Sollten Manager schizophren sein?

Komische Frage, oder? Vielleicht ist die Frage auch zu pauschal gestellt? Kann sein. Lassen Sie uns loslegen.

Beginnen wir mit dem Geld. Geld wurde als reines Tauschmittel erfunden. Es war in der Zeit als sich bestimmte Berufe herausgebildet haben, die allesamt verschiedene Waren hergestellt haben, die nicht mehr einzig und allein zum Eigengebrauch sondern zum Tausch gegen andere Waren dienten. Da es aber relativ schwer fiel verschiedene Waren im Rahmen eines Tausches miteinander zu vergleichen, benötigte man ein scheinbar objektives Messinstrument, das Geld. In dieser Zeit also hat man Waren hergestellt, um andere Waren zu erhalten. Man spricht hier von W-G-W (Ware-Geld-Ware). Geld war also reines Mittel zum Zweck für den Warenerwerb. Später gewann das Geld an Wertigkeit, es war nicht nur Tauschmittel, sondern besaß seinen eigenen Wert. In dieser Zeit stellte man also Waren her, nicht um andere Waren zu erhalten, sondern um diese zu verkaufen um Geld zu erhalten. Hier sprach man von G-W-G (Geld-Ware-Geld). Der nächste Übergang war einschneidender, jedenfalls aus einer Geldsicht heraus. Es war nämlich die Geburt der Finanzwirtschaft. Hier spielten Waren nicht mehr diese große Rolle, da man erkannte, das auch ohne Waren Geld zu scheffeln ist. Man spricht hier von G-G (Geld-Geld). Aus Geld wird Geld und immer mehr Geld, angetrieben durch den Zinseszins. Die Realwirtschaft war im Würgegriff der Finanzwirtschaft. Diesen Effekt habe ich detailliert in meinem Post Wir schaffen unsere Finanzkrisen durch das Zinsparadigma selber analysiert. Die Wurzel des Übels war also gepflanzt. Der Mensch ist auf Energieeffizienz ausgelegt. Und Geld “verdienen”, bei dem keine Waren produziert oder Dienstleistungen, sieht man mal von der Dienstleistung des reinen Geld Verleihens ab, erbracht werden müssen, ist enorm energieeffizient, erfreut sich ergo besonderer Beliebtheit. Der Wurzel des Übels war also nicht nur gepflanzt, sie begann prächtig gedeihen.

Wir erkennen die Künstlichkeit des Geldes, da sie von Menschenhand erfunden wurde. Mittlerweile nimmt aber die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von diesem künstlichen Objekt Geld groteske Züge an. Denken Sie nur an die jüngsten Diskussionen und die Aktionen bzgl. der Schuldenkrise in den USA. Einzig und allein weil die Schuldengrenze hoch gesetzt wurde, ist die USA wieder zahlungsfähig. Das Problem wird damit nicht gelöst, sondern verstärkt und in die Zukunft verschoben. Die Politiker tun aber so, als sei jetzt alles gut, weil sie nicht tiefgründig denken. Nehmen sie ihren Gehaltszettel hervor und erhöhen ihr Gehalt, gehen damit zu Ihrem Chef mit der Bitte ab dem nächsten Monat genau diesen Betrag ausgezahlt bekommen. Wie würde er reagieren? Grotesk oder? Nichts anderes hat man aber in den USA getan. Nicht zu fassen.

Ich habe eben bereits den Zinseszinseffekt angesprochen, der der Finanzwirtschaft überhaupt erst das Leben ermöglicht. Der Zinseszinseffekt hat Auswirkungen auf die Dynamik des Wirtschaftens. Alles wird schneller. Investitionen müssen sich immer schneller rentieren, Projekte müssen immer schneller einen positiven Business Case erbringen. Warum ist das so? Je schneller das Geld wieder in den Umlauf kommt, desto mehr Geld wird generiert. Diesen Fakt habe ich in meinem Artikel Diskrete und kontinuierliche Modellierung ausgeführt. Wenn sie beispielsweise ihr Geld mit einem bestimmten Zinssatz p.a. anlegen, generieren Sie mehr Geld, wenn das Geld täglich ausgeschüttet und der neue Betrag weiter verzinst wird, als wenn dies monatlich, oder schlimmer jährlich passiert. Den gleichen Effekt haben Sie wenn Sie einen Kredit aufgenommen haben, um Investitionen zu finanzieren, sagen wir ein Eigenheim. Sie reduzieren ihre Restschuld schneller, wenn ihre Tilgung monatlich gegen diese gerechnet wird, als wenn dies jährlich passiert. Wir erkennen die eben angesprochene Beschleunigung des Wirtschaftens oder gar unseres Lebens.

