Ein Methode darf niemals ihren Sinn ersetzen

… oder Best Practice ist das Ergebnis verzweifelter Trivialisierung. Unter diesem Titel wird ein Aufsatz von mir in der Ausgabe 2/2010 des SEM Radars – der Zeitschrift für Systemdenken und Entscheidungsfindung – veröffentlicht. Bestellen kann man diese Ausgabe hier. Als Appetithappen poste ich hier die Einleitung.

Das Thema Best Practice ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie schluderig wir Menschen mit der Sprache umgehen. „Practice“ steht für Praktizieren. Es beinhaltet also etwas Prozessuales und Dynamisches. Sehr oft werde ich nach Einsatz von Best Practice gefragt. Damit meinen die Fragenden dann aber die Lösung, die bereits im Rahmen anderer gleich gelagerter Probleme implementiert wurde. Es wird also mit etwas Statischem verbunden. Warum das so ist, liegt für mich klar auf der Hand und hat mehrere Aspekte. Zum einen tut die mit dem (Er)Finden von neuen und besseren Lösungen für das Unternehmen verbundene Kopfarbeit „weh“. Es ist sehr aufwendig zu Ende oder überhaupt zu denken. Es wird sich begnügt mit „Das haben wir doch schon immer so gemacht.“. Des Weiteren ist das Motivieren für Projekte innerhalb der Unternehmen dafür entscheidend. Wie soll ich meinem Budgetgeber erklären, dass ich Geld benötige für die Erzeugung einer Lösung, die relativ schnell wieder veraltet sein kann? Man investiert bestenfalls in die Fähigkeit der Mitarbeiter beim nächsten Mal in kürzerer Zeit eine bessere Lösung zu (er)finden. Es ist doch viel einfacher und billiger eine Lösung zu übernehmen. Diese wird schon irgendwie passen. So unterschiedlich ist die Ausgangslage zu anderen Kunden oder Wettbewerbern ja nicht.

Wie gefährlich diese Denkweise für das Überleben eines Unternehmen gerade im Zeitalter der Informationsgesellschaft sein kann wird immer deutlicher (Finanzkrise, Insolvenzen etc.). Ausschlaggebend dafür ist auf der einen Seite die steigende Komplexität und das Unbehagen und Unvermögen der Menschen sich in instabilen Situationen zu bewegen. Deshalb sind diesen beiden Themen auch die ersten beiden Kapitel gewidmet. Auf der anderen Seite stellt sich die zweiwertige Denkweise der Menschen als Hindernis dar, um in komplexen Situationen lösungsorientiert zu agieren. Die angesprochene zweiwertige Denkweise wird uns Menschen quasi mit der Muttermilch verabreicht, was es zu etwas Unantastbarem macht, was mich aber nicht davon abhält, die Risiken bei Beibehalt und die Chancen bei Überwindung dieses Denkens in Kapitel 3 zu zeichnen.

Da der Begriff Best Practice mittlerweile missbraucht wurde, möchte ich einen anderen Begriff prägen: Own Practice. Damit drücken beide Begriffe „Own“ und „Practice“ die dynamisch auf ein das jeweilige Unternehmen notwendige Betrachtungseise aus. „Best“ ist zu sehr statisch angehaucht. Was heute „Best“ ist kann morgen schon „Worst“ sein.

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