Erfolgreiche Manager kümmern sich nicht um Methodik

Das Projekt Magazin hat eine Blogparade ins Leben gerufen, die deshalb für mich so spannend ist, weil hier eine für mich in letzter Zeit spannendsten Fragen thematisiert wird.

Was ist wichtiger für den Projekterfolg – die Projektmanagement-Methode oder die Persönlichkeit des Projektleiters?

Diese Frage habe ich ja bereits im Titel dieses Beitrages beantwortet, deshalb gerne noch einmal in anderen Worten formuliert.

Menschen machen Methoden erfolgreich, nicht umgekehrt!

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Echten Erfolg erlangt man, wenn man sich erst gar keine Gedanken um die anzuwendende Methode macht. Dafür stütze ich mich auf die japanische Philosophie, auf der ja größtenteils auch die Ideen und Gedanken hinter Agil und Lean beruhen. Die dortige Kampfkunst kennt drei Stufen des Lernens (Shu-Ha-Ri), die ein Schüler von den Anfängen bis zur Meisterschaft seiner Kunst durchläuft.

  1. “Shu”, als erste Stufe des Lernens bezeichnet, bedeutet so viel wie „erhalten oder gehorchen“. Man lernt, indem man stur gegebenen Regeln folgt. Ich spreche hier auch gerne von einem kontextlosen Befolgen von Prozessen.
  2. “Ha”, die zweite Stufe, lässt sich übersetzen mit „(auf)brechen, frei werden, abschweifen“. Hier geht es darum, die kontextlosen Regeln und Standards zu interpretieren und auf den Kontext abgestimmt zu variieren. Dazu gehört also, den Sinn und Zweck der einzusetzenden Methoden zu verstehen, um so über das reine Befolgen dieser hinaus zu kommen.
  3. “Ri”, als dritte und höchste Stufe, schließlich bedeutet „verlassen, trennen, abschneiden“. Hier wird gemeint, die gegebenen Muster hinter sich zu lassen um, von eigenen Impulsen gesteuert, eigene Wege zu gehen. Die Erfahrung und das Beherrschen der Regeln ist dabei die Voraussetzung, um sich als Mensch im jeweiligen befindlichen Kontext unabhängig von Methoden zu machen.

Eine Methode, die man in Projekten anwendet, spielt keine Rolle für Erfolg oder Misserfolg. Diese These habe ich bereits in einem im vergangenen August veröffentlichten Beitrag Wasserfall ist weder “agil” noch “nicht agil” untermauert. Den Text möchte ich hier noch einmal bringen, da er passfähig zu der in der Blogparade gestellten Frage ist.

Immer wieder höre ich davon, dass die Wasserfall-Methode nicht agil ist. Mit diesem Beitrag möchte ich meine Sicht auf diese Aussage spiegeln. Dabei möchte ich auf zwei Dinge eingehen. Zum einen kann eine Methode an sich, also ohne Kontext, niemals “etwas sein” oder “etwas nicht sein”. Zum anderen sollte für einen erfolgreichen Einsatz einer Methode immer Derjenige die Verantwortung übernehmen, der diese auswählt und anwendet, niemals die Methode an sich.

Wasserfall ist weder “agil” noch “nicht agil” …,

… genauso wie übrigens Scrum als Methode weder “agil” noch “nicht agil” sein kann. Erst einmal müssen wir natürlich klären was man mit dem Begriff “agil” im Unternehmenskontext eigentlich verbindet. In meinem Beitrag Agilität ist in aller Munde, aber auch im Kopfe? habe ich bereits die folgende Definition angebracht.

Agil sein oder Agilität bedeutet nicht nur Wandel zu akzeptieren. Agilität geht einen Schritt weiter und fordert Wandel, wenn dies sinnvoll erscheint. Demnach müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, damit eine Organisation als agil bezeichnet werden kann:

  • Die Organisation akzeptiert und bewältigt Wandel.
  • Die Organisation nutzt und löst Wandel zum eigenen Vorteil aus.

