Wir schaffen unsere Finanzkrisen durch das Zinsparadigma selber

Ich habe mir zu der Finanzkrise eine Reihe von Gedanken gemacht. Was waren die Gründe? Hätte man Sie verhindern können? Wenn ja, warum tat man es nicht?

Seit langem ist mir das Gebaren der Finanzindustrie suspekt. Es wird Geld durch Zins und Zinseszins generiert, ohne das ein Wert geschaffen wird. Aristoteles meint in seinem Buch Politik Folgendes dazu

So ist der Wucher hassenswert, weil er aus dem Geld selbst den Erwerb zieht und nicht aus dem, wofür das Geld da ist. Denn das Geld ist um des Tausches willen erfunden worden, durch den Zins vermehrt es sich dagegen durch sich selbst. Diese Art des Gelderwerbs ist also am meisten gegen die Natur.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob der Zins wirklich ein Paradigma ist, welches abschaffungswürdig ist und wenn ja warum der Zins überhaupt eingeführt wurde. Inspiriert von diesem Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Berger …

… habe ich dazu ein qualitatives Modell im CONSIDEO MODELER erstellt.

Im Folgenden möchte ich dieses Ursache-Wirkungs-Netz erklären. Um den volkswirtschaftlichen Kreislauf am Laufen zu halten, muss Geld im Umlauf sein um Investitionen zu tätigen. Dafür wird der Zins gesenkt, um einen Anreiz für Kredite zu schaffen. Dadurch vermehren sich einerseits die Schulden und auch die zu zahlenden Zinsen an die Kreditgeber. Das bedeutet, das Geld vermehrt sich exponentiell ohne das dem ein Wert gegenüber steht. Ein absoluter Irrsinn.

Allerdings vermehren sich dadurch auch die Schulden exponentiell. Die Menschen, die weniger aus Ihrem Ersparten an Zinsen einnehmen als an Zinsen ausgeben, sind Verlierer dieses Zyklus. Die Kosten der Zinsen sind dabei nicht nur die direkten Zinsen, die die Menschen für ihre eigen aufgenommenen Kredite, zum Beispiel Haus oder Auto ausgeben, sondern auch die Zinsen, die im Endpreis eines Produktes von den Unternehmen hineinkalkuliert wurden. Man muss die Betrachtung ja auf die gesamte Volkswirtschaft ausdehnen. Im Rahmen der Produkterstellung durchläuft ein Produkt viele Phasen, wo auf jeder Wertschöpfungsstufe Zinsen hineingerechnet werden. Im Durchschnitt aller Endpreise kommen wir dabei auf ungefähr 50 Prozent. Bei Getränken ist es weniger (ca. 30 Prozent) und bei Mieten und Immobilienkäufen mehr (ca. 75 bis 80 Prozent). Gehen wir also vom Mittelwert aus, dass mit jedem Euro den wir ausgeben, 50 Cent auf Zinsen entfallen und nur 50 Cent auf den eigentlichen Wert des Produktes. Machen wir jetzt mal eine kleine Rechnung auf. Wenn Sie also im Monat 3.000 Euro netto verdienen und diese vollständig ausgeben, zahlen Sie 1.500 Euro Zinsen. Wenn Sie auf ihre Ersparnisse monatlich 1.500 Euro Zinsen kassieren, haben Sie also noch immer nichts gewonnen. Um monatlich 1.500 Euro Zinsen zu bekommen, müssen Sie zum beispielhaften Ausgabesatz von 3 Prozent 600.000 Euro angelegt haben (600.000 Euro mit einem Satz von 3 Prozent verzinst ergibt einen Betrag von 18.000 jährlich, was wiederum 1.500 Euro monatlich entspricht). Wow. Und dann zählen Sie immer noch nicht zu den Gewinnern des Systems, da sie von den Zinsen nicht mehr bekommen als Sie ausgeben. Es erfolgt eine Umschichtung von Unten nach Oben. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, was zum Kollaps des Systems führt. Erste Anzeichen sehen wir wohl gerade in den arabischen Ländern. Aber auch in Griechenland oder in Frankreich waren vor geraumer Zeit erste Anzeichen zu erkennen.

