner Sicht überhaupt Sinn. Das war wohl auch der Grund für meine Schreibblockade im letzten Jahr, die ich in meinem ersten Post dieses Jahres bereits kurz angedeutet habe.
Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass ich das Kunstwort GROW dieser Methode nicht damit verbinde stetig wachsen zu müssen. Mir geht es nicht um ein stetes “Immer höher”, “Immer weiter” und “Immer schneller”. Ich verbinde GROW eher mit einem steten Entdecken, Lernen und Sich-Weiter-Entwickeln.
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Hallo Conny,
vielen Dank für diesen Beitrag!
Ich habe die letzten Jahre eine ähnliche Methode als roten Faden für diverse Workshops verwendet, nämlich den Problemlösungszyklus. Dieser besteht im Prinzip aus denselben Schritten wie die GROW-Methode, allerdings in einer leicht veränderten Reihenfolge.
1) Wo stehen wir? (Problem, Ursachen, Wurzeln…)
2) Wohin wollen wir? (Vision, Ziele, attraktive Zukunftsbilder…)
3) Welche Wege zum Ziel gibt es? (Szenarien, systemische Hebelpunkte…)
4) Welches ist der erfolgsversprechendste Weg? Was tun wir konkret? (Entscheidung, Commitment, Verbindlichkeit…)
Ich sehe in dieser Reihenfolge einen Vorteil, nämlich dass man sich in einem ersten Schritt eingehend mit dem Problem auseinander setzt (annäherungsweise vergleichbar mit der iterativen Logik im Design Thinking). Denn wie Du auch geschrieben hast: Sehr häufig denken Menschen viel zu schnell in Lösungen und Lösungsvarianten, ohne vielleicht zuvor die eigentlichen Wurzeln des Problems verstanden zu haben.
Gleichzeitig kann auch diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden (Problemanalyse führt zur Lösung – ja oder nein?). Hierzu empfehle ich diese interessanten Ausführungen des Systemikers Prof. Matthias Varga von Kibed – Die „Logik von Lösungen“: https://www.youtube.com/watch?v=T4qGTgSN16U
Fazit: Es gibt keine Patentrezepte, wie komplizierte / komplexe Probleme gelöst werden können. Umso wichtiger ist es, über ein methodisches Repertoire an möglichen Vorgehensweisen und vor allem an wichtigen Prinzipien zu verfügen, um möglichst systematisch an der Lösung von Problemen zu arbeiten.
Insgesamt bin ich ein großer Freund solcher Methoden / Eselsbrücken (GROW, Problemlösungszyklus etc.), denn sie können Orientierung geben (vor allem in Gruppenprozessen). Entscheidend wird aber immer sein, welche Dynamik der jeweilige (Problemlösungs)Prozess entwickelt.
Das Wissen und die Fähigkeiten des Moderators / des Facilitators können in diesem Zusammenhang entscheidend sein.
Viele Grüße aus dem Süden 😉
Stefan
Hi Stefan,
lieben Dank für Dein Feedback.
Ja, ich gebe Dir vollkommen Recht. Ich halte mich auch nicht immer sklavisch an diese lineare Abfolge der Schritte. Oder anders ausgedrückt. Ich sehe die Abfolge eher zirkulär. Sehr oft gehe im von mir dargestellten Schritt 2 der Istanalyse wieder zurück in die Zieldefinition, weil klar wurde, dass aufgrund der Analyse der Istsituation das Ziel neu definiert werden muss. Ähnliches formulierst Du ja auch.
Ich denke, wichtig ist die Schritte zu durchlaufen, egal in welcher Reihenfolge, da hier zirkuläre Abhängigkeiten bestehen.
Beste Grüße aus dem hohen Norden,
Conny
Hallo Conny,
die Darstellung von komplexen Sachverhalten ist immer eine Herausforderung, vor allem, wenn man, so wie ich unter Zeitdruck steht. Eine Vorstandsvorlage mit Business Case in 2 Wochen erstellen. Ich werden mal deinen Weg ausprobieren. Und du hast Recht – wichtig ist, dass die Botschaft ankommt und was bewirkt. Auf jeden Fall hatte ich im Alltag schon vergessen, dass es Sinn macht, sich bei der Analyse des Ist-Zustandes und vor allem bei der Definition von Zielen Zeit nehmen sollte.