Business Cases zerstören das was sie eigentlich nachweisen sollen, …

… nämlich den Mehrwert, die Ergebnisse aus bestimmten Aktivitäten für ein Unternehmen einbringen sollen. Harter Tobak, oder? Zumal wenn man bedenkt, das genau das Unterstützen von Unternehmen beim Erstellen von Business Cases die Daseinsberechtigung vieler Berater ausmacht. Die Eingabe des Terms “business case template” in Google bringt ca. 44,5 Mio Einträge zum Vorschein. Da kann meine oben genannte Hypothese ja nur verrückt sein. Oder? Lesen Sie gerne weiter. Ich werde das hinter den Business Cases liegende Muster aufdecken und damit meine Sicht untermauern.

Um sich diesem Muster zu nähern, muss man in erster Linie ein Gefühl dafür gewinnen, was eigentlich mit Business Cases erreicht werden soll.

Warum gibt es Business Cases überhaupt?

Viele Führungskräfte in Unternehmen vergessen, das Entscheiden eben genau deshalb “Entscheiden” heißt, weil es zum Zeitpunkt der Entscheidung kein “richtig” oder “falsch” gibt. Diese Einordnung stellt sich erst in der Zukunft heraus. Entscheiden geht also nur unter Unsicherheit und Ungewissheit. Allerdings ist das auch die ureigene Aufgabe eines Managers, nämlich Entscheidungen treffen. Übrigens ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, das keine Entscheidung stets genau eine Entscheidung ist, nämlich die für den Tod. Nicht Entscheiden geht also nicht. Aber Sterben kann ein Unternehmen auch ohne Manager. Dafür braucht es ihn nicht und es wird auch billiger.

Ein Business Case ist stets in die Zukunft gerichtet, er ist quasi eine Wette in die Zukunft, die man gewinnen oder verlieren kann. Mit dem Erstellen eines Business Cases geht man im Geiste stets davon aus, dass man die Wette gewinnt. Aber was setzt man dann als Prämisse voraus? Richtig. Die Welt ist determiniert. Ich muss nur genug Wissen und Information generieren, dann kann ich die Zukunft schon vorhersagen. Und genau an dieser Stelle machen wir den zweiten Schritt. Wir nähern uns den Begriffen Koinzidenz, Korrelation, Kausalität und Determinismus.

Business Cases sind nicht nur nutzlos …

Ich möchte die drei Begriffe gar nicht groß wissenschaftlich erklären, sondern an eingängigen Beispielen erläutern.

  1. Koinzidenz: Gemeinsam auftretende Ereignisse haben ursächlich nichts gemein.
  2. Korrelation: Gemeinsam auftretende Ereignisse lassen sich auf eine gemeinsame Ursache zurückführen, hängen aber ursächlich nicht direkt zusammen.
  3. Kausalität: Gemeinsam auftretende Ereignisse hängen ursächlich direkt zusammen.

Der erste Fall, die Koinzidenz, bezeichnet das zeitliche und räumliche Zusammentreffen von Ereignissen ohne ursächlichen Zusammenhang. Wenn ich morgens ins Büro komme begegne ich sehr häufig der gleichen Dame am Empfangsschalter. Jetzt dem Verfolgungswahn zu verfallen wäre natürlich totaler Quatsch. Sie arbeitet eben beim gleichen Unternehmen wie ich und ich komme morgens meistens zu einer fixen Zeit ins Büro, die mit ihren Arbeitszeiten überlappt.

Die anderen beiden Begriffe möchte ich an einem anderen Beispiel erhärten. Es wurde statistisch festgestellt, dass die Anzahl der Verkäufe von Eis und die Anzahl der Einbrüche in Häusern einen Zusammenhang haben. Je mehr Eis verkauft wird, desto größer ist auch die Anzahl der Einbrüche in Häusern und umgekehrt. Hier könnte man auf einen gemeinsamen ursächlichen Zusammenhang kommen. Eis wird vermehrt im Sommer verkauft. Im Sommer ist es warm. Wenn es warm ist, werden in Wohnungen und Häusern öfter die Fenster an gekippt, was wiederum dazu führt, dass Einbrüche leichter auszuführen sind. Verkäufe von Eis und die Anzahl von Einbrüchen in Häusern hängen zusammen. Sie korrelieren. Sie hängen nicht ursächlich direkt zusammen, haben aber eine gemeinsame Ursache, die warmen Temperaturen im Sommer. Um die Einbrüche in Häusern zu minimieren, sollte man also nicht den Verkauf von Eis reduzieren, sondern sich den Faktor Temperatur anschauen und was dieser bewirkt.

