Digitalisierung ist mehr als nur “0” und “1”

In meinem heutigen Beitrag werde ich meine Hypothese untermauern, dass wir uns im Zuge der Digitalisierung immer weiter von Maschinen abhängig machen, was letztendlich zu einer Entfremdung von uns selbst und auch von anderen Menschen führt. Ich gebe aber auch einen aus meiner Sicht sinnvollen Ausblick, um diesen Trend umzulenken und so die Digitalisierung für uns Menschen wertgenerierend zu gestalten. In diesem Zuge werde ich auch die immer wieder mal aufkeimende Angst vor Maschinen, dass diese uns nämlich irgendwann beherrschen und unsere Arbeit wegnehmen könnten, versuchen zu entmystifizieren.

Dieser Beitrag ist übrigens der erste im Rahmen der Blogparade der Otto Group Digitalisierung: Was genau passiert da eigentlich?

Eines noch vorweg angemerkt. An bestimmten Stellen reiche ich Links zu weiterführenden Erklärungen meiner Thesen an. Diesen muss man nicht unbedingt direkt folgen, wenn man im Lesefluss nicht gestört werden mag.

Was hat Digitalisierung mit der Entwicklung und dem Fortschritt der Menschheit zu tun?

Alles was wir heute wahrnehmen hat seine Ursache in der Vergangenheit, auch wenn wir diese Ursachen nicht immer den heute wahrgenommenen Wirkungen zuordnen können, da sie in Raum und Zeit verschoben sind. Dementsprechend möchte ich meine kleine Reise in das Thema “Digitalisierung” in der Vergangenheit starten. Dabei stütze ich mich auf Erkenntnisse von Gotthard Günther, einem verstorbenen Deutsch-Amerikanischen Logiker und Philosophen, die er in Anlehnung an die Ausarbeitungen Oswald Spenglers in seinem berühmten Werk Der Untergang des Abendlandes adaptiert hat. In der Ausarbeitung Maschine, Seele und Weltgeschichte kann man seine Gedanken ab der Seite 15 nachvollziehen, die ich hier kondensiert anreichen möchte.

Er unterteilte die Entwicklung der Menschheit in 3 Epochen.

  1. Die primitive Epoche
  2. Die Epoche der regionalen Hochkulturen
  3. Die Epoche der universellen planetaren Kultur

Die drei Epochen habe ich in der unten stehenden Abbildung als Basis für eine nachfolgende Erklärung schematisch dargestellt.

In der primitiven Epoche haben die Menschen Naturereignisse mit Magie und Zauberei erklärt. In dieser Zeit haben die Menschen die Vorgänge in der Natur noch nicht auf sich selbst reflektiert. Ausdruck dieser Magie waren unter anderem Medizinmänner. Angst vor den Ereignissen in der Natur war unter den Menschen vorherrschend. Diese Epoche war 1-wertig.

In der zweiten Epoche, die der regionalen Hochkulturen, wurden die Ursache-Wirkungsbeziehungen eingeführt. In dieser hat man versucht, alle Ereignisse in der Natur rein rational zu erklären. Unsicherheiten wurden aus der Wahrnehmung gestrichen. Diese Methode hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, allerdings nur für nicht-lebende Vorgänge. Ihren Höhepunkt hatte diese Epoche wohl mit dem Irrglauben des französischen Mathematikers Laplace, der die EINE Formel erfinden wollte, mit der die Welt erklärbar ist. Es wurde die Angst vor der Natur abgestreift, weil alle Vorgänge scheinbar erklärbar waren. Diese Epoche war und ist damit 2-wertig. Aristoteles hat diese mit seiner Logik geprägt. Diese Epoche hat mit dem Aufblühen der Naturwissenschaften begonnen. Allerdings haben sich die Menschen mit dem Erkenntnisgewinn über die Natur auch begonnen sich über diese hinweg zu setzen, sie quasi beherrschen zu wollen. Dazu gleich in kommenden Abschnitten mehr.

Heute stehen wir zwischen der zweiten und der dritten Epoche. Wir erkennen zwar, dass wir Ursache-Wirkungsbeziehungen mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten unterlegen müssen, setzen diese Erkenntnis aber noch nicht voll umfänglich in die Tat um. Diese These lässt sich sehr eindrucksvoll an den Forschungen rund um die Künstliche Intelligenz ergründen.

