Modelle, nach denen wir Entscheidungen treffen, werden in meinen Augen oft zu wenig bis gar nicht hinterfragt und validiert. Obwohl das so wichtig wäre, denn nicht passfähige Modelle erzeugen nicht passfähige Entscheidungen und damit nicht passfähige Handlungen. Genau um diesen Fakt soll es in diesem Beitrag gehen, und zwar im Kontext der Ökonomie. Denn einige Gesetzmäßigkeiten, die in der Ökonomie vorherrschend sind und scheinbar wie Naturgesetze daher kommen, basieren auf nicht passfähigen mathematischen Modellen.
Ideen in diesem Kontext habe ich vor ein paar Jahren schon einmal im Beitrag namens Erkenntnisse der Mathematik werden falsch in die Wirtschaft portiert offenbart. Nun wurde ich auf dem diesjährigen LeanAroundTheClock 2019 wieder auf diese Problematik aufmerksam gemacht, nämlich von Stefan Röcker in der Themenbox der priomys, wo wir über NewWork diskutiert haben.
Im Rahmen dieser Diskussion warf Stefan das Buch Gier von Marc Elsberg in den Raum und erwähnte, dass in diesem Roman die mathematischen Modelle, auf denen unsere Ökonomie fußt, als nicht passfähig dargestellt werden. Da hat er mich als Mathematiker natürlich sofort gehabt. Ich habe mir am gleichen Tag das Buch bestellt und gelesen, nein verschlungen. 🙂
Elsberg deckt in diesem Buch in Romanform Fehler im mathematischen Fundament der Ökonomie auf, was letztendlich zu nicht passfähigen Entscheidungen und dann zu nicht passfähigen Handlungen führt. Hier findet man ein paar Hintergrundinformationen zum Anliegen dieses Buchprojektes.
Das Spiel
Der Autor lässt in dem Roman einen seiner Romanfiguren, Fitzroy Peel, anderen Menschen ein Spiel anbieten. In einer Kneipe schlägt er Folgendes vor. Einsatz je Spieler sind 100 Euro. Dann wird 100 Runden lang eine Münze geworfen. In jeder Runde wird bei Kopf 50% des derzeitigen Vermögens gewonnen und bei Zahl 40% verloren. Alle der angesprochenen Menschen in der Bar gehen das Spiel ein, natürlich im Gefühl des sicheren Gewinns. Wie rechnen diese Menschen? Würden Sie spielen?
Die Wahrscheinlichkeit für Kopf beträgt 50%, ebenso wie für Zahl. Wenn man nun diese Wahrscheinlichkeiten mit den Gewinn- und Verlustchancen kombiniert, erhält man den Erwartungswert.
Erwartungswert = 50% * (1 + 50%) + 50% * (1 – 40%) = 105%.
Bei dieser Rechnung steigt also das jeweilige Vermögen je Runde um 5%. Bei 100 Euro als Startvermögen beträgt der statistische Erwartungswert für das Gesamtvermögen nach 100 Runden also 13.150,13 Euro. Nach dieser Rechnung ist die Entscheidung, ob man das Spiel eingehen sollte oder nicht, klar. Auf jeden Fall spielen. Aber, ist die Rechnung richtig? Was wurde hier außer Acht gelassen?
Ergodizität
Für die Überprüfung der Passfähigkeit dieser Berechnung führe ich einen Begriff ein, die Ergodizität. Ergodizität ist eine Eigenschaft dynamischer Systeme. Ich zitiere Wikipedia.
Die Ergodizität bezieht sich auf das mittlere Verhalten eines Systems. Ein solches System wird durch eine Musterfunktion beschrieben, die die zeitliche Entwicklung des Systems abhängig von seinem aktuellen Zustand bestimmt. Man kann nun auf zweierlei Arten mitteln:
- Man kann die Entwicklung über einen langen Zeitraum verfolgen und über diese Zeit mitteln, also den Zeitmittelwert bilden, oder
- Man kann alle möglichen Zustände betrachten und über diese mitteln, also das Scharmittel (Ensemblemittel) bilden.
Streng ergodisch wird ein System dann genannt, wenn die Zeitmittel und Scharmittel mit der Wahrscheinlichkeit eins zum gleichen Ergebnis führen. Anschaulich bedeutet das, dass während der Entwicklung des Systems alle möglichen Zustände erreicht werden, der Zustandsraum also mit der Zeit vollständig ausgefüllt wird. Das bedeutet insbesondere, dass bei solchen Systemen der Erwartungswert nicht vom Anfangszustand abhängig ist.
Reflektieren wir diese Erkenntnis mal auf das Spiel. Das reine Werfen der Münze ist streng ergodisch. Nach 100 Würfen nähert sich das Vorkommen von „Kopf“ und „Zahl“ der 50% an. Alle möglichen Zustände, genau 2, „Kopf“ und „Zahl“, werden vollständig eingenommen. Der Erwartungswert 50% für „Kopf“ und „Zahl“ ist nicht abhängig davon, ob beim ersten Wurf „Kopf“ oder „Zahl“ geworfen wurde. Man könnte hier auch von statistischer Unabhängigkeit sprechen. Hier ist der Ensemblemittelwert zur Beschreibung dieses Systems passfähig. Was passiert aber bei der Hinzunahme der monetären Bewertung?
Spielen wir der Anschaulichkeit halber mal nur 2 Runden. In der 1. Runde fällt „Kopf“. Dann erhöht sich das Vermögen auf 150 Euro (plus 50%). In der 2. Runde fällt „Zahl“. Das Vermögen verringert sich auf 90 Euro (minus 40%). In der entgegengesetzten Reihenfolge, also erst „Zahl“ und dann „Kopf“, kommt man ebenfalls auf 90 Euro. Man erhält nach 2 Runden stets 90 Euro, obwohl „Kopf“ und „Zahl“ in gleicher Anzahl vorkommen. Man besitzt damit nach 2 Runden 10 Euro weniger als zum Spielbeginn. Hätten wir das vermutet? Die Gewinnrate ist höher als die Verlustrate und ich habe trotzdem weniger Vermögen. Wie kommt das?
Der Grund dafür ist die Nicht-Ergodizität des Systems, was dazu führt, dass der Ensemblemittelwert nicht mehr passfähig ist. Nun sollte man den anderen Mittelwert zu Rate ziehen, den Zeitmittelwert, da nun der so genannte Zinseszinseffekt ins Spiel kommt. Mit jeder Runde ändert sich die Berechnungsbasis. Es liegt keine statistische Unabhängigkeit mehr vor, da das Vermögen in Runde (n-1) entscheidend ist für das Vermögen in Runde n. Das war beim reinen Werfen der Münze nicht der Fall.
Menschen die eine Teilnahme am Spiel nach dem Zeitmittelwert bewerten, welcher für diese Situation passfähig ist, kommen zu der Entscheidung nicht zu spielen. Wir sehen also, dass unterschiedliche Modelle zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. Das kann verheerend sein. Ich habe das Spiel in Excel simuliert und folgende Ergebnisse erhalten, die diese angesprochene Dynamik verdeutlichen. Wer die Datei haben mag, kann mich gerne anschreiben. Ich sende das Modell dann zu.
Was erkennt man in der Graphik, in der 4 verschiedene Simulationsläufe abgetragen sind? Wenn der sehr unwahrscheinliche Effekt auftritt, dass nach 100 Runden „Kopf“ um ein Vielfaches mehr als „Zahl“ auftritt, hat man eine Chance nach 100 Runden sein Vermögen zu vermehren. Dieser Effekt wird aber je mehr Runden man spielt immer unwahrscheinlicher. Deshalb geht die Wahrscheinlichkeit, dass man nach 200 Runden sein Vermögen vermehrt hat, hat gegen Null, da der Ensemblemittelwert 50% des Vorkommens von „Kopf“ und „Zahl“ immer mehr Realität wird. Die Berechnung, dass man je Runde sein Vermögen um 5% steigert, ist falsch.
Nach welcher Formel lässt sich denn nun der Zeitmittelwert berechnen? Wir haben oben 2 Runden kurz angedacht. Das ergibt also den Faktor 1,5 (50% gewinnen) * 0,6 (40% verlieren) = 0,9 (Nach 2 Runden: 100 Euro * 0,9 = 90 Euro). Wenn 100 Runden gespielt werden sollen, muss man diesen Faktor mit 50 potenzieren, da dieser Faktor für jeweils 2 Runden gilt. Damit kommt man auf die Zahl 0,005153775 (=0,950). Und diese Zahl muss man nun mit 100 multiplizieren (100 Euro Startwert). Man erhält also 0,515377521 Euro, also ca. 50 Cent.
