Konkretisierung des Begriffes “Duales System” im Kontext Führung und Zusammenarbeit

Vielleicht haben Sie es ja mitbekommen. Andreas Zeuch, ein langjähriger Wegbegleiter von mir, hat mich mit seinem Post Der Irrtum des Dualen Systems zum tieferen Nachdenken über meine niedergeschriebenen Gedanken und Ideen im Kontext der Führung und Zusammenarbeit in Unternehmen animiert.

Nur kurz als Ankerpunkt. Über diesen Link finden Sie die bisher von mir festgehaltenen Notizen (5 Blogposts und 1 Diskussionspapier), auf die sich Andreas bezieht.

Andreas hatte natürlich Recht. Ich war nicht konkret genug, im Erklären des Begriffs “Duales System”. Das ist aber auch gar nicht verwunderlich. Denn, wie Maria Pruckner in ihrem Buch Komplexität im Management 2 – InFormation so schön sagt.

Misslungene Kommunikation ist normal, gelungene ein Grund zum Feiern. Wenn Information übertragbar wäre, wäre Kommunikation Gehirnwäsche.

Wenn ich zu Ihnen beispielsweise den Begriff “Duales System” sage, dann verbinden Sie mit dem Begriff das, was Sie darüber denken, nicht was ich damit verbinde. Logisch, oder? Information und Wissen ist nicht direkt übertragbar. Ich sende Ihnen “nur” Daten (Buchstaben), aus denen Sie einen Sinn erzeugen. Was noch erschwerend hinzu kommt ist, dass wir auch den Erfolgsfall von Kommunikation nicht erkennen können, weil wir dafür ja auch wieder Kommunikation als Hilfsmittel nutzen müssen.

Das bedeutet aber nicht, es dem Vogel Strauß gleich zu tun und den Kopf in den Sand zu stecken, sondern im Gegenteil, immer weiter zu kommunizieren und dabei zu versuchen, immer konkreter zu werden. Aus dieser Erkenntnis heraus ist meine Maxime, mit so wenig wie möglichen Fachtermina auszukommen, in diesem Fall also den Begriff “Duales System” nicht zu verwenden und statt dessen bekannte Begriffe zu wählen, die meine Gedanken besser beschreiben. Wie sagte Albert Einstein so treffend? 

Hat man eine Thematik verstanden, kann man diese auch sehr einfach erklären.

Danke also, Andreas. Deinetwegen wird mir wieder einmal bewusst, mit welcher Portion Demut wir an Diskussionen heran gehen sollten, da Missverständnisse nie auszuschließen, da normal, sind.

Aber nun zum Eigentlichen, nämlich zur Konkretisierung. Über den am Anfang genannten Artikel von Andreas habe ich bereits einen Kommentar verfasst, den ich hier aus Gründen des Leseflusses noch einmal als Zitat hinein kopiere, um dann noch einmal daran anzuschließen.

Moin Moin Andreas,

vielen Dank, dass Du meine Blogpostreihe zum Neuen Modell im Kontext Führung und Zusammenarbeit in Unternehmen aufgegriffen hast und “gegentrittst”. Cool. Da will ich mal gleich kontern. 🙂 

Aber bevor ich das tue, möchte ein paar Worte zu Kotter verlieren. Grundsätzlich sehe ich seine Arbeiten rund um Change Management in Unternehmen skeptisch, weil ich nicht glaube, dass Wandel in Unternehmen per Rezept zum Erfolg geführt werden kann. Change kann man nicht managen. Das suggerieren seine Werke aber. Jedenfalls nehme ich das so wahr. Warum?

Ein System zu ändern ist komplex. Denn, man muss Spielregeln des Systems einhalten, da man sonst ausgegrenzt wird oder man ist eben der Hofnarr, der Alles darf, aber nicht ernst genommen wird. In beiden Fällen kann man nicht dazu beitragen, das System zu ändern. Auf der anderen Seite muss man aber bewusst gegen Spielregeln des Systems verstoßen, da man ja Änderungen herbeiführen möchte. Geht man immer wieder die gleichen Pfade, sollte es nicht verwundern immer wieder am gleichen Ort anzukommen. Das Wesen des Handelns in komplexen Systemen (wie Unternehmen) ist, dass man das richtige Handeln stets nur ganz konkret im individuellen Fall bestimmen kann. Also weg mit Rezepten. Aber nun zum eigentlichen Punkt.