Es geht jetzt um die Modellierung von Subjektivität, also die Formalisierung von Vorgängen in lebendigen Organismen, wie beispielsweise Menschen welche sind. Komplexität bekommt jetzt eine besondere Bedeutung. Diese Epoche ist nicht mehr zweiwertig. Das bedeutet, die notwendige Logik ist standpunktabhängig und mit der bekannten Mathematik, die auf der 2-wertigen Logik beruht, nicht mehr formalisierbar. Der oben angesprochene Gotthard Günther hat hier vor bereits mehr als einem halben Jahrhundert mit seiner Polykontexturalitätslogik einen Formalismus entwickelt, der in unserer heutigen Gesellschaft leider noch keinen Einfluss entwickelt hat, weshalb wir auch noch auf den Übergang in die 3. Epoche warten. Dieser Wechsel ist aber notwendig, da wir unsere derzeitigen Probleme und Herausforderungen im Kontext Komplexität nur innerhalb dieser Epoche lösen werden. Mittels klassischer Maschinen, die auf Zweiwertigkeit beruhen, lassen sich ausschließlich komplizierte Probleme lösen, keine komplexen. Dafür sind, wie Günther so schön sagt, transklassische Maschinen notwendig, die auf Basis einer erweiterten Logik basieren. Dazu dann gleich mehr.

Warum hat die Digitalisierung mit dem Aufblühen der Naturwissenschaften begonnen?

Wir haben uns nicht in der heutigen Zeit für Digitalisierung entschieden, sondern nur die Entwicklung im Kontext unseres Denkrahmens, den wir mit dem Beginn der Naturwissenschaften (2. Epoche), geschaffen haben, konsequent fortgeführt. Die Entscheidung über Digitalisierung ist viel früher, genauer im 17. Jahrhundert mit dem Aufblühen der Naturwissenschaften, gefällt worden.

Zur Zeit des 30-jährigen Krieges, in welchem sich die Menschen gegenseitig um der Wahrheit Willen getötet haben, hat sich Rene Descartes, französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler, die Frage gestellt, ob es keine andere Art und Weise geben kann, über Wahrheit zu “streiten”. Das war der Impuls für den Beginn der Naturwissenschaften. Es wurde ein Denkrahmen geschaffen, der es erlaubt, über Themen und Sachverhalte zu diskutieren. Francis Bacon, englischer Philosoph und Wegbereiter des Empirismus, hat als erster formuliert, dass der Sinn der Naturwissenschaften darin besteht, die Natur zu beherrschen. Descartes hat dieser Forderung Leben eingehaucht, in dem er die Methode von Galileo Galilei fortgeführt hat, die aussagt, wie Problemstellungen wissenschaftlich untersucht werden sollten. Diese Methode beruht auf den folgenden Säulen.

  1. Gefundene Erkenntnisse müssen reproduzierbar sein.
  2. Gefundene Erkenntnisse müssen objektivierbar sein. Egal wer ein Experiment ausführt, es kommt stets das gleiche Ergebnis heraus.
  3. Gefundene Erkenntnisse müssen quantitativ abgelegt sein, sonst sind diese nicht ernst zu nehmen, da zu schwammig.
  4. Gefundene Erkenntnisse müssen kausal über Ursache-Wirkung-Denken hergeleitet sein.

Es ist leicht einzusehen, dass diese Methode eine Trennung zwischen Geist und Materie voraussetzt und nur für die Materie gilt. Grundsätzlich ist diese Methode auf den Axiomen der Aristotelischen Zweiwertigen Logik aufgebaut, welche ja Basis für allen Fortschritt in der 2. Menschheitsepoche ist. Dazu kann man hier mehr erfahren.

Erkennen Sie jetzt bereits den Zusammenhang zwischen dem Beginn der Naturwissenschaft und der Digitalisierung? Wir identifizieren Digitalisierung viel zu häufig mit der Weiterentwicklung von Technologie. Alle Probleme und Herausforderungen versuchen wir über Technologie zu lösen. Nehmen Sie nur als Beispiel die Kommunikation in Unternehmen. Stellen wir fest, dass diese nicht gut genug ist, stellen wir gleich die Toolfrage: Welches Tool nutzen wir zukünftig, um vernetzter zu agieren? Das Kommunikation eine zu tiefst menschliche Angelegenheit ist, wird außer Acht gelassen.