Dass die drei oben aufgeführten Begriffe eine Verknüpfung zu Business Cases haben ist naheliegend, denn mit den Business Cases soll eine Kausalität zwischen bestimmten Aktivitäten, die im Unternehmen getan werden (Launchen eines neuen Produktes oder Projektes, Kauf eines anderen Unternehmens etc.), und den Ergebnissen im Markt, die damit erzielt werden, aufgezeigt werden. Es geht also um Ursache-Wirkungsbeziehungen. Werden die bestimmen Aktivitäten durchgeführt, dann können die Ergebnisse erreicht werden, fallen sie weg werden auch die Ergebnisse nicht erreicht. Business Cases sollen also stets eine Kausalität beweisen. Und genau an diesem Punkt wird es tricky, wie die oben genannten trivialen Beispiele bereits erahnen lassen. Aber lassen Sie uns auf unserer kleinen Business Case Reise weiter vorangehen.

Nehmen wir also theoretisch an, wir könnten mit einem Business Case genau diese Kausalität beweisen, haben wir dann Alles erreicht? Das wäre nur dann der Fall, wenn Kausalität mit Determinismus gleich zu setzen wäre. Determiniertheit bedeutet eine “Genau-Dann-Wenn” Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen Aktion und Effekt. Denn ein Business Case beinhaltet nicht nur, dass ein gewünschtes Ergebnis mit bestimmten Aktivitäten erzielt wird, sondern dass dieses Ergebnis nicht einfacher und kostengünstiger erzielt werden könnte, sondern einzig und allein durch diese Aktivitäten. Das ist genau der Unterschied zwischen Kausalität und Determinismus. Kausalität ist nicht umkehrbar. Eine Wirkung, die von einer bestimmten Ursache herrührt, muss nicht auf diese wieder kausal zurück wirken. Logisch. Nur weil ich mich jedes Mal über ein Tor vom FC Bayern München freue, heißt das nicht, dass jedes Mal wenn ich mich freue der FC Bayern München ein Tor schießt. Determinismus ist umkehrbar. Auch klar. Berechnungen, die man anstellt, können umgekehrt werden.

Zu dem Unterschied zwischen Kausalität und Determinismus noch ein anderes kleines einfaches Beispiel. Das Würfeln von bestimmten Augenzahlen hängt von klar definierten Parametern, Größe und Oberflächenbeschaffenheit des Würfels, der Rutschfestigkeit des Untergrundes, dem Abstand der würfelnden Hand zum Untergrund, dem Winkel des Aufpralls des Würfels auf den Untergrund, der zugeführten Kraft durch die Hand auf den Würfel etc., ab. Sicherlich kann man hier noch weitere Parameter finden. Die Liste wäre allerdings endlich. Aufgrund dieser Endlichkeit der Parameter kann man von einer Kausalität zwischen den Eingangsparametern und der gewürfelten Augenzahl ausgehen. Eine Formel, die diese Eingangsparameter als Größe hat, und dann für jeden Wurf die Augenzahl voraus berechnet, kenne ich allerdings nicht. Auch wenn es diese geben würde, woran ich Stand heute nicht glaube, und die Formel in endlicher Zeit lösbar wäre, bleibt es schwierig, beliebig genau die oben angeführten Parameter zu bestimmen. Das Würfeln einer Augenzahl ist also nicht determiniert und damit nicht vorhersagbar. Statistisch gesehen wissen wir zwar, dass jede Augenzahl mit der Wahrscheinlichkeit von 1/6 fällt. Dafür benötigt man aber sehr sehr viele Versuche. Dieser Fakt bringt uns also nicht weiter, für einen dedizierten Wurf die Augenzahl vorherzusehen.

… sie sind gar schädlich

Was habe ich bis hierher versucht aufzudecken? Die Welt ist für uns Menschen nicht vorhersagbar. Es bestehen trotzdem immer wieder Bestrebungen diesen Fakt zu ignorieren, weil wir nicht gelernt haben mit Unsicherheit umzugehen. Wir sehen etwas Schlechtes in Unsicherheit, sprich, wir sehen nur die eine Seite der Medaille. Damit habe ich bislang aber nur aufgedeckt, dass Business Cases an sich, wie sie im heutigen Geiste der Menschen gesehen werden, nutzlos sind. Ich habe noch nicht dargelegt, dass sie gar schädlich sind. Damit gehen wir den dritten Schritt.

Business Cases zerstören die Kreativität und damit das Schaffen von Neuartigem. Nicht nur, dass Zeit für etwas Nutzloses verwendet wird, die man mit dem Rechnen von Business Cases verbringen muss, im Geiste das Ergebnis zu erhalten. Nein, alleine das Denken in Business Cases lassen keinen Raum für Neuartiges. Damit zerstören sie aber auch die eigentlichen Mehrwerte, die Unternehmen erschaffen könnten und damit dann auch die Potentiale, die Unternehmen haben könnten.

