{"id":868,"date":"2011-11-04T10:16:51","date_gmt":"2011-11-04T09:16:51","guid":{"rendered":"http:\/\/blog-conny-dethloff.de\/?p=868"},"modified":"2018-01-02T07:56:59","modified_gmt":"2018-01-02T06:56:59","slug":"drei-stolperfallen-der-qualitativen-modellierung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/blog-conny-dethloff.de\/?p=868","title":{"rendered":"Drei Stolperfallen der qualitativen Modellierung"},"content":{"rendered":"
In meinem Post Entscheidungen: Mit System Dynamics dem BI Wirkkreis Leben einhauchen<\/a> habe ich explizit ausgef\u00fchrt, wie wichtig System Dynamics f\u00fcr Entscheidungsprozesse ist. System Dynamics ist eine Methode des quantitativen Modellierens. Als Vorstufe des quantitativen Modellierens hat sich aus meiner Erfahrung das qualitative Modellieren bew\u00e4hrt. Um diese Vorteile jedoch nutzbar zu machen, muss man sich \u00fcber die Stolperfallen von qualitativen Modellen bewusst sein. In diesem Post m\u00f6chte ich die M\u00f6glichkeit nutzen, 3 Stolperfallen zu zeichnen und an eing\u00e4ngigen und einfachen Modellen zu erkl\u00e4ren.<\/p>\n Stolperfalle 1: Bestands- und Flussfaktoren<\/strong><\/p>\n Bei qualitativen Modellen werden in der Regel keine Unterscheidungen nach der Art der Faktoren vorgenommen. Die Verbindungen zwischen den Faktoren, welche die Ursache-Wirkungsbeziehungen darstellen, bekommen in der Darstellung der Modelle ein “+”, wenn die Wirkung des einen auf den anderen Faktors gleichgerichtet ist und ein “-“, wenn diese entgegengesetzt ist. Stellen wir uns vor, wir haben zwei Faktoren. Der erste ist “Motivation der Mitarbeiter” und der zweite “Leistung der Mitarbeiter”. Es ist schnell einleuchtend, dass, wenn die Motivation der Mitarbeiter steigt, die Leistung ebenfalls steigt. Die Verbindung zwischen beiden Faktoren bekommt also ein “+”. Die Wirkung von Motivation auf Leistung ist gleichgerichtet. W\u00fcrde die Leistung bei steigender Motivation sinken, w\u00e4re die Wirkung entgegengesetzt und die Verbindung beider Faktoren m\u00fcsste mit einem “-” dargestellt werden.<\/p>\n Diese generelle Betrachtungsweise ist aber zu fahrl\u00e4ssig, da sie keine Unterscheidung von Faktoren in Fluss- und Bestand einbaut. Das m\u00f6chte ich an einem wohl f\u00fcr Jeden bekannten Beispiel, n\u00e4mlich einer Badewanne darstellen. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor. Sie f\u00fcllen eine Badewanne mit Wasser und drehen dabei den Wasserhahn. Wir betrachten wiederum 2 Faktoren, den F\u00fcllstand des Wassers in der Badewanne und die Menge des Wassers, die aus dem Wasserhahn in die Wanne flie\u00dft. Bereits an der Beschreibung der beiden Faktoren erkennen wir, dass es sich beim ersten Faktor um einen Bestandsfaktor und beim zweiten um einen Flussfaktor handelt. Kann man zwischen diesen beiden Faktoren eine Ursache-Wirkungsbeziehung darstellen?<\/p>\n An den 4 F\u00e4llen erkennen wir, dass wir nach der oben getroffenen Definition nicht eindeutig ein “-” oder “+” zwischen den beiden Faktoren setzen k\u00f6nnen. Der Wasserstand wird niemals geringer, ganz egal ob der Wasserzufluss kleiner oder gr\u00f6\u00dfer wird. Nur in einem Fall bleibt der Wasserstand konstant, und zwar im 3., wo der Wasserzufluss gleich Null ist. Damit haben wir die erste Stolperfalle aufgedeckt.