Nimmt man den Zeitmittelwert als Basis für die Berechnung erhält man nach 100 Runden rund 50 Cent und nicht 13.150,13 Euro, wie nach dem Ensemblemittelwert. Krass, dieser Unterschied, oder? Mit dieser neuen Berechnung kommt man natürlich zum Ergebnis eher nicht zu spielen. Dieses Ergebnis erkennt man in den Ergebnissen der Simulation auch schon eher. 2 unterschiedliche mathematische Modelle führen also zu unterschiedlichen Entscheidungen.
Übertragung auf die Ökonomie
Der Autor lässt die Romanfiguren auf unglaublich spannende und einleuchtende Art und Weise auf Grundlage der Erkenntnis über die Unterschiede der beiden Mittelwerte weitere Überlegungen anstellen.
Unsere derzeitigen ökonomischen Modelle basieren auf dem Ensemblemittelwert. Das ist nicht passfähig, da dieser nur bei statistischer Unabhängigkeit anzuwenden ist, also wenn die Elemente eines Systems nicht interagieren. Komplexe Systeme, wie das ökonomische eines ist, sind aber eben aufgrund ihrer Vernetzung komplex und damit auch emergent. Das Ganze ist mehr (Das „Mehr“ verstehe ich nicht nur quantitativ, sondern vor allem auch qualitativ) als die Summe ihrer Teile. Aus dem Zusammenwirken der Elemente entstehen Eigenschaften, die aus den Elementen heraus nicht erklärbar sind.
Der Zeitmittelwert sollte in der Ökonomie Basis der Berechnungen und damit der Entscheidungen sein. Das ökonomische System ist nicht ergodisch, was relativ leicht erklärbar ist. Es werden in der Realität kaum alle möglichen Zustände im ökonomischen System eingenommen. Mit jeder Entscheidung, die man zum Zeitpunkt n trifft, werden bestimmte andere Zustände, die vor dieser Entscheidung noch wahrscheinlich waren, nun unwahrscheinlich und neue mögliche Zustände kommen hinzu. Das bedeutet, ähnlich wie bei dem Münzspiel ändert sich im ökonomischen System mit jeder getroffenen Entscheidung die Situation für kommende nachfolgende Entscheidungen und Handlungen. Die Berechnungsbasis ändert sich.
Durch diese Interaktionen der Elemente, im ökonomischen System sind das die Menschen, wird aber auch klar, dass Kooperation mehr zum Gemeinwohl beiträgt als Konkurrenz, was das Modell des Homo Oeconomicus auch ins Reich der Fabeln verweist. Unsere Welt ist durch unseren technologischen Fortschritt und die damit verbundene höhere Vernetzung eh komplexer geworden. Begegnen wir diesem Phänomen mit wenig Vernetzung (Interaktion) und damit mit weniger Kooperation und mit mehr Konkurrenz, verringern wir im jeweiligen System (z.B. Unternehmen) die Eigenkomplexität, was dazu führt, dass die Komplexität der Umwelt (z.B. Markt) schlechter zu handhaben ist (Ashbys Law). Diesen Fakt kennt man unter anderem auch aus dem Teamsport. Ein Team bestehend aus den besten Einzelspielern muss noch lange nicht gewinnen, und zwar genau dann nicht, wenn diese Einzelspieler nicht zusammen harmonieren.
Der Autor führt im Roman mit der so genannten Bauernfabel die Unterscheidung zwischen additivem (Ensemblemittelwert) und multiplikativem (Zeitmittelwert) Wachstum ein. Die Natur wächst eher multiplikativ, nicht additiv. Unsere ökonomischen Modelle basieren auf additivem Wachstum (Ensemblemittelwert), was nicht passfähig ist. Das haben wir gesehen. Man kann es sich aber auch auf andere Art und Weise leicht erklären. Wenn man nichts hat, kann man auch nicht einfach etwas generieren: 0 MAL irgendetwas bleibt Null. Das passt. 0 PLUS irgendetwas ist aber größer als 0. Das passt für die Ökonomie nicht.
Also Vorsicht beim Anwenden von Mathematik für die Berechnung von Entscheidungsbasen.
Ich denke, die sog. Pyramidenspiele passen auch gut als Beispiel. Dürften sich mathematisch schön modellieren lassen (hat eher mit Exponentialfunktion in endlicher Grundgesamtheit zu tun).
Das Buch “Fraktale und Finanzen” von Mandelbrot scheint mir auch ein gutes Beispiel für nicht passfähige Mathematik (Gauß’sche Normalverteilung auf Finanzprodukt – soweit ich es in Erinnerung habe). Dieser Finanzwelt-Fehler hat ja mal der realen Welt ziemlich viel Geld gekostet.
Allerdings: den Schluss, dass Kooperation mehr zum Gemeinwohl beiträgt als Konkurrenz kann ich nicht nachvollziehen. Weder aus der Mathematik hier (aber ich bin kein Mathematiker) noch aus anderen Erwägungen. Auch die umgekehrte These (Konkurrenz trägt mehr als Kooperation bei) könnte ich nicht nachvollziehen. Da kommen meines Erachtens ganz andere Faktoren (Sozial-psychologische bzw. situative Rahmenbedingen) ins Spiel. Das “Gefangenen-Dilemma” gibt da gewisse Indikationen. Meine These ist da eher, dass beides seine Berechtigung hat und notwendig ist – wo und in welchem Ausmaß wäre allerdings vertieft zu diskutieren.
Aber alles in allem: toller Beitrag für die Vertiefung des Themas Mathematik und wie sehr diese uns helfen kann, unserem “gesunden” Menschenverstand zu Misstrauen. Wie sehr wir aber gleichzeitig den sogenannen “Ökonomie-Experten”, welche die Mathematik als Beweis in die Argumentation einbringen, misstrauen sollten. Schlicht, weil diese Experten die Dinge nicht zu Ende denken oder falsche Prämissen in ein an sich mathematisch-widerspruchsfreien System ansetzen.
Danke für Deinen Kommentar. Um die Dynamiken im Zusammenspiel zwischen Konkurrenz und Kooperation besser zu verstehen wird auf dieser Seite (Button unten rechts) derzeit eine Simulation erarbeitet, die Ende April fertig sein soll.
Hallo Conny,
anbei noch einige Gedanken deines größten Fans zu:
Ökonomie – Was passiert eigentlich, wenn Mathematik nicht passfähig angewendet wird?
Hierzu ein empfehlenswerter Link:
https://www.mehr-fuehren.de/schwarmdummheit-in-unternehmen/
Nehmen wir leben in einem Staat, in dem es für den Berufstitel “Arzt” keinerlei Qualifikationsnachweise bedarf.
Arzt darf sich nennen, wenn es der Chef so in den Arbeitsvertrag schreibt.
Die Abteilung erhält für jeden Arzt und behandelter Stunde X €. (Zeitvorgaben, strenge Fristen gibt es nicht.)
Nehmen wir weiter an: es handelt sich um ein großes Krankenhaus. Der Chef der Abteilung bekommt den Bonus nach dem Gewinn der Abteilung, die Anzahl der geheilten Patienten, die Durchlaufzahl usw. ist hierfür keine KPI.
Nehmen wir an vorher gab es kluge Chefs, denen der Boni egal war, sondern für die der Erfolg des Krankenhauses zählte (Wie viele Patienten wollen sich bei uns operieren lassen,…),
Stellte nur Ärzte zu einem Gehalt von 100.000 €/Jahr ein
Stellte nur Krankens./f. zu einem Gehalt von 50.000 €/Jahr für deren sp. Tätigkeiten
und ungelernte zu 25.000 €/Jahr
Du bist Chef, für die der Boni das wichtigste ist:
Welche Mitarbeiter stellst du ein bzw. behältst du?
Nehmen wir an in diesem Land gibt es eine Gesundheits-Offensive.
Sollte dieses Land das Konzept anderer Länder übernehmen, in dem sich Arzt nur nennen kann, wer bestimmte Qualifizierungen nachweisen kann oder sollte der Chef bzw. das team weiterhin über den Titel entscheiden?