Sie finden sicherlich weitere Beispiele, die diese These belegen. Übrigens ist unser gesamtes Managementsystem in Unternehmen auf dem Aristotelischen Denkrahmen aufgebaut. Das können Sie sicherlich in Ihrem täglichen Berufsalltag leicht nachprüfen. Den Höhepunkt der “Technologieverliebtheit” setzt sicherlich Ray Kurzweil, der beispielsweise sagt, dass es unabdingbar wäre, intelligente Maschinen zu entwickeln, da nur diese alle Probleme unserer heutigen Zeit lösen könnten. Diese Aussage ist absolut konsequent, da zu unserem Zweiwertigen Denkrahmen viabel.

Allerdings verspüre ich alleine beim Aufschreiben dieser These wahnsinnige Schmerzen, da sie unsere Einstellung nur allzu gut verdeutlicht. Wir setzen unser Vertrauen in Maschinen, genauer in klassische, treiben dadurch die Dichotomie zwischen Geist (Subjektivität) und Materie (Objektivität) in die Perfektion und merken nicht, wie wir uns von uns selber und von anderen Menschen entfremden. Dazu nun mehr.

Was macht die Digitalisierung mit uns?

Natürlich, und das möchte ich vorweg schicken, haben wir im Rahmen des Aristotelisch Zweiwertigen Denkrahmens enorme und für uns auch wichtige Fortschritte erlangt, aber eben nur im technologischen Bereich. Das ist unbestritten und auch gut so. Allerdings fehlt dabei stets eine Komponente, und das ist die Lebendigkeit. Lebendigkeit ist durchzogen von Widersprüchen. Ohne Widersprüche gibt es keine Lebendigkeit. Lebendigkeit können wir in unserem Denkrahmen nicht behandeln, also schließen wir sie aus und damit den Menschen. Dadurch geht Menschlichkeit in unserer Gesellschaft verloren. Und das ist mein Schmerz.

Diese Entmenschlichung erkannt man auch leicht an Handlungsmuster, die für uns im Alltag total normal geworden sind. Wenn wir uns beispielsweise krank fühlen, greifen wir sofort zum Thermometer, um Fieber zu messen. Wir trauen unserem Gefühl nicht, sondern müssen dieses technologisch nachweisen. Das mag banal klingen. Für mich allerdings ist das ein Indiz dafür, wie sehr wir uns nicht nur von unseren Mitmenschen entfremden, sondern sogar auch von uns selbst.
Die folgende Abbildung stellt einen von mir wahrgenommenen Teufelskreis dar, an dem ich dieses Entfremden näher erläutern möchte.

Komplexe Probleme sind formal-logisch im Zweiwertigen Denkrahmen nicht beschreibbar, da Komplexität Widersprüchlichkeit impliziert und unser Denkrahmen diesen aussperrt. Methoden und Standards basieren nun mal auf Zweiwertigkeit. Würden Methoden widersprüchlich sein, würden wir diese negieren, da wir ihren Mehrwert nicht sehen. Um also Methoden als Lösung heran ziehen zu können, müssen wir komplexe Probleme in komplizierte transformieren. Diese Transformation ist für uns so normal geworden, dass wir darüber schon gar nicht mehr reflektieren. Die gefundene Lösung dann, die ja auf das transformierte komplizierte Problem beruht, wenden wir dann auf das komplexe Problem an. Dabei begehen wir einen Kategorienfehler.

Mit Begehen dieses nicht wahrgenommenen Kategorienfehlers sind wir einem Teufelskreis aufgesessen. Teufelskreis deshalb, weil wir es hier mit einer sich selbst verstärkenden Schleife zu tun haben, die ich kurz aus zwei Richtungen heraus erkläre.

Auf der einen Seite merken wir, dass die gefundenen Lösungen sehr häufig nicht die Probleme lösen. Logisch, sie haben ja aufgrund der vorgenommenen Transformation nichts miteinander zu tun. Das befeuert in uns die Unsicherheit, die wir ja eigentlich im Rahmen unserer 2. Menschheitsepoche überwinden wollen, und zwar durch Fortschritt durch Technologie. Also wird unser Verlangen nach noch mehr Methodik und noch mehr Standards immer größer. Wie gesagt beruhen diese aber auf Zweiwertigkeit und grenzen damit immer weiter die Lebendigkeit aus. Dabei werden unsere Probleme nicht gelöst, sondern noch verschärft.