<\/p>\n Wir m\u00fcssen auch in qualitativen Modellen zwischen Bestands- und Flussfaktoren unterscheiden und die Ursache-Wirkungsbeziehungen entsprechend differenzieren.<\/p><\/blockquote>\n Auf Grund der Beziehungen zwischen Fluss- und Bestandsfaktoren, wie wir sie im Badewannenbeispiel vorfinden, m\u00fcssen wir die oben getroffenen Erkl\u00e4rungen f\u00fcr “+” und “-” konkretisieren. Ein Faktor A hat eine gleichgerichtete Wirkung (“+”) auf einen anderen Faktor B, wenn eine Erh\u00f6hung (Minderung) des Faktors A, einen Wert f\u00fcr den Faktor B hervorbringt, der gr\u00f6\u00dfer (kleiner) ist als der Wert von Faktor B, wenn sich der Faktor A nicht ge\u00e4ndert h\u00e4tte. Mit dieser Definition ist die Beziehung zwischen Wasserstand in der Badewanne und Wasserzufluss gleichgerichtet, also “+”.<\/p>\n Stolperfalle 2: Nettoflussraten<\/strong><\/p>\n Hat man die Unterscheidung nach Bestand und Fluss vollzogen, gilt es eine n\u00e4chste Stolperfalle zu umschiffen.<\/p>\n Flussfaktoren m\u00fcssen in Zu- und Abfluss differenziert werden.<\/p><\/blockquote>\n In dem oben dargestellten Beispiel mit der Badewanne haben wir explizit keinen Abfluss eingebaut. Wir haben nur einen Zufluss, n\u00e4mlich den Wasserhahn. Ein Abfluss k\u00f6nnte der St\u00f6psel in der Badewanne sein, \u00fcber den das Wasser aus der Wanne abgelassen werden kann. Der Nettofluss wird definiert als Zufluss-Abfluss. Ein Bestand kann also nur abgebaut werden, in diesem Fall das Wasser, wenn der Nettofluss kleiner ist als Null. Das bedeutet, in unserem Beispiel kann das Wasser niemals aus der Badewanne entweichen, da Zufluss-0 niemals kleiner als Null werden kann.<\/p>\n In der Praxis wird dieses Ph\u00e4nomen leicht zur verschleierten Darstellung einer kritischen Situation genutzt. Nehmen wir das Beispiel Umweltverschmutzung durch Aussto\u00df von Kohlendioxid. Oft h\u00f6re ich in den Medien, das der Aussto\u00df von Kohlendioxid gemindert wurde. Was sagt uns das? Nicht sehr viel. F\u00fcr eine ganzheitliche Bewertung dieses Faktums m\u00fcssten wir auch noch wissen, wieviel Kohlendioxid abgebaut wurde und wie gro\u00df die derzeitige Menge an Kohlendioxid in der Atmosph\u00e4re ist. Wir m\u00fcssen also wissen, wie hoch der Abfluss und der derzeitige Bestand ist. Diese 3 Faktoren m\u00fcssten wir dann \u00fcber eine Messreihe \u00fcber einen l\u00e4ngeren Zeitraum betrachten. \u00c4hnlich verh\u00e4lt es sich mit dem Thema Schulden, wo ich auch sehr h\u00e4ufig eine Vermischung von Fluss und Bestand beobachte. Ein Budgetdefizit herrscht beispielsweise im Staatshaushalt vor, wenn die Ausgaben in einem gr\u00f6\u00dfer sind als die Einnahmen. Das Budgetdefizit ist also eine Nettoflussrate gr\u00f6\u00dfer als Null, wenn die Schulden der Bestand sind. Wenn also in der Presse geschrieben steht, dass das Budgetdefizit geringer geworden ist, bedeutet es trotzdem, dass der Schuldenberg weiter angewachsen ist. Bei dem Ausweisen von Unternehmensergebnissen ist beispielsweise die Gewinn-und-Verlustdarstellung (GuV) der Fluss, der sich zu der Bilanz als Bestand akkumuliert.