Arbeit = Hobby? Geh’ zum Arzt und lass’ Dich heilen!

Mein erster Post in diesem Jahr dreht sich gleich um eines der scheinbar wichtigsten Themen zu Beginn eines jeden Jahres, die Brückentage. Es scheint ein richtiger Sport geworden zu sein, mit minimaler Anzahl an Urlaubstagen viele freie zusammenhängende Tage netto zu generieren. Suchen Sie beispielsweise den Term “brückentage 2014” in Google und staunen Sie über die vielen Einträge zu Tricks und Tipps zur optimalen Urlaubsgestaltung diesbezüglich.

Warum ist das so? Ist Arbeit wirklich so grausam, dass wir bestenfalls gar nicht mitspielen wollen?

Das Denken in Gegensätzen, in Dichotomien oder in Polen, wie einer meiner Wegbegleiter H-P Wallner so schön sagt, ist aus meiner Sicht ein Grund für das Unbehagen, welches wir Menschen sehr oft spüren, wenn wir an unsere Arbeit denken.

In diesem Post möchte ich die Pole “Ergebnisorientiertheit” und “Prozessorientiertheit” als Beispiele heranziehen und die von mir gewagte These bzgl. des Unbehagens gegenüber der Arbeit untermauern.

Wir sind extrinsisch auf Ergebnisorientiertheit getrimmt, …

… denn wir werden an Zielen gemessen, die durch Kennzahlen dargestellt und gesteuert werden. Erreichen Sie ihre Ziele in einem Geschäftsjahr nicht, bekommen Sie wahrscheinlich im nächsten Jahr bestenfalls das gleiche Gehalt, aber wohl keine Erhöhung. Das ist ein übliches Gebahren in den Unternehmen. Das wir bzgl. des Abbildens der Ziele in Kennzahlen eine neue Sichtweise benötigen, möchte ich in diesem Post nicht weiter darlegen. Details dazu können Sie gerne in dem Post Kennzahlen in Unternehmen – eine Versöhnung ist angebracht recherchieren. Ich zitiere aus diesem Post.

Kennzahlen, Ziele, Anweisungen, Prozessvorgaben, Checklisten, sie wirken alle wie Scheuklappen. Ich spreche mich nicht grundsätzlich gegen diese Instrumente aus. Als Mittel der Selbstorganisation können sie nützlich sein. Als Mittel der Fremdsteuerung sind sie jedoch fahrlässig. Denn sie ignorieren die Dynamik unserer Welt. Sie nehmen an, die Welt sei perfekt.

Diese Ergebnisorientiertheit ist aber nicht lange präsent, …

… denn wir verlassen aufgrund einer Pfadabhängigkeit, die emotionaler Natur ist, sehr schnell diesen Pol und wechseln diesen in Richtung “Prozessorientiertheit”. Hier folgen wir unserer intrinsischen Ausrichtung. Details zu diesem Wechsel der Pole können Sie ebenfalls dem oben angeführten Post entnehmen, aus dem ich zitiere.

Hat man einen bestimmten und gewünschten Zielzustand in der Zukunft im Fokus (Ergebnisorientierung), sind Aktivitäten, diesen zu erreichen, Mittel zum Zweck. Geht man in die Phase der Prozessorientierung über, werden diese Aktivitäten ganz schnell zum Selbstzweck. Diese Pfadabhängigkeit kann man dann auch nicht mehr so einfach verlassen, da Rollen und Verantwortlichkeiten und damit Existenzen von Menschen daran gekoppelt sind.

Wir springen also zwischen beiden Polen hin und her, …

… da sie in unseren Denkmustern nicht miteinander vereinbar sind. Sie schließen sich gegenseitig aus, denn wir können gar nicht anders, da wir es von Klein auf genau so gelernt haben: das Denken in Gegensätzen. Entweder etwas ist gut oder böse, schön oder hässlich, alt oder neu etc. Die Basis dieses Denkens ist in der zweiwertigen Logik zu finden, die Aristoteles uns vererbt hat.

Statt in “entweder-oder” sollten wir besser in “sowohl-als-auch” denken und handeln.

Beide Pole haben ihre Vorteile, die zusammen zur Entfaltung kommen sollten, …

… was ich im oben angeführten Post ebenfalls angerissen habe, aus dem ich wiederum zitiere.

Ohne Prozessorientierung gibt es erst gar kein Ergebnis und ohne Ergebnisorientierung verkommen Prozesse zum Selbstzweck. Versöhnung.

Ergebnisorientierung (zuträglich für die Zielsetzung bzgl. einer Tätigkeit) und Prozessorientierung (zuträglich für Motivation bzgl. einer Tätigkeit) zusammen stellen erst eine Sinnkopplung für eine Tätigkeit her.

Ich möchte diese komplementäre Sichtweise näher ausführen, die übrigens nicht neu für uns ist, denn in bestimmten Bereichen unseres Lebens können wir diese sehr gut einnehmen und danach agieren. Denken Sie beispielsweise an das Ausleben unserer Hobbies. Wir gehen unseren Hobbies gerne nach, weil uns Beides, das “Handeln an sich” (Prozessorientiertheit) als auch das “Erreichen von etwas” (Ergebnisorientiertheit) Spaß verschafft, ohne dass wir uns dediziert auf einen dieser beiden Pole fokussieren.