” Durch diese Interaktionen der Elemente, im ökonomischen System sind das die Menschen, wird aber auch klar, dass Kooperation mehr zum Gemeinwohl beiträgt als Konkurrenz,”
Das Buch Gier von Marc Elsberg werde ich mir gleich bei unserer lokalen Buchhandlung bestellen.
https://www.mehr-fuehren.de/schwarmdummheit-in-unternehmen/
Vielen Dank für Ihren Artikel, den ich mit großem Interesse gelesen habe.
Was ich jedoch hier vermisse ist die Tatsache, dass im *Mittel* bei diesem Spiel tatsächlich ein Wert herauskommt, der erheblich höher als der Einsatz ist. Der Haken dabei ist, dass die Wahrscheinlichkeit dafür relativ gering ist.
Auch ich habe mich hingesetzt und das Spiel einige (Millionen) Mal durchsimuliert. Dabei erhalte ich immer Ergebnisse, die in etwa das folgende Bild ergeben (bei 10 Millionen Durchläufen zu 100 Runden):
Mean of 10000000 iterations: 11706.78 €
Maximum value: 4.58e+9 €
Values under 0: 0
Values under 1: 5397986
Values under 2.5: 6177967
Values under 5: 6913776
Values under 10: 7579081
Values under 25: 8158265
Values under 50: 8158265
Values under 100: 8643993
Values under 250: 9033972
Values under 500: 9334181
Values under 1000: 9557642
Values under 2500: 9715446
Values under 5000: 9823674
Values under 10000: 9823674
Values under 13150: 9894987
Values over 13150 (+Inf): 105013
Der Mittelwert schwankt zwar stark, liegt aber meist im Bereich 8000-16000€. Man erkennt am Histogramm jedoch, dass der hohe Mittelwert zum größten Teil durch Ausreißer (nach oben) erzeugt werden – hier etwa 0,1% der Runden, die über dem (naiv errechneten) Erwartungswert liegen. Das Spiel teilt also einigen wenigen sehr hohe Gewinne zu, und dem größten Teil aber meist einen kompletten Verlust. Über die Hälfte der Spieler erleidet quasi einen kompletten Verlust des Einsatzes (<1€ Rest am Ende der 100 Runden).
Der Effekt verstärkt sich, wenn die Anzahl der "Runden" erhöht wird, etwa auf 200, und schwächt sich ab, wenn die Anzahl der Runden niedriger ist.
Die Simulation zeigt meiner Meinung, dass auch die Berechnung "0,9^Runden" mathematisch nicht völlig korrekt sein kann, auch wenn der wahrscheinliche Ausgang für jeden einzelnen Spieler damit scheinbar erklärt werden kann.
Leider kann ich nicht weiter mit mathematischen Erkenntnissen beitragen, wollte dennoch aufzeigen, dass hier noch mehr dahinterstecken muss.
Mit freundlichem Gruß,
Martin
Vielen Dank für Deine Replik, Martin.
Genau darum ging es mir ja mit diesem Beitrag, nämlich um die Differenzierung von Mittelwerten, Ensemble- und Zeitmittelwert. Es ist nämlich entscheidend, welchen man für seine Entscheidung heran zieht. Und wie Du ja auch modelliert hast, wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, einen hohen Gewinn zu erzielen, rückt man wohl eher von dem Spiel ab. Diese Information fehlt aber beim Ensemblemittelwert.
Coole Simulation. 🙂
BG, Conny
Hier wurde die im Beitrag angesprochene mathematische Theorie in einer schönen Geschichte simuliert. Diese Erkenntnis fehlt leider in der Ökonomischen Theorie, weshalb Kooperation in Entscheidungssituationen auch oft ausgespart wird.
hallo conny,
auf deinen blog bin ich gestoßen, als ich – marc elsbergs buch (im ersten drittel) lesend – eine erklärung für den unterschied zwischen ensemble- und zeitmittelwert im internet suchte.
danke für die erklärungen & kommentare hier!
es gibt eine wunderbares buch eines philosophisch angehauchten finanzmathematikers und risikomanagers, das ebenfalls die inadäquate verwendung von mathematik im ökonomischen behandelt: von nassim nicholas taleb. sehr empfehlenswert!
und ich muss mich jetzt empfehlen, um elsbergs buch weiter- und hoffentlich bald zu ende zu lesen. 😉
mfg, gerhard
[mathematik-lehrer an einer ahs in österreich]
Hallo Gerhard, gerne und ganz lieben Dank für den Hinweis auf Taleb. BG, Conny
Hallo,
ich bin auch an diesem Spiel hängen geblieben und habe mir Gedanken gemacht.
Ich habe die ersten Runden in einem Baumdiagramm durchgespielt und komme zu folgende, für mich teils überraschenden, Erkenntnissen.
Nach der ersten Runde gibt es die Varianten „150“ (= gewonnen) und „60“ (=verloren). Also ein Wert über und ein Wert unter 100. Ergibt zusammen 210, also 105 pro Variante und damit einen Erwartungswert E = 1,05
Nach der zweiten Runde gibt es aber nicht nur die Varianten „90“ (= einmal gewonnen, einmal verloren) und „90“ (einmal verloren, einmal gewonnen), sondern die gleich wahrscheinlichen Varianten „225“ (zweimal gewonnen) und „36“ (zweimal verloren). Summe = 441, geteilt durch 4 ergibt 1,05^2 und damit E = 1,05. Interessant ist hierbei, dass 3 von den 4 Varianten (75%) unter dem Ausgangswert 100 liegen.
Nach der dritten Runde gibt es die 8 Möglichkeiten „337,50“, „135“, „135“, „54“, „135“, „54“, „54“, „21,60“. Summe = 926,10. Geteilt durch 8 ergibt 1,05^3 und damit E = 1,05.
Erstaunlicherweise liegen nun aber nur 4 Werte (50%) unter 100.
Auch in den folgenden Runden liegt der Erwartungswert weiterhin bei E = 1,05.
Die Anzahl der möglichen Varianten mit Endwert unter 100 liegen nach der vierten Runde bei 68,75%, nach der fünften Runde bei 50%, nach der sechsten Runde bei „65,63%“ und nach der siebten Runde wieder bei „50%“.
Das erweckt den Eindruck, das nach jeder ungeraden Anzahl an Spielrunden die Werte unter und über 100 mit je 50% gleichverteilt sind und nach jeder geraden Anzahl an Spielrunden die Werte unter 100 über 50% liegen, sich aber den 50% hin annähern.
Erklären kann ich dieses Phänomen nicht, daher poste ich es hier. Vielleicht kann es jemand in eine mathematische Formel fassen und verallgemeinern.
Oder meinen Denkfehler finden
Jedenfalls finde ich die Erklärung, dass nach zwei Runden mit je einmal verloren und gewonnen ein E=0,9 rauskommt, zwar auf der einen Seite richtig, aber zur Betrachtung des gesamten Spieles nicht ausreichend ist.
Gemäß den Spielregeln von Fitzroy Peel erhält der Spieler aber nicht den Wert der von ihm erreichten Punktzahl, sondern nur das Doppelte seines Einsatzes, wenn er am Ende über 100 Punkte hat. Bei einer ungeraden Anzahl an Spielen wäre nach meiner Betrachtung das Spiel fair, bei einer geraden Anzahl an Spielen Fitzroy Peel im Vorteil. Von daher ist der Erwartungswert E=1,05 irrelevant, weil er zwar bei den Punkten erreicht wird, aber bereits einige wenige Ausreißer nach oben dazu führen können (siehe nach Runde 2). Der Wert sagt indes nichts darüber aus, wie die Anzahl der Endwerte über und unter 100 verteilt ist.
Hallo,
erst einmal Dankeschön für das Reflektieren. Ja, in Deinem Gedankengang liegt ein Fehler vor. Du schreibst.
Auch in der 2., in der 3. und in der x. Runde gibt es immer nur 2 Möglichkeiten, nämlich gewinnen oder verlieren mit jeweils einem neuen neuen möglichen Spielbetrag. Das bedeutet, nach jeder Spielrunde x gibt es nicht 2x neue mögliche Spielbeträge, sondern stets 2. Denn der neue mögliche Spielbetrag ist abhängig von der Historie. Nimm das Beispiel für Runde 2. Entweder habe ich in Runde 1 gewonnen oder verloren. Diese Entscheidung ist mit Beginn der Runde 2 fest gefallen und ist nicht mehr änderbar. Und genau dieses Ergebnis wird dann auch in Runde 2 relevant. Habe ich also in Runde 1 verloren, werden in Runde 2 damit die Optionen, die auf einen Spielbetrag für „Gewonnen in Runde 1“ aufbauen, irrelevant. In Deinem Entscheidungsbaum wirst Du für jedes Spiel von oben nach unten immer genau einen Weg gehen können, nicht mehrere und vor jeder neuen Verzweigung hast Du immer nur stets 2 Optionen.
