Enterprise 2.0 – Alles nur Technologie und Technik?

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Die im Titel aufgestellte Frage stieg in mir auf, als ich mir zu Beginn der letzten Management 2.0 MOOC-Woche, die den Titel „Enterprise 2.0“ trug, die Positionspapiere von Stefan Smolnik, Harald Schirmer und Michael Koch zu Gemüte führte.

Daraufhin stellte ich einen Thread namens Hilferuf: Warum nur verstecken wir Menschen uns immer wieder hinter Technologie? in unserer Xing-Community ein, wo ich genau diese Thematik mit den anderen Teilnehmern beleuchten wollte. Bis heute Morgen gibt es erstaunliche 27 Beiträge in diesem Thread. Eine Behandlung dieser Frage scheint also nicht nur für mich essentiell zu sein.

In meinem Eingangsstatement des Threads stelle ich die These auf, dass wir Menschen uns allzu oft hinter Technologie verstecken, den Glauben an einen Wandel zu sehr in die Technologie stecken und auch der Technologie die Verantwortung geben, wenn der Wandel dann nicht funktioniert. Der Begriff Technologie steht in diesem Zusammenhang nicht nur für Software und Tools, sondern auch für Prozesse und Methoden, die damit einher gehen.

Um das vorweg zunehmen. Ich verdamme keines Falls die Technologie, ganz im Gegenteil. Technologie ist notwendig und wichtig. Ich möchte auch gar nicht zwischen Technologie und Nicht-Technologie trennen, aber unterscheiden möchte ich schon zwischen diesen beiden Themen. Beides hat seine Daseinsberechtigung. Mir geht es um ein SOWOHL-ALS-AUCH, nicht ein ENTWEDER-ODER.

Um hier näher einzutauchen, sollte man meines Erachtens die Geschichte des Menschen im Zusammenhang zur Technologie reflektieren. Warum hat eigentlich die Technologie heute einen so hohen Stellenwert für uns Menschen und welche Auswirkungen hat der Fortschritt im Bereich der Technologie für uns Menschen?

Dafür möchte ich auf ein Dokument eines zu Unrecht, wie ich finde, unbekannten Denkers hinweisen. Es handelt sich um Oswald Spengler. In seiner Abhandlung Der Mensch und die Technik argumentiert er auf Seite 29

Das Tempo der Erfindungen wächst ins Phantastische, …

vergisst aber nicht zu erwähnen, dass (Seite 30)

Aber damit ist die Seelische Spannung zwischen Führer und Geführten gefährlich gewachsen. Man versteht einander nicht mehr. Die frühesten „Unternehmungen“ der vorchristlichen Jahrtausende forderten die verstehende Mitarbeit aller, die wussten und fühlten, um was es ging. Es war eine Art Kameradschaft dabei, wie heute auf der Treibjagd und beim Sport. Schon bei den großen Bauten im frühen Ägypten und Babylonien kann das nicht mehr der Fall gewesen sein. Der einzelne Arbeiter begriff weder das Ziel noch den Zweck des ganzen Verfahrens.

Dieses Zitat zeigt alleine schon die Herausforderung auf, die wir Menschen in Bezug auf die Technologie handhaben müssen. Mit dem Fortschritt der Technologie, die wir Menschen stetig vorantreiben, erhöhen wir die Komplexität unserer Umwelt, die wir handhaben müssen. Ein Beispiel möchte ich Ihnen gerne geben.

Mit dem Einzug der technologischen Möglichkeiten rund um Web 2.0, wie beispielsweise die sozialen Foren (Facebook, Twitter, …), Blogs oder Wikis, haben die Menschen nicht nur die Möglichkeit zu konsumieren, sondern auch zu produzieren. Das Veröffentlichen von privaten Meinungen, Gedanken und Ideen ist nun nicht mehr nur Experten vorbehalten, da die technischen Hürden zum Erstellen von Inhalten im WWW dramatisch herunter gesetzt wurden. Das wiederum hat aber einen gravierenden Einschnitt für Unternehmenslenker beispielsweise in Bezug zu Kunden des Unternehmens zur Folge. Denn es gibt nun sehr viel mehr Freiheitsgrade im Markt, die Erfolg oder Nichterfolg eines Unternehmens beeinflussen.

Des Weiteren, und das ist ein zweiter nicht minder zu verachtender Aspekt, besteht durch die stetig fortschreitende Entwicklung im Bereich der Technologie die Notwendigkeit für Menschen zur Spezialisierung, um diese noch beherrschbar zu machen. Damit wird aber die Gefahr einer Entfremdung der Menschen für die Sache an sich größer. Mitarbeiter eines Unternehmens verstehen immer weniger, warum sie eigentlich eine bestimmte Aufgabe ausführen müssen. Sie sinnentkoppeln sich.