Alleine, wenn man sich diese Definition zu Herzen nimmt, ist es mir unerklärlich, einer Methode die Bewertung “agil” oder “nicht agil” zuzuschreiben. Aber dazu komme ich erst im zweiten Teil meines Beitrages. Denn unabhängig von der Definition zu “agil” möchte ich anmerken, dass eine Bewertung über Adjektive ohne Kontext, in diesem Fall die Bewertung einer Methode, sinnentkoppelt ist. Inspiriert für diesen Beitrag wurde ich übrigens durch diese Diskussion auf Twitter.

Kontextlos gibt es keinen Unterschied zwischen “agil” und “nicht agil”. Dazu ein Beispiel. Ein Turner ist beweglich. Ergibt es deshalb Sinn, jeden Fußballer, nur weil er nicht so beweglich ist wie ein Turner, als nicht beweglich zu titulieren? Nein, natürlich nicht. Denn es ist essentiell, wie viel Beweglichkeit überhaupt sein muss, um erfolgreich in der jeweiligen Sportart zu sein. Und das ist der Kontext, den ich hier ins Spiel bringe.

Daraufhin wurde mir entgegnet, in der obigen Twitter Diskussion nachzulesen, dass die Benutzung von Adjektiven, also Eigenschaftsbeschreibungen wie “agil”, auch ohne Kontext Sinn machen. Dafür wurde folgendes Beispiel heran gezogen. Wasser ist flüssig, wäre es fest, würde man Eis dazu sagen. Hierbei wurde aber ungeachtet gelassen, dass auch hier ein Kontext verwendet wurde, nämlich der Vergleich der Festigkeit zwischen Eis und Wasser. Setze ich andere Kontexte an, bekomme ich andere Wertungen der Festigkeit von Eis und Wasser. Denn Wasser kann auch fest sein. Im Turmspringen beispielsweise wird die Wasseroberfläche aufgewirbelt, da diese sonst bei einem fehlerhaften Eintauchen der Springer zu fest wäre und so zu Verletzungen dieser führen könnte. Für den Bau einer Brücke beispielsweise ist Eis eben nicht fest und daher nicht tauglich für eine Verwendung.

Das trifft übrigens auf jede Bewertung über Adjektive zu. Ohne Kontext bleibt diese Bewertung ohne Bedeutung, da erst der Kontext den Bezugsrahmen für eine Bewertung darstellt, wie Marcus Raitner, ebenfalls in der obigen Twitter Diskussion nachzulesen, anführt. Das glauben Sie nicht? Okay, hier weitere Beispiele.

Usain Bolt wurde gerade Olympiasieger in Rio im 100m Sprint. Man kann ihn also als “schnell” bezeichnen. Ist deshalb jeder andere Sportler einer anderen Sportart nicht schnell, nur weil er nicht ansatzweise so schnell wie Bolt ist? Natürlich nicht. Auch hier ist wieder das Heranziehen des Kontextes entscheidend, der angibt, wie schnell man sein muss, um in der jeweiligen Sportart erfolgreich sein zu können. Ohne diesen Kontext würde man jeden Handballer als langsam einstufen. Ihnen fallen bestimmt viele weitere Beispiele ein. Oder?

Haben wir die erste Stufe also genommen. Es macht keinen Sinn eine Methode wie Wasserfall oder Scrum als “agil” oder “nicht agil” zu bezeichnen, wenn man nicht dazu angibt, was man überhaupt erreichen möchte. Ich werde jetzt nicht darauf eingehen, dass man hier einen Kategorienfehler begeht, da es sich bei “Wasserfall” um eine Methode und bei “Agil” um eine Haltung handelt. Im Rahmen einer agilen Haltung lassen sich logischerweise auch Wasserfall-Methoden sehr gut anwenden, ähnlich wie man bei Wasserfall-Methoden von einer agilen Einstellung reden kann, aber nicht muss. Warum denn eigentlich auch nicht? Man muss sich bei der Befriedigung von Kundenbedürfnissen, und darum geht es ja im Unternehmenskontext, eben nur die Frage beantworten, wie klar eine umzusetzende Anforderung seitens des Kunden verstanden und abgestimmt und wie zeitbeständig diese ist. Abhängig von dieser Antwort, müssen dann die Feedbackschleifen zum Kunden schneller oder langsamer drehen und der Kunde mehr oder weniger eingebunden werden. Abhängig von der Beantwortung dieser Fragen wählt man die passende Methode aus.