Das ist auch der von mir angesprochene Unterschied zwischen dem Ensemble- und dem Zeitmittlewert. Du hast den Ensemblemittelwert genommen, der in dieser Situation nicht passfähig ist. Der Zeitmittelwert ist passfähig, denn Ereignisse, die mit der Runde x entstanden sind, schließen Ereignisse, die vor dieser Runde x noch relevant waren für die kommende Runde aus und neue kommen ggf. hinzu.
BG, Conny
Hallo,
vielen Dank für die schnelle Antwort.
Ja, Du hast recht, als einzelner Spieler kann ich nur genau 1 Weg in diesem Baumdiagramm gehen.
Aber Fitzroy spielt in dem Buch gegen mehrere Spieler gleichzeitig.
Angenommen er spielt 7 Runden gegen insgesamt 128 Spieler. Dann wäre es möglich (wenn auch eher unwahrscheinlich), dass jeder der 128 Spieler einen unterschiedlichen Weg im Baumdiagramm geht. Mit dem Ergebnis, dass 64 Spieler über, und 64 Spieler unter 100 Punkten am Ende liegen. Bei einer Gewinnausschüttung von 2:1 würde das Spiel dann unentschieden für Fitzroy als “Bank” ausgehen.
Und die Gesamtpunktzahl aller Spieler (die für die Gewinnausschüttung freilich irrelevant ist) würde 128*1,05^7 betragen.
Oder denke ich hier auch falsch?
Du rechnest immer noch mit dem Ensemble-Mittelwert und nicht mit dem Zeitmittelwert.
Wie errechnet sich der Zeitmittelwert für einen Spieler? Pro Runde hat jeder Spieler die Chance 50:50 zu verlieren/ zu gewinnen. Denken wir 2 Runden kurz an. Das ergibt also den Faktor 1,5 (50% gewinnen) * 0,6 (40% verlieren) = 0,9 (Nach 2 Runden: 100 Euro * 0,9 = 90 Euro). Wenn 7 Runden gespielt werden sollen, muss man diesen Faktor mit 3,5 potenzieren, da der Faktor 0,9 für jeweils 2 Runden gilt. Damit kommt man auf die Zahl 0,691590124 (=0,93,5). Und diese Zahl muss man nun mit 100 multiplizieren (100 Euro Startwert). Man erhält also 69,15 Euro, die jeder Spieler im errechneten Zeitmittelwert erspielt.
Dabei sollte man bedenken, dass erst bei ganz vielen Runden dieser errechnete Wert immer mehr der Realität entspricht, da erst dann die Anzahl gewonnener und verlorener Runden sich den jeweils 50% annähern. Deshalb lässt Peel ja auch 100 Runden spielen und nicht 7.
Dein Erwartungswert 1,05 ist falsch, da dieser für den Ensemblemittelwert gilt.
BG, Conny
Sehr geehrter Herr Dethloff,
auch ich – als Nicht-Mathematiker – finde die Gedankenspiele im Buch von Elsberg hochinteressant (insbesondere die Bauernfabel). Ich habe alle Modelle durchgerechnet – und keinen Fehler entdeckt. Entdeckt habe ich in puncto Münzwurf aber, dass ein Sachverhalt sowohl im Buch wie auch in Ihrem Text unerwähnt bleibt. Prämisse ist ein Gewinn von 50 % bei “Kopf” und ein Verlust von 40 % bei “Zahl” – und dann lande ich mit einem Starkapital von 100 Euro nach 10 Würfen (Anzahl “Zahl” = Anzahl “Kopf”) tatsächlich bei ca. 59 Euro (also ein Verlust von ca. 41 Euro). Aber: Sobald ich die Relation von Gewinn- und Verlustrate nur etwas verändere, komme ich zu einem ganz anderen Ergebnis. Ich gehe weiterhin aus von 100 Euro Grundeinsatz und von 50 % Gewinn bei “Kopf” – verändere aber die Verlustrate bei “Zahl” von 40 % auf ca. 33 % ===> und schon bin ich in der Gewinnzone. Bei einer Verlustrate von nur 30 % (ansonsten keine Veränderungen) erwirtschafte ich nach 10 Runden einen Gewinn von ca. 27 Euro. Bleibt mir nur zu hoffen, dass ich richtig gerechnet habe. Mit besten Grüßen – Helmuth
Hallo Helmuth,
wir haben es hier mit einem multiplikativen Wachstum zu tun. Das bedeutet in Runde n ergibt sich die neue Summe durch Multiplikation der Summe nach Runde (n-1) mit einem Faktor. Und der Faktor errechnet sich wie Folgt.
Beispiel für Gewinnrate 50% und Verlustrate 40%: Faktor = 1,5 * 0,6 = 0,9
Will man das Spiel, natürlich nach ganz vielen Runden, sicher gewinnen, sollte der Faktor größer als 1 sein. Wenn man nun eine Rate gegeben hat, egal ob Gewinn- oder Verlustrate, kann damit relativ leicht die jeweils andere Rate festsetzen.
Und richtig. In Deinem gewählten Beispiel, wo die Gewinnrate 50% und die Verlustrate 33% ist, ist der Faktor 1,005 und damit größer als 1. Also gewinnst Du.
BG, Conny
Hallo Herr Dethloff,
ich habe das Buch „Gier“ ebenfalls gelesen und mich mit der darin enthaltene Münz-Aufgabe beschäftigt.
Ihr Rechenergebnis für den zeitlichen Mittelwert (zwei Runden) stimmt meiner Meinung nach nicht.
Um alle 4 Kombinationen bei zwei aufeinanderfolgenden Münzwürfen zu erfassen, muss man so rechnen:
Startkapital = 1 (Ansonsten überall Faktor 100€)
Kapital K2= 1/4*(0,6*0,6+0,6*1,5+1,5*0,6+1,5*1.5)=1,1025=((0,5*0,6+0,5*1,5))^2=1,05^2=1,1025
Der Erwartungswert des Kapitals nach 2 Würfen ist das Quadrat des Erwartungswertes nach einem Wurf.
Deshalb gilt auch 1,05^100 = 1,1025^50=131,501.
Das ist der Erwartungswert des Gewinnfaktors. Der mittlere Gewinn ist dann K*(131,501-1).
Und jetzt das ABER: Die Wahrscheinlichkeit, bei einer 100er-Serie zu verlieren beträgt 86,43% !
Das ist kein Widerspruch! Der Spieler wird also wirklich meistens verlieren, wenn er aber gewinnt, dann sehr hoch. Würde er täglich spielen, so würde er über lange Zeit gewinnen!
Auf meiner Seite „Mathematik für Ingenieure und Informatiker“ http://www.ulrich-mende.de habe ich die Lösung sehr ausführlich beschrieben, kann man sich dort als PDF herunterladen.
Beste Grüße
Ulrich Mende
Hallo Herr Mende,
danke für Ihre Antwort. Ihre Rechnung ist für diesen Case falsch.
Sie schreiben.
Es gibt für 2 Münzwürfe nicht diese 4 möglichen Konstellationen, da mit dem ersten Wurf bereits 2 Möglichkeiten gelöscht wurden. Es ist wichtig Vorgänge zu unterscheiden in solche, wo die einzelnen Bestandteile in der Zeit nicht von einander abhängig sind und solche wo sie es sind.
Das reine Werfen einer Münze zum Beispiel zählt zur ersten Kategorie, denn die Wahrscheinlichkeit in Runde 9 “Zahl” oder “Kopf” zu werfen hängt nicht davon ab, was in den Runden davor geworfen wurde. Bei solchen Vorgängen kann ich Ihren Rechenweg nehmen. Bei dem Spiel ist das aber anders, da der Gewinn, den ich nach der Runde 9 erzielen kann davon abhängt, wie hoch der Gewinn nach Runde 8, 7, 6, 5, … war und ist.
Habe ich nach Runde 1 verloren, muss ich für den Gewinn nach Runde 2 nicht mehr betrachten, wie hoch der Gewinn wäre, wenn ich in Runde 1 gewonnen hätte. Diese Möglichkeit ist durch die Faktizität der Ereignisse eliminiert worden. Es gibt also vor Beginn einer jeden neuen Runde x genau 2 neue Möglichkeiten, gewinnen oder verlieren, nicht 2x. Und diesen Fakt muss man in der Rechnung berücksichtigen.