Beispiel. Steuerung nach Kennzahlen in Unternehmen. Kennzahlen sollten eigentlich als Modell für den Markt genutzt werden und gegen sie gesteuert werden, im Glauben damit auch gegen den Markt zu steuern. Was passiert, wenn dieses Modell falsch oder nicht passfähig ist? Indem ein Unternehmen beispielsweise Renditeziele auslobt, also gegen Renditekennzahlen steuert, verliert dieses Unternehmen den Blick auf den Markt. Es wird sich dann im Unternehmen nur noch “mit sich selbst befasst”. Die Kundensicht wird damit negiert. Aus systemischer Sicht verliert das Unternehmen den Markt als Teil seiner selbst. Natürlich wird das im Unternehmen niemand zugeben. Allerdings genügt bereits ein bisschen Mathematik, um diesen Fakt zu belegen. Hier finden Sie dazu mehr.

Auf der anderen Seite aber gibt es auch eine Wechselwirkung zwischen Modell und Realität. Das bedeutet, wir passen nicht nur unsere Modelle der wahrgenommenen Realität an, sondern unsere Realität auch den Modellen. Da die Modelle aber Lebendigkeit aussperren, modellieren wir unsere Realität, in den meisten Fällen unbewusst, ebenfalls leblos. Hier kommt das von mir oben Gesagte zum Tragen, dass wir Menschen uns mit dem Verstehen der Natur auch immer mehr über diese hinwegzusetzen. Wir gestalten sie. Wir haben also eine operationale Theorie geschaffen.

Beispiel. Der Bau von Autobahnen, um effizient von A nach B zu gelangen. Mittels Karten, und seit neuester Zeit mit Navigationsgeräten, sind wir sehr gut in der Lage eine Reise von A nach B zu planen. Wir erschaffen quasi ein Modell (Karte) der Realität (Straßenverkehrsnetz) und planen die Reise dann gegen das Modell. Wir haben also eine Wirkung der Realität auf das Modell. Es ist aber auch so, dass wir eine umgekehrte Richtung ausmachen können. Denn mit der Benutzung der Karte ist es uns möglich, immer effizientere Routen zu planen, die dann in der Realität auch umgesetzt werden, in dem beispielsweise Flüsse umgelegt werden, Wälder gerodet werden etc., um beispielsweise Autobahnen zu bauen. Hier hat also das Modell eine Wirkung auf die Realität.

Sie finden sicherlich eine Reihe weiterer Beispiele in der Praxis, die den oben aufgezeigten Teufelskreis, der unserem Fokus auf technologischen Fortschritt inhärent ist, belegen. Die Frage an dieser Stelle ist, in wie weit unsere Natur dieses Spiel mitspielt. Denn es ist sicher nicht so, dass wir die Natur zerstören könnten. Wir sollten eher auf uns aufpassen.

Wir schießen Sonden zum Mars, was für mich unvorstellbar ist, erzeugen aber auf der anderen Seite immer mehr Krisen, die unser Leben hier auf der Erde gefährden. Im technologischen Bereich entwickeln wir uns immer weiter, im menschlichen Bereich bleiben wir auf der Stelle stehen, ja wir entwickeln uns sogar zurück. Wir verharren derzeit in der zweiten Epoche unserer Menschheitsgeschichte, auch und vor allem durch den Fortschritt, den wir durch Technologie errungen haben. Hier ist das Glück also auch gleichzeitig der Schmerz. Denn genau auf dieser Basis haben wir Digitalisierung definiert. Es bedarf also einer Neujustierung.

Wie könnte eine Neuausrichtung der Digitalisierung ausschauen?

Wie bereits in diesem Beitrag angesprochen ist der Übergang in die 3. Menschheitsepoche unabdingbar notwendig, da wir unsere derzeitigen Probleme und Herausforderungen mit Komplexität nur innerhalb dieser Epoche lösen werden. Wir müssen quasi einen Ausgleich zwischen dem technologischen und dem sozialen Fortschritt schaffen und auf dieser Basis die Digitalisierung neu ausrichten.