Es ist hinlänglich bekannt, dass das Wachstum nicht unbegrenzt ist. Meadows hat dies bereits in den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts eindrucksvoll gezeigt und in seinem Buch Grenzen des Wachstums beschrieben. Leider kennen noch viel zu viele Unternehmenslenker und Manager diese Ergebnisse nicht oder wollen diese nicht wahrhaben. Dieser Fakt führt dazu, dass die Wachstumsrate kleiner wird als der Zinssatz. Auch hier ein kleiner Exkurs in die Mathematik. Beim Wirtschaftswachstum, beispielsweise gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), muss man zwischen dem absoluten und dem relativen Wachstum unterscheiden. Steigt beispielsweise das Wachstum jedes Jahr absolut um 100 wird das relative Wachstum, also die Wachstumsrate, Jahr für Jahr kleiner, da die Basis größer wird. Auf Grund der Stagnation des Wachstums muss der Staat reagieren und kürzt beispielsweise Gehälter oder staatliche Dienstleistungen. Das führt dann wieder dazu, dass die Menschen weniger Geld zur Verfügung haben und sich mehr verschulden müssen, was damit die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werden lässt. Dabei wird die Gruppe der Reichen immer kleiner und die der Armen immer größer.

Wie kann man diesem Teufelskreis entkommen? Bei den derzeitigen Prämissen des Systems, geht das nur durch einen Kollaps des Systems, beispielsweise durch Kriege.

Die oben stehende Graphik zeigt die Erkenntnismatrix des Faktors “Allgemeiner Wohlstand”. Der Faktor 11 (Zins) liegt im linken unteren Quadranten. Das bedeutet der Zins wirkt negativ auf den Wohlstand. Diese negative Wirkung wird, was noch viel gravierender ist, über die Zeit noch verstärkt. Als zweites sehen Sie das die beiden Faktoren 7 (Kollaps) und 10 (Wachstumsrate ist höher als Zinssatz) positiv auf den Wohlstand wirken.

Will man den Kollaps als einzigen Ausweg umgehen, muss man an den Prämissen des Systems ansetzen, nämlich dem Zinsparadigma. Die Frage, die also zu beantworten bleibt ist: Wie schafft man Anreize ohne Gebrauch des Zins, Geld nicht zu horten, sondern in den Geldkreislauf zu geben. Denn dafür ist es gedacht. Der Kreislauf der Produktion von Waren und Dienstleistungen und der Handel und Kauf dieser muss “am Leben gehalten” werden.

Folgendes finde ich auch schizophren. Wir lernen relativ früh in unserer Erziehung, das man keine Schulden machen sollte. Schulden haben einen negativen Touch. Wir haben uns allerdings mit unserem Finanzsystem ein System geschaffen, in welchem Schulden lebensnotwendig für das System sind. Warum denken darüber zu wenig Köpfe nach?

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6 Responses to Wir schaffen unsere Finanzkrisen durch das Zinsparadigma selber

  1. Pingback: Reise des Verstehens » Blog Archiv » Nachtrag zu: Wir schaffen unsere Finanzkrisen durch das Zinsparadigma selber

    • Ich möchte noch einmal meine Idee von dem Teufelskreis, der von dem Zins und Zinseszins verstärkt wird, untermauern. Wie schon oft von mir ausgeführt, baut die Finanzwirtschaft mit der Zeit einen Druck auf die Realwirtschaft auf, die die Realwirtschaft in den Kollaps treibt. Grund dafür sind die Kredite mit den dazugehörigen Zinsen. So und nur so funktioniert aber der Kapitalismus: Es muss Jemanden geben, der Schulden macht.

      Sehr anschaulich ist dies in einem Gedankenexperiment der Zeitschrift “Zeit” ausgeführt, in dem in einem ersten Schritt angenommen wird, das nur genau ein Unternehmen in der Realwirtschaft existiert. Ich muss zu dem Experiment eine Anmerkung machen. In diesem sehr einfachen Experiment wird der Gewinn des einen Unternehmens exkludiert. Das Unternehmen hat also in Summe 100 Euro Kosten und nimmt auch nur 100 Euro wieder ein. In einer kleinen Erweiterung könnte man natürlich den Gewinn inkludieren und dann vergleichen, ob der Gewinn höher ist als die von dem Unternehmen zu tilgenden Schulden. Wir wissen, dass die zu tilgenden Schulden exponentiell wachsen, der Gewinn nicht. Das erkennt wohl jeder an: Die Realwirtschaft kann nicht über einen mittel- bis langfristigen Zeitraum exponentiell wachsen. Das bedeutet, die Spanne zwischen Gewinn der Realwirtschaft und die zu tilgenden Schulden der Real- an die Finanzwirtschaft wird immer größer. Die Aussage bleibt also die gleiche. Diese Argumentationskette wird in dem quantitativen Modell mit den beiden Faktoren Zins und Wachstumsfaktor Realwirtschaft, die als Parameter dienen, belegt.