Übrigens können Sie das auch sehr schnell in Form einer Exceltabelle verifizieren.
BG, Conny Dethloff
Hallo Herr Dethloff,
Danke für die schnelle Antwort.
Und zunächst auch einmal Danke, dass Sie sich diesem hochinteressanten Problem hier widmen!
Sie formulieren Ihre Aussagen mit so absoluter Sicherheit, dass ich ehrlich gesagt gar nicht weiß, ob Sie an einer weiteren Diskussion interessiert sind
Ist ja für Sie sicher auch eine Zeitfrage; ich selbst bin gerade Rentner geworden und habe nun viel Zeit, mich endlich mit interessanten mathematischen Dingen zu beschäftigen.
Lassen Sie es uns so machen:
Ich schreibe jetzt noch mal ein paar kurze Gedanken auf. Wenn Sie mir wieder antworten, dann antworte ich auch wieder – zustimmend oder ablehnend, je nachdem. Wenn Sie mir nicht mehr antworten dann bin ich Ihnen auch nicht böse und die Sache ist erledigt. OK?
Also lassen Sie uns doch mit dem beginnen, was Konsens ist: mit dem Enseblemittel.
Da rechnen wir beide: K(100)=K*(0,5*1,5+0,5*0,6)^100=13.150,16€.
BTW: Bereits an dieser Gleichung sieht man, dass ein Gewinn genau dann entsteht, wenn der Mittelwert aus Gewinn- und Verlustfaktor > 1 ist Auf das Produkt kommt es nicht an!
Weiterhin stimmen Sie mir sicher zu, dass der Gewinn des Spielers oder der Spieler gleichzeitig der Verlust des Spielmachers ist.
Wenn der Spielmacher also parallel mit (sehr, sehr) vielen Spielern spielt, dann hat er es gerade mit dem Enseblemittel zu tun. Er muss also im Mittel 13.150,16€ an jeden Spieler zahlen. Nun ist es aber so, dass durch die nichtlineare Verzerrung der monetären Bewertung (diesen Begriff habe ich mir von Ihnen abgeschaut) die überwiegende Mehrheit der Spieler Verlust macht (86%). Nur die anderen 14% machen Gewinn. Und nur ganz, ganz wenige machen viel Gewinn. So wird der Spielmacher bei einem Abend mit 10, 20 Leuten vermutlich Plus machen. Wenn er das aber zur Geschäftsidee macht, dann hat er ein Problem.
Ich habe das in einem kleinen R-Programm (R=Statistik-Sprache) ausprobiert, in dem ich 10.000 Serien zu je 100 Münzwürfen simuliert und dann wie verlangt bewertet habe. Wenn ich das Programm wiederholt starte, bekomme ich für den Gewinnfaktor (=Endkapital /Startkapital) stets Werte > 1, die meisten kleiner als 131, aber auch einige deutlich höher.
Freundliche Grüße und ein angenehmes WE Ulrich Mende
Wäre ja auch interessant, woher der Autor sein Beispiel hat? Wer ihm das berechnet hat?
Hallo Herr Mende,
spannende Diskussion, die ich natürlich nicht abbrechen lassen möchte. Danke dafür.
Ich konkretisiere meine Gedanken. Ich möchte für MICH die Frage beantworten, ob ich das Spiel spielen soll oder nicht. Also, ob die Gewinnchancen für mich so hoch sind, dass ich spielen sollte. Ich beantworte die Frage mit NEIN. Und zwar aus folgendem Grund.
Ich rechne mit dem Zeitmittelwert, nicht mit dem Ensemblemittelwert. Wie errechnet sich der Zeitmittelwert für einen Spieler? Pro Runde hat jeder Spieler die Chance 50:50 auf Gewinnen:Verlieren. Denken wir 2 Runden kurz an. Das ergibt also den Faktor 1,5 (50% gewinnen) * 0,6 (40% verlieren) = 0,9 (Nach 2 Runden: 100 Euro * 0,9 = 90 Euro). Wenn 7 Runden gespielt werden sollen, muss man diesen Faktor mit 3,5 potenzieren, da der Faktor 0,9 für jeweils 2 Runden gilt. Damit kommt man auf die Zahl 0,691590124 (=0,93,5). Und diese Zahl muss man nun mit 100 multiplizieren (100 Euro Startwert). Man erhält also 69,15 Euro, die jeder Spieler im errechneten Zeitmittelwert erspielt.
Dabei sollte man bedenken, dass erst bei ganz vielen Runden dieser errechnete Wert immer mehr der Realität entspricht, da erst dann die Anzahl gewonnener und verlorener Runden sich den jeweils 50% annähern. Deshalb lässt Peel ja auch 100 Runden spielen und nicht 7.
Wir haben es hier mit einem multiplikativen Wachstum zu tun. Das bedeutet in Runde n ergibt sich die neue Summe durch Multiplikation der Summe nach Runde (n-1) mit einem Faktor. Und der Faktor errechnet sich wie Folgt.
Will man das Spiel, natürlich nach ganz vielen Runden, sicher gewinnen, sollte der Faktor größer als 1 sein. Wenn man nun eine Rate gegeben hat, egal ob Gewinn- oder Verlustrate, kann damit relativ leicht die jeweils andere Rate festsetzen. Ist beispielsweise die Gewinnrate 50% und die Verlustrate 33% ist der Faktor 1,005 und damit größer als 1. Also ist damit die Gewissheit gegeben, natürlich nur nach ganz vielen Runden, das man gewinnt.
Und deshalb stimme ich mit Ihrer Aussage
nicht überein. Der Ensemblemittelwert kommt hier nicht zum Tragen, sondern nur die Anzahl der Runden, die gespielt werden. Je mehr Runden gespielt werden, desto mehr schwindet die Chance für jeden einzelnen Spieler zu gewinnen, da die Ratio je Runde “Gewinnen:Verlieren” immer mehr gegen “50:50” konvergiert.
BG, Conny Dethloff
Hallo Herr Dethloff,
irgendwie drehen wir uns hier im Kreis.
Meine Simulationen zeigen ja – völlig ohne Rechnung – dass, man im Mittel bei Gewinnfaktor g= 1,5 und Verlustfaktor v=0,6 doch gewinnt, auch wenn 1,5*0,6=0,9 <1 ist.
Aber vielleicht noch ein anderer Gedanke, den ich Sie zu prüfen bitte.
Angenommen, man nimmt anstelle des Münzwurfes mit den Wahrscheinlichkeiten p1=p2=1/2 einen anderen diskreten Zufallsprozess, also z.B. das Ziehen von 1 Kugel aus einer Urne mit 3 schwarzen und 1 weißen Kugel (mit zurücklegen) und bewertet die schwarzen jeweils mit 1,5 und die weiße mit 0,6. Dann sollte doch die Gewinnwahrscheinlichkeit deutlich steigen.
Bei Ihnen bliebe sie mit (1,5*0,9)^50 dieselbe.
Ich würde ausrechnen: (0,75*1,5+0,25*0,6)^100, würde sich also deutlich erhöhen.
Können Sie sagen, warum die Gewinnwahrscheinlichkeit nicht von den Wahrscheinlichkeiten des zugrundeliegenden Zufallsprozesses abhängen soll? (Im Extremfall könnte man ja ausschließlich schwarze Kugeln in der Urne haben und es gäbe dann gar keinen Verlust.)
Beste Grüße
Ulrich Mende
Hallo Herr Mende,
wie viele Runden haben Sie denn simuliert? Denn bei 100 Runden kann es schon vorkommen, dass die Wahrscheinlichkeiten für “Kopf” und “Zahl” von 50% abweichen. Und genau deshalb kann es vorkommen, dass man gewinnt. Aber nur deshalb. Simulieren Sie doch mal 1000 Runden, wo die Wahrscheinlichkeiten für “Kopf” und “Zahl” nahe 50% sind. Dann wird niemals ein Mensch gewinnen können.
BG, Conny Dethloff
Hallo Herr Dethloff,
ich halte Ihren Gedankengang für falsch und möchte noch einmal kurz den meinen darlegen.
Ich nehme dazu das Beispiel mit N=4 Münzwürfen. Im Vergleich zu N=100 ist dabei nichts prinzipiell anders. Nur die Zahlen sind viel einfacher zu übersehen.
