Fokussierung auf messbaren Projekterfolg mehrt die ungenutzten Potentiale, …

… weil dann die Projekte in der Regel zum Selbstzweck mutieren. Warum? Das möchte ich in diesem Post belegen.

Ich möchte aber vorher nicht unerwähnt lassen, wer mich in dieses Thema geschubst hat. Es war Eberhard Huber mit seinem Post zur Blogparade des anstehenden PM-Camps in Dornbirn Muster brechen – Was ist Projekterfolg?. In diesem Post wird das zu hartnäckige Muster der zu engen Definition des Projekterfolgs zum Thema gemacht. Ich habe zu diesem Beitrag bereits meine Kommentare dort verfasst und abgelegt, möchte diese aber hier noch einmal sortiert vorlegen.

Mein eigener Beitrag zu dieser Blogparade namens “Musterbrechen heißt Widersprüche lieben” finden Sie übrigens hier.

Der Glaube an quantifizierbaren Projekterfolg beruht auf unserem tradierten Denkmodell.

Fokussiert man sich auf Projekterfolge, dann geht man von folgenden Prämissen (unbewusst?) aus.

  1. Unsere Welt besteht aus klar zu ergründenden Ursache-Wirkungsbeziehungen.
  2. Unsere Wahrnehmungen von der Welt können wir in Zahlen ausdrücken.
  3. Wir können unsere Welt für eine Analyse in Teile zerlegen und dann die Lösungsbestandteile anschließend wieder linear zusammenfügen.

Was liegt unserem Drang nach Messen zu Grunde? Ich kann Wirkungen ganz klar und transparent Ursachen zuordnen, getreu dem Motto

Ich habe das erreicht, weil ich dieses und jenes getan habe und dieses und jenes nicht getan habe!

Das funktioniert aber weder ex ante noch ex post in einem komplexen Umfeld. Ex ante ist wohl Jedem bewusst, denn wir können nun mal nicht die Zukunft vorhersagen. Diesen Fakt möchte ich hier nicht weiter beleuchten. Für Details kann man sich bei einigen Posts aus meinem Logbuch bedienen.

Ex post kann ich aber ebenso wenig wahrgenommene Wirkungen klar und einwandfrei Ursachen zuordnen. Denn klare Ursache-Wirkungsbeziehungen existieren nur in einer “toten Welt”, wenn ich beispielsweise eine Kaffeemaschine repariere. Im nach hinein kann ich die Funktionstüchtigkeit der Kaffeemaschine ganz klar meinen einzelnen Reparaturaktivitäten zuordnen. Warum? Es gibt nur einen einzigen Kontext. Ich tue das und genau das, weil die Kaffeemaschine wieder funktionieren soll. Ich repariere die Maschine nicht, damit sie sich wieder glücklich fühlt. Vielleicht ist das mein Ansinnen im Bezug zu meiner Frau, aber da betrete ich dann ja schon wieder die “lebendige Welt”.

Wir bewegen uns also im Fall der Kaffeemaschine in einem monokontexturalen und damit in ein einem allenfalls komplizierten Umfeld. Unsere Projekte laufen aber in der Regel in einem polykontexturalen, also komplexen und damit lebendigen Umfeld ab. Hier ist die erzielte Wirkung also nicht nur den Ursachen zuzuordnen, sondern in hohem Maße auch dem darunter liegenden Kontext dieser Ursachen und der Wirkungen. Dieser Kontext wird aber beim Messen ausgeblendet, weil wir beim Messen trennen müssen.

Oft erlebe ich, wie Menschen quasi gezwungen werden, ihren Erfolg zu erklären. Wenn sie dann antworten, bedienen sie aber wieder nur unser tradiertes Denkmodell, in dem sie klare Ursachen benennen. Ob das dann wirklich die Ursachen sind, kann Niemand wirklich sagen.

Warum versuchen wir eigentlich nicht einen prozentualen Anteil der Vorarbeit von Andre Schürrle dem Tor von Mario Götze im letztjährigen WM-Finale beizumessen? Weil wir es nicht können. Wir wissen nur, dass Schürrle einen Anteil hatte, genau so, wohl aber ein bisschen mehr, wie ein paar Minuten vorher Boateng mit seinem Pass auf Hummels. Wie groß dieser Anteil ist, können wir nicht feststellen. Ist ja auch uninteressant, oder? Wir sind Weltmeister.