Zur Untermauerung dieser These möchte ich auf ein Zitat meines Posts Innovation 2.0 – Lassen sic Innovationen managen? verweisen und für weitere Detailerkundungen eben auch auf diesen verweisen.

Kreative Prozesse als Neuerungsprozesse haben keine Ursache. Es ist ein logischer Widerspruch, eine neue Idee prognostizieren zu wollen. Die Prognose einer Neuerung wäre ihre Erfindung – doch dann wäre sie nicht „neu“. Deshalb kann es, aus rein logischen Gründen, keine identifizierbare Ursachen für die Kreativität geben, und deshalb gibt es keine Kreativitätsmaschinen und – im strengen Wortsinn – auch keine Kreativitätstechniken. Eine Technik ist ein Weg zum Ziel, ein Mittel zum Zweck. Bei kreativen Prozessen ist aber das Ziel, der Zweck das Unbekannte. Wie soll man einen Weg definieren, der kein Ziel hat? Wie soll eine Technik funktionieren, wenn man nicht weiß, welche Funktion sie erfüllen soll? Deshalb umgibt die menschliche Kreativität immer auch die Aura des Geheimnisses, des Rätsels ihrer Herkunft. Niemand sagt: Ich mache eine neue Idee, sondern: Mir kommt eine neue Idee. Kreativität ist ein zarte, empfindliche Pflanze, die selbst der Wertschätzung bedarf und die unter dem Einfluss berechnender Gleichgültigkeit (in Geld gerechnet gilt alles gleich) vertrocknet.

Fazit

Damit will ich aber nicht sagen, dass man sich vor dem eigentlichen Ausführen von Aktivitäten keine Gedanken um die Mehrwerte dieser machen sollte. Ganz im Gegenteil. Man sollte in Unternehmen stets nur die Prozesse durchführen, die Mehrwerte generieren. Man sollte Business Case Diskussionen auf jeden Fall führen, aber nicht im Sinne ein Ergebnis in Form eines Excelsheets zu generieren, sondern um der Diskussionen und der daraus generierten Erkenntnisse wegen.

In Anlehnung an das Zitat von Dwight D. Eisenhower

Planung ist Alles, der Plan ist nichts.

sage ich hier “Die Gedanken um das Schaffen Mehrwerte sind Alles, der Business Case an sich ist Nichts”.

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7 Responses to Business Cases zerstören das was sie eigentlich nachweisen sollen, …

  1. Tegwick says:

    Dem Grundgedanken des Artikels stimme ich zu. Wenn ich es recht verstehe, besteht er darin, dass es einen Konflikt zwischen Kontrolle und Kreativität gibt, bei dem Faktoren der Unsicherheit im Eifer der Auseinandersetzung völlig vergessen werden. Die Angemessenheit der angewendeten Kontrollmechanismen bleibt nicht gewahrt und die gewünschte Effektivität bleibt beim Versuch sie zu sichern auf der Strecke.

    Doch woher kommt das? Das Konzept Business Case taugt hierfür nicht als Erklärung. Ein Business Case ist ein Werkzeug es kann wie jedes Werkzeug in angemessener und unangemessener Weise eingesetzt werden. Für manche Aufgaben ist es einfach nicht geeignet.

    Die Problematik entsteht durch die nicht hinreichende Trennung verschiedener Ziele in abgegrenzte Phasen oder Arbeitsblöcke mit jeweils verschiedenen Zielen und dementsprechend anderen sinnvollen Methoden. Kreativität braucht Freiräume, Innovation ist aber auch die Umsetzung entstandener Ideen und das braucht auch Kontrolle. Ausgangspunkt der Kontrolle ist der Fokus, die Konzentration auf ein begrenztes und hoffentlich tragfähiges innovatives und damit Risiko behaftetes Vorhaben. Der Businesscase ist ein Model zur Bewertung insbesondere der finanziellen Implikationen eines Vorhabens. Sinnvoll und unter Beachtung der Grenzen seiner Gültigkeit verstanden, nützt es a priori bei der planerischen Durchdringung eines Vorhabens und der Auswahl zwischen konkurrierenden Vorhaben. Während der Umsetzung kann der BC als Referenzpunkt dienen, um ein klares Bild der relevanten Faktoren durch Korrektur und Verfeinerung des ursprünglichen Modells aufzubauen. Dieser Lernprozess ist wesentliches Element für die erfolgreiche Umsetzung von Innovation.

    Die eigentliche Frage besteht also darin, welche sinnvollen Methode Unternehmen helfen, die Balance zwischen Kontrolle und Kreativität zu halten und dadurch Motivation zu ermöglichen.