Ein Spieler kann folgende 4er-Serien bekommen (k=Anzahl der Gewinne in einer Serie). Darüber sollte es keine Meinungsverschiedenheit geben, das sind Grundlagen der Statistik (symmetrische Binomialverteilung BIN(k, N=4, p=0.5) )
k= 0 1 2 3 4
Serien 0000 0001 0011 0111 1111
0010 0101 1011
0100 1001 1101
1000 1010 1110
1100
0110
P(k) 1/16 4/16 6/16 4/16 1/16
G/V(k) 0,129 0,324 0,81 2,02 5,06
– – – + +
P(N=4, -)=68%
P(N=4, +)=32%
Die Wahrscheinlichkeit, bei N=4 eine Verlustserie zu bekommen ist 1/16+4/16+6/16=11/16=68%, die für Gewinn ist 32%.
Trotzdem ist der mittlere Gewinnfaktor = 1,215. Statistisch gesehen (im Mittel bei sehr vielen Wiederholungen) macht ein Spieler 20% plus, dies aber konzentriert auf nur 32% der Serien. Das ist eine Folge der nichtlinearen Verzerrung durch die multiplikative monetäre Bewertung. Denn man beachte: Im Fall 0000 (4 mal Verlust) macht man nur (1-0,129)=87% Verlust, aber bei 1111 (4 mal Gewinn), dass mit 1/16 genausooft vorkommt wie 0000, macht man immerhin (5,06-1)=400% Gewinn!
Die (weniger wahrscheinlichen) Serien mit mehr Einsen als Nullen machen hohe Gewinne und heben damit statistisch die vielen kleinen Verluste auf!
Das alles verstärkt sich für wachsende N extrem, wodurch der Eindruck entsteht, der Spiel kann nie gewinnen. Das ist falsch.
Selbst bei N=1000 (aber wer wirft schon 1000 Mal die Münze) gibt es Gewinnwahrscheinlichkeit von 0,07% .
Und der Gewinn ist keineswegs eine Folge eines “statistischen Fehlers”, sondern er ergibt sich systematisch als Folge der Binomialverteilung, der Serienlänge N und der gewählten Bewertung 1,5 und 0,6.
Hier noch die Werte für
N=100:
P(100,-)= 86%
P(100,+)= 14%
Mittlerer Gewinnfaktor: 131.5
N=1000:
P(1000,-)=99,93%
P(1000,+)= 0,07% > 0 !!!!!
Mittlerer Gewinnfaktor= 1,5E+21 (!!!)
Ich befürchte also inzwischen, dass wir ein Problem mit den Begriffen “Gewinnwahrscheinlichkeit [%]” und “Gewinnerwartung [€]” = mittlerer Gewinn haben. Könnte das sein?
Einverstanden bin ich mit Ihnen, dass wir einem Spieler, der mit N=100 nur einige wenige Male oder sogar nur 1 Mal spielt, dringend davon abraten sollten.
Beste Grüße Ulrich Mende
Aus meiner Sicht könnten wir die Diskussion an dieser Stelle erst einmal unterbrechen. Vielleicht schicke ich die Frage mal an ein Statistik-Institut einer Uni.
Sollte ich Antwort bekommen, dann melde ich mit.
Nachtrag: Schade, die Einrückung der Serien hat nicht geklappt, deshalb noch mal so
k=0: 0000
k=1: 0001 0010 0100 1000
k=2: 0011 0101 1001 1010 1100 0110
k=3: 0111 1011 1101 1110
k=4: 1111
U. Mende
Hallo Herr Mende,
ich versuche es noch einmal und fange ganz weit vorne an, um Sie zu verstehen. Ich finde es nämlich hoch interessant. Danke dafür.
Gibt es bei Ihnen einen Unterschied zwischen dem Ensemble- und dem Zeitmittlewert? Und wenn ja, welchen Mittelwert setzen Sie hier für diese Entscheidung, ob ich als Spieler das Spiel spielen sollte oder nicht, zu Grunde?
Vielleicht liegt es auch an der Frage, die zu beantorten ist. Mir wird die Frage gestellt, ob ich, nicht ob 1000 Menschen, sondern einzig und allein ich, spielen sollte. Und diese Frage wird auch im Buch sinngemäß so gestellt.
Und dann nehme ich den Zeitmittelwert her, wie oben beschrieben. Dabei erkenne ich, dass bei vorliegenden Gewinn- und Verlustraten einzig und allein die Häufigkeit des Werfens von Kopf und Zahl verantwortlich ist, ob ich gewinne oder verliere. Liegt die Häufigkeit des Fallens von Kopf und Zahl bei 50% (Ensemblemittelwert), was bei je größer werdenden Runden, die zu spielen sind, immer wahrscheinlicher wird, gewinne ich nie. Das kann man einfach nachvollziehen, wie ich oben getan habe. Weil ich also nicht (bei vielen zu spielenden Runden) auf den zufall setze, dass die Verteilung von Kopf und Zahl nicht bei 50% liegt, spiele ich nicht.
BG, Conny Dethloff
Hallo Herr Dethloff,
weil ich ja den Eindruck hatte, dass wir hier aneinander vorbeireden, habe ich ich mir aus dem Buch “Gier” die Informationen über die Einrichtung herausgeholt, die Herrn Elsberg beraten hat:
lml.org.uk/research/economics.
Scheint eine rennomierte Einrichtung zu sein. Ein führender Kopf ist offensichtlich Ole Peters. Von ihm gibt es neben sehr vielen anderen auch den Artikel “The Time Resolution of St. Petersburg Paradox”. Dort werden ähnliche Fragen gestellt wie in diesem Spiel – vielleicht ist das Spiel im Buch ein Nebenprodukt davon?
Jedenfalls führt man dort ganz spezielle Nutzenfunktionen ein, um zu einer Entscheidung anhand einer einzigen Zeitlinie zu kommen (= verallgemeinerter Zeitmittelwert ?).
Mal sehen, ob ich das verstehe. Sieht kompliziert aus.
Oder haben Sie selbst auch irgend ein Paper, das zu dieser Aufgabe passt, das ich lesen könnte?
Ich melde mich wieder.
Beste Grüße Ulrich Mende
Hallo Herr Mende,
das Dokument kenne ich auch. Der Begriff der Ergodizität ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger. Das habe ich im Beitrag auch ein wenig ausgeführt.
Es macht Spaß mit Ihnen diesbezüglich im Austausch zu sein. Danke. 🙂
BG, Conny Dethloff
Hallo Herr Dethloff,
nach dem Lesen des Artikels zum St. Petersburger Paradox bin ich (hoffentlich) schlauer.
Nur mal am Rande: Es ist für mich immer wieder erstaunlich, was unsere Altvorderen schon alles wussten, womit sie sich beschäftigt haben. Hier war es D. Bernoulli, aber die Kette ist ja lang: Leibnitz, Gauß, Euler, Taylor, Newton… Und bei jedem Problem, das sie angefasst haben, haben sie Bahnbrechendes entwickelt.
Aber zum Thema.
Ich verstehe es jetzt so.
Angenommen, man hat eine Firma, die in 5 Jahren folgende Steigerungsraten hatte: +35%, -20%, +25%, +40%, -30%, dann kann man ja die mittlere jährlich Steigerungsrate dadurch ausrechnen, dass man alles multipliziert und dann die 5-te Wurzel zieht:
Mittlere Rate= (1,35*0,8*1,25*1,4*0,7)^(1/5) =1,323^0.2=1,0575
Die mittlere Zuwachsrate ist 5,575 %.
Bei unserem Spiel ist es nun so, dass je Runde der Zuwachs entweder g=1+50%=1,5 oder v=1-40%=0,6 beträgt. Insgesamt betrachten wir immer N Würfe, von denen statistisch gesehen immer N/2 Gewinn bringen und N/2 Verlust. Das gilt nicht nur für ganz lange Serien N, sondern auch für kleine, immer ist der Erwartungswert für die Anzahl der Einsen genau so groß wie der für die Anzahl der Nullen, nämlich N/2. Liegt einfach an der Münze, die dieselben Wahrscheinlichkeiten für Kopf und Zahl hat.
Also ist in unserem Spiel die mittlere zeitliche Steigerung: g^(N/2)*v^(N/2). Daraus muss man, wenn man den Gewinn- bzw. Verlustfaktor pro Wurf möchte, die N-te Wurzel ziehen.
(g^(N/2)*v^(N/2))^(1/N)=g^(1/2)*v^(1/2)=
wurzel(g*v)=wurzel(1,5*0,6)=wurzel(0,9)=0,9486
Das bedeutet – wie im Buch beschrieben- 5,1%/Runde Verlust.