Mit den Naturwissenschaften und dem dahinter liegend inhärenten Denkmuster der Zweiwertigkeit hat sich das lineare Ursache-Wirkungsdenken etabliert. Dieses Denken hat sich mit der Digitalisierung manifestiert, was aber letztendlich hinderlich beim Handhaben von Komplexität ist. Dieser brandeins Artikel befasst sich mit dieser Thematik und belegt diese These auch mit Beispielen aus der Praxis.

Ich verteufele die Digitalisierung nicht an sich. Ich bin nur der festen Überzeugung, dass wir auf der digitalen Reise einen Irrweg eingeschlagen haben, den wir nur verlassen können, wenn wir unseren Zweiwertigen Denkrahmen erweitern. Maschinen konstruieren und entwerfen wir im Zweiwertigen Denkrahmen. Nach Gotthard Günther nenne ich diese “klassisch” (siehe obere Abbildung der Einteilung der Menschheitsgeschichte in 3 Epochen). Das geht auch nicht anders, da so nun einmal unsere Computer funktionieren, “0” oder “1”. Wir Menschen sind aber zu viel mehr im Stande, als der Zweiwertige Denkrahmen zulässt, der ausschließlich in der materiellen Welt funktioniert, nicht in der geistigen. Wir konditionieren uns im Rahmen der Digitalisierung wie ausgeführt auf den Zweiwertigen Denkrahmen und minimieren damit unseren Potentialraum, was dazu führt, dass wir abstumpfen und uns den Maschinen “nach unten” annähern. Die Maschinen nähern sich uns Menschen nicht “nach oben” an.

Was können wir aber nun konkret tun? Ich verfolge hier wie so häufig die Maxime “Groß denken, klein handeln!”.

Mit “Groß Denken” verbinde ich die Forderung nach der Erweiterung unserer Zweiwertigen Logik, damit wir im Stande sind, Lebendigkeit formal-logisch modellieren zu können und damit auf dieser Basis, adäquate Modelle und transklassische Maschinen zum Handhaben von Komplexität zu erstellen. Mit dem Bauen solcher transklassischen Maschinen würde man auch die Mystik von und damit die teilweise vorherrschende Angst vor Maschinen nehmen können. Einerseits wird verdeutlicht, an welchen Stellen Maschinen den Menschen wirklich behilflich sein können (Objektivität und objektivierbare Subjektivität). Andererseits wird aber auch klar gemacht, wo Maschinen, auch transklassische, den Menschen niemals ersetzen können. Hier hat Gotthard Günther ja bereits enorme Vorarbeit mit seiner Polykontexturallogik geleistet. Wir müssen den Ball hier nur aufnehmen.

Mit “Klein Handeln” verbinde ich, dass wir beim Problemlösen uns und unseren Mitmenschen mehr vertrauen sollten und nicht immer gleich nach Best Practice oder externen Beratern rufen. Das bedeutet, häufiger selbständig zu denken und zu fühlen, und nicht auf die in diesem Beitrag angesprochenen Methoden zu bauen, die ja, weil sie im Rahmen unseres Zweiwertigen Denkrahmens entstanden sind, monokontextural sind. Angewendet auf komplexe Probleme (siehe zweite Abbildung) sind diese dann kontextlos. Ein Beispiel solcher kontextlosen Regeln sind Business Cases im Rahmen von Investitionen. Warum das so ist erfahren Sie bei Interesse hier. Wir merken gar nicht, wie wir durch den Einsatz solcher Methoden automatisch die Verantwortung an diese abgeben und uns dadurch auch die Chance zum Lernen nehmen.

Mit dem einsetzenden Begreifen, dass Digitalisierung mehr ist als nur “0” und “1”, geben wir den Startschuss für die 3. Menschheitsepoche. Und damit ziehe ich den Rückschluss auf den Anfang dieses Beitrages, nicht vergessend auf ein interessantes Buch hinzuweisen, in welchem die in diesem Beitrag formulierten Ideen und Gedanken noch weiter ausgeführt werden, Technologische Zivilisation und transklassische Logik – Eine Einführung in die Technikphilosophie Gotthard Günthers

Ich bin gespannt auf die Diskussionen, die sich im Rahmen dieser Blogparade ergeben.