<\/p>\n Es ist also extrem wichtig ein Verst\u00e4ndnis des Verh\u00e4ltnisses von Fluss und Bestandsfaktoren zu haben, um komplexe und dynamische Sachverhalte richtig interpretieren zu k\u00f6nnen. G\u00fcnther Ossimitz<\/em><\/strong> hat diesen Fakt als Anlass genommen, Aufgaben diesbez\u00fcglich zusammen zu stellen. Diese finden Sie hier<\/a>. Viel Spa\u00df beim L\u00f6sen dieser Aufgaben. Sie k\u00f6nnen die L\u00f6sungen gerne als Kommentar posten. Die L\u00f6sungen habe ich nat\u00fcrlich auch vorr\u00e4tig. Bei Bedarf k\u00f6nnen Sie diese gerne bei mir anfragen.<\/p>\n Des Weiteren m\u00f6chte ich auf den Inhalt meines Rucksacks in der Sektion Modellierung<\/a> verweisen. Dort finden Sie den Screencast 1 mit dem Titel “Beziehungen zwischen Flu\u00df- und Bestandsfaktoren beim quantitativen Modellieren”. In diesem erkl\u00e4re ich alle m\u00f6glichen Beziehungen zwischen Fluss- und Bestandsfaktoren. Die Folien, die ich dort erkl\u00e4re finden Sie hier<\/a>.<\/p>\n Stolperfalle 3: Versteckte R\u00fcckkopplungsschleifen<\/strong><\/p>\n Ich m\u00f6chte nun die 3 Stolperfallen abschlie\u00dfend an einem Beispiel demonstrieren. 2 Stolperfallen haben wir bereits besprochen, die Differenzierung der Faktoren in Bestand und Fluss sowie die Nettoflussraten. Diese werden wir in diesem finalen Beispiel noch einmal wiederholen und damit verinnerlichen. Die 3. Stolperfalle, die versteckten R\u00fcckkopplungsschleifen, m\u00f6chte ich Ihnen hier initial nahe bringen.<\/p>\n Das Beispiel nehme ich aus meiner Kinderzeit, wo ich noch sehr h\u00e4ufig mit Cowboys und Indianern in Form von kleinen Hartgummifiguren gespielt habe. Im Rahmen dieser Spiele haben meine Freunde und ich uns auf die Seiten der Indianer respektive der Cowboys aufgeteilt und haben die Hartgummifiguren sich gegenseitig bekriegen lassen. Eines noch vorweg. Selbstverst\u00e4ndlich m\u00f6chte ich mit diesem Beispiel den Krieg oder das T\u00f6ten nicht verherrlichen.<\/p>\n In der folgenden Abbildung habe ich das qualitative Modell ohne Unterscheidung von Bestands- und Flussfaktoren gemalt.<\/p>\n <\/a><\/p>\n Interpretieren wir diese sich selbst verst\u00e4rkende R\u00fcckkopplungsschleife. Starten wir mit den Indianern und verfolgen den Wirkungskreis im Uhrzeigersinn. Je mehr Indianer im Spiel sind, desto mehr Cowboys werden von Indianern get\u00f6tet. Das f\u00fchrt dazu, dass es weniger Cowboys gibt, was wiederum dazu f\u00fchrt, dass weniger Indianer von Cowboys get\u00f6tet werden, was entsprechend dazu f\u00fchrt, dass es mehr Indianer gibt, die dann wieder mehr Cowboys t\u00f6ten. Diesen Kreis kann man jetzt fortsetzen und erkennt sehr schnell, dass die Indianer zahlenm\u00e4\u00dfig zunehmen und die Cowboys abnehmen. Diese Argumentationskette k\u00f6nnte man auch spiegelbildlich darstellen, dass n\u00e4mlich die Cowboys in der Anzahl zunehmen und die Indianer entsprechend abnehmen. Das ist das typische Verhalten von sich selbst verst\u00e4rkenden R\u00fcckkopplungsschleifen, das exponentielle Wachstum, wobei das Schrumpfen als negatives Wachstum bezeichnet werden kann.<\/p>\n Aber macht das Sinn? Cowboys und Indianer t\u00f6ten sich gegenseitig und eine der beiden Seiten nimmt zahlenm\u00e4\u00dfig zu? Wir werden also die Stolperfalle 1 aufdecken und das Modell ab\u00e4ndern, in dem wir eine Unterscheidung nach der Art der Faktoren machen. Die folgende Abbildung stellt das neue Modell dar.