Vielleicht erkennen Sie jetzt auch die Notwendigkeit des Abgebens von Quartalsberichten, was jeder realen Sinnhaftigkeit entbehrt, da diese viel zu kurzfristig sind. Aus finanzwirtschaftlichen Gründen sind diese aber absolut plausibel. Die Unternehmen reagieren auf diese Kurzfristsicht mit der Abkehr von absoluten Zielen, wie den Gewinn, hin zu relativen Zielen, wie der Profitrate. Denn Unternehmen müssen nicht nur immer mehr Gewinn machen, sondern diesen auch noch mit immer weniger Mitteln und in immer kürzerer Zeit. Gewinn ist ja bekanntlich gleich Umsatz abzüglich der Kosten. Auf welchen Bestandteil hat ein Unternehmen sehr schnell sehr großen Einfluss? Richtig, auf seine Kosten. Also versuchen Unternehmen alles um die Kosten zu senken. Diesen Effekt, und das können Sie detailliert in meinem Post Renditemaximierung der Realwirtschaft: Antwort auf den Zinsstress mit negativen Implikationen nachlesen, sehen Sie auch in der Maximierung der Renditen, wenn Sie nämlich die 1. Ableitung der Renditen zu Grunde legen, die ausschließlich Kostenbestandteile enthalten. Preise, also die Sicht auf den Markt sind komplett ausgeblendet. Unternehmen richten sich mit einer Renditesicht, ausschließlich nach innen aus. Diese Innenausrichtung bewirkt, dass ein Unternehmen die Sicht auf seine Stakeholder, wie Kunde, Lieferant oder Mitarbeiter verliert, und sich ausschließlich seinen Shareholdern zuwendet. Was sind die Auswirkungen?

Kostensenkungsprogramme, manchmal verschleiert mit anderen Namen wie Harmonisierung, Standardisierung, Change oder Outsourcing. Um Innovation geht es nicht. Dienstleister werden ausschließlich über die Kosten ausgesucht. Wenn Ihnen das nächste mal Schulungen oder Events gestrichen werden, wissen Sie warum. Aber gehen Sie nicht zu hart mit Ihren Managern ins Gericht. Manager planen Schulungen oder Events guten Gewissens und sind dann immer wieder überrascht, dass sie abgesagt werden müssen. Wenn man sich über die Zusammenhänge, die vom Geld und der Finanzwirtschaft ausgehen, nicht bewusst wird, ist man sich guten Gewissens sicher alles Erdenkliche für seine Mitarbeiter zu tun. Sie sind ja wichtig. Logisch. Nur das System lässt das nicht zu.

Lassen Sie uns die im Titel gestellte Frage schlussendlich beantworten. Die Frage hat hauptsächlich Relevanz, für Manager, die in Unternehmen arbeiten, die von außen durch Investoren beeinflusst sind. Das sind in aller erster Linie börsennotierte Unternehmen. Ja, Manager müssen schizophren sein, aber nur wenn Sie die oben aufgedeckten Zusammenhänge erkennen. Sehen sie diese nicht, leben sie auch ohne Schizophrenie seelig und glücklich. Für die Anderen aber, für die Wissenden, ist Schizophrenie der Ausweg, um nicht ständig in Wiedersprüche zwischen Denken und Handeln zu geraten. Denn wie wollen Manager ihren Mitarbeitern immer wieder ihre Wertschätzung entgegenbringen, wissend, dass sie diese Wertschätzung auf Grund der Renditesicht nicht gerecht werden können?

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13 Responses to Sollten Manager schizophren sein?

  1. Globale Liquiditätsfalle (Armageddon)

    “Spekulationen richten keinen Schaden an, wenn sie nur Blasen auf einem ruhigen Strom von Unternehmertätigkeit sind. Die Lage ist aber ernst, wenn die Unternehmertätigkeit zur Blase auf einem Strudel von Spekulationen wird.”

