Projekt 2.0 – Es geht um Haltung, Werte und Vertrauen

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Die letzte Woche im MOOC Management 2.0 mit dem Thema Projekt 2.0 ist am Freitag mit einem Expertengespräch finalisiert worden, was natürlich nicht bedeutet, dieses Thema nicht mehr reflektieren zu dürfen. Ich möchte in diesem Post heute das Thema Projekt 2.0 aus meiner Sicht zusammenfassen und dabei auch auf einige Diskussionen eingehen, die auf Xing im eigens dafür bereit gestellten Forum stattfanden und dokumentiert wurden.

In diesen Debatten ging es um Fragestellungen, wie beispielsweise

  1. Was bedeutet überhaupt Projekt 2.0? (Link zum Forum)
  2. Ist Projekt 2.0 gleich zu setzen mit einer agilen Projektvorgehensweise? (Link zum Forum)
  3. Was bedeutet Planung im Projekt 2.0? (Link zum Forum)

Ich habe zu diesen Themen auch eifrig mitdiskutiert, hatte aber irgendwie das Gefühl, dass wir den Kern noch nicht getroffen hatten. Umso erfreuter war ich, als Andrea Brücken ein Thread mit dem Titel Projekte 2.0 – Neu denken, alt handeln? eröffnet hat. Jetzt wusste ich auch was mir die ganze Zeit gefehlt hat, nämlich die Basis eines wirklichen Wandels im Projektalltag. Das möchte ich jetzt näher darlegen.

Haltung und Werte

Sich ständig und stetig die Frage zu stellen, ob das was heute getan wird überhaupt noch mehrwertgenerierend ist. Nicht das Projekt als solches ist wichtig, sondern die Werte, die man im Projekt erstellen möchte. Werte sind nicht nur materieller Natur, sondern können natürlich auch immateriell sein, wie beispielsweise das Lernen der Projektteilnehmer, wie einer meiner Begleiter und Teilnehmer dieses MOOCs, Peter Addor, immer wieder betont. Projekte dürfen nicht zum Selbstzweck werden. Es ist in erster Linie relativ unwichtig, ein Projekt „in time“, „in budget“ und „in quality“ abzuschließen. Wichtig ist, ob die Werte, die in dem Projekt erstellt werden, für das Unternehmen relevant sind. Das kann dann auch bedeuten, dass Projekte abgebrochen werden, obwohl noch Budget oder Zeit vorhanden sind, nämlich mit dem Grund, dass der Mehrwert, die mit dem Projekt erbracht werden sollte, bereits geschaffen wurde. Björn Schotte hat diese Thematik in einem seiner Threads angerissen.

Das hört sich im ersten Augenblick wohl erst einmal eigenartig an. Wir benötigen natürlich komplett andere Maßstäbe, an dem wir „gute“ und „schlechte“ Projekte bewerten können. Wie will man einer Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer einen Rahmen geben, wenn sich dieser nicht an Scope oder Zeit bemessen lässt. Hier rückt ein weiter wichtiger Aspekt in den Fokus, das Vertrauen.

Vertrauen

Zusammenarbeit, nicht nur zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, basiert auf Vertrauen, nicht auf Verträge. Mit Verträgen wird genau das Entgegengesetzte geschaffen, nämlich Misstrauen. Wenn ich einem Menschen vertrauen möchte, muss ich ihm dieses Vertrauen erst einmal, ohne dass dieser etwas dafür kann, vorschießen. Tue ich das nicht, nehme ich mir die Chance, dass ich diesem Menschen überhaupt irgendwann vertrauen kann. Verträge leisten diesen Vorschuss eben nicht, da sie am Anfang einer zukünftigen Zusammenarbeit ausgehandelt werden.

Des Weiteren habe ich in einigen Diskussionen innerhalb des MOOCs vernommen, dass Vertrauen durch Liefertreue geschaffen wird, getreu dem Motto: „Wenn ich im Rahmen eines Projektes stets termingerecht liefere bin ich vertrauenswürdig.“ Wie steht es aber hier um die Fehlertoleranz? Wenn ich einen Fehler mache, bin ich dann nicht mehr vertrauenswürdig?

Lernen tun wir nur dann, wenn unsere Erwartungen, die wir von einer bestimmten Situation haben, NICHT getroffen werden. Denn nur dann bilden sich neue Muster für uns. Lieferpünktlichkeit suggeriert aber, dass wir von vornherein wissen wann wir was liefern. Unsere Erwartungen werden also im Rahmen des Projektes stets getroffen. Ergo, würden wir im Projekt niemals lernen. Dem stimmen wir wohl Alle nicht zu, oder?

Des Weiteren suggeriert Lieferpünktlichkeit, dass wir keine Fehler machen. Aber keine Fehler macht man nur dann, wenn man nichts tut. Wo bleibt hier die Fehlerkultur in Unternehmen? Wir müssen Fehler machen um zu lernen. Hier bin ich dann wieder bei dem Nichttreffen der eigenen Erwartungen. Fehler sind gut, sie müssen nur schnell erkannt in den Lernprozess eingebunden werden.

In dem Moment also, wo wir mit einem anderen Menschen einen Vertrag bzgl. einer Zusammenarbeit aushandeln, vertrauen wir diesem Menschen nicht. Wir benötigen einen Vertrag als Vertrauensvermittler. Wo können wir Anleihe nehmen, wenn wir mehr über vertragslose Zusammenarbeit wissen möchten und wie diese funktionieren können?

