Ich war gestern auf einer BI Veranstaltung. Diese war sehr spannend und hat mich wieder einmal für ein Thema sensibilisiert, welches ich in meinen Posts zu Business Intelligence schon des Öfteren angerissen habe. Es geht um die Unterscheidung zwischen Daten und Information. Trifft man nämlich diese Unterscheidung, die ich im Folgenden an 4 Irrglauben deutlich machen werde, dann kommt man sehr schnell zu der im Titel dieses Posts postulierten Aussage.
Wir leben nicht in einer Informationsgesellschaft. Wir leben in einer Datengesellschaft.
Irrglaube 1: Information wird immer mehr
Häufig höre ich die Aussage: “Wir müssen lernen mit der stetig steigenden Informationsflut umzugehen!”. Ich denke nicht, dass wir das lernen müssen, da wir uns dieser steigenden Informationsflut zurzeit gar nicht ausgesetzt sehen. Wir haben es mit einer steigenden Datenflut zu tun, nicht mit einer steigenden Informationsflut.
Ich möchte den Unterschied zwischen Daten und Information an einem Beispiel demonstrieren.
Stellen Sie sich einen Manager eines Unternehmens vor, der einen Bericht über die Umsätze seines Unternehmens im letzten Monat vorgelegt bekommt. In dem Bericht ist der Umsatz mit 500 Tsd. Euro ausgewiesen. Diese Zahl ist ein Datum, aber noch keine Information. Das Datum wird erst in dem Moment, wo der Manager diese Zahl liest und damit automatisch interpretiert, zu einer Information. Ein Datum ist objektiv. Eine Information ist stets subjektiv, da der Datenempfänger, in diesem Fall der Manager, das Datum gegen seine inneren Modelle validiert und wertet. Auf Basis der subjektiven Modelle kann man dann zu verschiedenen Wertungen und damit Information kommen.
- Super. Ich habe mit viel weniger gerechnet.
- Schlecht. Unseren Plan haben wir nicht erreicht.
- Genial. Unser neues Produkt haben wir hervorragend im Markt platziert.
- Mist. Eigentlich hätten wir mehr Umsatz machen müssen, da ja unser größter Wettbewerber Konkurs angemeldet hat.
- In diesem Bericht ist unser letzter Deal ja noch gar nicht eingeflossen. Also, alles gut.
Sicherlich finden Sie eine Reihe weiterer Optionen. Es ist relativ leicht ersichtlich, dass aus den unterschiedlichen Interpretationen auch unterschiedliche Handlungen abgeleitet werden. Und das ist ein weiterer Unterschied zwischen Information und Daten. Information ist handlungsleitend, Daten nicht.
Wir leben deshalb derzeit nicht in einer Informationsgesellschaft, weil wir immer weniger in der Lage sind, aus dem anwachsenden Datenvolumen, das Handlungsleitende und damit die Information zu extrahieren.
Aus diesen Argumenten wird schnell ersichtlich, dass wir beispielsweise in BI Projekten, viel mehr Augenmerk darauf legen sollten, Daten so aufzubereiten, dass diese von den Empfängern leicht und schnell zu Informationen verarbeitet werden können. Leider wird dieser Fakt ignoriert, da der Unterschied zwischen Daten und Information nicht präsent ist.
Zur Darstellungsweise von Daten verweise ich gerne auf Dr. Rolf Hichert und seine SUCCESS Regeln.
Irrglaube 2: Information ist nicht vergänglich
Auch hier hilft wieder, wie schon beim ersten Irrglauben, das Verständnis des Unterschieds zwischen Daten und Information. Ich möchte mich von zwei Seiten diesem Irrglauben nähern.
Von der einen Seite her kommend möchte ich mich für die Definition des Begriffes “Information” auf Gregory Bateson, angloamerikanischer Anthropologe, Biologe, Sozialwissenschaftler, Kybernetiker und Philosoph, stützen. Er sagte.
Information ist der Unterschied, der den Unterschied macht.
und hat diese Definition an einem folgenden einfachen Beispiel erklärt.
Man kann einem Hund einen Tritt geben, dass der Hund wegfliegt, oder man kann ihm einen Tritt geben, dass er weg rennt. Im ersten Fall gibt man die Energie, die den Hund bewegt, im zweiten Fall leistet der Hund seine Bewegung selbst, das heißt, man hat ihm nur Information, also in Bezug auf seine Bewegung nur sekundäre Energie gegeben.
Von der anderen Seite her kommend, möchte ich eine Aussage aufgreifen, die ich häufig höre, nämlich: “Information unterliegt im Unterschied zu Materialien, die man bearbeitet, bei Benutzung keinem Wertverfall.” Sie vergeht nicht. Sie ist immateriell. Materialien sind, wie der Name schon sagt materiell, sie vergehen. Aber kann man das so einfach stehen lassen?
Nun möchte ich beide Seiten vereinen. Information entsteht unter anderem durch Kommunikation. Daten werden vom Sender auf Empfänger übertragen und der Empfänger generiert aus diesen Daten Information für sich. Stellen wir uns einmal vor, Sie kennen meinen Namen nicht. Ich sage Ihnen: “Ich heiße Conny.”. Sie generieren daraus die Information, dass Ihr Gegenüber auf den Namen Conny hört. Jetzt sage ich Ihnen diesen Satz noch einmal: “Ich heiße Conny.”. Diese Daten müssen Sie nicht noch einmal in Information transformieren. Sie haben nichts Neues gehört. Sie kannten meinen Namen bereits. Bezüglich der obigen Definition von Bateson gibt es hier keinen Unterschied mehr und damit keine Information.
Information ist also in Bezug auf Kommunikation sehr wohl vergänglich, Daten, in diesem Fall der Satz “Ich heiße Conny.”, sind nicht vergänglich.