Diese Gedanken sind in mir übrigens beim Hausputz entstanden. Den Hausputz an sich mache ich nicht gerne. Das Ergebnis des Hausputzes habe ich aber schon sehr gerne. Ich möchte es ja sauber haben.

Dedizierte Ergebnisorientiertheit bzgl. einer Tätigkeit und diese Tätigkeit an sich mit Herzblut durchführen schließen sich aus. Wenn man etwas gerne tut, dann tut man es wegen dieser Tätigkeit an sich, nicht wegen des Ergebnisses dieser Tätigkeit. Wenn man etwas nur des Ergebnisses wegen tut, dann kann kein Herzblut dabei sein, und damit auch keine intrinsische Motivation.

Das wurde mir beim Hausputz bewusst. Ich war fokussiert auf das Ergebnis, nicht auf das Durchführen der Tätigkeit. Darunter leidet dann natürlich die Tätigkeit an sich und logischerweise nachgelagert auch das Ergebnis.

Überträgt man das Beispiel auf die Wirtschaft wird schnell klar, dass eine reine Ergebnisorientierung Rahmenbedingungen schafft, in denen sich Mitarbeiter nicht motivieren können. Dabei ist es ganz egal ob es sich um individuelle oder Unternehmensziele handelt. In diesem Sinne sollten also Zielvereinbarungen neu überdacht werden.

Eine reine Prozessorientierung in der Wirtschaft lässt die eigentliche Identität von Unternehmen auf der Strecke. Mitarbeiter dieser Unternehmen wissen dann nicht, wozu sie eigentlich jeden Tag in die Firma kommen und arbeiten. Es fehlt die Ausrichtung und Zielsetzung.

Ein dediziertes Bewegen auf den Polen ist also zu unterlassen, ein Bewegen dazwischen ist zuträglich, was nicht unmöglich für uns ist, wie oben bereits im Kontext unserer Hobbies angerissen und nun noch einmal aufgenommen.

Ich bin ein begeisterter Blogger. Würde ich diesen Post hier ausschließlich mit einer Ergebnisorientierung schreiben, wäre ich mit weniger Enthusiasmus bei der Sache, was auch dem Ergebnis schaden würde. Irgendwann würde dann natürlich auch meine Motivation, diesen Blog fortzuführen, weiter sinken. Würde ich allerdings meinen Blog mit einer ausschließlichen Prozessorientierung betreiben, also nur des Schreibens wegen, würde ich sicherlich nicht einen solchen Zuspruch für viele meiner Posts erhalten, denn die Leser hätten keinen thematischen Ankerpunkt. Die Qualität der Posts würde sinken und damit dann auch meine Motivation, den Blog fortzuführen.

Der beschriebene Enthusiasmus zum Betreiben meines Blogs ist übrigens nicht stets gleich, mal ist er größer mal weniger groß. Wenn er weniger groß ist schreibe ich auch weniger. Das ist übrigens ebenfalls wieder ein Bewegen zwischen den Polen, dieses mal zwischen “Ich betreibe sehr gerne einen Blog” und “Ich betreibe keinen Blog”.

Vielleicht sehen Sie, egal auf welchem Pol ich mich bewege, der Sache an sich ist es nicht zuträglich. Durchdenken Sie gerne, wenn Sie Lust und Muße haben, einen ähnlichen Wirkmechanismus für eines ihrer Hobbies. Sie werden dann merken, dass sie sich weder auf das “Ergebnis an sich” noch auf den “Prozess an sich” fokussieren. Sie bewegen sich zwischen den Polen.

Etablieren wir diesen Mechanismus in unserer Arbeitswelt, können wir auch in diesem Kontext wieder gesunden. Dann kann auch Arbeit zu ihrem Hobby werden. Bevor Sie mir jetzt entgegnen möchten “Das geht doch gar nicht”, beantworten Sie für sich gerne die Frage “Warum eigentlich nicht?” In welchem Gesetzbuch steht geschrieben, dass Arbeit kein Hobby sein darf?

Von Natur aus bewegen wir Menschen uns zwischen den Polen “Arbeit” und “Hobby”. Unsere zweiwertige Mathematik lässt aber genau die in diesem Post ausgeführte Dichotomie entstehen. Dieser scheinbar unauflösliche Gegensatz entsteht also erst durch unsere Konstruktionen unserer Umwelt, was uns dann zu weiteren Konstruktionen bzgl. der Brückentage veranlasst. Alle Bemühungen um Steigerung der Motivation der Mitarbeiter lassen sich ebenso hier einreihen. Die Dichotomie wird nicht aufgelöst, sondern erhärtet.

Diese Skurrilität bringt mich zu den folgenden abrundenden Worten

In diesem Bezug und für weitere Überlegungen in diesem Kontext sollten Sie niemals vergessen, was die Mathematik und damit auch die Modellbildung im eigentlichen Sinne macht. Und das Definieren und Anwenden von Kennzahlen ist genau das, denn die Natur kennt keine Kennzahlen. Wir Menschen habe diese erfunden, um uns unsere Umwelt erklärbarer zu gestalten.

Mathematik abstrahiert für die Erkenntnisgewinnung über die Welt eben genau diese Welt. Die Welt wird also trivialisiert, was auch so sein muss. Wenn man nun allerdings die gewonnenen Erkenntnisse auf die Welt unreflektiert anwendet, kann es gefährlich werden. Nicht für die Welt, sie schert sich wenig darum, aber für uns Menschen.

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