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7 Responses to Digitalisierung ist mehr als nur “0” und “1”

  1. Pingback: [Reise des Verstehens] Digitalisierung ist mehr als nur “0” und “1”

  2. Vielen Dank, für den interessanten Beitrag.

    Dazu kurz zuerst eine kurze Ergänzung: Der Gedanke, dass wir auf der Stufe einer neuen Menschheitsepoche sind, findet sich auch im Buch von Michio Kaku Die Physik der Zukunft. Mir erscheint dies aber eher als gedankliches Konstrukt, dem welche Realität gegenübersteht? (Wobei diese Frage auch schon in sich widersprüchlich ist, da sie eine Dichotomie Gedanke-Welt impliziert).

    Und nun eine längere Anmerkung als Diskussionstart:
    Für mich stellt sich die Situation so dar: Die Naturwissenschaft mit Ihrer 2-wertigen Logik war extrem erfolgreich und wurde zur Blaupause für die Lösung aller möglichen Frage- (oder Problem-)stellungen. Jetzt merken viele Gläubiger der Naturwissenschaft, dass das nicht immer so funktioniert. (Dort wo Wechselwirkungen / Lebendigkeit stattfindet).
    Aber: der naturwissenschaftliche Ansatz (mit 2-wertiger Logik), war/ist zwar dominierend aber keinesfalls einzigartig. Es gab und gibt – soweit ich das verfolgen kann – immer schon auch einen anderen (geisteswissenschaftlichen-hermeneutischen) Ansatz, der ebenfalls erfolgreich ist. In Sozialwissenschaften, Psychologie ist der gang und gebe.

    Ein aktuelles Beispiel: Ich war gestern beim Vortrag einer Sozialwissenschaftlerin, die sich mit der Fragestellung auseinander gesetzt hat, was passiert, “Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist – Geschlechterkonflikte in Krisenzeiten”. Also die Frau Hauptverdiener ist. Hier der Link zum entsprechenden Buch: http://www.suhrkamp.de/buecher/wenn_der_mann_kein_ernaehrer_mehr_ist-cornelia_koppetsch_12701.html
    Die Methode hatte mit Digitalisierung/Naturwissenschaftlicher Forschung gar nichts zu tun, sie basierte auf der intensiven Befragung von 29 Paaren aus verschiedenen Milieus und der (hermeneutischen) Aufdeckung der sich daraus entwickelnden Dynamiken. Die Ergebnisse waren komplex (weil auch selbstbezüglich) und auch überasschend. Diese “Fakten” sind dabei naturgemäß nicht “hart”, sondern diskussionswürdig (was ja positiv und befruchtend ist für weitere Untersuchungen).

    Was ich insgesamt meine:
    – Ja, der naturwissenschaftliche Ansatz war und ist (noch) dominierend.
    – Nein, er ist (und war nie) der einzige (wie es der Beitrag suggeriert vielleicht), es gab und gibt auch andere sinnvolle Ansätze (was die Verfechter eines Ansatzes oft nicht wahrhaben wollen).
    – Beide Ansätze sollten der Herausforderung (Fragestellung) entsprechend (adäquat) angewandt werden und sind sinnvoll-
    Was als neue Epoche postuliert wird, ist eher eine Welle, in der geisteswissenschaftlichen Ansätze wieder mehr zur Geltung kommen.

    Die Medizin (“naturwissenschaftliche” Schulmedizin versus Alternativmedizinische Ansätze) ist für mich ein sehr gutes Beispiel, bei dem die beiden Ansätze derzeit aneinander prallen.

    Vielleicht ist das, was hier als neue Epoche beschrieben wir, so etwas wie ein Paradigmenwechsel im Sinn von Thomas Kuhn, und vielleicht gelingt es die beiden skizzierten Ansätze auf einer höheren Ebene (gleichwertig) zusammen zuführen.

    • Danke für das ausführliche Feedback. 🙂

      Ich stimme mit der These überein, dass bereits sehr lange erkannt ist, dass die Erkenntnisse der Naturwissenschaften eben nicht ausreichen, um Probleme und Herausforderungen in “lebendigen” Systemen zu handhaben. Der Grund dafür ist der “Entweder-Oder” Denkrahmen, wie ja im Beitrag formuliert.

      Beispielsweise hat Fritjof Capra diesen Fakt erstmalig 1975 in seinem Buch “Das Tao der Physik”, welches auf Scribd frei einsehbar ist, untermauert. Unzählige andere Beispiele gibt es noch.