Im privaten Umfeld.

Ich habe in einem Thread meine kleine Geschichte „Vorbereitung des Osterfests 2011 – Arbeiten wie die Profis“ zur Diskussion gestellt, in welcher ich unsere Denk- und Handelsweisen des beruflichen Alltags in das Private überführe.

Ich habe im Laufe der Zeit einige Reaktionen darauf geerntet. Die meisten Leser kommen aber von dem Paradigma “Privates ist vom Beruflichen strikt zu trennen” nicht weg. Leider. Deshalb meinen auch die Meisten, dass man das Berufliche ja nicht auf das Private übertragen sollte, denn sonst macht das Private ja gar kein Spaß mehr. Leider kommen die Wenigsten auf den Dreh, das Private auf das Berufliche zu reflektieren, damit dann auch das Berufliche wieder Spaß machen kann. Aber irgendwie darf wohl der Beruf keinen Spaß machen.

In vielen Bereichen im Privaten benötigen wir keine Verträge, um miteinander erfolgreich zu agieren. Nur leider schwappt dieses Paradigma aus dem Beruflichen schon in das Private über, siehe Eheverträge. Und wir denken noch nicht einmal tiefgründig darüber nach. Wie absurd.

Schade, dass viele Menschen glauben, dass es, um erfolgreich zusammen zu arbeiten, nicht ohne Verträge geht. Ich bin der festen Überzeugung, dass bereits mit Festsetzung von Verträgen, eine Zusammenarbeit erschwert wird, da man sich damit schon gegenseitig das Misstrauen ausspricht nicht zusammen im Sinne der Sache zusammen agieren zu wollen. Es gibt bereits einige geniale Beispiele in der Wirtschaft, wo in Unternehmen Mitarbeiter ohne Verträge arbeiten, ihre Gehälter selber bestimmen, ja sogar die Gehälter des oberen Managements festlegen. Wie geil.

Gibt es einen Bezug von Werten und Verträgen?

In dem Moment, wo ein „Wert“, den man im Projekt erreichen möchte, vertraglich festgelegt werden soll, verliert dieser bereits an Wert. Ob etwas „Wert“ hat oder nicht, ist stets abhängig vom Kontext. Was für mich wertvoll ist, kann für einen anderen Menschen komplett wertlos sein. Wichtig ist, dass vor Beginn eines Projektes klar definiert wird, warum es dieses Projekt überhaupt gibt. Ein Nichtdurchführen eines Projektes sollte für ein Unternehmen lebensbedrohlich sein. Sonst müsste es dieses Projekt doch nicht geben, oder? Und genau dieses Herausarbeiten des Sinns und Zwecks eines Projektes stellt den Wert dar. Hat man dieses erst einmal erarbeitet, muss es auch nicht vertraglich festgelegt werden. Es ist ja auch gar nicht möglich. Hier zählt dann Vertrauen ineinander.

Haben Sie beispielsweise im Rahmen der Vorbereitung ihrer Hochzeit (Falls Sie nicht verheiratet sind, können Sie auch jede beliebige andere Feier nehmen, die Sie irgendwann einmal vorbereitet und durchgeführt haben.) den Wert der Feier zusammen mit allen Beteiligten vertraglich festgelegt? Nein? Schade, dann war die Feier wohl ein Reinfall.

Fazit

Manager und Führungskräfte muss es gelingen, Rahmenbedingungen in ihren Unternehmen zu institutionalisieren, in denen sich die Mitarbeiter ähnlich engagiert und couragiert einsetzen können, wie sie es beispielsweise beim Ausüben ihrer Hobbies im Privaten tun. Das ist für mich Management 2.0 in absoluter Höchstform.

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3 Responses to Projekt 2.0 – Es geht um Haltung, Werte und Vertrauen

  1. Arne says:

    Interessant, besonders der Vergleich mit dem Vorgehen im Privaten. Allerdings wird dort erbrachte Leistung üblicherweise nicht mit Geld bezahlt (sondern Dank, Anerkennung, Verpflichtung usw.). Und beim Geld hört ja bekanntlich nicht nur das Vertrauen auf, sondern sogar die Freundschaft…

  2. Michael says:

    Hallo Conny!

    Danke für diesen Artikel!
    Beim Lesen kam mir der Gedanke, daß man “Management 2.0” eigentlich gar nicht braucht.
    Warum? Weil es das, was fehlt und du in deinem Fazit schreibst, bereits schon einmal gab:
    Den “ehrbaren Kaufmann”!
    Zugegeben: eine mittlerweile sehr seltene und vom Aussterben bedrohte Spezies.
    Bedroht von Misstrauen und Zerstörung des Lebensraums durch Null Fehlertoleranz.

    Aber wenn es der Erhaltung der Art und Wiederherstellung optimaler Lebensräume dient, dann eben “Management 2.0”.

    • Hallo Michael,

      da stimme ich Dir vollkommen zu. Das Alles ist nicht neu. Ich denke aber, dass wir Menschen durch die Technologisierung und Industrialisierung diese Einstellung verloren haben. Ein Grund dafür ist, dass der Mensch in diesen Zeiten zu einer Produktionsmaschine oder auch Produktionsfaktor trivialisiert wurde. Es gilt also nicht unbedingt etwas Neues zu erfinden, sondern sich auf das was schon einmal da war zurück zu besinnen.

      BG, Conny

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