Ja, ich glaube ganz fest daran, dass in Unternehmen gefestigte Strukturen, also Werkzeuge des traditionellen Managements (Prozesse, Rollen, Pläne, Business Cases, Kennzahlen, KPIs, …), genau dafür da sind, Stabilität vorzugaukeln, wo keine Stabilität herrscht. Das absorbiert Unsicherheit. Ich habe sehr lange gebraucht zu verstehen, warum immer wieder Konzepte für neue Modelle im Kontext Führung und Zusammenarbeit in Unternehmen kreiert werden, diese aber sehr sehr häufig in der Schublade verschwinden und nicht umgesetzt werden. Diese greifen genau das künstliche Gebilde der Sicherheit an, da diese die gefestigten Strukturen hinterfragen. Ich nehme diesen Fakt seit 15 Jahren tagtäglich in großen Unternehmen wahr. Das ist auch die Daseinsberechtigung von kontextunabhängigen Hierarchien in traditionell geführten Unternehmen.

Ich stimme Dir zu, dass Netzwerke in Unternehmen schon immer da waren und auch niemals verschwinden werden. Das kommt im Beitrag wohl nicht ganz rüber. Allerdings wurden diese Netzwerke im Laufe der Zeit in traditionellen Unternehmen durch die Hierarchien absorbiert, so dass diese nur noch informellen Charakter haben. Das schreibst Du ja auch.

Ich glaube auch ganz tief und fest an die Notwendigkeit von Hierarchien, da diese immer da sein werden, ähnlich wie Netzwerke. Sie werden auch benötigt. Die Frage hier ist nur wie diese entstehen. In traditionellen Unternehmen entstehen diese per Gesetz mittels fest auferlegten Ritualen (Assessment Center etc.), also kontextunabhängig. Das prangere ich ganz klar an. Besser sollten diese Hierarchien kontextabhängig durch die Beteiligten, die an einem Thema arbeiten, entstehen. Sie entstehen ja sowieso, weil Menschen erkennen, wer was wie viel zu einem Thema beitragen kann. Gibt man diesen Hierarchien dann einen Raum, und zwar innerhalb des Netzwerkes, sind diese auch mehrwertgenerierend. Also Derjenige, der zu einem Thema das meiste Talent und Geschick mitbringt, der bestimmt. Dieser kann aber im Kontext eines anderen zu behandelnden Themas ebenso “einfaches” Teammitglied im Netzwerk sein. Hierarchien sollten also niemals in Stein gemeißelt sein, sie wird es aber immer geben, dann eben innerhalb von Netzwerken.

Aus meiner Sicht existiert deshalb immer Beides, Hierarchie und Netzwerk, deshalb auch duales System. Nehmen wir nicht Ähnliches in unserem privaten Umfeld wahr? Beispiel Familie oder Freundeskreis. Grundsätzlich agiert man als Netzwerk ohne Hierarchie und je nach Thema hat Jemand die “Bestimmerrolle”, weil er sich vielleicht gerade in der Gegend am besten auskennt und deshalb die besten Lokationen bzgl. Sport oder Mittagessen kennt. In anderen Kontexten sieht die Rollenverteilung dann wieder ganz anders aus.

Man sollte nicht den Fehler machen, die Begriffe “Hierarchie” und “Netzwerk” so absolut zu betrachten, sondern eher relativ zueinander. Das eine existiert in dem anderen und umgekehrt.

Dementsprechend sollten Routineaufgaben, und das sprichst Du ja auch an, auch immer in einer Hierarchie, aber innerhalb eines Netzwerkes, abgearbeitet werden. Das wird es automatisch, wenn man Netzwerken zulässt. Denn die Menschen streben diesem Zustand inhärent entgegen, da sie dem jeweiligen Experten folgen werden. Das heißt aber natürlich nicht, dass Routineaufgaben nicht auch geändert werden können, weil man aufgrund einer Entwicklung ein besseres Verfahren entwickelt hat. Diesen Ausschluss habe ich nie getätigt.

