Wie wird in einem lebenden oder organischen System ein einmal gestelltes Ziel revidiert oder korrigiert?<\/li>\n<\/ol>\nF\u00fcr die Beantwortung dieser Fragen k\u00f6nnen wir uns auch auf Erkenntnisse der anderen Bereiche meines Rucksacks beispielsweise der Erkenntnis- und Systemtheorie st\u00fctzen.<\/p>\n
Ausgangspunkt der bisherigen Betrachtung der Kybernetik erster Ordnung ist es, ein Ziel zu haben und dieses durch Regelung und Steuerung zu erreichen. Aber wie kann man erkl\u00e4ren, dass h\u00e4ufig Ziele erreicht werden, die man nicht angestrebt oder auch nur gedacht hat, die aber trotzdem als positiv f\u00fcr das Unternehmen zu bewerten sind? Bei der Kybernetik erster Ordnung wird das Erreichen einer Stabilit\u00e4t durch eine Kontrollinstanz in den Vordergrund gestellt, was dem F\u00fchren eines Unternehmens in der Informationsgesellschaft nicht gleich gestellt werden darf. Zu Zeiten der Industriegesellschaft, in der die Umgebung und alle Komponenten eines Unternehmens gr\u00f6\u00dftenteils bekannt waren, gab es weniger \u00dcberraschungen. Vieles war berechenbar und zum gro\u00dfen Teil vorhersagbar. Ein Steuern und Regeln war anwendbar. Zu Zeiten der Informationsgesellschaft aber, die die komplexen Systeme hervorgebracht hat, existieren intrinsische Unsicherheit, keine exakte Analysierbarkeit und auch keine Vorhersagbarkeit.<\/p>\n
Es muss ein Paradigmenwechsel vollzogen werden hin zur Akzeptanz einer instabilen Dynamik von Entscheidungen. Das bringt uns zum Thema der Kybernetik zweiter Ordnung, oder auch Kybernetik der Kybernetik genannt.<\/p>\n
Bei der Kybernetik zweiter Ordnung werden die Prinzipien der Kybernetik erster Ordnung auf Beobachter selbst angewendet. Es wird bezweifelt, dass es da drau\u00dfen objektiv vom Beobachter erkennbare Systeme gibt. Der Beobachter muss als Teil des Kontextes, den er beobachtet, mit konzeptualisiert werden. Hier stehen die beobachtenden Systeme und nicht mehr nur wie in der Kybernetik erster Ordnung die beobachteten Systeme im Fokus. Es sind nicht mehr nur stabilisierende negative R\u00fcckkopplungen im Fokus der Untersuchung, sondern auch verst\u00e4rkende und aufschaukelnde positive R\u00fcckkopplungsprozesse.<\/p>\n
Solche aufschaukelnde Prozesse k\u00f6nnen auf der einen Seite zum Chaos f\u00fchren. Auf der anderen Seite sind sie aber Antriebsmotor f\u00fcr die Weiterentwicklung eines Systems. Sie k\u00f6nnen also f\u00fcr ein System zerst\u00f6rend wirken, sie sind aber lebensnotwendig. Denn Systeme, die weit weg sind vom Gleichgewicht, also instabil sind, sind offen f\u00fcr Ver\u00e4nderungen und Wandel. Dieses Entfernen vom Gleichgewicht erreicht man durch verst\u00e4rkende positive R\u00fcckkopplungsschleifen. Dieses Ungleichgewicht ist die Triebfeder f\u00fcr Ver\u00e4nderungen. Allerdings sollte dieses Ungleichgewicht nicht stetig anhalten, sondern durch stabilisierende negative R\u00fcckkopplungsschleifen nach einer gewissen Zeit wieder nahe an das Gleichgewicht (genauer Flie\u00dfgleichgewicht) herangef\u00fchrt werden.<\/p>\n
Aktivit\u00e4ten, die ein System in Ungleichgewicht und Gleichgewicht (genauer Flie\u00dfgleichgewicht) bringen, wechseln sich stetig ab. Ohne positive Verst\u00e4rkungen ist also kein Fortschritt m\u00f6glich. Reines Agieren innerhalb eines Systems mit der Command-and-Control Philosophie ist gleichzusetzen mit Steuern und Regeln. Dies reicht aber nicht aus, um komplexe Systeme, wie sie Unternehmen nun einmal sind, zu f\u00fchren.<\/p>\n
Selbstorganisation ist hier das Mittel.<\/p>\n
Selbstorganisation ist ein Vorgang, der aus Unordnung Ordnung entstehen l\u00e4sst und den die Elemente eines Systems durch ihr Interagieren von sich selbst heraus aus ansto\u00dfen.<\/p><\/blockquote>\n
Was bedeutet das konkret? Systeme, die einem \u00fcberkritischen, das hei\u00dft mit der momentanen Struktur nicht bew\u00e4ltigbaren, asymmetrischen Energieeintrag (Einfl\u00fcsse aus dem Markt, die durch derzeitig aufgesetzte Prozesse in den Unternehmen nicht verarbeitbar sind) ausgesetzt sind, werden chaotisch (wie oben im Fall 3 dargestellt). Dieser hohe Energieeintrag wird durch die positiven verst\u00e4rkenden R\u00fcckkopplungsschleifen erzeugt. Das Chaos ist aber nicht das Ende der Geschichte, vielmehr suchen und erfinden Systeme im Chaos neue Strukturen, die geeignet sind, um mit dem asymmetrischen Energieeintrag umgehen zu k\u00f6nnen. Dazu m\u00f6chte ich gerne ein eing\u00e4ngiges Beispiel geben.<\/p>\n