      Allerdings erkenne ich keine oder viel zu wenig Bestrebungen, diese Erkenntnisse in die Praxis umsetzen zu wollen. Unzählige Beispiele kann ich als Beleg dafür anbringen. Hier nur eines angereicht, da ich gestern mit einem Kollegen darüber gesprochen habe. Wir transformieren unsere Intelligenz auf eine Zahlenskala und machen dann anhand dieser Skala Bewertungen über Menschen. Ein Intelligenzquotient (IQ) im Bereich von 70 bis 85 ist unterdurchschnittlich. In diesem Fall spricht man von einer Lernbehinderung. Ein IQ unter 70 bedingt dann die Diagnose der geistigen Behinderung. Und das tun wir ohne auch nur ansatzweise erklären zu können, was Intelligenz überhaupt ist und wie diese zustande kommt. Schlimmer noch, wir unternehmen noch nicht einmal wirklich den Versuch. wir haben ja die Skala und den IQ als Kennzahl. Und auf dieser Basis reden wir dann von künstlicher Intelligenz.

      Mit dem angesprochenen notwendigen Paradigmenwechsel kann ich gut mitgehen.

      BG, Conny

      • @ “Allerdings erkenne ich keine oder viel zu wenig Bestrebungen”: keine würde ich nicht sagen; zu wenige, da sind wir uns einig.
        @ “IQ” das ist ein schönes Beispiel. Mir gefällt nach wie vor folgende Definition von Intelligenz am besten: “Intelligenz ist das was der Intelligenztest misst” -Wobei die Aussage, dass wir (wer ist wir?) nicht ansatzweise erklären können, was Intelligenz ist, so nicht stehen lassen würde. Ohne die Forschung der letzten Jahre mitverfolgt zu haben, aber da könnte ich aus dem Stand noch einiges vom Studium nennen.

        Persönlichkeitstests, bzw. Eignungsdiagnostiktests sind ein weiteres schönes (noch schwierigeres) Beispiel: Was sagen die aus? Wie sind sie einsetzbar? Es werden zwar so manche in der Praxis eingesetzt – der wissenschaftliche Hintergrund scheint aber gering (soweit einige Recherchen von mir im letzten Jahr ergeben haben, als ich mich mal aus anderen Gründen damit auseinander setzte). Warum? Vielleicht weil die Tests schlicht nicht das einlösen können, was von Ihnen erwartet wird?

        Ich vermute, dass in der Forschung schon viel klarer ist, was geht und was nicht. (Und das darauf unterschiedlich reagiert wird). Worauf du wohl abzielst, Conny, ist wie das in der Praxis ankommt bzw. dass wir hier viel weiter zurückhinken als sein müsste. Verstehe ich dich da richtig?

        Wo ich “Bauchweh” habe: wenn wir von neuen Epochen u. ähnlichem sprechen. Das wirkt etwas mythisch auf mich. Wie soll das entstehen (durch genetische Veränderung)? … Paradigmenwechsel gefällt mir da, je länger ich nachdenke, immer besser.

        P.S: anbei der Link zu einer jungen Philosophieprofessorin an der Uni Salzburg. Kenne sie nicht, nur aus Medienberichten bzw. diesen Infos . Sie beschäftigt sich u.a. mit der Vorhersagbarkeit von Klimamodellen – das ja auch ein Komplexes Feld ist das vielleicht nur 2-wertig kompliziert zu erklären versucht wird. Mir ist das alles mathematisch viel zu steil. Aber wäre interessant zu erfahren, wie die Dame zu der Thematik steht. http://charlottewerndl.net/index.html

        • Danke, Walter, für Deine Replik. Ja, ich gebe Dir Recht. Mir geht es nicht so sehr darum, was geschrieben oder auch geforscht wird, sondern was davon in der Praxis wirklich umgesetzt wird oder auch bekannt ist. Und da wird es dünn.

          Danke für Connecten zu der Dame. Ich werde mal Kontakt zu ihr aufnehmen.

          BG, Conny

  3. Ed says:

    Vielen Dank für diesen interessanten Artikel! Er setzt sich sehr intensiv mit dem Thema auseinander und regt einen wirklich zum Nachdenken an. Zwischen dem Beginn der Naturwissenschaft und der Digitalisierung könnte tatsächlich ein Zusammenhang bestehen.

  4. Pingback: Sensoren (3): Digitalisierung und die Folgen des Entweder-Oder-Denkens | Östermanns Blog

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