      Es muss also Jemanden geben der Schulden macht. Je höher aber das Vertrauen der Menschen in das System ist, desto höher ist auch die Kaufkraft dieser Menschen und entsprechend der Wille Kredite aufzunehmen. Die Beziehung ist selbstverstärkend. In einer Krise schwindet das Vertrauen der Menschen. Sie nehmen weniger Kredite auf. Damit dramatisiert sich die Krise, was wiederum zu einem sinkenden Vertrauen der Menschen führt. Ein Teufelskreis. Das führt zu einer immer weiter steigenden Spanne zwischen dem was die Finanzwirtschaft verlangt, welches durch die bestehenden Schulden und den dazugehörigen Zinsen herrührt, und dem was die Realwirtschaft zur Tilgung der Schulden erwirtschaftet. Da diese Spanne geschlossen werden muss, um das System Kapitalismus am Leben zu erhalten, und die Realwitschaft das nicht leisten kann, werden die Staaten um Hilfe gebeten, was die Staatsschulden in die Höhe treibt. Ergebnisse sehen wir in Griechenland und Portugal. Auch hier schwindet das Vertrauen der Investoren, vergleichbar mit den privaten Personen. Das führt dazu, dass für neue Schulden immer höhere Zinsen gezahlt werden müssen, was sich negativ auf die Tilgung auswirkt, was wiederum das Vertrauen der Investoren schwinden läßt. Erkannt wird das in diesem Artikel auch, aber dann hört es auch schon auf. Tiefgründiger wird dann nicht gedacht. Schade.

      Wir erkennen also mehrere selbstverstärkende Rückkopplungsschleifen, die immer wirken, aber in einer Krise erst richtig ersichtlich werden und dann vor allem negative Auswirkungen auf das System haben.

      Aus meiner Sicht ist diese Schlussfolgerung einleuchtend. Posten Sie gerne, wenn Sie das anders sehen. Vielleicht ignoriere ich wichtige Aspekte. Mag sein. Da ich aber an den oben angeführten Wirkungsketten glaube, bin ich mir sicher, dass der Kapitalismus auf ganz brüchigem Fundament gebaut ist. Nur wer äußert das gerne öffentlich. Tut man dies, wird man von dem Rest der Gemeinschaft ausgeschlossen, geächtet und “mit Steinen beworfen”. Beispiele dafür gibt es in der Geschichte genügend.

      Denkerische und vor allem mutige Grüße,
      Conny Dethloff

  2. Auf der 2. Konferenz der DenkwerkZukunft 2011 in Berlin mit dem Titel “Weichen stellen. Wege zu zukunftsfähigen Lebensweisen” hat Peter Sloterdijk über Wege zu zukunftsfähigen Denk- und Lebensweisen referiert. Dabei spricht er auch das Wachstumsparadigma in 3 Arten an, das Wachstum der Population Mensch, das Wachstum des menschlichen Wissens und das Wachstum der Wirtschaft. Gerade die dritte Art passt sehr schön zu diesem Post. Er meint, dass der Kapitalismus eigentlich Kreditismus heißen müsste, denn man muss stets mehr zurückgeben als man bekommen hat. Das kann nur zum Kollaps führen, wenn man nicht endlich zu Sinnen kommt. Das Video seines Vortrages finden Sie hier.

  3. T McW says:

    Sehr geehrter Herr Dethloff,
    habe eben das Kontaktformular auf ihrer Web – Seite ausgefüllt.
    Leider liegt ein interner Fehler vor (auch nach mehrmaligem Versuch)
    Gib es eine weitere Möglichkeit um mit ihnen in Kontakt zu treten?
    MfG
    T McW

  4. Pingback: Sollten Manager schizophren sein? | Initiative Wirtschaftsdemokratie

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