Übertragen wir das doch einmal auf unsere Unternehmen und die darin ablaufenden Projekte. Entscheidend ist doch stets, das Unternehmen als Ganzes zu sehen. Jede Trennung, die wir vornehmen, ist künstlich und liegt unserem Denkmodell zu Grunde. Sich die Frage zu stellen “Reagiert der Markt passfähig zu den von mir ausgelobten Zielen?” ist doch entscheidend. Wirkungen, die wir erzielen, sind also niemals gut oder schlecht, sondern immer nur passfähig zum Markt oder eben nicht. Wir sollten diese (Nicht)Passfähigkeit niemals auf einzelne Aktivitäten oder Projekte im Unternehmen zuordnen. Diese Zuordnungen existieren nur in unserem Kopf, basierend auf unserem Denkmodell. Dem Markt sind unsere einzelnen Projekte total egal.

Ein Denkmodell ist grundsätzlich notwendig, aber ein neues.

Alles was wir wahrnehmen und bewerten, vollführen wir gegen eine Wirklichkeitskonstruktion, die mit der Realität nicht gleichzusetzen ist. Statt Wirklichkeitskonstruktion kann man auch Modell sagen. Wir benötigen also grundsätzlich Modelle, um überhaupt wahrzunehmen und zu bewerten und uns auf dieser Basis miteinander auszutauschen. Also auch im Rahmen von Projekten.

Welche Modelle nutzen wir im Rahmen von Projekten? Da wären zum einen Kennzahlen, die beispielsweise Fortschritt messen oder den Budgetverbrauch, also Scope, Time, Budget. Dieses so genannte magische Projektdreieck hat direkt nichts mit dem eigentlich zu Erreichenden im Projekt zu tun. Wir machen diesen Umweg, um das durch das Projekt zu Erreichende dem wirklich Erreichten im Ist gegenüberzustellen. Des Weiteren sind auch alle Methoden der PM-Disziplinen (Scope-, Issue-, Risiko-, … Management) Wirklichkeitskonstruktionen. Wir glauben durch Befolgen dieser klaren Anweisungen das Gap zwischen Plan und Ist in der Dimension des Erreichten so klein wie möglich zu halten.

Wird bereits klar was wir mit Projektmanagement und mit der Fokussierung auf Projekterfolg im traditionellen Sinne eigentlich tun? Genau. Wir bewegen uns in einer Scheinwelt. Wir befolgen Methoden aus einer Scheinwelt, die nicht viel mit der Realität zu tun haben und messen dann den Erfolg ebenfalls mit Mitteln aus genau dieser Scheinwelt.

Warum Scheinwelt? Projekte erzeugen per Definition für das jeweilige Unternehmen etwas Neuartiges, noch nie Dagewesenes. Und was bedeutet traditionelles Management? Richtig, Nach alt bewährter Form tue ich Dinge, um etwas zu erreichen, weil genau diese Dinge früher zum Erfolg geführt haben. Und das Management kontrolliert dieses Einhalten der alt bewährten Struktur. Aber wie soll das gehen? Ich möchte Neues erreichen und nutze dafür ausgelatschte Pfade? Lässt man sich das auf der Zunge zergehen, kommt man zum Schluss, dass es Projektmanagement (im traditionellen Sinn) niemals geben sollte. Denn Projektmanagement sorgt dafür, dass das Erreichte im Projekt so minimal wie möglich gehalten wird. Das Streben nach Sicherheit im Projektmanagement, und das tut man implizit durch Befolgen von Methoden und Regeln in einer hoch dynamischen Welt, ist gleichbedeutend mit einem Streben nach NULL Innovation, NULL Kreativität und damit nach NULL Fortschritt.

Nehmen wir das Risikomanagement als Beispiel. Über das Risikomanagement sollen die Risiken im Projekt eingedämmt oder mitigiert werden. Damit nimmt man dem Projekt aber die Überraschungen und die Innovationskraft. Neues kann so schwerlich entstehen, sondern nur das, was bereits im Unternehmen vorhanden ist. Nimmt man Risikomanagement, und damit Projektmanagement, ernst, sollte man Projekte erst gar nicht starten. Und damit muss es Projektmanagement auch gar nicht geben, weil es keine Projekte gibt.

Nun schlage ich den Bogen zurück zum Projekterfolg. In traditionellen Diskussionen rund um den Projekterfolg wird dieser eben angesprochene blinde Fleck, dass es Projekte mit dem Mindset eines traditionellen Projektmanagers eigentlich gar nicht geben sollte, nicht reflektiert. Dementsprechend merken wir auch gar nicht, dass wir zwar etwas messen, dieses Gemessene aber überhaupt nichts mit dem Projekterfolg im eigentlichen Sinne zu tun hat. Denn sowohl die Mittel der Durchführung von Aktivitäten (Methoden), als auch die Kennzahlen (Status nach Scope, Time und Budget), die den Erfolg messen sollen, stammen aus einer Scheinwelt.