Es gilt also dieser so genannten Problem-Lösungsspirale zu folgen. Wir können gar nicht anders. Allerdings auf einer anderen Art und Weise als wir es bislang tun. Denn wie sagte Albert Einstein schon?

Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.

Ich bin mir sicher. Im Bereich der Technologie haben wir Stand heute einen ausreichenden Stand erreicht, um alle bekannten großen globalen Probleme (Umweltkrise, Ökonomische Krise) zu lösen. Nur wir Menschen setzen diese Technologie nicht sinngekoppelt ein.

Bei Technologie geht es um tote Materie, Menschen aber sind lebendig. Wir übertragen unsere Denkvorgänge, mit denen wir die Technologie weiter entwickeln, zu einfach und unreflektiert in den Bereich der Menschen. Dadurch trivialisieren wir uns Menschen zu Maschinen. Ich komme immer wieder auf den schon häufig von mir thematisierten Punkt zurück:

Wir müssen unser Denken und Agieren in der Wirtschaft, und nicht nur dort, wieder menschlicher machen.

Und damit bin ich dann auch schon beim “Enterprise 2.0”. Wann verdient ein Unternehmen den Untertitel “Enterprise 2.0”? Aus meiner Sicht dann, wenn in diesem Unternehmen Strukturen und Rahmen geschaffen sind, in welchem jeder Mitarbeiter seiner Tätigkeit einen Sinn geben kann.

Ist dafür Technologie notwendig? Technologie kann ein Enabler dafür sein. Wir sollten aber nicht vergessen. Technologie ist überhaupt erst der Grund für diese fortschreitende Sinnentkopplung. Nun müssen wir Alles dafür tun, dass wir den Fortschritt seitens der Technologie so menschlich wie möglich und nötig einsetzen. Denn was bringt es beispielsweise, wenn wir technologisch die Möglichkeit schaffen, dass jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen sich über Wikis oder Blogs einbringen kann, es aber nicht tut. Aus welchen Beweggründen auch immer.

Der von mir hier in diesem Post angerisse Thread war auch Beweggrund für Simon Dückert, dem Moderator der freitäglichen Expertenrunden dieses MOOCs, mich am vergangenen Freitag anzurufen. Er wollte sich mit mir persönlich zu dieser Thematik austauschen. Es war ein sehr spannendes und erkenntnisreiches Telefonat für mich. Danke Simon. Unsere Sichtweisen bzgl. Technologie im Sinne von Enterprise liegen sehr dicht beisammen.

Auch die Expertenrunde am Freitag, die ich leider nicht live miterleben konnte, aber gestern als Podcast nacherlebt habe, hat diesen Eindruck in mir gestärkt, dass wir nicht nur der Technologie hinterher hecheln und uns Menschen dabei vergessen.

Die größte Hürde beim Wandel eines Unternehmens in Richtung Enterprise 2.0 ist nicht in der Technologie zu suchen. Diese liegt nämlich darin, den technologischen Fortschritt mit Denk- und Handelsweisen aus dem Bereich der Lebendigkeit anzureichern, um den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Das war auch einhellige Meinung der 3 Experten.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine kleine Information anreichen. Falls Sie die freitäglichen Expertenrunden nicht live verfolgen können, haben Sie die Gelegenheit, dieses offline und nachträglich zu tun. Über diesen Link können Sie die Podcasts dieser Runden hören.

Lassen sie uns menscheln!

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1 Response to Enterprise 2.0 – Alles nur Technologie und Technik?

  1. Ich bin zwar etwas spät dran mit dem Lesen, aber dieser Post gefällt mir sehr gut und dem kann ich voll zustimmen. Vor allem, dass wir der Technologie hinterher hecheln und uns Menschen dabei vergessen.

    Mit besonderer Sorge betrachte ich dabei die Entwicklungen im Infrastrukturbereich (Smart …), vor allem in der Kritischen Infrastruktur. Daher behaupte ich, dass es längst nicht mehr reicht, nur auf den Schutz Kritischer Infrastruktur zu fokussieren, sondern wir brauchen auch einen Schutz VOR Kritischer Infrastruktur! Sprich, wir haben eine unglaubliche Abhängigkeit geschaffen, die bei einer großen Störung – etwa im Stromsystem – rasch zu fatalen Folgen würde. Daher sollten wir mehr Augenmerk auf die Erhöhung der gesamtgesellschaftlichen Resilienz legen … womit wir wieder bei den Menschen sind.

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