    • Kontrolle und Kreativität sind ein sehr wichtiger Bestandteil meiner Ideen und Gedanken dieses Posts. Hauptsächlich geht es mir aber darum, dass bei allen Handlungen entscheidend ist, mit welchem Antrieb wir diese Handlungen ausführen. Im Beispiel Business Case sieht das wie folgt aus.

      1. Ich möchte am Ende der Berechnungen ein Excelsheet in der Hand halten, weil ich genau dieses Sheet benötige, um damit zum Vorstand zu gehen, um Geld zu bekommen. Der Prozess sieht diese Schritte nun einmal vor. Um dieses Sheet zu füllen muss ich mir nun einmal auch Gedanken zum Mehrwert machen.

      2. Ich möchte mir Gedanken zum Mehrwert der geplanten Handlungen machen, da ich nur die Aktionen ausführen möchte, die letztendlich auch mehrwertig sind. Dazu führe ich Gespräche und ich dokumentiere die Ergebnisse der Gespräche in einem Excelsheet, welches ich dann für erklärende Gespräche in Richtung Vorstand nutzen kann.

      Im ersten Fall steht das Excelsheet im Vordergrund, der Erkenntnisgewinn zum Mehrwert ist ein Abfallprodukt (wenn überhaupt). Im zweiten Fall steht der Erkenntnisgewinn zum Mehrwert im Vordergrund und das Excelsheet ist das Abfallprodukt. Ich nehme in den Unternehmen fast ausschließlich den Fall 1 wahr. Das kritisiere ich.

  2. Gratulation zum hervorragenden Beitrag! Sicher kann man sich um Details streiten und wo die Grenze ist. Aber das Beispiel “Business Case” steht ja nur für viele andere “Kennzahlen”, “Annahmen, dass man alles berechnen kann”.

    Darum scheitern auch viele Großprojekte, weil die Komplexität in “managebare” Teile trivialisiert wird, die dann nicht mehr zusammenpassen – weil das Ganze in einem offenen System halt mehr als die Summe der Einzelteile ist. Und gerade derzeit stecken wir in vielen Bereichen in der Klemme, alles was nicht unmittelbar verwertbare Zahlen ergibt, wird abgedreht. In meinem unmittelbaren Beobachtungsbereich etwa neue, hocheffiziente und systemrelevante Gaskraftwerke, die nur wenige Betriebsstunden aufweisen. Es rechnet sich betriebswirtschaftlich einfach nicht – das System der europäischen Stromversorgung wird damit aber weiter destabilisiert – und hier kommen die zeitverzögerten negativen Wirkungen der Vernetzung zum Tragen. Ich habe dazu ein Paper begonnen, wo ich noch weiterfeilen möchte: http://www.ploetzlichblackout.at/app/download/9497240197/14-05+-+Schattenseiten+der+Vernetzung.pdf
    Kritische Kommentare sind gerne willkommen – die Kontaktdaten sind im Dok.

    Zurück zum Thema “Business Case” – es ist eben “nur” ein Beispiel, aber wenn wir etwas genauer herum schauen, ist diese Mentalität in vielen Bereichen zu erkennen. Und genau damit scheitert man in zunehmend turbulenten und unsicheren Zeiten. Andererseits bieten Krisen auch Chancen für die, die die eingetretenen Pfade verlassen. Innovationen werden angeregt, wenn das bisherige Denken nicht mehr funktioniert. Es ist leider die harte Tour, aber wir Menschen brauchen das anscheinend so.

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  5. Ja, dem stimme ich absolut zu, die Zukunft ist nicht vorhersagbar. Prognosen in die Zukunft basieren auf Annahmen, die man schon kennt. So ist es auch beim Business Case. Und deshalb treffen die Prognosen der meisten Experten ja auch nie ein bzw. liegen weit neben dem was tatsächlich geschieht.

    Dazu kommt noch ein zweiter Aspekt: Wenn ich meine begrenzte Wahrnehmung immer nur auf das bereits bekannte richte, dann sehe ich das Potenzial und die Möglichkeiten womöglich gar nicht. Denn meine Wahrnehmung ist ja mit meinen Erwartungen beschäftigt. Ich kontrolliere ständig, ob diese auch eintreffen.

    Wie Sie schon sagen, so zerstört man Kreativität und Innovation.

    Und ja, die Beschäftigung mit dem MEHRWERT ist wichtig. Dieser Mehrwert ist oft noch gar nicht quanitizierbar, kann also gar nicht in Zahlen ausgedrückt werden. Bzw. die Manie alles zu Quantifizieren kostet nur Zeit und bringt eben wenig Mehrwert.

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