Das Ergebnis hängt nicht von N ab, da es pro Wurf berechnet wurde!)
Nach 4 Runden wären das 0,9486^4=0,8097, nach 10 Runden 0,9486^10=0,5899 und nach unseren 100 Runden 0,9486^100=0,005108, also bei 100€ Startkapital nur 51Ct.
Sehe ich das so, wie Sie es auch meinten?
Eine andere Frage ist nun, was kann man über die Gewinnwahrscheinlichkeiten (ist was anderes, als die Gewinnerwartung) eines Spielers oder vieler Spieler sagen? Im Buch gab es eine Spielerin, die nach den 100 Würfen gewonnen hatte. Wie oft wird das vorkommen? Was kann der Spielmacher daraus entnehmen?
Übrigens: Im Buch endet das Spiel für den Spieler nur dann, wenn er bei nahezu Null Punkten angekommen ist. Dann gibt er frustriert auf. Aber ein Gewinner bekommt nicht etwa Geld heraus, sondern nur die Punkte verdoppelt – und muss weiterspielen. Das hat einen tieferen Sinn.
Wenn es Sie interessiert, dann schreibe ich Ihnen beim nächsten Mal meine Meinung dazu.
Beste Grüße Ulrich Mende
Hallo Herr Mende,
total einig.
Pro Runde hat jeder Spieler die Chance 50:50 zu verlieren/ zu gewinnen. Denken wir 2 Runden kurz an. Das ergibt also den Faktor 1,5 (50% gewinnen) * 0,6 (40% verlieren) = 0,9 (Nach 2 Runden: 100 Euro * 0,9 = 90 Euro). Wenn 100 Runden gespielt werden sollen, muss man den Faktor 0,9 mit 50 potenzieren, da der Faktor 0,9 für jeweils 2 Runden gilt. Damit kommt man auf die Zahl 0,00515378… . Und diese Zahl muss man nun mit 100 multiplizieren (100 Euro Startwert). Man erhält also 0,515378 Euro (51,5378 Cent), die jeder Spieler im errechneten Zeitmittelwert bei 100 Runden erspielt.
Ich bin gespannt auf Ihre Meinung zu der von Ihnen gestellten Frage zur Gewinnwahrscheinlichkeit.
BG, Conny Dethloff
Verzeihen Sie die Einmischung, aber ich habe die Wahrscheinlichkeit, nach 100 Runden mit einem Gewinn herauszukommen, kurzerhand mit einer Simulation, zumindest annäherungsweise, berechnet. Es zeichnet sich ab, dass diese Grenze bei etwa 13.5% liegt (etwa 86.5% der Teilnehmer haben nach 100 Runden 100€ oder weniger). Dieser Wert ist bei jeder Simulation einigermaßen konstant (plus/minus 0.5 Prozentpunkte).
Die Chance mit zehnfachem Gewinn herauszukommen liegt bei etwa 4.5%, hundertfachem Gewinn bei etwa 1.75%. Der Median des Restgelds liegt aber bei unter 1€ :-), während der Mittelwert (stark schwankend) immer deutlich über dem Einsatz liegt.
Mean of 1000000 iterations: 8738.550916848448
Maximum value: 7.32e+8
Values under 1: 539935 (53.993500000000004 %)
Values under 2: 618157 (61.81569999999999 %)
Values under 5: 691989 (69.1989 %)
Values under 10: 758575 (75.8575 %)
Values under 25: 816366 (81.6366 %)
Values under 50: 816366 (81.6366 %)
Values under 100: 864615 (86.4615 %)
Values under 250: 903535 (90.3535 %)
Values under 500: 933500 (93.35 %)
Values under 1000: 955669 (95.5669 %)
Values under 2500: 971484 (97.1484 %)
Values under 5000: 982412 (98.24119999999999 %)
Values under 10000: 982412 (98.24119999999999 %)
Values under 13150: 989391 (98.9391 %)
Values over 13150: 10609 (1.0609 %)
Weiß jemand, ob/wie man das mathematisch wirklich berechnen kann?
Hallo Martin,
Ihre Simulation ist perfekt!
Man kann das aber auch relativ einfach ausrechnen. Die Anzahl k der Zahl-Würfe in einer 100er Serie ist Binomialverteilt BINOM(k, N=100, p= 0.5) =(n über k)/2^N
Wir bewerten unsere Serie mit k Mal Zahl so: GF=1,5^k*0,6^(N-k). Wenn man diese Gl nach k umstellt, kann man ausrechnen, ab welchem k (also welcher Anzahl von Gewinnwürfen in der Serie) man einen vorgegebenen Gewinn überschreitet.
Der Break-Even liegt bei GF = 1. Man erhält dafür k= 55,74. Das bedeutet, dass für alle k=56 Gewinn.
Die Wahrscheinlichkeit 55 oder weniger Gewinnwürfe in einer 100er Serie zu haben ist die kumulierte Binomialverteilung von 0..55, die man z. B. in EXCEL bekommt, indem man in eine Zelle einträgt: =BINOMVERT(55;100;0,5;WAHR) (WAHR steht für kumuliert, sonst kriegt man die Einzelwahrscheinlichkeit von k=55).
Raus kommt, was Sie ganz richtig simuliert haben: 0,86437349. Die Wahrscheinlichkeit (irgend einen beliebig hohen !) Gewinn zu erzielen, ist dann eben 1-0,864…= 0,136…
Wenn Sie das alles interessiert: ich habe das auf meiner Seite http://www.ulrich-mende.de unter Aufgaben/Statistik alles sehr ausführlich aufgeschrieben. Fand ich total spannend.
Beste Grüße Ulrich Mende
Aber wie gesagt. Diese Rechnung ist nicht passfähig, wenn ich mir als einzelner Spieler die Frage beantworten möchte, ob ich spielen soll oder nicht. Denn hier wird auf Basis des Ensemble-Mittelwertes gerechnet. Notwendig wäre aber der Zeitmittelwert. Aber ich wiederhole mich. 😉
Grundsätzlich danke ich allen Beteiligten für diese regen Diskussionen. Sehr sehr cool. 🙂
Genau so ist es!
Ich bedanke mich ebenfalls für die Diskussion.
Beste Grüße Ulrich Mende
Hallo Herr Mende,
zum gleichen Ergebnis bin auch gekommen, ausgehend von der Original-
Aufgabenstellung, die nicht mit der oben angegeben übereinstimmt.
Martin ist mit seiner Simulation zum gleichen Ergebnis gekommen.
Was ich nicht verstehe:
Weshalb werden bei 2 Würfen (wie oben angeführt) nur die Ergebnisse KZ und ZK
betrachtet?
Der Spieler kann doch auch ZZ bzw. KK
werfen.
Wo liegt mein Fehler?
Beste Grüße
Manfred Theison
Hallo Herr Theison,
ZZ und KK werden vernachlässigt, da diese Muster zur Herleitung der Formel nicht valide sind, Warum? Weil es unwahrscheinlich ist, dass nach 100 Runden 100 mal Kopf oder 100 mal Zahl gefallen ist. Je mehr Runden gespielt werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass 50% Kopf und 50% Zahl gefallen sind. Deshalb werden zu Herleitung der Formel nur ZK und KZ genommen.
Wie wird die Formel nun hergeleitet?
Angenommen wir spielen 2 Runden. Was erhalten wir dann bei ZK oder KZ? 50% gewonnen ergibt den Faktor 1+0,5=1,5. 40% verloren ergibt den Faktor 1-0,4=0,6. Und nun müssen wir 1,5 mit 0,6 multiplizieren und erhalten 0,9. Nach 2 Runden habe ich also 90 Euro, denn 100 Euro mal 0,9 = 90 Euro. Genereller könnte ich sagen: 100 Euro mal 0,9 hoch 1.
Nun spielen wir 4 Runden. Mit den gleichen Überlegungen wie oben muss ich dann die 90 Euro wieder mit 0,9 multiplizieren und erhalte 81 Euro. Genereller könnte ich sagen 100 Euro mal 0,9 hoch 2.
Nun spielen wir n Runden. Ich nehme dann die Formel 100 Euro mal 0,9 hoch n/2.