<\/p>\n <\/a><\/p>\n Wir erkennen jetzt die Faktoren “Indianer” und “Cowboys” als Bestandsfaktoren, die jeweils von einem Flussfaktor ge\u00e4ndert werden. Gehen wir nun wieder die Wirkungskette entlang und starten bei dem Bestandsfaktor “Indianer”. Wenn die Anzahl der Indianer steigt, dann steigt auch die Anzahl der Cowboys, die von Indianern get\u00f6tet werden im Vergleich, als wenn sich die Anzahl der Indianer nicht ver\u00e4ndert h\u00e4tte. Das f\u00fchrt dazu, dass die Anzahl der Cowboys schneller abnimmt, relativ dazu wenn die Anzahl der get\u00f6teten Cowboys konstant geblieben w\u00e4re. Das bedeutet dann auch, dass die Anzahl der Indianer, die von Cowboys get\u00f6tet wird, kleiner wird, wiederum relativ dazu das die Anzahl der Cowboys konstant bliebe. Das bedeutet dann, und das ist der Knackpunkt, dass die Indianer zahlenm\u00e4\u00dfig langsamer schrumpfen. Sie schrumpfen auf jeden Fall, aber eben nicht ganz so rasant. Damit ist also der Knoten gel\u00f6st. Sowohl die Indianer als auch die Cowboys schrumpfen zahlenm\u00e4\u00dfig, nur halt in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Und die Geschwindigkeit des Schrumpfens nimmt von Runde zu Runde ab.<\/p>\n Damit haben wir nun auch die zweite Stolperfalle implizit aufgedeckt. An der Argumentationskette erkennen wir, das die Nettoraten beider Flussfaktoren “… werden von …get\u00f6tet” niemals gr\u00f6\u00dfer werden als Null. Damit k\u00f6nnen also auch die Best\u00e4nde niemals ansteigen. Da wir die Faktoren des Modells nun in Bestands- und Flussfaktoren unterschieden haben, k\u00f6nnen wir simulieren. Das wollen wir also tun. Sie erkennen in der obigen Abbildung zwei weitere bislang noch nicht erw\u00e4hnte Faktoren. Das sind so genannte Hilfsfaktoren, in diesem Fall Inputfaktoren, da sie von keinem Faktor des Modells beeinflusst werden. Sie m\u00fcssen am Anfang der Simulation festgesetzt werden. Diese beiden Faktoren stellen die Modernit\u00e4t der Waffen der Indianer sowie der Cowboys dar. Die Faktoren liegen zwischen 0 und 1. Die Modernit\u00e4t der Waffen ist hoch nahe bei 1 und respektive gering nahe bei 0. Je moderner die Waffen, desto vergleichsweise mehr Gegner k\u00f6nnen get\u00f6tet werden. Das folgende Ergebnis erh\u00e4lt man mit folgenden Parametern<\/p>\n <\/a><\/p>\n Das Modell finden Sie hier<\/a>. Wir erkennen, dass die Indianer als auch die Cowboys zahlenm\u00e4\u00dfig abnehmen, wie eben auch vermutet. Aber ab dem Zeitpunkt 5 beginnen die Cowboys zahlenm\u00e4\u00dfig anzuwachsen und die Indianer zu schrumpfen, und das exponentiell. Wie ist das zu erkl\u00e4ren?<\/p>\n Ab dem Zeitpunkt 5 wird die Anzahl der Indianer negativ. Das kann ja nicht sein. Im Modell sind also essentielle Beziehungen noch nicht abgebildet, und zwar die, dass die Best\u00e4nde der Indianer und Cowboys nicht negativ werden darf. Es existieren also versteckte R\u00fcckkopplungsschleifen. Stolperfalle 3 ist aufgedeckt.<\/p>\n Versteckte R\u00fcckkopplungsschleifen m\u00fcssen sichtbar gemacht werden.<\/p><\/blockquote>\n Die folgende Abbildung zeigt die beiden versteckten R\u00fcckkopplungsschleifen, die die Anzahl der Cowboys und der Indianer nach unten hin beschr\u00e4nken, und deshalb sich ausgleichende R\u00fcckkopplungsschleifen sind. Das ist mit einem “B” gekennzeichnet.<\/p>\n <\/a><\/p>\n\n
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