Wenn man gleichzeitig mit den Zeigefingern beider H\u00e4nde auf einen Tisch klopft und den Takt immer weiter erh\u00f6ht, kommt man an einen Punkt, an dem die H\u00e4nde ungleichm\u00e4\u00dfig und unrhythmisch trommeln bis sich nach kurzer Zeit ein abwechselndes, rhythmisches Klopfen einstellt. F\u00fcr Unternehmen bedeutet das, dass es eine gute Ausgewogenheit zwischen Effektivit\u00e4t (\u201eDie richtigen Dinge tun\u201c) und Effizienz (\u201eDie Dinge richtig tun\u201c) schaffen muss. Es m\u00fcssen also die richtigen Dinge richtig getan werden.<\/p>\n
Der Grad der Effektivit\u00e4t dr\u00fcckt die F\u00e4higkeit des Unternehmens aus, sich selbst zu organisieren und damit neue Muster (Prozesse, Produkte, Verfahrensweisen etc.) zu erschaffen. Man kann auch sagen, dass Effektivit\u00e4t f\u00fcr eine hohe Eigenkomplexit\u00e4t des Unternehmens steht. Unternehmen k\u00f6nnen beispielsweise in diesem Zusammenhang auf unterschiedlichste Kundenanfragen stets ad\u00e4quat reagieren. Es herrscht eine hohe Vielfalt in den Produkten, Prozessen etc vor. Effizienz steht in diesem Falle f\u00fcr eine geringe Eigenkomplexit\u00e4t. Prozesse sind beispielsweise schmal und kosteng\u00fcnstig angelegt. Das geht dann zu Lasten der Vielfalt.<\/p>\n
Die Eigenkomplexit\u00e4t eines Unternehmens muss also so gro\u00df wie n\u00f6tig und so klein wie m\u00f6glich gestaltet sein. Die Eigenkomplexit\u00e4t eines Unternehmens kann also unterschieden werden in \u201evom Kunden bezahlte Komplexit\u00e4t\u201c und \u201evom Kunden nicht bezahlte Komplexit\u00e4t\u201c. Komplexit\u00e4t, die vom Kunden bezahlt wird ist gut und lebensnotwendig f\u00fcr das Unternehmen. Diese dr\u00fcckt sich beispielsweise in Produktvielfalt aus, die vom Kunden gew\u00fcnscht oder gar gefordert wird. Komplexit\u00e4t, die vom Kunden nicht bezahlt wird, ist \u00fcberfl\u00fcssig und muss beseitigt werden. Diese Komplexit\u00e4t dr\u00fcckt sich beispielsweise in Verschwendung aus: zu unflexible und komplizierte Prozesse, zu hoher Anteil nicht wertsch\u00f6pfender Arbeit etc.<\/p>\n
Ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel zur Illustration. Nehmen Sie das Scope-Management in Projekten. Neue Anforderungen m\u00fcssen \u00fcber ganz klar definierte Prozesse in den Projektscope eingearbeitet werden. Das Definieren dieser Prozesse bildet Ordnung und erh\u00f6ht damit die Eigenkomplexit\u00e4t des Projektes. Werden die Prozesse allerdings zu unflexibel und schwierig gestaltet, besteht die Gefahr, dass das Projekt im Prozesssumpf erstickt. Die Eigenkomplexit\u00e4t des Projektes ist also zu hoch. Es herrscht in diesem Fall keine Ausgewogenheit zwischen Effektivit\u00e4t und Effizienz.<\/p>\n
Steuern und Regeln wird immer mit einer Kurzfristbrille durchgef\u00fchrt. So schnell wie nur irgend m\u00f6glich soll das angepeilte Ziel erreicht werden. Bei Selbststeuerung und Selbstorganisation wird die Langfristbrille aufgesetzt. Dazu gebe ich Ihnen ein Gleichnis.<\/p>\n
Ein Mensch hat das Ziel schlank zu werden. Um dieses Ziel kurzfristig zu erreichen, nimmt er Schlankheitspillen oder macht Crashdi\u00e4ten. Das ist mit Kostensenkungsma\u00dfnahmen in Unternehmen zu vergleichen. Das sind kurzfristige Ma\u00dfnahmen ohne langfristigen Erfolg, was wir von Di\u00e4ten kennen. Eine andere M\u00f6glichkeit schlank zu werden besteht in mehr Bewegung und ausgewogenere Ern\u00e4hrung. Das gesamte System Mensch wird dabei mit einem langfristigen Blick ganzheitlich betrachtet. Diese Aktivit\u00e4ten steigern die Lust auf Bewegung, in dem erste Erfolge realisiert werden. Dies steht also f\u00fcr Selbstorganisation.<\/p>\n
Detaillierter nehme ich diese angerissenen Themen in meinen Ausf\u00fchrungen in den Posts auf und reflektiere diese auf Alltagssituationen der Unternehmensf\u00fchrung. Ich hoffe ich konnte Ihnen aber jetzt schon einen kleinen Einblick vermitteln, dass f\u00fcr das F\u00fchren von Unternehmen unter anderem Wissen aus der Kybernetik essentiell ist.<\/p>\n (10<\/strong> Bewertung(en), Durchschnitt: 3.50<\/strong> von 5)
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