Hier zeigt sich aus meiner Sicht wieder der Fakt, dass es uns schwer fällt in “Sowohl-Als-Auch” zu denken. Wir denken zu sehr in “Entweder-Oder” also in Polen. Kontextunabhängige Hierarchien in traditionellen Unternehmen haben sich als nicht mehr ausreichend, ja gar als störend erwiesen. Da bin ich voll dabei. Das bedeutet für mich aber nicht, dass Hierarchien komplett und vollends verteufelt werden sollten.

Wie gesagt, man bekommt Hierarchien ähnlich wie Netzwerke niemals weg. Sie werden immer existieren. Die Frage ist nur, wie man zulässt, dass diese kontextabhängig entstehen können. Das ist Aufgabe von Führung in Unternehmen im digitalen Zeitalter.

Netzwerkartig-hierarchische Grüße,
Conny

Noch einmal ausdrücklich, da wichtig. Es sollte im Modell der Führung und Zusammenarbeit stets Beides simultan nebeneinander geben, Hierarchie und Netzwerk, da es in der Natur des Menschen liegt, nach beiden Modellen zu denken und zu agieren, und diese nicht nach niedergeschriebenen Entscheidungsprämissen zu wählen, sondern total intuitiv. Um sich das klar zu machen, muss nur Jeder einen kleinen Ausflug in sein Privatleben wagen.

Der Begriff des Dualen Systems lässt wahrscheinlich vermuten, dass beide Modelle parallel koexistieren sollten, also mal dieses und dann mal jenes. Vielleicht meint Kotter das auch so. Ich bin wie gesagt anderer Meinung. Hierarchien existieren in Netzwerken und umgekehrt auch. Innerhalb von Netzwerken entstehen im Kontext der zu bearbeitenden Aufgaben Hierarchien, die aber nicht in Stein gemeißelt sind. Sie sind fluid und können im nächsten Moment schon wieder zusammenbrechen, da andere Aufgaben- und Fragestellungen gefragt sind.

Die Zeiten, in denen Hierarchien eine lange Lebensdauer haben, sind wahrscheinlich vorüber. Denn das würde bedeuten, dass die zu bearbeitenden Aufgaben so klar strukturiert sind, dass sie in Ablaufbeschreibungen formuliert werden können. Dann kann man diese Beschreibungen also auch in Algorithmen (Programmcode) schreiben. Was bedeutet das? Maschinen können dann diese Aufgaben übernehmen. Diese Aufgaben habe ich übrigens als Routine deklariert. Sie erinnern sich bestimmt. Lässt sich etwas in Programmcode beschreiben ist es monokontextural. Routineaufgaben sind monokontextural.

Was bedeutet diese Erkenntnis für zeitgemäße Führung?

Auf das richtige Delegieren kommt es an. Es sollte niemals “von oben” vorgegeben werden, was und wie genau etwas zu tun ist. Dann nämlich behandelt man Mitarbeiter wie Maschinen. Es sollte eher vermittelt werden, was erreicht werden soll. Hier natürlich wieder auf die Eigenarten der Kommunikation aufpassen. Wir haben es oben angesprochen. Und natürlich spreche im Kontext von Delegieren nur über die kreativen Aufgaben, denn die Routineaufgaben sind klar durch die Ablaufbeschreibungen vorgegeben, wissend, und das habe ich ja im Kommentar angesprochen, dass sich durch geänderte Rahmenbedingungen auch Routineaufgaben ändern können. Dem begegnet man durch das fluide schnelle kontextabhängige Wechseln zwischen Hierarchie und Netzwerk und umgekehrt, was nicht “von oben” angeordnet wird, da es sonst kontextunabhängig wäre.

Ich delegiere beispielsweise in dem ich zu einem dedizierten Thema Fragen aufstelle, die mindestens beantwortet werden müssen. Wie, in welchem Format und Layout sowie in welchem Medium die Antworten gefunden und dokumentiert werden, überlasse ich den Experten. Die wissen das viel besser als ich.

Bei weiteren Unklarheiten gerne gegentreten. 🙂

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