Verantwortung für Erfolg bleibt immer beim Anwender einer Methode, niemals bei der Methode

Ich habe es eben bereits angesprochen. Es geht um das Auswählen einer passenden Methode. Ein Hammer ist ja auch nicht deshalb als Werkzeug grundsätzlich unbrauchbar, nur weil ich mit diesem keine Schrauben in die Wand drehen kann. Und genau für das Wählen dieser Methode ist der Mensch verantwortlich. Um es klar zu sagen. Nur weil man im Projekt oder übergreifend im Unternehmen feststellt, dass man nicht agil genug ist, sollte man niemals der Methode, wie beispielsweise “Wasserfall” dafür verantwortlich machen. Denn wir wissen ja, auch mit dieser Methode kann man agil sein. Lesen Sie sich gerne die an den Anfang dieses Beitrages gestellte Definition durch, um sich diesen Fakt zu vergewissern.

“Agil sein” reicht als Kontext nicht aus. Hier muss man genauer werden, wie zum Ende des ersten Abschnittes angedeutet. Agil muss ein Unternehmen immer sein. Das ist essentiell für die Überlebensfähigkeit. Dazu ein Analogon, wieder mal aus der Welt des Sports. Würden Sie einen Sportler nach der Ursache seines Erfolges fragen und er würde entgegnen, dass es die Fähigkeit wäre zu atmen, würden Sie wohl schmal schauen. Ähnlich verhält es sich mit der Durchführung eines Projektes, ob dieses denn nun agil zu geschehen hat oder nicht. Diese Frage ist irrelevant. Klar muss es agil durchgeführt werden. IMMER. Nur ist damit der Fakt nicht einhergehend gefestigt, die Wasserfall-Methode nicht einsetzen zu dürfen.

Wir sollten sehr schnell weg kommen von der Vorstellung, dass weil die Wasserfall-Methode nicht agil ist, diese immer schlecht ist. Es wird aber leider in vielen Beiträgen zur Agilität im Netz häufig so dargestellt. Warum ist das wohl so? Meine These ist, dass dies mit der Methodenhörigkeit zu tun hat, der wir oft erlegen sind. Wir sollten uns und unseren Fähigkeiten wieder mehr vertrauen und diese nicht auf Methoden projizieren. Während Denken und Wahrnehmen eine hohe Priorität darauf legen, auf veränderte Anforderungen reagieren zu können, was in einer sehr flexiblen Vorgehensweise resultiert, ist das Ziel von Methoden, die Prozesse möglichst zu standardisieren und so weit zu vereinfachen, bis nur noch die Elemente übrig bleiben, die wesentlich zur Wertschöpfung beitragen. An dieser Stelle besteht die Gefahr, die Prozesse als kontextlos enden zu lassen.

Verfolgt man eine Strategie, die auf einem Kostenvorteil gegenüber dem Wettbewerb basiert, sind diese kontextlosen Methoden der richtige Ansatz. Die Vermeidung von Verschwendung führt auch zur Vermeidung von Kosten und schließlich zu der Möglichkeit, dem Kunden einen geringeren Preis anzubieten. Aber was ist das Optimum der Vermeidung von Kosten? Null Kosten. Und was bedeutet das für Unternehmen? Tod.

Auf der anderen Seite eignen sich Vorgehensweisen, die auf Denken basieren, für Differenzierungsstrategien. Wenn der Wettbewerbsvorteil darin bestehen soll, die Bedürfnisse der Kunden besser zu kennen, zu verstehen, um sie besser befriedigen zu können, heißt das auch, dass “Prozesse” benötigt werden, die ein ständiges Analysieren des Marktes ermöglichen und viele Gelegenheiten bieten, auf diese Erkenntnisse zu reagieren. Also Denken und Wahrnehmen. Diese Prozesse, deshalb auch in Anführungsstriche geschrieben, bezeichne ich als kontextbasiert.

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