Diese Überlegug basiert aber natürlich auf der Voraussetzung, dass Kopf und Zahl gleichverteilt fallen (siehe obiges Muster). Deshalb fragt Fitzroy Peel in dem Roman ja auch nach 100 Runden und nicht nach nur 2 oder 4 Runden. Noch sicherer wäre er im Gewinnen, wenn er 1000 Runden spielen würde. Da würde aber mit Sicherheit deshalb schon keiner mitspielen, da es langweilig wäre so lange zu spielen.
BG, Conny
Vielen Dank an Conny und Ulrich für die Diskussion. Sie hat mich angeregt, mir eigene weitere Gedanken zu machen, nachdem ich auch das Buch „Die Gier“ gelesen habe.
Ich denke, die Diskussion hier geht am Kern des Spiels vorbei. Im Unterschied zum Wachstumsbeispiel einer Firma ist hier nicht im ersten Jahr Faktor 1,5 und im zweiten Faktor 0,6. Das ergäbe wirklich -5% pro Jahr. Sondern es gibt eine fifty:fifty Chance jedes Jahr und das ergibt einen Erwartungswert von 1,05. Jedes Jahr! Wenn es also um eine Firma geht, dann ist der Deal super, egal wieviele Runden man dreht. Wenn man mit 100 Euro Aktienanteil startet, kann man im Mittel nach 10 Jahren von 163€ ausgehen (was gut ist wenn man es mit Sparbuch vergleicht). Wenn alles optimal läuft, hat man 5766 Euro. Dem steht ein maximaler Verlust von 100 Euro gegenüber. Also auf jeden Fall mitmachen, einem Supergewinn (als Chance) steht ein kleiner Verlust gegenüber. So funktioniert Wirtschaft. Und wenn man nicht alle Eier in einen Korb legt, und es prinzipiell keine Rezession hat, gewinnt man im Mittel.
Aber das Spiel ist anders! Ich bekomme, auch wenn es ganz super läuft, nicht 1.05^100 (das 131,5 fache) ausbezahlt, sondern maximal den Faktor zwei. Und dann ist nicht mehr der Erwartungswert entscheidend, sondern die Wahrscheinlichkeit, nach 100 Runden über 100 Punkten zu liegen. Und die ist wirklich klein. D.h ich habe keine kleine Chance, wirklich reich zu werden, sondern nur eine hohe Wahrscheinlichkeit, Geld zu verlieren.
Deswegen: Finger weg.
In der Wirtschaft entspricht das diversen „Capped“-Finanzderivaten. Verlieren kann ich alles oder viel, gewinnen maximal 20% oder so, egal wie gut es läuft.
Hallo Martin,
danke für Deine Gedanken. Ich habe nur nicht verstanden, warum die Diskussion am Thema des Buches vorbei geht? In meinen Augen kann ich das Münzspiel schon, dann allerdings mit den gleichen Rahmenbedingungen, auf die Wirtschaft übertragen.
Wenn ich ein Unternehmen hernehme und folgendes voraussetze: Es besteht pro Jahr eine Wahrscheinlichkeit von 50% 50% des vorhandenen Vermögens zu gewinnen und eine Wahrscheinlichkeit von 50% 40% des vorhandenen Vermögens zu verlieren. Und wenn ich dann viele Jahre betrachte. Dann habe ich die gleiche Konstellation wie beim Münzspiel und kann genau so rechnen. Ich habe es nämlich mit einem mutliplikativen, nicht mit einem additiven Wachstum zu tun. Ich würde also auch dann dem Unternehmen davon abraten ihr Geschäftsmodell operationalisieren zu wollen.
BG, Conny
Hallo Conny, am Kern des Buches geht die Diskussion nicht vorbei, nur am Kern des Spiels 🙂
Unfair wird das Spiel erst durch den Cap auf maximal doppelte Auszahlung.
Der Kern des Buchs wird durch die Bauernfabel klar, und das ist eine Art Mischung zwischen additiven und multiplikativen Wachstum
LG Martin
Das sehe ich anders, Martin. Das Münzspiel spiegelt sehr schön den blinden mathematischen Fleck der Ökonomie. Denn die Modelle der Ökonomie haben den Ensemble-Mittelwert als Prämisse. Es wird ein additives Wachstum vorausgesetzt und auf dieser Basis gerechnet. Das ist falsch und das kann man sehr schön am Münzspiel erkennen. LG, Conny
Natürlich ein schöner Beitrag. Und er bleibt schön, auch wenn man die bottom line nicht einfach in die Realität übertragen kann. Konkurrenz versus Kooperation – dahinter verbirgt sich für die politische Praxis der Gedanke von Markt versus Plan. Und Plan ist die Leitfigur des Sozialismus. Da ich selber Symathie für manche sozialistische Ideen habe, kann ich auch mit den adversen Effekten wie Wachstumseinschränkunegn etc. leben. Das Problem liegt noch eine Ebene darunter. Kooperation fällt nicht vom Himmel, sie muß organisiert werden. Und die Organisation hängt vom Geschick/guten Willen/guten Ziel/von der Kompetenz/von der Intelligenz der Organisierer (= Organisationsspitze) ab. Genau deren Dummheit, die vermutlich quantitativ dem böswilligen Ziel gleichkommt, soll in der Ideologie das Marktmodell unterdrücken. Das klappt schon in allen gegebenen Marktmodellen nur mit Heulen und Zähneklappern. Faktische Monopole, gagahafter Umgang mit Riesenapparaten (Ackermann Deuba), hirnrissige Verstaatlichungen (British Leyland),, aber auch hirnrissige Privatisierungen (British Rail) prägen das Gesamtbild zu einem guten Teil; dahinter nimmt sich die Dummheit in kleinteilig-lokalen Märkten wie im Einzelhandel oder Handwerkswesen harmlos, sehr harmlos aus. Man findet übrigens bei Schumpeters Sozialismus-Kapitel schöne Hinweise auf die Mängel des Sozialismus (und wohl folgerichtig outet sich Sch. insoweit als kleiner Schelm: Auf S. 348 der Ausgabe Bern 1950 immunisiert er seinen Sozialismus-Entwurf als “nur als Möglichkeit”. Auf derselben Seite ist ihm die Macht der sozialistischen Führer auch nicht geheuer. Menschheit scheint mir ein lost cause zu sein, der homo sapiens ein Fehltritt der Evolution, aber solange mich die Realität nicht eines Besseren belehrt, ist mir die zersplitterte Macht, egal wie suboptimal, lieber.
Danke für die Reaktion. Ich kann dem Geschriebenen viel abgewinnen, jedoch habe ich diese Mechanismen beim Verfassen des Beitrages nicht im Kopf gehabt. Mir ging es um die beschriebenen statistischen Zusammenhänge.
Dank zurück. Ich fürchte, daß Mathematik gegenüber der sozialen Realität immer nur eine Dienstrolle spielen wird, die auf Zuruf der sozialen Machthaber in entfernte Kammern verwiesen wird. Unschön dies, schlimm, unverdient (weil Mathematik zu großen Teilen unsere moderne Welt geschaffen hat), aber wohl kaum zu ändern. Es gibt noch eine weitere Bemerkung, die mir auf dem Herzen liegt: Sie sagen, daß unsere Welt dank Technologie und Vernetzung “eh” komplexer geworden sei. Das Statement wirkt retrognostisch (aber ist sehr, sehr populär) und könnte auf der Komplexitätswahrnehmung unserer Zeit beruhen. Ein Blick auf den Steinzeitmenschen: Es gab keine geschriebenen Regeln, die Kommunen umfaßten in der Jäger- und Sammlerära 50-100 Individuen, jeder kannte jeden, Herrscher war einer. Inkomplex, so will es scheinen. Jedoch ging alles Handeln um Leben und Tod. Unklare Signale der Konkurrenten, unklare Signale des Häuptlings und seiner Spezis (die gab es vermutlich schon immer – normale soziale Präferenz), unklare Aufgaben, unklarer Ausgang von Jagd und Pflanzung – man wird sagen können, daß die Welt des Steinzeitmenschen ein Horror an Überkomplexität war (kurz, aber schön beschrieben bei Christian Vogel, Anthropologische Spuren, S. 34 f.). Unsere Gesetze und Regeln, Konditionalprogramme schlechthin, reduzieren Komplexität. Die Steuererklärung einer börsennotierten AG ist ein Kinderspiel im Vergleich zur Steuererklärung des Urmenschen gegenüber dem Häuptling, wenn unsere Steuererklärung nicht ganz richtig, dann Straf- und Bußgeld, wenn seine Steuererklärung nicht ganz richtig, Kopf ab. Welche Welt war komplexer? Ich weiß es nicht.
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