    John Maynard Keynes

    Bei dem kurz bevorstehenden, endgültigen Zusammenbruch der Weltwirtschaft, der von keiner wie auch immer gearteten Finanz- oder Wirtschaftspolitik mehr verlangsamt oder gar aufgehalten werden kann, handelt es sich, wissenschaftlich korrekt, um die globale Liquiditätsfalle nach J. M. Keynes: Wird über einige Jahrzehnte an der Vermehrung von Sachkapitalien (Häuser, Fabriken, etc.) gearbeitet, sinkt aufgrund marktwirtschaftlicher Konkurrenz der Kapitalmarktzins, was an sich positiv ist, weil dadurch die Arbeitslöhne steigen. Weil aber ein fehlerhaftes Zwischentauschmittel mit Wertaufbewahrungsfunktion (Zinsgeld) nur gegen eine Liquiditätsverzichtsprämie (Urzins) mittel- bis langfristig verliehen und somit in neues Sachkapital investiert werden kann, aus dem jegliche Wertschöpfung und auch der Urzins erarbeitet werden, wird nicht mehr investiert, sondern nur noch spekuliert, sobald der Kapitalmarktzins auf die Liquiditätspräferenzgrenze von unter 3 Prozent absinkt:

    http://opium-des-volkes.blogspot.com/2011/07/der-bevorstehende-crash.html

    “Ich glaube – und hoffe – auch, dass Politik und Wirtschaft in der Zukunft nicht mehr so wichtig sein werden wie in der Vergangenheit. Die Zeit wird kommen, wo die Mehrzahl unserer gegenwärtigen Kontroversen auf diesen Gebieten uns ebenso trivial oder bedeutungslos vorkommen werden wie die theologischen Debatten, an welche die besten Köpfe des Mittelalters ihre Kräfte verschwendeten. Politik und Wirtschaft befassen sich mit Macht und Wohlstand, und weder dem einen noch dem anderen sollte das Hauptinteresse oder gar das ausschließliche Interesse erwachsener, reifer Menschen gelten.”

    Arthur Charles Clarke

    Machtausübung ist Dummheit und allgemeiner Wohlstand auf höchstem technologischem Niveau, eine saubere Umwelt und der Weltfrieden sind selbstverständlich. Die Menschheit muss nur damit aufhören, mit aller zur Verfügung stehenden Unvernunft (Politik) etwas “regeln” zu wollen, was nicht geregelt werden kann, solange es sich durch das vom Kapitalismus befreite Spiel der Marktkräfte nicht selbst regelt. Warum ist das so schwer zu verstehen, obwohl das dafür erforderliche Wissen seit einem Jahrhundert zur Verfügung steht? Vor dem eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation, der freien Marktwirtschaft ohne Kapitalismus (Natürliche Wirtschaftsordnung), steht die Überwindung der Religion!

    Herzlich Willkommen im 21. Jahrhundert: http://www.deweles.de

  2. Vielen Dank für das Feedback. Der Weisheit letzter Schluss kann ich nur Jedem ans Herz legen. Ich habe einige Passagen schon angelesen. Die Erkenntnisse werden mich zum Weiterdenken anregen.

  3. Ingmar says:

    Bin gerade eben das erste mal auf den Blog gekommen. Gefaellt mir bis jetzt gut.

  4. Mantel says:

    Das Theme gefaellt mir. Wirklich schoen uebersichtlich.

  5. Millicent says:

    Weeeee, what a quick and easy solutoin.

  6. Uli says:

    Hast du noch mehr Inforationen darueber ?

  7. Hallo Uli, in der Praxis kann man immer wieder und leider viel zu häufig beobachten, dass Manager und Führungskräfte nicht authentisch sind, sprich das was sie postulieren stimmt nicht mit dem überein wie sie handeln. Manager und Führungskräfte, die das System begriffen haben, wissen das und können sich nur schützen, in dem sie entweder schizophren werden oder das System verlassen. Manager und Führungskräfte, die das System nicht begriffen haben (davon gibt es noch leider viel zu viele), erkennen nicht, dass sie nicht authentisch sind. Die brauchen nicht schizophren zu werden. Auf diese Manager und Führungskräfte kann ein Unternehmen aber auch verzichten, muss es sogar, denn sie sorgen dafür, dass die besten Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.

    Mit System meine ich die Wirtschaftswelt der börsennotierten Unternehmen. Wie das System funktioniert, habe ich, denke ich zumindest, ausreichend beschrieben. Oder hast Du dazu noch Fragen?

    Mache Dir mal den Spaß und beobachte Manager und Führungskräfte aus Deinem Umwelt auf Authentizität und evaluiere meine Thesen.

  8. MTB Schuhe says:

    Ich bin gerade dabei meinen Feed Reader zu mit Feeds zu bestuecken, wo finde ich den hier den RSS Feed ?