Details dazu finden Sie auch in meinem Post Mit System Dynamics Dynamiken und Verzögerungen von Handlungen verstehen. Hier tauche ich tiefer in Material- und Informationsströme ein und erläutere die Unterschiede und Auswirkungen.
Irrglaube 3: Datenqualität um jeden Preis
In vielen Unternehmen verkommt das Thema Datenqualität zum Selbstzweck. Es wird viel Aufwand spendiert, um die Qualität, wie beispielsweise Dubletten im Kundenstamm oder falsche oder fehlende Attributseinträge im Produktstamm zu korrigieren. Diesem Aufwand wird im Vorfeld aber kein Glaube bzgl. des Mehrwertes für das Business gegenüber gestellt. Damit meine ich beispielsweise, dass man seine Gedanken bzgl. der besseren Erreichbarkeit und Ansprache von Kunden im Rahmen von Marketingkampagnen und einem damit einhergehenden Umsatzanstieg auf Basis der besseren Dublettenrate im Kundenstamm thematisiert und verprobt.
Ich spreche an dieser Stelle mit Absicht von einem Glauben, denn Wissen kann es nicht sein, da es sich um die Zukunft dreht.
Ähnlich wie bei den beiden ersten Irrglauben muss man also auch bei diesem näher hinein leuchten. Datenqualität sollte man nicht über den großen Kamm scheren.
Es gibt sicherlich Bereiche, die eher im klassischen BI Bereich anzusiedeln sind, wo die Datenqualität nicht hoch genug sein kann. In diesem Kontext sind Fachgebiete wie Finanz oder Controlling zu nennen, wo man aus Wirtschaftsprüfungssicht genaue und exakte Daten in Berichten zeigen muss. Wenn ein Handelsunternehmen nicht die genauen und exakten Adressdaten seiner Kunden besitzt, wird es sicherlich schwer werden, die Pakete dem Kunden zu liefern.
Genauso gut gibt es aber Bereiche, wo es eher auf andere Aspekte als auf Datenqualität ankommt, wissend, die Zeit nicht spendieren zu können, Datenqualität herzustellen, da das auf Kosten der Agilität geht. In diesem Kontext geht es dann um neuartige BI Anforderungen, die sich hauptsächlich um das Web drehen. Wenn beispielsweise Kunden für bestimmte Marketingkampagnen selektiert werden müssen, ist die Qualität des Kundenstamms nicht bis ins letzte Korn relevant.
Daten entstehen eben wie sie entstehen und in der heutigen Zeit in immer unstrukturierteren Umgebungen des Internets. Hier macht es keinen Sinn, Datenqualität “auf Teufel komm `raus” herstellen zu wollen. Das WOZU der Datenqualität muss stets in den Aufwänden reflektiert sein.
Irrglaube 4: Der Single-Point-of-Truth ist anzustreben
Unternehmen laufen seit sehr langer Zeit dem Paradigma hinterher, dass die eine einzige Wahrheit in den Daten die Welt rettet. Es gibt aber eben nun mal nicht die eine einzige Wahrheit, da diese dann kontextlos wäre, also die fachlichen Anforderungen an die Daten ignorieren würde.
Ähnlich wie beim dritten Irrglauben ist auch hier wieder der Mehrwert, den man sich für das Business erhofft und an dem man glaubt, entgegen zu setzen. Je nach Anwendungsgebiet (Vertrieb, Einkauf, Logistik, Kreditmanagement etc.) sind unterschiedliche Anforderungen an Daten umzusetzen. Hier macht es keinen Sinn mit der großen Schaufel anzusetzen, da je nach Bereich auch konkurrierende Anforderungen an Daten existieren können, die man nicht übereinbringen kann und auch nicht muss.
Die Wahrheit in den Daten muss man stets gegen die Nutzung der Daten in den jeweiligen Anwendungsgebieten spiegeln, damit man der Kontextlosigkeit entflieht. Und damit wird dann auch das Wörtchen “single” obsolet.
Details zu diesem Irrglauben habe ich im Post Business Intelligence – Das Konstrukt eines Core Datawarehouse ist überalterten Paradigmen geschuldet nieder geschrieben.
Deine Differenzierung von Daten und Information gefällt mir ausgesprochen gut. Mir ist erst letzte Woche aufgefallen, dass die In-FORM-ation nur subjektiv sein kein. Das Wort zeigt es schon an sich. Die Daten gelangen in unseren Denkapparat und hinterlassen auf dem Hintergrund vorhandener Strukturen eine weitere Form. So wurden wir, das Subjekt, mittels der Daten in-form-iert.
Und ja, Pragmatismus bei allen Optimierungen ist auch mir wichtig, damit die Aufwände nicht unnötig groß werden.
Herzlich Martin
Hallo Martin,
danke für das weitere Sezieren des Wortes “Information”. So wird die Subjektivität von einer anderen Seite beleuchtet noch einmal zusätzlich transparent.
Beste Grüße,
Conny
Hallo Conny,
ich glaube Du hast zu viel Zeit. 😉
Aber Spaß beiseite : Der Beitrag ist natürlich super ! Wäre schön, wenn man sich auf diese Kern-Erkenntnisse mal einigen könnte. (Hört man meinen Seufzer durch den Äther wabern ?)
Schöne Grüße
Marcus
Eine weitere differenzierte Sicht auf die im Titel dargelegte These ist im Post TEMPORA enthüllt: Informationen ungleich Daten und Wasser gleich Bewusstsein des Blogs Der Mensch – das faszinierende Wesen meines Weggefährten Martin Bartonitz zu finden.
Anbei ein Zitat dieses wirklich sehr interessanten Artikels, der die Sicht bestätigt.