Projekterfolg sollte also auf Qualitäten, nicht auf Quantitäten basieren.

Nun habe ich die ganze Zeit ausgeholt, was man im Kontext von Projektdurchführung und Fokus auf Projekterfolg nicht machen sollte. Aber was sollte man dann stattdessen tun, oder besser, wie gehe ich persönlich im Rahmen der Projekte mit Projekterfolg um. Wie stelle ich Projekterfolg dar und kommuniziere ihn zu allen Stakeholdern?

Ich verfolge die Maxime, dass man Erfolg von Projekten nicht messbar machen sollte. Ich benutze zwar Zahlen, diese Zahlen ergeben sich aber nicht aus komplizierten Formeln und Rechenwegen, sondern sind das Ergebnis dessen, was die involvierten Personen fühlen und wahrnehmen. Wie soll das funktionieren?

Ich lasse die Projektmanager regelmäßig genau eine Frage beantworten.

Geben wir unser Geld im Projekt mehrwertgenerierend aus?

Die Antwort basiert zahlen- und rechentechnisch nur auf dem bereits investierten Geld und dem geplanten Budget für das Projekt. Den eigentlichen Fortschritt im Projekt, das betrifft ganz viele unterschiedliche Dimensionen, wie erstellte Funktionalitäten, Zufriedenheit der Stakeholder etc., beurteilt der Projektmanager einzig und allein auf Basis seiner Wahrnehmung und seines Gefühls. Nur das Ergebnis wird in Zahlen dargestellt, um dieses dann in Form eines Bildes integriert mit dem geplanten und ausgegebenen Geld darzustellen. Was ist der Vorteil?

  1. Zahlen und komplizierte Rechnungen vernebeln nicht die Wahrnehmung.
  2. Die Logik dahinter ist extrem einfach und allgemein verständlich.
  3. Verantwortung für den Fortschritt im Projekt wird nicht aus Zahlen und komplizierten Rechnungen erzeugt, sondern bleibt da wo sie hingehört, beim Projektmanager.

Meine differenzierte Sicht zu Zahlen habe ich unter anderem in diesem Post verdeutlicht.

Bugdet-Fortschritt-Tracking

Das Ergebnis aller Projekte stellen wir dann graphisch in einem 3D Diagramm dar. Die obige Abbildung steht exemplarisch für ein solches Diagramm. Die x-Achse reflektiert die Ratio zwischen ausgegebenem und geplantem Geld. Die y-Achse reflektiert die Ratio zwischen geplanten und tatsächlich erreichtem Fortschritt, nur basierend auf der Wahrnehmung der Projektmanager. Dann wird jedes Projekt noch mittels der Größe der Kreise im Kontext ihres Scopes dargestellt. Je größer der Scope desto größer die Kreise.

Damit gibt es 3 Bereiche. Einen neutralen Bereich (eine Linie), in welchem die Ratio zwischen investiertem Geld und erreichtem Fortschritt im Einklang ist. Die anderen beiden Bereiche symbolisieren die grüne und rote Fläche. Bei Projekten, die auf der grünen Fläche lokalisiert sind, wird das investierte Geld mehrwertgenerierender als ursprünglich gedacht investiert, bei Projekten auf der roten Fläche hat man eben weniger Mehrwert in Bezug zum investierten Geld generiert als gedacht.

Die Kommunikation über dieses Diagramm funktioniert sehr gut. Alle Stakeholder sind von der Einfachheit und Transparenz, auch nach anfänglicher Skepsis, begeistert. Schwierig war vor allem zu erklären, dass der Fortschritt im Projekt rein auf Wahrnehmung des Projektleiters und die darauf aufbauende subjektive Projektion in die Zahlenwelt basiert. Rechnungen, und seien sie auch noch so kompliziert, erzeugen nicht mehr Objektivität.

In diesem Kontext habe ich aber auch einen Kompromiss zugelassen. Sie haben es wahrscheinlich bereits gemerkt. Denn aus meiner Sicht muss man keine Erfolgsdarstellung auf Projektebene durchführen. Sie wissen ja, nicht trennen was nicht trennbar ist. Es geht um das Unternehmen. Aber das hatten wir ja schon.

Aber ab und zu muss man auch das System bedienen, um es ändern zu können.

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