  9. Pingback: Das Muster Unserer Gesellschaftskrisen | Initiative Wirtschaftsdemokratie

  10. Hmm… ich freue mich, dass Sie sich einem tatsächlichen Problem zuwenden.

    Das der Zinseszins zu Zeitdruck führt, kommt mir sachlich nicht gerechtfertigt vor. Märkte gleichen Zinsen über Zeithorizonte entsprechend der Risiken an.

    Wenn Sie in der Renditebetrachtung modellieren, dass Ihr Preis von der Güterqualität und Innovationen abhängt, zeigen auch die Ableitungen solche Komponenten. Es wäre also schädlich mit zu simplen Modellen Rendite zu maximieren. Deswegen können Sie keinen “Schizophrenie-Zwang” für Führungskräfte diagnostizieren. Nach reiflichem Überlegen gehe ich davon aus, dass Risikoaversion und kämpferisches Konfliktverhalten verantwortlich für unkooperative Führung sind gepaart mit schlechten Investitionsentscheidungen aufgrund kurzfristiger Zielsetzung durch Controllingsysteme. Vgl. https://marius-a-schulz.de/2018/04/24/realistische-verschwoerungstheorie-isolation/ .

    Gleichwohl stimmt die Logik, dass Umsatz abzüglich Selbstkosten aller Produkte dem Gewinn entspricht und sogar Wagnisabsicherung beinhaltet, sodass der Gewinn nur auf Eigner und Investition aufzuteilen ist. Hier müssen Unternehmen am Kapitalmarkt eine Position am effizienten Rand (Renditemaximierung) im Wettbewerb um Finanzkapital beziehen, wenn sie wachsen wollen. Dies ist der – moralisch tatsächlich fragwürdigen – Forderung der Investoren geschuldet, höchstrenditen zu erwarten, anstatt z. B. in wünschenswerte Entwicklungen zu investieren. Strukturell begegnet dem mein Lösungsansatz vom strukturell nachhaltigen Kapitalmarkt, der jedoch mit viel Aufwand verbunden ist: https://marius-a-schulz.de/2018/08/19/nachhaltiger-kapitalmarkt/ .

    Mit freundlichen Grüßen,
    Marius Alexander Schulz.

    • Hallo Herr Schulz,

      Dankeschön für Ihr Feedback. Sie schreiben

      Das der Zinseszins zu Zeitdruck führt, kommt mir sachlich nicht gerechtfertigt vor.

      Für mich ist das total plausibel. Denn, je schneller Sie beispielsweise einen Kredit abbezahlen, desto weniger Zinsen müssen Sie zahlen. Deshalb entsteht der von mir angesprochene Druck. Das habe ich hier mathematisch ausgeführt.

      Nun noch einmal zur Renditebetrachtung. Auch hier lässt sich mathematisch nachweisen, dass eine Ausrichtung eines Unternehmens nach Rendite, das Unternehmen vom Markt entfernen lässt. Die erste Ableitung der Renditeformel enthält nur noch Kosten- und keine Umsatzbestandteile mehr. Deshalb lässt sich Rendite ausschließlich durch den Blick nach innen optimieren. Mehr dazu hier.

      BG, Conny Dethloff

      • Hallo Herr Dethloff,

        der effektive Zins bei Zinseszins motiviert zu rascher Abzahlung – das stimmt. Aber die effektiven Zinsen über gewissen Kredit oder Anlagespannen entsprechen gewissen Kredittypen – im allgemeinen sinkt der effektive Zins mit der Langfristigkeit eines Anlagetypus. Wir haben sogesehen ein bisschen aneinander vorbeigeredet.

        “Die Renditeformel” ist ein Modell, das in Lehrbüchern zur Erklärung von Renditemaximierung herangezogen wird. Betriebswirte werden in Modellbildung ausgebildet. Ein Modell, dass ich als Betriebswirt für eine Renditeoptimierung heranziehen würde, sollte vor allem Investitionen abbilden. Deswegen würde ein Ökonom mit der Kapitalwertmethode eines Portfolios möglicher Investitionen für ein gegebenes Budget betrachten und ein sogenanntes Knappsackproblem lösen (welche Investitionen kommen in den knappen Sack).

        Würde man dieses Entscheidungsmodell in eine volkswirtschaftliche Renditeoptimierung integrieren, währen Terme enthalten, die Zahlungsbereitschaftsveränderungen enthalten. Diese Terme tauchten dann in der Ableitung auf.

        Mit freundlichen Grüßen,
        Marius A. Schulz.

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